*Fotostory* Klaudia - Farben der Sehnsucht

  • Kapitel 63: Lady Klaudia



    Nach mehreren Stunden im Schönheitssalon durfte ich wieder nach Hause. Dort angekommen legte ich Lottchen in ihr Bettchen und ließ mich in den Sessel im Kinderzimmer fallen. Ich ruhe meine Augen nur eine Sekunde lang aus, dachte ich. Und eh ich es mich versah, war ich auch schon eingenickt. Geweckt wurde ich durch Francesco, der das Kinderzimmer betrat und unsere Tochter aus dem Bettchen hob. Sie hatte dort bereits wach gelegen und blickt ihren Papa nun lächelnd aus großen Augen an. Mit ihren winzigen Händchen griff sich nach seinem Gesicht. Francesco überließ im Allgemeinen mir die Arbeit mit Lottchen. Ich wickelte und fütterte sie, und auch nachts, mit Ausnahme einiger Wochenenden, war ich diejenige die aufstand, wenn sie Aufmerksamkeit verlangte. Das war ok für mich, denn immerhin musste Francesco jeden Morgen früh das Haus verlassen. Aber wenn er dann abends geschafft heimkehrte, ließ er es sich nicht nehmen, erst einmal nach oben zu gehen und seine Tochter in den Arm zu nehmen.



    Francesco schien mich erst richtig wahrzunehmen, als er Lottchen wieder in ihr Bettchen gelegt und die Spieluhr über ihrem Kopf aufgedreht hatte. Doch als sein Blick schließlich auf mich fiel, stutzte er kurz. „Du siehst heute anders aus, Klaudia“, stellt er fest. Augenblick überzögen eine tiefe Röte meine Wangen. „Alexis und ich waren in der Stadt…Vorbereitungen für unseren Auftritt am Wochenende“, stotterte ich. Er musterte mich immer noch intensiv und mit heisere Stimme fügte er hinzu: „Du siehst…schön aus.“



    „Danke“, antwortete ich schüchtern und mein Kopf lief nun vollends feuerrot an. Ich machte einen Schritt nach hinten und stolperte dabei fast über den Sessel. Und bevor ich mich vollends blamierte flüchtete ich mich in mein Schlafzimmer. Völlig atemlos lehnte ich mich mit dem Rücken gegen den Vorhang. Du siehst schön aus. Diese Worte kreisten unentwegt in meinem Kopf. Und gleichzeitig breiteten sich in meinem Bauch wieder die Schmetterlinge aus, die ich so mühsam eingefangen hatte. Klaudia, du dumme Nuss, er liebt dich nicht! Ermahnte ich mich selbst ein ums andere Mal. Doch es dauerte viele Minuten, bis diese Erkenntnis meinen Verstand tatsächlich erreichte.



    Als ich mich wieder halbwegs gefasst hatte und nach unten ging, fand ich Francesco in seine Arbeit vertieft am Esszimmertisch vor. Wenn er so schnell wieder umschalten konnte, konnten ihm die Worte von vorhin nicht viel bedeutet haben. Also sollte auch ich sie schnell wieder vergessen. Ich wollte ihn daher auch nicht weiter stören, doch im Vorbeigehen fiel mein Blick auf einen Mappe mit Dokumenten, die das Sky Meal Logo trug. Sky Meal? Das war doch die Firma, für die Tante Joanna in SimCity arbeitete.



    Das weckte nun doch meine Neugier. „Warum liegt denn eine Mappe der Sky Meal auf deinem Schreibtisch?“, fragte ich gerade heraus und setzte mich auf den freien Stuhl neben ihm. Francesco sah mich etwas verwirrt an, doch dann entdeckte er die Mappe hinter seinem Laptop. „Ach, die meinst du. Deine Tante hat sie mir gestern zugeschickt.“ Er klappte den Laptop zu.



    „In diesem Jahr werden die Cateringverträge der regionalen Flughäfen in Simskelad neu ausgeschrieben. Und die Sky Meal will hier nun auch Fuß fassen. Offenbar ist deiner Tante die Provinz Simster nicht mehr groß genug. Ihr Interesse am Flughafen von Rodaklippa mit seinen drei Starts und Landungen in der Woche ist natürlich nicht groß. Aber sie hat mich gebeten, ein gutes Wort beim Herzog in Simnorsk einzulegen. Das Angebot ihre Firma ist solide. Vielleicht nicht das günstigste, aber die Qualität scheint zu stimmen. Ich muss die Zahlen noch mal genau durchgehen. Aber so wie es aussieht, steht einer Empfehlung nichts im Wege.“



    Da mein Magen sich mit einem lauten Knurren meldete, ließ ich Francesco weiter arbeiten und bereitete das Abendessen zu. Doch während ich Nudeln und Tomatensoße kochte, musste ich immer wieder an die Sky Meal Mappe denken. War das etwa der Grund, warum Tante Joanna so erpicht darauf war, mich mit Francesco zu verheiraten? Wollte sie Vorteile daraus ziehen, dass Francesco mit den anderen Lords und dem Herzog gut bekannt war, und sich so die lukrativen Cateringverträge sichern? Irgendwie schmerzte mich dieser Gedanke. Bislang bin ich davon ausgegangen…ja wovon eigentlich? Das Tante Joanna nur mein Bestes im Sinn hatte? Sie wollte mir sicher nicht schaden, aber ganz sicher hatte sie auch einen eigenen Nutzen von diesem Deal. War ich etwa nur eine Ware für sie? Das konnte und wollte ich einfach nicht glauben. Und doch ließ mich der Gedanke nicht mehr los. Und ehe ich es mich versah, hatte ich auch schon das komplette Essen versalzen. Na toll, jetzt durfte ich wieder von vorne beginnen.


    *****



    Am Samstag war es dann so weit. Francesco hielt seine Rede vor dem Rathaus. Während ich noch mit Lottchen im Inneren des Gebäudes wartete, wurde mein Mann zunächst nur von seiner Assistentin Amy unterstützt. Es war eine schwierige Rede. Die Wirtschaft befand sich schon seit längerem in einer Krise und dementsprechend waren die Einnahmen aus der Gewerbesteuer erheblich eingebrochen. Und das bedeutete, dass Kürzungen im Etat der Stadt und der ganzen Lordschaft unausweichlich waren.



    Die Bevölkerung war darüber verständlicherweise nicht glücklich. Die Rede wurde von lauten Protesten begleitet. Ich konnte die wütenden Aufschreie und gelegentlichen Buhrufe selbst durch das geschlossene Fenster deutlich hören. Mir wurde bei dem Gedanken ganz mulmig, gleich vor diese grölende Menge treten zu müssen. Aber Francesco sprach nicht das erste Mal vor einer aufgebrachten Menge. Er versucht ihre Ängste mit Argumenten zu beschwichtigen, versprach, dass die Einschnitte nur vorrübergehend wären und, und das schien die Menschen am stärksten zu besänftigen, dass das Haus Hartfels solange ebenfalls auf einen Teil der ihm zustehenden Einkünfte aus öffentlicher Hand verzichten werde.



    Und dann lenkte er die Rede auf die Präsentation unserer Tochter. „Bewohner von Rodaklippa, die Zeiten sind schwierig und sie werden auch noch lange Zeit schwierig bleiben. Aber es ist unsere gemeinsame Aufgabe, für unsere Kinder eine sichere und nachhaltige Zukunft zu schaffen. Ich habe schon oft davon gesprochen, aber die Bedeutung dieser Worte ist mir erst durch die Geburt meiner eigenen Tochter so richtig bewusst geworden.“ In diesem Augenblick gab mir Francescos Assistentin Amy das Signal, aus dem Inneren des Rathauses zu treten und mich zu Francesco an das Rednerpult zu stellen. Auf meinem Arm hielt ich unser kleines Lottchen. „Begrüßen Sie meine wunderschöne Frau, Lady Klaudia, und unser bezauberndes Mädchen, die nächste Lady von Rodaklippa, Karlotta Elisabeta Klaudia Hartfels. Für sie und für alle Kinder Rodaklippas müssen wir jetzt an einem gemeinsamen Strang ziehen.“



    Es war unglaublich, welcher Stimmungswechsel sich bei meinem und Lottchens Erscheinen in der Menschenmasse vollzog. Die Protestschreie verstummten vollständig. Stattdessen setzte ein zunächst leiser Applaus an, der stetig zu einem Beifallssturm anschwoll. Francesco stieg von dem Podest hinunter und legte seinen Arm um mich. Für die zahlreichen Reporter boten wir das Bild einer perfekten, glücklichen Familie. Und so fühlte ich mich auch. Und aus dem Applaus heraus konnte ich hören, wie sie nun Francesco zujubelten, den sie vor Minuten noch beschimpft hatten. Aber sie riefen nicht nur nach ihm. Das laute „Karlotta“ und „Lady Klaudia“ war nicht zu überhören.

  • Kapitel 64: Kindersegen



    Wieder zuhause legte ich Lottchen zunächst ins Bett und ging anschließend wieder ins Wohnzimmer, wo Francesco bereits eine Flasche Wein geöffnet hatte. Als er mich die Treppe hinunterkommen sah, stand er vom Sofa auf und kam auf mich zu. „Klaudia, du hast dich heute überaus gut geschlagen. Ich war ehrlich beeindruckt, wie du selbstbewusst vor die nicht gerade freundlich gesinnte Menschenmasse getreten bist.“ Es war das erste wirkliche Kompliment, was ich jemals von Francesco erhalten hatte. Vielleicht hatte er bereits ähnliche Worte verwendet, aber noch nie zuvor hatten seine Augen mich dabei so voller Anerkennung angesehen. Unverzüglich schoss mir die Röte in die Wangen. Und gleichzeitig machte sich auch ein ungekanntes, angenehmes Gefühl in meinem Körper breit.



    „Ich bin ehrlich, bei unserer Hochzeit war ich mir nicht sicher, ob du wirklich für ein Leben als Frau an der Seite eines Lords geeignet bist. Aber heute hast du meine Zweifel beiseitegeschoben. Du hast mir vor unserem Volk den Rücken gestärkt. Und offenbar lieben sie dich. Und glaub mir, es ist nicht leicht, ihre Liebe zu gewinnen.“ Ich wusste gar nicht, was ich darauf erwidern sollte. Aber das war auch nicht nötig, denn schon bedeckten Francescos Lippen meinen Mund.



    In meinem Kopf schrillten alle Alarmsirenen. Aber ebenso hätte neben mir ein Zug entgleisen können und ich hätte es nicht bemerkt. Schon gar nicht, als Francesco unseren Kuss unterbrach und mich erwartungsvoll anblickt. „Wollen wir…wollen wir hochgehen…gemeinsam?“, fragte er angespannt. „Wenn es noch zu früh ist nach der Geburt oder du…“ Ich unterbrach ihn, indem ich einen Finger auf seine Lippen legte. Dann nahm ich seine Hand und lotste ihn in mein Schlafzimmer.



    Es war das erste Mal, dass wir seit unseren Flitterwochen miteinander schliefen. Nach unserer so missglückten ersten Nacht im neuen Haus hatten weder Francesco noch ich es gewagt, dieses Thema anzusprechen. Und nach der Geburt brauchte ich erst einmal eine Erholungspause. Doch die war nun schon lange vorbei und ich merkte, wie sehr mir die körperliche Nähe zu Francesco gefehlt hatte. Es gab kein Feuerwerk, keinen Funkenregen. Der Akt unterschied sich nicht von den Malen zuvor…und war mir damit so angenehm vertraut. Francesco schlief danach rasch ein. Und ich…ich lugt unter der Decke hervor und sah ihn an. Ich hatte Angst, dass wenn ich mich rührte er sofort aufwachen würde. Und dann würde er gehen, dessen war ich mir sicher. Und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass er bei mir blieb. Ich wusste nicht, was der heutige Tag für uns zu bedeuten hatte. Liebte er mich doch? Vermutlich nicht. Aber in dem Moment wollte ich nicht darüber nachdenken. Er lag jetzt neben mir und nur das zählte.



    Ich versuchte so lange wach zu bleiben, wie es ging. Doch irgendwann fielen auch meine Augen zu. Und als ich am Morgen von Lottchens Schreien geweckt wurde, fand ich die andere Seite des Bettes wie erwartet leer vor. Ich hatte es gewusst und trotzdem tat es weh. Ich konnte meine dummen Hoffnungen einfach nicht unterdrücken, so sehr ich mich auch anstrengte. Für einen kurzen Moment war ich wieder kurz davor in Tränen auszubrechen. Doch dann riss ich mich zusammen. Francescos Herz würde mir vielleicht niemals gehören. Aber Nächte wie die gestrige zeigten mir doch überdeutlich, dass ich es auch hätte weitaus schlimmer treffen könne.


    *****



    Am Anfang befürchtete ich noch, dass diese gemeinsame Nacht eine einmalige Ausnahme bleiben würde. Und sie wiederholte sich nicht sofort. Aber nach einigen Wochen schliefen wir wieder miteinander und dann noch einmal und noch einmal…Und so vergingen die Monate. Dem Frühling folgte ein heißer Sommer und gegen Ende des Augusts wurde ich Tante. Mein kleiner Bruder wurde Vater eines wunderschönen Jungen, den Tammy und er Thassilo nannten.



    Ich fuhr oft hinüber zur Farm meiner Eltern um meinen kleinen Neffen zu besuchen. Und Lottchen nahm ich meistens mit. Mama und Papa freuten sich immer sehr, ihre Enkeltochter zu sehen. Und zwischenzeitlich hatte ich mich sehr gut mit Tammy angefreundet. Inzwischen hatte sie sich gut bei meinen Eltern eingelebt und Sky und sie waren immer noch verliebt. Dennoch war die Traurigkeit in Tammys Gesicht schwer zu übersehen. Den Grund dafür kannte ich nur zu gut. „Haben deine Eltern noch immer nicht versucht, ihren Enkelsohn zu sehen?“, fragte ich sie.



    Tammy schüttelte traurig mit dem Kopf. Sie sah aus, als ob sie gleich in Tränen ausbrechen würde. „Sie haben uns weder Besucht, noch angerufen. Sie meinten es ernst, als sie sagten, dass ich für sie gestorben sei. Mein jüngerer Bruder Emille war aber letzten Sonntag hier.“ Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, wenn auch nur für einen Augenblick. „Er konnte aber nur ganz kurz bleiben. Meine Eltern durften nicht wissen, dass er hier war. Ich konnte die Angst, dass sie erführen, dass er noch Kontakt zu mir hat, förmlich in seinen Augen sehen. Trotzdem war es schön, ihn bei mir zu haben, wenn auch nur für einen kurzen Moment.“



    Mama und Papa hatten mehr als einmal versucht, mit Frau und Herrn Pinkerton-Bartelby zu sprechen, doch Tammys Eltern ließen nicht mit sich reden. Tammy tat mir so schrecklich leid, aber mehr als ihr Mut zuzusprechen, konnte ich auch nicht tun. Ich war froh zu sehen, dass sich ihre Trauer nicht auf Thassilo übertrug. Sie liebte den Kleinen aufrichtig. Und Sky erging es nicht anders. Tammy und er schienen das Elternsein gut zu meistern. Allerdings waren derzeit noch Sommerferien und ich konnte mir vorstellen, dass alles etwas schwieriger werden würde, wenn die Schule erst einmal wieder los ging.


    *****



    Als ich einige Tage später im Stadtpark spazieren ging, erwartete mich eine weitere Überraschung. Lottchen schlief im Kinderwagen und ich genoss die warme Spätsommersonne, als ich jemanden meinen Namen rufen hörte. Ich öffnete die Augen und entdecke eine winkende Magda, die die Straße querte und auf mich zu kam.



    Ich sah bereits ihrem Gesichtsausdruck an, dass sie mir etwas Wichtiges mitteilen wollte. Und ich musste nicht lange auf die Neuigkeit warten. „Claude, ich bin schwanger!“, verkündete sie freudestrahlend. Meine Überraschung stand mir deutlich ins Gesicht geschrieben. „Etwa von Jamie?“, fragte ich verwirrt. Sie hatte in letzter Zeit keinen Freund erwähnt. Und jetzt wo Jamie und sie allein in unserem alten Haus lebten…



    „Nein, doch nicht von Jamie“, winkte Magda augenrollend ab. „Wir sind nur noch Mitbewohner und Freunde. Nein, ich bin schwanger von Holden.“ In meinem Kopf begann es zu rattern. HoldenHolden. Dann machte es Klick. „Etwa dein Arbeitskollege Holden?“ Magda nickte eifrig. „Dein verheirateter Arbeitskollege Holden Pierce-Wozny?“, fragte ich weiter, nur um ganz sicher zu gehen. Bei dem Wort verheiratet verdrehte Magda zwar erneut die Augen, aber sie nickte.



    „Holden hat gesagt, er wird seine Frau verlassen“, erklärte Magda. „Zwischen ihm und seiner Frau läuft es schon lange nicht mehr gut. Und jetzt wo ich schwanger bin, hat er eingesehen, dass er keine Zukunft mehr mit ihr hat.“ Plötzlich kam mir ein böser Gedanke. „Du hast es nicht etwa auf diese Schwangerschaft angelegt, damit er sich von seiner Frau trennt, Magda?“ Meine Cousine begann sich unruhig zu winden. „Vielleicht habe ich ein oder zweimal die Pille vergessen“, gestand sie schließlich. „Aber du, Claude, solltest mir deswegen keinen Vorwurf machen. Wer hat sich denn gleich beim ersten Mal von einem Lord schwängern lassen?“ Eins zu null für Magda.



    Und eigentlich ging es mich auch gar nichts an, mit wem meine Cousine zusammen war und von wem sie ein Kind erwartete. Ich hatte zwar meine Zweifel, dass ihre Beziehung mit Holden unter diesen Umständen eine Zukunft haben würde, aber sie wirkte glücklich und das war das Wichtigste. Und es würde mich nicht wundern, wenn Magda es doch schaffen würde, all das zu bekommen, was sie sich wünschte. In der Vergangenheit hatte sie das ja schon mehr als einmal bewiesen. Also schob ich all meine Bedenken beiseite und freute mich einfach für sie. Unglaublich, bald würde mein kleines Lottchen noch einen zweiten Cousin oder eine Cousine zum Spielen haben.

  • Kapitel 65: Wie die Zeit verfliegt



    Obwohl ich anfangs Zweifel an der gemeinsamen Zukunft von Magda und Holden gehegt hatte, schaffte meine Cousien es wieder einmal mich zu überraschte. Kurz vor dem Geburtstermin war sie immer noch glücklich mit Holden zusammen. Er hatte sich von seiner Frau getrennt und die beiden wollten zusammenziehen, sobald das Kind auf der Welt war. Die letzten Wochen ihrer Schwangerschaft gestalteten sich etwas schwierig, weswegen Magda auch nicht beim ersten Geburtstag meines Lottchens dabei sein konnte. Unglaublich, inzwischen war schon ein Jahr vergangen, seitdem dieses kleine Wunder in mein Leben getreten war.



    Die Feier fand im engsten Kreis der Familie statt und alles wurde ganz einfach gehalten. Eine lecker Torte, heiße Würstchen, knusprige Zwiebelringe und Menschen, die ich liebte. Mehr brauchte es für eine gute Party nicht. Und Lottchen würde sich an diesen Tag ohnehin nicht erinnern können, wozu also unnötigen Aufwand betreiben? Meine Schwiegermutter sah das naturgemäß ganz anders und ließ ihren Unmut auch deutlich erkennen. Aber sie war Gast in meinem Haus. Und da sie Wert auf Etikette legte, musste sie auch akzeptieren, dass es mir als Gastgeberin zustand, selbst über die Gestaltung der Feier zu bestimmen.



    Lottchen genoss einfach nur den ungewohnten Trubel im Haus. Zunächst hatte sie die vielen Menschen nur kritisch beäugt. Doch Papa braucht nur eine Grimasse zu ziehen und schon gluckste sie vor Freude. Jetzt, mit einem Jahr war ganz deutlich zu erkennen, dass sie Francescos Tochter war. Hätte meine Schwiegermutter nicht sofort einen Vaterschaftstest verlangt, spätestens jetzt wären alle Zweifel aus der Welt geräumt gewesen. Lottchen hatte Francescos olivfarben Haut, seine dunklen Haare und seine eisblauen Augen. Ich war fast schon enttäuscht, dass sie mir überhaupt nicht ähnlich sah. Aber das war vielleicht auch gut so…immerhin war ich nicht gerade eine Schönheit, auch wenn ich mit dem richtigen Styling inzwischen das Beste aus mir herausgeholt hatte.



    Obwohl es Lottchens Party war, war sie doch die erste, die ins Bett musste. Wir Erwachsenen feierten hingegen noch weiter. Und wie es bei meiner Familie nun mal üblich war, wurde früher oder später das Radio aufgedreht und ausgelassen getanzt. Mama war natürlich die Erste auf der Tanzfläche. Und sogar mein sonst so zurückhaltender Mann konnte sich ihrem Charme nicht entziehen und wagte ein Tänzchen. Eine rundum gelungene Party.

    *****



    Wenige Tage nach Lottchens Geburtstag brachte Magda einen gesunden Jungen zur Welt. Meine Cousine mochte wohl mehr über Männer wissen, aber in Sachen Umgang mit Babys hatte ich ihr einiges voraus. Und so war zum ersten Mal ich es, die Magda etwas zeigen konnte. Der kleine Rocky wohnte in meinem alten Zimmer, das Magda und Holden zu einem gemütlichen Kinderzimmer umgebaut hatten. Und was für mich das erstaunlichste war: Magda und Holden waren immer noch zusammen. Und nach Rockys Geburt war er tatsächlich bei ihr eingezogen.



    Ich hatte ein wenig Bedenken, wie Jamie sich mit dieser Situation arrangieren würde. Irgendwie stellte ich es mir nicht so toll vor, mit der Ex-Freundin und deren neuen Mann unter einem Dach zu leben. Aber sowohl er als auch Magda behaupteten, dass es ihnen nichts ausmachen würde. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihren Beteuerungen Glauben zu schenken. Und daher genoss ich es einfach, wieder in der Cilia Gade zu sein. Natürlich hatten sich hier seit meinem Auszug einige Dinge verändert, aber irgendwie fühlte es sich immer noch wie Zuhause an. Selbst ein einfacher Käsetoast schmeckte hier besonders gut. Daran konnte selbst Magda mit ihren Worten, „Ich hoffe, du hast den Light Käse genommen. Dein Kleid sitzt ohnehin schon so eng an der Hüfte“, nichts ändern.



    Doch ich fühle mich auch in meinem neuen Zuhause, Haus Vanderley, wohler und wohler. Und dazu hatte Lottchen nicht im Unwesentlichen beigetragen. Inzwischen krabbelte sie wie eine Weltmeisterin im ganzen Haus herum. Es war undenkbar, sie jetzt noch in ein Körbchen neben der Staffelei legen zu wollen, um in Ruhe zu malen. Aber schließlich fand ich ein Mittel, um sie wenigstens für eine Weile zu Beschäftigen. Den Steckkasten mit den bunten Bauklötzen liebte sie abgöttisch.



    Und ich liebte es, ihr beim Spielen zuzusehen. Ich wollte diesen Moment festhalten, also begann ich erneut sie zu malen. Jetzt wo sie sich bewegte, war es noch schwieriger als beim ersten Mal, wo sie noch ein Baby war. Und es brauchte auch mehrere Anläufe, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden war. Immerhin musste ich mir als Lady von Rodaklippa nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen, wie ich die Farben und Leinwände bezahlen konnte. Nein, über finanzielle Fragen musste ich mich nie wieder sorgen.



    Doch Lottchen liebte nicht nur den Steckkasten, sondern auch ihr kleines Glockenspiel. Ich war mir sicher, dass diese frühkindliche musikalische Förderung sicher einmal sehr sinnvoll sein werden würde, aber das ständige Geklimper schlug mir doch arg auf die Nerven. Zum Glück war Francesco in dieser Hinsicht sehr viel härter im Nehmen. Im schien der Krach überhaupt nichts auszumachen und wenn er Zeit dafür fand, saß er so lange bei Lottchen, wie sie Lust zu spielen hatte.



    Diese Momente nutze ich dann, um ungestört zu malen. Mein Kopf war voller Ideen. Mir fehlte lediglich die Zeit, sie auch umzusetzen. Wenn ich malte, dann hatte ich das Gefühl, wieder zu mir zu finden. Mit der Palette in der einen und dem Pinsel in der anderen Hand wurde ich wieder zu Klaudia. Schüchtern, nicht gerader hübsch, dafür aber eine leidenschaftliche Malerin. Unterstützt wurde dieses Gefühl von der Tatsache, dass das Malen die einzige Tätigkeit war, wo ich ganz offiziell auf die schicken Klammotten verzichten konnte. Es wäre ja viel zu schade, wenn ich sie mit den Farben bekleckert hätte. Und in einem Schlabbershirt und einem bequemen Baumwollrock fühlte ich mich einfach am wohlsten.



    Und noch mehr Zeit zum Malen gewann ich durch unser Hausmädchen Fionna. Meine Schwiegermutter lag mir schon seit der Hochzeit damit in den Ohren, dass wir ein Hausmädchen einstellen sollten. Immerhin ginge es nicht an, dass die Lady von Rodaklippa sich selbst die Hände mit niederer Hausarbeit schmutzig machte. Nun, obwohl ich ein sehr ordentlicher Mensch war, konnte ich mir auch schönere Dinge als Putzen vorstellen. Aber der Gedanke, ständig eine fremde Person um mich zu haben, war mir nicht geheuer. Letztendlich verhinderte die angespannte Haushaltslage der Lordschaft lange Zeit die Einstellung eines Hausmädchens und ich dachte schon, dass das Thema vom Tisch sei, bis…nun bis Fionna auf einmal vor der Tür stand. Es dauerte eine Weile, aber schließlich hatte ich mich an ihre Gegenwart gewöhnt. Und inzwischen war ich ihr sehr dankbar für die Arbeit, die sie mir abnahm.

  • Kapitel 66: Ultimatum



    In den folgenden Wochen malte in ununterbrochen. Und als ich zwei Serien von Bildern fertiggestellt hatte, rief ich Melinda an. Meine Galeristin war sofort Feuer und Flamme, hatte ich doch schon lange keine neuen Bilder mehr abgeliefert. Sie kam noch am selben Tag vorbei, um sich meine neusten Werke anzusehen. Obwohl ich das Prozedere fast schon auswendig kannte, war ich dennoch so aufgeregt wie beim ersten Mal, als ich ihr ein Bild präsentierte. Gespannt wartete ich auf ihr Urteil.



    „Klaudia, diesmal haben Sie sich selbst übertroffen“, schwärmte Melinda. „Die Bilder sind fantastische. Die Motive, die Komposition, die technische Ausführung…das sind wahre Meisterwerke.“ Ich hört ihr mit offenem Mund zu. „Wir müssen sofort eine Ausstellung planen. Vielleicht könnten Sie ja noch einige weitere Bilder malen. Und dann sollten wir daran denken, die Bilder nicht nur hier in Rodaklippa, sondern auch in Simnorsk oder gleich in SimCity zu zeigen. Die Leute werden begeistert sein.“



    Eine Ausstellung in SimCity war schon immer mein Traum gewesen. Melinda musste mich also nicht lange von dieser Idee überzeugen. Begeistert tauschten wir Ideen für weitere Bilder aus und Melinda begann sich schon Gedanken über die notwendige Werbung zu machen. Wir waren so in unser Gespräch vertieft, dass ich gar nicht bemerkte, wie meine Schwiegermutter, die im Garten mit Lottchen gespielt hatte, nun mit meiner Tochter auf dem Arm die Treppe hinaufstieg. Einen Moment blieb sie bei uns stehen und lauschte unsere Unterhaltung. Dann brachte sie Lottchen in ihr Zimmer.



    Als sie wieder aus Lottchen Zimmer kam, standen Melinda und ich vor den beiden Bildern, die ich von meiner Tochter gemalte hatte. „Ich schätze, dass Sie sich von diesen beiden Bildern nicht trennen wollen, nicht wahr, Klaudia?“ „Nein, diese beiden stehen nicht zu Verfügung“, bejahte ich ihre Frage. „Zu schade, zu schade.“ Wir unterhielten uns noch einen Moment, doch dann musste Melinda auch wieder weiter. Aber wir machten einen Termin für nächste Woche aus, um weiter Details meiner Ausstellung zu besprechen.



    Ich hatte Melinda gerade verabschiedet und die Tür kaum hinter mir geschlossen, als Lady Eleonore auch schon auf mich zu kam. Und sie sah nicht erfreut aus…ich meine noch weniger, als sie es ohnehin schon tat. „Klaudia, ich hoffe dir ist klar, dass du diese geplante Ausstellung augenblicklich absagen musst. Ich wollte dich nicht in Gegenwart einer Fremden belehren, aber für die Lady von Rodaklippa ist es undenkbar, dass sie Bilder zum Verkauf anbietet, wie eine einfache Straßenkünstlerin.“



    Die Worte meiner Schwiegermutter waren wie ein Schlag ins Gesicht. „Aber…aber wieso?“, stammelte ich. „Es sind doch nur Bilder. Ich schade doch niemandem damit.“ „Klaudia, bist du denn wirklich so naiv? Dieser Frau, dieser Melinda, geht es doch in erster Linie gar nicht um deine Bilder, sondern lediglich um den Namen Hartfels. Was glaubst du was für eine Wirkung dein Name hat? Die Leute würden deine Bilder kaufen, egal was darauf zu sehen ist, alleine weil sie von der Lady von Rodaklippa gemalt wurden. Und was würde das für den Ruf unserer Familie bedeuten? Wir würden wie eine geldgierige Bande wirken, die vor nichts zurückschreckt, um ihren Reichtum weiter zu mehren. Die Presse würde sich ihr Maul über uns zerreißen. Und das Letzte was wir gebrauchen können, ist das wir in diesen ohnehin schwierigen Zeiten, in denen hinter jeder Ecke ein Republikaner lauert, der uns stürzen will, negativ beim Volk auffallen. Du hast doch selbst miterlebt, wie heftig die Proteste bei Francescos letzten öffentlichen Auftritten waren.“



    „Und Kunst ist zudem ein so kontroverses Thema. Die Menschen interpretieren gerne Dinge in Bilder hinein, die sie dort sehen wollen. Bevorzug solche Dinge, die einen Skandal hervorrufen werden. Es ja spricht nichts dagegen, dass du zu deinem Vergnügen malst und mit den Bildern euer Haus verschönerst. Und wenn du ab und an eines deiner Bilder, bevorzugt harmlose Landschaften, dem Krankenhaus spendest oder sie bei einer wohltätigen Tombola als Preis zur Verfügung stellst, dann gewinnt unsere Familie dadurch sogar an Ansehen. Aber dass du mit deinen Bildern Geld verdienst, das ist undenkbar und völlig inakzeptabel. Klaudia, ich sage dir das nicht, um dich zu kränken oder weil es mir Spaß macht, dich zu quälen. Aber du bist jetzt die Lady von Rodaklippa und als solche musst du bei jeder deiner Handlungen darüber nachdenken, welche Auswirkungen diese auf deinen Mann und die Familie haben. Und wenn dir diese Weitsicht fehlt, dann sehe ich mich leider gezwungen, dich auf deine Fehler hinzuweisen.“


    *****



    Ich befand mich in einer Schockstarre. Ich war nicht in der Lage, mich gegen meine Schwiegermutter aufzulehnen, und schon gar nicht ihr ein gutes Gegenargument zu liefern. Wie in Trance ging ich in Lottchens Zimmer, nachdem sie das Haus verlassen hatten. Ich nahm ein Buch aus dem Regal und begann meiner Tochter vorzulesen. Doch immer wieder stockte ich im Text, den mit meinen Gedanken war ich ganz wo anders. Ich würde keine Bilder mehr verkaufen könne. Dieser Gedanke war so furchtbar, dass ich ihn lange nicht fassen konnte. Doch dann wurde mir klar, dass ich ohne die Malerei, und dazu gehörte auch der Verkauf meiner Bilder, einfach nicht glücklich sein konnte.



    Schon als ich hörte, wie der Schlüssel im Schloss gedreht wurde, sprang ich vom Sofa auf. Francesco schaffte es gerade noch, seine Aktentasche abzustellen, als ich auch schon auf ihn einstürmte. „Du musst mit deiner Mutter reden, Francesco! Sie hat gesagt, ich darf meine Bilder nicht mehr verkaufen. Nicht einmal ausstellen soll ich sie. Das würde sich für die Lady von Rodaklippa nicht gehören. Das kann nicht ihr Ernst sein! Du musst mit ihr reden!“



    „Klaudia, nicht so hastig“, unterbrach er mich mit ruhiger Stimme. „Was genau ist denn vorgefallen, während ich im Rathaus war?“ Ich berichtete ihm von Melindas Besuch, den Ideen zur Ausstellung und der Reaktion seiner Mutter auf unsere Pläne. Doch leider merkte ich schnell, dass er meine Empörung über Lady Eleonores Aufforderung an mich nicht teilte. „Klaudia, Mutter hat vermutlich Recht. Mit dem Verkauf deiner Bilder könntest du wirklich ein ungünstiges Licht auf unsere Familie werfen. Ich verstehe, dass du nicht bloß tatenlos Zuhause rumsitzen möchtest. Aber in dem Fall findet Mutter sicher eine Position als Schirmherrin einer wohltätigen Organisation für dich. Das wird eindeutig der bessere Weg sein.“



    Aber ich wollte nicht die Schirmherrin irgendeiner doofen Organisation sein! Ich wollte malen! Und das teilte ich Francesco auch lautstark mit. „Ich liebe meine Kunst und ich werde sie nicht aufgeben. Ich male schon seit ich ein Kind bin und ich bin gut darin, Francesco! Es ist die einzige Sache, in der ich wirklich gut bin, und das willst du mir mit deiner Mutter jetzt wegnehmen?“ „Klaudia, du darfst ja weiterhin malen. Mutter sagt nur…“ Doch jetzt platzte mir endgültig der Kragen. „Ich höre immer nur ‚Mutter sagt‘ und ‚Mutter will‘. Ich weiß, dass sie dir wichtig ist, Francesco, aber ich bin deine Frau! Ich! Du solltest auf meiner Seite stehen! Und jetzt verlange ich von dir, dass du zu ihr gehst und ihr erklärst, dass du damit einverstanden bist, dass ich meine Bilder weiterhin ausstellen und verkaufen kann, ganz egal, was sie davon hält.“



    Ich erschrak selbst über meine Worte, kaum dass ich sie ausgesprochen hatte. Wo hatte ich bloß den Mut her genommen, so mit Francesco zu reden? Als ich nun in seine zusammengekniffenen Augen blickte, dich mich kalt anstarrten, hätte ich am liebsten alles zurückgenommen und ihn um Verzeihung angefleht. Doch dazu ließ er mir gar keine Möglichkeit, denn er drehte sich wortlos um und verließ mit einem lauten Türknallen das Haus.



    Das Knallen der Tür war so laut, dass selbst Lottchen davon wach wurde, die zuvor noch in ihrem Bettchen geschlummert hatte. Vielleicht wäre ich Francesco ja nachgelaufen, aber das Weinen meiner Tochter konnte ich einfach nicht ignorieren und eilte umgehend in ihr Zimmer.



    „Ist ja gut, mein Spätzchen“, beruhigte ich mein Mädchen und nahm sie auf den Arm. „Das war nur der Wind. Alles ist gut.“ Und unter meinen liebevollen Streicheleinheiten beruhigte sich Lottchen schnell wieder. Ich wünschte, meine Tränen wären auch so einfach getrocknet, doch sie bahnten sich gerade erst ihren Weg in die Freiheit. Ich hatte Angst. Angst weil ich wusste, dass Francesco wütend war und Angst, weil ich keine Ahnung hatte, wo er hingegangen sein könnte und wann er wiederkommen würde.

  • Kapitel 67: Wut



    Francesco und ich hatten gestritten und er verließ mit lautem Türknallen das Haus. Der Lärm weckte meien Tochter und ich musste sie zunächst beruhigen. Nachdem Lottchen wieder eingeschlafen war, ging ich hinunter ins Wohnzimmer. Ich entfachte ein Feuer im Kamin, kochte mir einen Kräutertee, und setzte mich dann in einen der Sessel und beobachtete die lodernden Flammen. Mir blieb nichts anderes übrig als zu warten, bis Francesco wieder heim kehrte. Und schließlich hörte ich die sich öffnende Tür und Francescos Schritte, die auf mich zu kamen.



    Eilig erhob ich mich aus dem Sessel und blickte Francesco erwartungsvoll an. Doch da ich so lange in das helle Feuer geblickt hatte, konnte ich sein Gesicht im Halbdunkeln kaum erkenne. „Es ist alles geklärt“, verkündete er grimmig. Doch dieser Unterton seiner Stimme ging in meiner Freude über seine folgenden Worte unter: „Ich habe deinem Wunsch entsprochen und Mutter mitgeteilt, dass du weiterhin beruflich als Malerin tätig sein wirst.“ Die Überraschung war mir deutlich ins Gesicht geschrieben.



    „Das…das ist ja wunderbar“, jauchzte ich glücklich und ging auf Francesco zu, um ihn zu umarmen. Doch meiner Freunde wurde ein jähes Ende gesetzt. „Nichts ist daran wunderbar, Klaudia“, fuhr er mich an. „Du hast mich in eine unmögliche Situation gebracht. Ja, ich bin dein Mann und sollte dich unterstützen. Aber du als meine Frau solltest mir auch nicht das Messer an die Kehle setzen! Bring mich nie wieder in eine Situation, wo ich mich zwischen dir und meiner Mutter entscheiden muss. Hörst du Klaudia, nie wieder! Wenn du ein Problem mit ihr hast, dann kläre das in Zukunft selbst. Ich werde nicht deine Kämpfe für dich austragen und schon gar nicht gegen meine Mutter.“



    Erschrocken wich ich zurück. Ich hatte Francesco noch nie so wütend erlebt. Wenn ich es recht bedachte, dann hatte ich ihn, mit Ausnahme von heute, noch nie wütend erlebt. Griesgrämig ja, aber niemals wütend. Und ihn so zu sehen machte mir Angst. „Es tut mir leid“, erwiderte ich mit bebender Stimme, nachdem er geendet hatte. „Das will ich auch hoffen“, war seine einzige Reaktion darauf, bevor er die Treppe hinaufstieg und in seinem Schlafzimmer verschwand.



    Als er weg war begann ich erst heftig zu zittern, dann brachen wieder die Tränen hervor. Ich fühlte mich so elend. Es war eine Sache, von Francesco nicht geliebt zu werden. Aber zu sehen, wie wütend er auf mich war, war noch etwas ganz anderes. Ich lehnte mich gegen den Kaminsims und ließ meinen Gefühlen freien Lauf. Das Problem war nur, dass sich dadurch nichts verbessern würde. Ich hatte Francesco gegen mich aufgebracht und ich wusste nicht, wie ich das wieder gut machen konnte. Zu wissen, dass ich weiterhin als Malerin arbeiten konnte, war mir in dieser Situation nur ein kleiner Trost.


    *****



    Ich sah noch einmal nach Lottchen und zog mich dann ebenfalls in mein Schlafzimmer zurück. Zum ersten Mal war ich froh darüber, dass Francesco und ich uns kein Zimmer teilten. Doch obwohl ich sehr müde war, konnte ich nicht einschlafen. Rastlos wälzte ich mich von einer Seite auf die andere. Und immer wenn ich meine Augen schloss, sah ich Francescos wütendes Gesicht. Dieses Bild würde ich nie wieder los werden. Ich war kurz davor, vor Verzweiflung erneut in Tränen auszubrechen, als es leise an meiner Tür klopft. „Klaudia, darf ich rein kommen?“, hörte ich Francesco fragen. Und im Gegensatz zu vor wenigen Stunden klang seine Stimme jetzt wieder ganz ruhig. Ich war dennoch kurz versucht, ich ohne Antwort vor der Tür stehen zu lassen. Aber schließlich bat ich ihn herein.



    Allerdings blieb ich wie erstarrt auf dem Bett liegen und wagte nicht einmal in seine Richtung zu blicken, als er das Zimmer betrat. Francesco seinerseits blieb nach wenigen Schritten stehen, halb verborgen hinter der Kommode. „Klaudia, es…es tut mir leid, dass ich vorhin so laut geworden bin.“ Mein Herz begann bei diesen Worten zu rasen und meine Hände krallten sich in der Bettdecke fest. Aber ich blickte nicht zu ihm auf. Francesco sprach dennoch weiter. „Ich war wütend…auf die Situation, nicht auf dich. Und auch wenn ich meinte, was ich gesagt habe, so hätte ich es doch anders formulieren müssen. Ich wollte dir keine Angst machen.“ Noch immer sah ich ihn nicht an. Aber ich gab ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass ich ihn gehört hatte. Damit musste Francesco sich vorerst zufrieden geben.



    Wir schliefen beide schlecht in dieser Nacht. Ich wusste es von mir ganz genau und konnte es am nächsten Morgen eindeutig an Francescos zerknirschtem Gesicht ablesen. Als sich unsere Blicke beim Frühstück trafen, konnte ich so etwas wie ein schlechtes Gewissen in seinem Blick ablesen. Aber wir sprachen nicht darüber. Das war nicht unsere Art. Und als er das Haus verließ, um ins Rathaus zu fahren, wusste ich, dass wir das Thema nie wieder ansprechen würden.


    *****



    In den Wochen zuvor hatte ich das Gefühl gehabt, dass Francesco und ich endlich begannen, einen Zugang zueinander zu finden. Doch unser Streit hatte die Tür wieder zufallen lassen. Ich hoffte, dass Lottchen davon nichts mitbekommen würde. Und darum kümmerte ich mich besonders intensiv um sie. Langsam begann sie zu sprechen. Das Wort „Mama“ war ihr schon mehrmals über die Lippen gekommen. Und inzwischen war ich mir auch sicher, dass sie damit ganz eindeutig mich meinte.



    Das Sprechen würde noch eine Weile brauchen. Dafür klappte es mit dem Laufen aber schon ganz gut. Zumindest kurze Strecken konnte Lottchen gegen Ende des Sommers bereits ohne Hilfe zurücklegen. Und im weichen Gras hinter dem Haus musste ich mir auch keine Sorgen machen, dass sie sich verletzte, wenn sie doch mal auf die vier Buchstaben fiel.



    „Das hast du toll gemacht, Lottchen“, lobte ich sie, als sie fast fünf Meter ohne zu stolpern auf mich zugegangen war und warf sie in die Luft, was meiner kleinen Maus ein zufriedenes Glucksen entlockte. Sie war einfach mein Sonnenschein. Ein Blick in ihr lachendes Gesicht und ich konnte all meine anderen Probleme vergessen.

  • Kapitel 68: Eine weise Frau



    Mein süßes Lottchen lenkte mich von all meinen Problemen ab. Nun, zumindest zeitweise, denn allzu schnell holten sie mich auch wieder ein. Ich hatte meinen Willen bekommen und im Herbst wurde meine neue Ausstellung in der Galerie in Rodaklippa eröffnet. Und sie fand großen Anklang. Die Galerie war so gut besucht wie selten zuvor und meine Bilder fanden rasch ihre Käufer. Und dennoch blieb ein schaler Nachgeschmack. Die Worte meiner Schwiegermutter gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Mochten die Menschen meine Bilder wirklich oder nur deshalb, weil sie von Lady Hartfels gemalt worden waren? Ich würde mir dessen nie sicher sein können und ich merkte, wie mir diese Ungewissheit den Spaß an der Malerei nahm.



    Das einzige, dessen ich mir sicher war, war die Liebe meiner Tochter. Und jetzt im Herbst lief sie wie wild im Garten umher, versuchte, die von den Bäumen herabfallenden Blätter zu fangen oder die Eichhörnchen zu streicheln, die sich zahlreich in unserem Garten blicken ließen. Zum Glück war das Grundstück so groß und an der Vorderseite mit einem Zaun versehen, dass ich mir keine Sorgen machen musste, dass sie unbemerkt auf die Straße lief. So konnte ich sie auch für einige Augenblicke unbeobachtet lassen und mich ganz dem Schnitzen der Halloweenlaternen widmen.



    Tammy kam oft mit Thassilo vorbei. Mein kleiner Neffe konnte zwar noch nicht so flink laufen wie Lottchen, aber die beiden spielten gerne miteinander. Lottchen hatte gleich die Rolle der großen Schwester übernommen und versuchte ihrem Cousin wo es ging zu helfen. Sie drückte ihm einen dicken Schmatzer auf den Mund oder holte ihm die Spielsachen aus der Kiste, an die er noch nicht selbst heran kam. Nun ja, manchmal nahm sie ihm die Spielsachen auch weg oder haute ihn damit, aber so waren Kinder nun einmal.



    Heute spielten sie jedenfalls ganz friedlich miteinander. Und Tammy und ich konnten auf der Bank Platz nehmen, den beiden beim Spielen zusehen und uns unterhalten. Irgendwie kamen wir auf das Thema Heiraten, da Magda vor kurzem angedeutet hatte, dass Holden ihr möglicherweise bald einen Antrag machen wollte. „Und wie sieht es bei dir und Sky aus, Tammy?“ fragte ich die Freundin meines Bruders. „Habt ihr auch schon über das Heiraten gesprochen?“



    „Wenn ich ehrlich sein soll, Sky hat mir vor kurzem einen Antrag gemacht. Ganz romantisch mit Kerzenschein, auf die Knie gehen und einem wundervollen Ring“, offenbarte Tammy und überraschte mich damit vollständig. „Aber warum weiß ich dann davon noch nichts!“, entfuhr es mir. „Nun, weil ich seinen Antrag abgelehnt habe“, gestand Tammy und brachte mich damit noch mehr aus der Fassung, als mit der ersten Neuigkeit.



    „Aber warum? Liebst du ihn denn nicht? Ihr habt doch sogar ein Kind zusammen?“, überhäufte ich sie mit Fragen. „Oh, Klaudia, ich liebe Sky aufrichtig. Und er liebt mich auch, daran habe ich keinen Zweifel. Sonst hätten wir die ersten Monate nach Thassilos Geburt nicht gemeinsam überstanden. Das ist es also nicht. Ich hätte auch gerne ‚Ja‘ gesagt, aber ich wusste, dass es nicht richtig gewesen wäre. Wir sind zu jung zum Heiraten, Klaudia. Wir sind 17 und wir wissen beide nicht, wie unsere Zukunft aussehen wird. Nächsten Sommer machen wir beide unseren Abschluss. Und dann will Sky studieren. Er freut sich schon richtig darauf und spricht immer davon, dass wir dann gemeinsam an die Uni in Simnorsk gehen können. Aber wie stellt er sich das vor? Sollen wir etwa zu dritt dort hin? Er, ich und Thassilo? Ich kann ihn schließlich nicht allein lassen. Ich bin mir sicher, dass Oxana sich bereitwillig um ihn kümmern würde. Aber ich könnte mich nicht von meinem Jungen trenne. Und mit Kind an der Uni würde es weder für mich noch für Sky leicht werden.“



    „Und ich muss auch gar nicht an die Uni. Das ist Skys Traum, nicht meiner. Meine Noten sind nicht gerade die besten. Und ich hab auch nicht wirklich Lust, noch weiter drei Jahre zu büffeln. Weißt du, deine Mutter meinte sogar, sie könnte ein gutes Wort beim Obstgroßhändler einlegen, bei dem sie ihre Äpfel verkauft. Ich könnte dann eine Ausbildung zur Großhandelskauffrau machen. Ich könnte in Rodaklippa bleiben, bei meinem Sohn. Und Oxana würde mir weiterhin mit ihm helfen. Und Sky könnte in Ruhe studieren…ohne mich. Klaudia, wir lieben uns, aber ich mache mir keine Illusionen. Er wird für fünf Jahr weg sein. Und selbst wenn wir uns zwischendurch immer sehen, so eine Fernbeziehung kann nicht lange funktionieren. Dafür sind wie einfach zu jung. Er wird an der Uni eine andere kennenlerne. Und wer weiß, vielleicht lerne ja auch ich jemand Neues kennen. Und dann will ich nicht, dass wir an ein Versprechen gebunden sind. Wir sollen zusammen sein, weil wir es beide wollen und nicht, weil wir und dazu verpflichtet fühlen. Ich will ihn mit einer Ehe nicht an mich fesseln.“



    Ich war sprachlos. Dieses Mädchen neben mir, gerade einmal 17 Jahre alt, war mir doch an Reife und Weisheit Jahrzehnte voraus. Sie war bereit, Sky ziehen zu lassen, weil sie genau wusste, dass es für sie beide das Beste war. Sofort musste ich an meine eigene Beziehung zu Francesco denken. Hatte ich ihn etwa mit unserer Hochzeit an mich gefesselt? Wollte er auch weg und hatte bloß keine Möglichkeit mehr dazu. Oder war ich diejenige, die an ihn gefesselt war, ohne Aussicht auf Entkommen? Beide Möglichkeiten waren schrecklich und beide trafen sie vermutlich zu. Francesco und ich waren aneinandergefesselt. Wir konnten es uns in unseren Fesseln vielleicht etwas bequemer machen, aber lösen konnten wir sie nicht.


    *****



    Ich überlegte erst, Francesco drauf anzusprechen. Doch was hätte das gebracht? Entweder er hätte es verneint, aber ich wusste, dass in dem Fall immer ein Rest Mistrauen in mit verblieben wäre. Und wenn er mit zugestimmt hätte, dann wäre das noch viel schlimmer. Es war eine Sache zu denken, man sei in Fesseln. Zu wissen, dass es so war, war eine ganz andere Geschichte. Zum Glück passierten aber auch viele schöne Dinge in meinem Leben. Lottchens erstes Halloweenfest gehörte dazu. Sie sah so niedlich in ihrem gelben Hasenkostüm aus und die bunten Laternen zogen sie magisch an.



    Magda besuchte mich oft und brachte auch Rocky mit. Er und Lottchen spielten dann in ihrem Zimmer. Rocky war noch zu klein um wirklich mit Lottchen zu spielen. Er schien seine Cousine noch gar nicht richtig wahrzunehmen. Aber es war dennoch ein schöner Anblick, sie gemeinsam zu sehen.



    Als die Tage immer kälter und kälter wurden, musste Lottchen auch mehr Zeit im Haus verbringen. Zu Anfang wollte sie einfach nicht begreifen, warum sie nicht mehr auf dem Rasen herumtollen durfte. Doch dann gab ich ihr meinen Kuschelpanda, der seit meinem Umzug nach Vanderley in einem Karton gelegen hatte. Für Lottchen war es Liebe auf den ersten Blick. Während ich ihr am warmen Kaminfeuer aus einem Märchenbuch vorlas, spielte sie stundenlang mit dem Panda, umarmte ihn, gab ihm Küsschen und plapperte auf ihn ein.

    Einmal editiert, zuletzt von Stev84 ()

  • Kapitel 69: Elisabetta



    Zu Weihnachten lag eine dicke Schneedecke über Rodaklippa. Den Heiligen Abend verbrachten wir auf Vanderley. Meine Eltern, Sky, Tammy und Thassilo, Magda, Holden und Rocky, meine Schwiegermutter, Alexis, ihr Freund John und sogar Tante Joanna waren gekommen. Und da jeder ein Geschenk mitbrachte, türmte sich bald schon ein riesiger Geschenkehaufen neben dem geschmückten Tannenbaum auf.



    Wir stimmten den Abend mit einigen Weihnachtsliedern an. Alexis spielte auf dem Keyboard und der Rest von uns sang mit…nicht unbedingt schön, aber voller Begeisterung.



    Unsere der Kleinsten waren natürlich besonders aufgeregt. Für Lottchen und Thassilo war es bereits das zweite Weihnachtsfest. Aber in diesem Jahr bekamen sie zum ersten Mal richtig mit, dass es etwas ganz besonderes war. Und so wollten wir sie auch nicht länger auf die Folter spannen und ließen sie ihre Geschenke auspacken.



    Anschließend waren wir Erwachsenen an der Reihe. Reihum durfte jeder zu dem Berg von Geschenken gehen, ein Geschenk herauspicken und es demjenigen überreichen, für den es bestimmt war. Derweil las Magda uns und den Kleinen aus der Weihnachtsgeschichte vor.



    Als jeder seine Geschenke ausgepackt und begutachtet hatte, mussten wir nur noch auf das Essen warten. Zu diesem Anlass hatte Lady Eleonore extra ihr Haumädchen mitgebracht, die in der Küche Zugange war, während wir uns im Wohnzimmer unterhielten. Meine Schwiegermutter hatte Lottchen auf den Arm genommen und meine Kleine kuschelte ihr Köpfchen an ihre Oma. „Gefällt dir die Puppe, die die Oma die geschenkt hat, Elisabettchen?“, fragte sie und ich konnte hören, wie meine Tochter ein schüchternes „Ja“ nutschelte. Ich war froh, dass Eleonore ihre Enkelin so sehr mochte. Was mir aber böse aufstieß war, dass sie Lottchen zum wiederholten Mal mit ihrem zweiten Vornamen ansprach. „Eleonora, es wäre mir Recht, wenn du Karlotta bei ihrem ersten Vornamen ansprechen würdest.“ Es kostete mich einige Überwindung, diese Bitte auszusprechen, aber es musste einfach sein. „Du verwirrst Lottchen nur, wenn du sie Elisabetta nennst.“



    Falls ich auf Einsicht meiner Schwiegermutter gehofft hatte, so wurde ich schnell eines Besseren belehrt. „Ach Klaudia, du übertreibst doch maßlos. Ich verwirre meine Enkelin doch nicht, nicht wahr Elisabettchen? Du magst es doch, wenn Omi dich so nennt? Elisabetta ist doch ein wundervoller Name?“ Zur Bestätigung begann meine Tochter fröhlich zu glucksen, was aber auch daran liegen mochte, dass Eleonore sie sanft kitzelte. „Da hörst du es, Klaudia“, sagte sie selbstzufrieden. „Und hätten Francesco und du gleich auf mich gehört und unserer Prinzessin Elisabetta statt Karlotta genannt, dann hätten wir jetzt überhaupt kein Problem.“ Geschlagen blickte ich zu Boden. Was sollte ich denn jetzt noch erwidern?



    Hilflos blickte ich mich im Raum um. Und tatsächlich entdeckte ich Francesco, der unweit von uns an der Treppe stand und das Gespräch sicher mitbekommen hatte. Mit flehendem Blick bat ich stumm um Hilfe. Er brauchte nur ein Wort zu sagen und ich war mir sicher, dass Eleonore unserer Kleine nie wieder Elisabetta nennen würde. Doch Francesco sah mich lediglich mürrisch an und schüttelte langsam mit dem Kopf. Er hatte mir unmissverständlich klar gemacht, dass er sich nicht mehr zwischen mich und seien Mutter stellen würde. Und daran würde sich nichts ändern. Das allein schmerzte schon. Aber es schmerzte noch mehr zu sehen, dass Eleonore die Szene zwischen mir und Francesco erfasst hatte. Sie hatte gewonnen und das wusste sie auch genau.



    Zum Glück rief uns Anke in dem Moment zu Essen. Andernfalls wäre ich vor meinen Gästen in Tränen ausgebrochen und hätte meiner Schwiegermutter einen noch größeren Triumpf bereitet. Ich verschwand nur kurz im Badezimmer, um mich ein wenig zu sammeln und gesellte mich dann aufgesetzt fröhlich zu den übrigen, als ob nichts vorgefallen wäre.



    Das Essen war köstlich, aber ich hatte von Anke auch nichts anderes erwartet. Nach dem Essen saßen wir alle noch zusammen, unterhielten uns und genossen das ein oder andere Gläschen Wein. Doch irgendwann wurden die beiden Jungs müde und quengelig und so verabschiedete sich meine Familie. Alexis, John und Eleonore blieben noch etwas länger. Und während sich Francesco mit seiner Schwester und deren Freund bei einem weiteren Glas Wein unterhielt, nahm mich meine Schwiegermutter beiseite. „Klaudia, Elisabetta“, sie genoss es sichtlich, diesen Namen auszusprechen, „wird in wenigen Monaten zwei. Es wird an der Zeit, dass Francesco und du euch um die Bildung der Kleinen kümmert. Da du es bislang abgelehnt hast, eine Gouvernante für Elisabetta einzustellen, wird es höchste Zeit, dass sie in einen Kindergarten kommt.“ „Meinst du nicht, dass das etwas früh ist?“, entgegnete ich. „Ich will Lottchen nicht aus ihrer vertrauten Umgebung reißen. Und außerdem bin ich doch Zuhause und kann mich um sie kümmern. Und Rocky und Thassilo kommen häufig zum Spielen vorbei, Lottchen ist also nicht allein. Ich sehe also wirklich keinen Bedarf dafür, sie in den Kindergarten zu schicken oder gar eine Gouvernante einzustellen.“



    „Nun Klaudia, wenn du Elisabetta in den Kindergarten geben würdest, hättest du mehr Zeit, um gewissenhafter deinen Pflichten als Lady von Rodaklippa nachzukommen.“ Ihre Worte waren ein erneuter Schlag ins Gesicht „Tue…tue ich etwa nicht alles, was von mir erwartet wir.“ Fragte ich verunsicherter, als es mir lieb war. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass ich wenigstens meine Rolle als Lady Hartfels gut spielte. „Das Volk ist dir zugetan, Klaudia. Aber das ist auch nicht schwer, wenn man selbst aus dem Volk kommt. Und solange Elisabetta noch klein ist, werden dir die Herzen der Menschen weiterhin zufliegen. Aber du hast es bislang vernachlässigt, die anderen Lords und Ladys von dir zu überzeugen. Du lässt dich nicht oft genug auf Partys und Festen blicken. Du besuchst zu selten wohltätige Veranstaltungen. Und eine eigene Wohltätigkeitsgala oder eine Tombola hast du auch noch nicht organisiert. In den Augen der übrigen Lords und Ladys hast du bislang sehr wenig getan. Sie könnten glauben, dass du deine Pflichten nicht ernst nimmst und dich auf deinen Privilegien ausruhen willst. Es muss sich also dringend etwas ändern, Klaudia.“



    Meine Schwiegermutter musste gar nicht weiter sprechen. Sie hatte mir jetzt schon ein schlechtes Gewissen gemacht. Ich musste mich mehr anstrengen und ich sah ein, dass das nur ging, wenn ich Lottchen in den Kindergarten gab. „Du…du hast vermutlich Recht.“ „Sicher habe ich das, Kind.“ „Ich werde noch einmal mit Francesco darüber sprechen. Und dann werden wir Lottchen gleich im neuen Jahr im städtischen Kindergarten anmelden. Vielleicht ist ja auch ein Platz für Thassilo und Rocky frei, dann wäre Lottchen nicht so allein.“ Das plötzliche Schrille lachen meiner Schwiegermutter ließ mich zusammenzucken. „Kind, du beliebst doch wohl zu scherzen. Du kannst Elisabetta doch nicht in einen städtischen Kindergarten geben. Du weißt durch Francesco doch sehr genau, wie leer die Stadtkassen momentan sind. In einer städtischen Einrichtung wird ihr nicht die Aufmerksamkeit zuteil, die sie für ihre optimale Entwicklung braucht. Dort wird sie im besten Fall aufbewahrt, und dann könntest du sie genauso gut gleich bei dir behalten. Nein, unserer Elisabetta muss selbstverständlich eine private Einrichtung besuchen. Ich halte die Einrichtung bei den Balmoral Hügeln am Stadtrand für angemessen. Die Kinder meiner guten Freundin Lady Klippenbruch waren dort und sie hatte nur positives zu berichten.“ Die Klippenbruchs waren die zweite in Rodaklippa ansässige Adelsfamilie. Die beiden Kinder waren inzwischen allerdings bereits im Grundschulalter.



    „Im Balmoral Kindergarten wird Elisabetta in den Genuss der besten frühkindlichen Förderung kommen“, erzählte Lady Eleonore weiter. „Die Erzieherinnen legen einen großen Wert auf intensives Sprachtraining und eine frühzeitige musikalische Bildung. Und Elisabetta hat dort die Möglichkeit, ihre ersten gesellschaftlichen Kontakte zu knüpfen. Nicht das ich etwas gegen Thassilo oder Rocky hätte, es sind reizende Kinder“, ihr Tonfall strafte ihre Wort Lüge, „aber Elisabetta muss Kinder kennen lernen, die ihr in sozialer Stellung näher stehen. Das ist wichtig für ihre Entwicklung.“ Sie hatte mich schon fast überzeugt. Doch mit ihrem letzten Satz überkam mich mit einem Mal das Gefühl, dass es meiner Schwiegermutter nur darum ging, dass Lottchen möglichst früh vom einfachen Volk getrennt werden sollte. Und das wollte mir nicht schmecken.



    „Nein, Eleonore, ich gebe dir Recht, dass Lottchen einen Kindergarten besuchen sollte, aber der städtische Kindergarten wird diesen Zweck wunderbar erfüllen. Ich halte es für wichtig, dass sie mit Kindern aus allen sozialen Schichten zusammen kommt. Für ihre künftige Rolle als Lady von Rodaklippa ist das von größter Wichtigkeit. Und denk doch nur was für ein positives Bild das auf unsere Familie werfen würde. Es würde zeigen, dass Francesco vollstes Vertrauen in unser staatliches Bildungswesen setzt.“ Doch meine Schwiegermutter reagierte sehr ungehalten auf meinen Einwand. „Jetzt mach dich doch nicht lächerlich, Klaudia. Ich will nur das Beste für meine Enkelin und der Kindergarten in den Balmoral Hügeln ist das Beste für sie. Lass nicht zu dass dein verletzter Stolz ihren Zukunftsaussichten im Weg steht. Elisabetta ist nicht wie andere Kinder. Sie ist eine Lady. Je früher sie das begreift, und auch du das begreifst, desto besser für uns alle. Und nun entschuldige mich Klaudia. Ich sag noch meiner Enkelin und meinem Sohn Gute Nacht und dann werde ich nach Hause fahren.“



    Während Francesco unsere verbliebenen Gäste an der Tür verabschiedete, setzte ich mich gedankenversunken auf das Sofa in dem nun leeren Wohnzimmer. Hatte Eleonore Recht? Stand mein Stolz meiner Tochter tatsächlich im Weg? War ich nur deswegen gegen diesen elitären Kindergarten, weil ich selbst in einfachen Verhältnissen ausgewachsen war? Wollte ich nur aufgrund von Prinzipien meiner Tochter den besten Start in ihre Zukunft verwehren?



    „Stimmt etwas nicht, Klaudia?“ Francesco hatte den Raum betreten und setze sich nun zu mir auf das Sofa. „Sonst strahlst du zu Weihnachten doch vor Freude. Was bedrückt dich?“ Ich wollte zunächst antworten, dass alles in Ordnung sei. Seine Anteilnahme überraschte mich und gerade deswegen wollte ich nicht zugeben, dass ich wieder einmal mit seiner Mutter aneinandergeraten war. Ich wusste ja, wie er dazu stand. Aber hier ging es nicht nur um mich, sondern vor allem um Lottchens Zukunft. Also erzählte ich ihm von meiner Auseinandersetzung mit Eleonore.



    Zu der Namensfrage äußerte er sich auch jetzt nicht. Das war ein Kampf, den ich allein austragen würde müssen. Denn Lottchen fand es toll, von ihrer Oma Elisabetta genannt zu werden. Sie hatte kein Problem mit diesem Namen. Ich hatte ein Problem damit. Und auch nur deshalb, weil ich wusste, dass mir Eleonore mit dessen Benutzung eins auswischen wollte, weil ich mich bei Lottchens Geburt gegen ihren Namensvorschlag aufgelehnt hatte. Was den Kindergarten betraf, so pflichtete er allerdings seiner Mutter bei. „Der Balmoral Kindergarten hat einen sehr guten Ruf. Wir sollten ihn uns auf jeden Fall ansehen. Und Mutters Einwände gegen den städtischen Kindergarten sind nicht unbegründet. Ich habe erst heute die Entlassung einer weiteren Erzieherin unterschreiben müssen. Darüber hinaus bezweifle ich, dass Karlotta dort gut vor der Presse abgeschirmt werden würde. Die Reporter ständen bestimmt ständig bei den Eltern der anderen Kinder auf der Matte. Der städtische Kindergarten ist einfach zu öffentlich. In einer privaten Einrichtung könnte sie sich sehr viel geschützter entwickeln.“



    Obwohl er dieselbe Ansicht wie seine Mutter vertrat, waren Francescos Argumente ganz andere. Mit seiner sonoren Stimme hatte er mich sofort davon Überzeugt, dass es richtig war, Lottchen in den Balmoral Kindergarten zu schicken. „Könntest du mich in den Arm nehmen?“, bat ich schließlich schüchtern, nachdem ich zugestimmt hatte, den Kindergarten gleich im neuen Jahr in Augenschein zu nehmen. Francesco hob zwar verwundert die Augenbrau, aber er legt dann ohne zu protestieren seinen Arm um mich und hielt mich fest. Ein zufriedener Seufzer entfuhr meine Brust. In seinen Armen erschienen mir die Probleme mit seiner Mutter plötzlich gar nicht mehr so schlimm. Und ich versuchte diesen Moment so lange es ging festzuhalten, denn ich wusste nur zu gut, wie schnell er wieder vorbei sein würde.

  • Kapitel 70: Kinderwunsch



    Wie besprochen sahen Francesco und ich uns im Neuen Jahr den privaten Balmoral Kindergarten an. Und ich musste zugeben, dass es eine ausgezeichnete Einrichtung war. Die Ausstattung war auf dem neusten Stand und die Erzieherinnen machten einen sehr netten und kompetenten Eindruck. Wir meldeten Lottchen also an. Gerade in den ersten Wochen blieb ich noch lange bei ihr, damit sie sich langsam daran gewöhnen konnte, von mir längere Zeit getrennt zu sein. Aber ich merkte schnell, dass es ihr im Kindergarten viel Spaß machte. Ich lernte auch die Eltern der übrigen Kinder kennen und musste erkennen, dass sie wirklich alle reich, aber trotzdem sehr freundlich waren. Nein, es würde Lottchen sicher nicht schaden, diesen Kindergarten zu besuchen, auch wenn sie nun Thassilo und Rocky nicht mehr so oft sah wie früher.



    Jetzt wo Lottchen tagsüber im Kindergarten war, konnte ich mich dem Vorwurf meiner Schwiegermutter stellen und mich intensiver um meine Verpflichtungen als Lady von Rodaklippa kümmern. Ich begann also, mich öfters mit den anderen Ladys der Provinz Simskelad zu treffen. Zunächst fiel mir das aufgrund meiner Schüchternheit sehr schwer. Doch als ich die Frauen besser und besser kennenlernte, begann ich unsere regelmäßigen Treffen sogar zu genießen. Insbesondere mit der gutmütigen alten Lady Sibille Lachsigton von Mörksjön und der aufgeweckten Lady Graziella Forstwacht von Djupenskog verband mich schon bald eine innige Freundschaft. Regelmäßig besuchte ich die beiden auf ihren Anwesen in Rodaklippas Nachbarstädten Mörksjön und Djupenskog, und im Gegenzug waren sie auch häufig Gast in meinem Haus.



    Aber ich engagierte mich auch verstärkt für unsere Stadt. Zu Beginn meiner Ehe mit Francesco waren mir alle öffentlichen Auftritte sehr unangenehm. Es fiel mir schwer, mich von fremden Menschen begutachten zu lassen. Doch zu meiner eigenen Überraschung wurde ich von der Presse stets in einem sehr positiven Licht dargestellt. Das nahm mir die Angst und mit der Zeit konnte ich mich schon sehr viel unbefangener in der Öffentlichkeit bewegen. Termine wie die Eröffnung des Sommerfestes, bereiteten mir inzwischen sogar richtig Freude.



    Und ich nutzte meine Stellung als Lady Hartfels, um etwas Gutes zu bewirken. Alexis führte mich in zahlreiche wohltätige Organisationen ein. Ich war somit fortan damit beschäftigt, Spendengalas und Tombolas zu organisieren, wobei meine wichtigste Aufgabe darin bestand, meinen Namen und mein Gesicht zur Verfügung zu stellen. Ich konnte es mir nicht erklären, aber die Leute waren sehr viel eher dazu bereit etwas für einen guten Zweck zu spenden, wenn sie von Lady Hartfels darum gebeten wurden. Noch eher waren sie zu einer Spende geneigt, wenn sie dafür auch etwas geboten bekamen. Wenn ich sie mit meinem Gitarrenspiel erfreute, dann sprudelte das Geld regelrecht. Meine Schwiegermutter rümpfte über derartig öffentliche Zurschaustellung zwar die Nase, aber da wir dadurch ungeahnte Summen einnahmen, war selbst sie zum Schweigen verurteilt.



    Noch besser kamen die Aktionen an, bei denen ich eines meiner Bilder versteigerte. Regelmäßig fanden Auktionen statt, aus deren Erlös Projekte im städtischen Krankenhaus, dem Kindergarten oder in der Schule finanziert wurden.



    Darüber hinaus begann ich mich auch verstärkt für Francescos Arbeit zu interessieren. Ich mischte mich niemals in das politische Tagesgeschehen ein, aber ich begleitete ihn nun öfters zu den öffentlichen Sitzungen des Stadtrates und lernte dabei seine Mitarbeiter und die übrigen, frei gewählten, Ratsmitglieder kennen.



    Gerade dies brachte Francesco und mich enger zusammen. Denn in den folgenden Monaten und Jahren unserer Beziehung kamen wir uns auf Gefühlsebene kaum näher. Wir schliefen regelmäßig miteinander und ab und zu zeigten wir uns auch Zuneigung, die über rein körperliche Bedürfnisse hinaus ging. Aber es wurde immer deutlicher, dass es zwischen uns keine Liebe gab. Diese Erkenntnis fiel mir schwer und ein letzter Funken Hoffnung bewahrte ich mir in meinem Herzen. Aber ich wartete nicht mehr darauf, dass sich die Liebe zwischen uns einstellen würde. Dafür knüpfte mein aufrichtiges Interesse an Francescos Arbeit ein anderes Band zwischen uns. Ohne dass wir es beabsichtigt hätten, wurden wir so etwas wie Kollegen. Francesco erkannte, dass er mit mir über die politischen Entscheidungen in Stadtrat sprechen konnte. Meine, zugegebenermaßen oft recht naiven, Ansichten brachten ihn zum Nachdenken und eröffneten ihm neue Perspektiven. Und er fand in mir eine wahre Unterstützung bei seinen Vorbereitungen und Recherchen.


    *****



    Doch was immer ich auch tat, es war nie genug, um Lady Eleonore zufrieden zu stellen. Und mit jedem Erfolg, den ich als Lady Hartfels zu verzeichnen hatte, fand sie etwas anderes, was sie an mir auszusetzen hatte. Insbesondere ein Thema hatte es ihr angetan. „Klaudia, die Sprechstundenhilfe meines Gynäkologen teile mir mit, dass du dir immer noch keinen Termin hast geben lassen. Ich dachte, wir wären uns nach unserem letzten Gespräch einig gewesen, dass du dich dringend untersuchen lassen solltest.“



    „Nein, Eleonore, du warst dir einig, dass ich dorthin gehen sollte“, entgegnete ich meiner Schwiegermutter gereizt. „Ich habe dir nämlich deutlich zu verstehen gegeben, dass ich mit meinem jetzigen Gynäkologen sehr zufrieden bin.“ Seit Monaten ging es darum, dass ich nicht erneut schwanger wurde. Francesco und ich hatten zwar nie über weitere Kinder gesprochen, aber da wir nicht verhüteten, war es abzusehen, dass es früher oder später dazu kommen würde. Zumindest sollte man das meinen. Allerdings waren seit Lottchen Geburt nun sechs Jahre vergangen und ich war immer noch nicht schwanger.



    Dabei hätte ich mir doch so gerne noch ein zweites Kind gewünscht. Ich wollte immer eine große Familie haben. Und vermutlich hatte auch Lady Eleonore sich das für ihren Sohn erhofft. Ich konnte ihre Frustration daher teilweise nachvollziehen. Denn auch ich war frustriert. Ich hatte mich schon vor drei Jahren gründlich untersuchen lassen. Doch die Ärzte konnten keinen Grund feststellen, warum ich nicht erneut schwanger werden könnte. Das hatte ich Eleonore auch schon des Öfteren erklärt und tat es auch heute. „Du könntest dennoch noch einmal zu meinem Arzt gehen. Es kann ja nicht schaden“, entgegnete sie, wobei ihrer Stimme anzuhören war, dass sie nicht mehr darauf pochen würde. Zumindest heute nicht mehr.



    Obwohl ich mir ein weiteres Kind wünschte, würde ich dennoch nicht zu Eleonores Arzt gehen. Denn ich war mir sicher, dass er trotz seiner Schweigepflicht das Ergebnis der Untersuchung sofort meiner Schwiegermutter melden würde. Und meine Gesundheit ging nur mich ganz alleine etwas an. Als Eleonore gegangen war, setzte ich mich in den Garten. Doch trotz des schönen Wetters war meine gute Laune nach ihrem Besuch dahin. Selbst wenn ich zu ihrem Arzt gegangen wäre, so hätte das nichts geändert, davon war ich überzeugt. Das Problem lag nicht an mir. Ich fürchtete eher, dass Francesco derjenige war, der seinen Arzt auf unser spezielles Problem ansprechen sollte. Und ich hatte das auch schon einmal angedeutet, gleich noch meiner ersten Untersuchung vor über drei Jahren. Francescos entsetzt-beschämte Miene würde ich nie vergessen. Es hatte zwei Wochen gedauert, bis er mir danach wieder in die Auge blicken konnte. Nein, ich würde ihn ganz sicher nicht noch einmal bitten, einen Arzt aufzusuchen. Vielleicht würde ich ja irgendwann doch noch schwanger werden. Aber so wie ich die Hoffnung auf Liebe schon vor längerem beiseitegelegt hatte, musste ich wohl auch die Hoffnung auf ein weiteres Kind ablegen.

  • Liebe deine Story immer noch und warte gespannt auf die Fortsetzung!:)


    Schön zu sehen, wie Klaudia immer selbstbewusster wird und ihre Meinung sagt :)
    Und dass sie mit Francesco wenigstens größtenteils gut zusammenleben kann auch wenn es schade ist, dass es zwischen beiden keine Liebe gibt aber das kann ja noch kommen oder;)

  • Kapitel 71: Mein Sonnenschein



    Ich lebte in einer nicht gerade glücklichen Ehe und die Chance auf ein zweites Kind blieb mir auch verwehrt. Aber ich hatte ja mein Lottchen, meinen kleinen Sonnenschein. Es war unglaublich, wie schnell sie groß wurde. Gerade noch krabbelte sie auf allen Vieren durchs Anwesen und heute war doch schon tatsächlich der Tag ihrer Einschulung. Wo waren die Jahre bloß geblieben?



    Doch nicht nur Lottchen, auch mein Neffe Thassilo wurde heute eingeschult. Die beiden kamen zwar in unterschiedliche Klassen, aber sie würden sich sicher häufig auf dem Pausenhof sehen. Immerhin waren die beiden beste Freunde.



    Magdas Sohn Rocky würde erst nächstes Jahr eingeschult werden. Er hatte erst lange geweint, weil er doch zusammen mit seinen Freunden zur Schule gehen wollte. Doch das schöne neue Spielzeugboot, das er von meinen Eltern geschenkt bekommen hatte, tröstete ihn wieder.



    Natürlich hatte es bei der Wahl der Schule für Lottchen wieder einmal Streit mit Eleonore gegeben. Da es im Gegensatz zum Kindergarten keine Privatschule in Rodaklippa gab, hatte sie darauf gepocht, Lottchen auf ein Nobelinternat in Simnorsk zu schicken. Glücklicherweise hatte Francesco in dieser Frage voll hinter mir gestanden und die Sache war schnell vom Tisch. Aber meine Schwiegermutter machte mir das Leben dennoch schwer, wo immer sie konnte. Und es wurde auch nicht dadurch leichter, dass meine Tochter ihre Oma abgöttisch liebte. Und ganz offenbar beruhte das auf Gegenseitigkeit. Ich schämte mich dafür, aber wenn ich die beiden so liebevoll miteinander umgehen sah, dann versetzte es mir jedes Mal einen kleinen Stich.



    Zur Einschulung seines Sohnes war mein kleiner Bruder Sky extra aus Nantesim angereist. Nach dem Abitur hat er an der dortigen Universität wie geplant mit dem Jurastudium begonnen. Und es fehlte nicht mehr viel, bevor er seinen erfolgreichen Abschluss in den Händen halten konnte. Und dann wollte er zurück nach Rodaklippa kommen. Zurück zu seinem Sohn und auch zurück zu Tamara. Die beiden hatten sich zunächst tatsächlich getrennt, als er sein Studium aufgenommen hatte. Im Laufe der Jahre hatte ich ein oder zweimal sogar den Namen eines anderen Mädchens aufgeschnappt, aber eine dauerhafte Beziehung war mein Bruder nicht eingegangen. Ganz anders Tamara, die über zwei Jahre mit einem jungen Mann zusammen war, den sie während ihrer Ausbildung kennengelernt hatte. Doch so ganz waren Tamara und Sky nie voneinander los gekommen. Tamara lebte mit Thassilo nach wie vor bei meinen Eltern und Sky war all die Jahre ein regelmäßiger Gast. Daher war keiner allzu sehr überrascht, als die beiden händchenhaltend zum Schulgebäude schlenderten. Ich wünschte den beiden aus ganzem Herzen, dass sie glücklich werden würden.



    Und ich sah auch genau, dass Thassilo sich darüber freute, seine Eltern wieder vereint zu sehen. Wer konnte es ihm das schon verübeln? Auch ich hatte mir nach der Trennung meiner Eltern nichts sehnlicher gewünscht, als dass sie wieder zusammen kommen würden, was, wenn auch mit einigen Jahren Verzögerung, schließlich funktioniert hatte. Schließling ertönte die Schulglocke und eine der Grundschullehrerinnen forderte die i-Dötze auf, sich von den Eltern zu verabschieden und sich am Schuleingang einzufinden. Noch einmal drehten sich Lottchen und Thassilo zu uns um und winkten uns zu.



    Dann drehten sie sich um und traten durch die Tür des Schulgebäudes in eine ganz neue Welt. Ein ganz neuer Lebensabschnitt würde jetzt für die beiden beginnen und mir wurde schmerzlich bewusst, dass mein kleines Mädchen erwachsen wurde.


    *****



    An sich ging Lottchen sehr gerne zu Schule. Sie fand schnell viele neue Freunde und kam gut mit den Lehrern aus. Aber mit dem Lernstoff tat sie sich schwer, wie ich fast jeden Abend feststellen musste, wenn ich ihr bei den Hausaufgaben half. „2 + 3 = …ähm…6?“, grübelte sie und sah mich dann erwartungsvoll an. „Nein, Lottchen, das ist leider nicht richtig“, erwiderte ich geduldig. „Versuch es noch einmal. Du kannst ja mit den Fingern nachzählen.“ Lottchen legte ihr Heft in den Schoß und zählte angestrengt ihre Finger. „2 + 3 =…ach, Mama, ich kann das nicht!“



    Frustriert schlug sie auf ihr Heft ein. „Lottchen, das ist doch nicht schlimm. Ich erkläre es dir noch einmal. Hier hast du zwei Finger“, ich hielt meine Hand hoch und deutete auf die ausgestreckten Finger, „und dann kommen noch drei dazu. Und dann musst du nur noch alle abzählen. Eins, zwei, drei, vier, fünf. Fünf, Lottchen, 2 + 3 = 5.“ Missmutig schrieb meine Tochter die Antwort auf. Doch die nächste Aufgabe „4 - 1 = ?„ fiel ihr ebenso schwer. „Mama, ich bin so müde“, sagte sie im weinerlichen Ton. „Und mein Kopf beginnt schon weh zu tun.“ Mein armes kleines Mädchen. „Na gut, Lottchen. Dann geh schon mal hoch und mach dich fürs Bett fertig. Ich rechne die Aufgaben dann für dich aus und du musst morgen früh nur noch die Ergebnisse eintragen. Aber verrate deinem Papa und deinen Lehrern nicht, wie sehr ich dir geholfen habe.“



    Lottchen ging erleichtert hinauf ins Badezimmer, und wenig später ging ich zu ihr hinauf, um ihr einen Gutenachtkuss zu geben. Sie war so müde, dass sie bereits fest schlief, als das Zimmer verließ. Die Schule setzte ihr wirklich zu. Ich hoffte, dass es mit der Zeit einfacher werden würde. Und während meine Tochter für den nächsten Tag Kraft sammelte, setzte ich mich an den Esszimmertisch und erledigte ihre Hausaufgaben.



    Wenn das so weiter ging, würde ich mit Lottchens Lehrern sprechen müssen, denn offenbar überforderten sie mein kleines Mädchen. Zum Glück kam sie dank meiner häufigen Unterstützung noch gut im Unterricht mit. Einige Wochen später fand ich sie am späten Nachmittag an der Staffelei vor, wie sie hektisch ein Bild malte. „Wir müssen das bis morgen fertig malen“, sagte sie mit zittriger Stimme. „Und dabei muss ich doch noch Schreiben üben. Mami, wie soll ich das bloß nur schaffen?“ Der verzweifelte Ton meiner Tochter zerbrach mir das Herz. „Weist du was, Lottchen, geh du doch schon mal in dein Zimmer und schreib deine Sätze ab und ich werde hier für dich weiter malen. Du bist ja fast schon fertig, also ist es beinah so, also ob du es selbst gemacht hättest.“



    Ich muss sie erst davon überzeugen, dass das wirklich in Ordnung war und dass sie nicht schummelte…und wenn, dann nur ein ganz kleines Bisschen. Mein Lottchen war einfach zu ehrlich. Während ich also zu Wasserfarben und Pinsel griff und das Werk meiner Tochter vervollständigte, ging sie in ihr Zimmer und machte fleißig ihre Schreibübungen.

  • JulieSmith Danke für deinen Kommentar :) Ja, Klaudia richtet sich in ihrem neuen Leben ein und es ist nicht ganz so schlimm, wie sie zunächst befürchtet hatte. Leider bekommt sie von Francesco immer noch nicht die Liebe, die sie sich eigentlich wünscht. Freundschaft ist zwar gut, aber sie will eindeutig mehr.

  • Kapitel 72: Ein kleiner Gefallen



    Eines Nachmittags pflegte ich gerade die Gemüsebeete im Garten, als Lottchen aufgeregt auf mich zugelaufen kam. „Mami, Mami! Darf ich am Wochenende zu Omi gehen? Bitte, bitte!“



    Ich war ein wenig verwirrt. Eigentlich stand schon seit Tagen fest, dass Lottchen am Wochenende zu meinen Eltern fahren sollte. „Aber sicher, doch, Mäuschen“, antwortete ich daher. „Opa und Oma Oxana freuen sich doch schon auf dich. Und Thassilo kann es auch kaum erwarten, dass sein Spielkameradin kommt.“ Doch Lottchen reagierte nicht so, wie ich es mir ausgemalt hatte. „Nein, nicht zu Oma Oxana“, antwortet sie genervt. „Ich will doch zu Omi Elli. Sie hat mir ein neues Puppenhaus gekauft und mit dem will ich das ganze Wochenende spielen. Thassilo will immer nur Ball spielen. Außerdem stinkt es bei Oma Oxana immer nach Kuh und Pferd. Ich will da nicht hin!“



    Es schmerzte mich, meine Tochter so von meinen Eltern reden zu hören. Ja, sie lebten auf einen landwirtschaftlichen Betrieb und da blieben die Gerüche nach Tieren nun mal nicht aus. Mir waren sie von klein auf wohl bekannt. Als kleines Mädchen liebte ich es, mit meiner Mutter auf die Rinderweiden in der Sierra Simlone rauszufahren oder mich einfach nur an meine Mutter zu kuscheln, wenn sie abends von den Feldern heim kam. Dieser typische Geruch war irgendwie unweigerlich mit meiner Mama verbunden. Aber auch ohne meine Enttäuschung über die Bevorzugung von Eleonore gegenüber meinen Eltern seitens meiner Tochter ging es einfach nicht an, die Pläne fürs Wochenende so kurzfristig zu ändern. „Mäuschen, wir haben Oma Oxana versprochen, dass du kommst. Sie hat bestimmt schon alles vorbereitet. Du kannst Oma Eleonore ja nächstes Wochenende besuchen, aber dieses Wochenende fährst du zu Oma und Opa.“



    Doch davon wollte meine Tochter nichts wissen. „Ich will da aber nicht hin!“, protestierte sie vehement. „Ich will zu Omi Elli! Ich will, ich will, ich will!“ Dabei stampfte sie wütend mit den Füßen in die von mir frisch umgegrabene Erde. „Mäuschen, beruhig dich doch“, bemühte ich mich, auf Lottchen einzureden, und meine Hände besänftigend auf ihre Schultern zu legen. Doch sie schlug meine Hände einfach beiseite.



    Und dann begann mein kleiner Liebling zu weinen. „Du bist so gemein zu mir, Mami“, warf sie mir schluchzend vor. „Du hast mich überhaupt nicht lieb. Sonst würdest du mich zu Omi Elli gehen lassen.“



    Das war mehr, als ich ertragen konnte. „Mäuschen, ist ja schon gut. Mami hat dich ganz doll lieb. Bitte weine doch nicht mehr.“ Ich drückte Lottchen fest an mich und streichelte und küsste ihr Haar. Und tatsächlich wurde das Schluchzen meines süßen Spätzchens leiser und leiser. „Und wenn du es so gerne möchtest, dann darfst du am Wochenende nach Schloss Hardsten. Oma und Opa laufen ja nicht weg. Du kannst sie auch nächstes Wochenende besuchen.“



    Das musste ich meinem Mäuschen nicht zweimal sagen. Wie der Wirbelwind stürmte sie mit lautem Jubelgeschrei davon, um ihre Tasche für das Wochenende zu packen. Jetzt musste ich nur noch Mama anrufen und ihr erklären, warum ihre Enkelin nicht zu ihr kommen würde. Und dabei fiel mir auch, dass ich Gespräche dieser Art in den letzten Monaten schon viel zu oft mit meiner Mutter führen musste.


    *****



    Aber zum Glück war Lottchen nicht immer so abweisend gegenüber meiner Familie. Und auch wenn sie mehr als einmal behauptete, Thassilo sei doof, so spielte sie doch erstaunlich gerne und oft mit ihm. In der Grundschule hatte sie neue Freunde gefunden, aber Thassilo war doch der häufigste Gast in unserem Haus. Und egal ob beim Spielen am Puppenhaus…



    …oder beim Bauen von Schlössern, Tieren oder gar ägyptischen Monumenten aus Bauklötzen, die beiden hatten viel Spaß miteinander.


    *****



    Einige Tage später erwartete mich eine angenehme Überraschung. Ich war im Garten und schnitt gerade einige Rosen für die Vasen im Esszimmer von unseren Rosensträuchern, als ich die Türglocke hörte. Und wenige Augenblicke später führte unser Hausmädchen Janny meine Tante zu mir auf die Terrasse. „Tante Joanna!“, begrüßte ich die Zwillingsschwester meiner Mutter überschwänglich, „ich wusste gar nicht, dass du in der Stadt bist. Wir hätten dich doch sonst zum Dinner eingeladen.“ Meine Tante nahm mich herzlich in den Arm. „Der Besuch war eine spontane Idee“, erklärte meine Tante. „Und ich werde auch nicht lange bleiben, also mach dir bloß keine Umstände.“



    Doch für einen Kaffee blieb genug Zeit. Ich ließ Janny das Gedeck auftragen und wir setzten uns in die warme Vormittagssonne. „Ich bin wegen Magda hier“, erklärte meine Tante und an ihrem strahlenden Gesichtsausdruck erkannte ich sofort, dass es dafür einen positiven Grund geben musste. „Eigentlich sollte ich noch niemandem etwas sagen, aber…Magda ist wieder schwanger.“ Entzückt presste ich die Hände an meine Brust. „Das ist ja wundervoll. Rocky wird sich über ein Geschwisterchen freuen.“ Tante Joanna stimmte mir zu. „Ich bin froh, dass meine Tochter sich in den letzten Jahren so gefestigt hat“, gestand sie mir. „Ich hatte ja so meine Zweifel, wie lange sie es mit Holden aushalten würde…oder er mit ihr. Aber sie scheint in den letzten Jahren wirklich Verantwortungsinn entwickelt zu haben. Ich bin stolz auf sie.“



    Wir tranken unseren Kaffee aus und unternahmen dann einen Spaziergang durch den Garten. Tante Joanna bewunderte die Grünanlagen und erkundigte sich nach meinem Wohlbefinden. „Francesco arbeitet viel, du kennst ihn ja“, berichtete ich. „Und Lottchen ist ein wahrer Sonnenschein. Und ich habe auch immer viel zu tun. Zusammen mit Lady Lachsigton organisiere ich demnächst eine Spendengala um Geld für das Obdachlosenheim zu sammeln. Und in etwa einem Monat darf ich Francesco nach Ägypten begleiten. Eine Baufirma aus Rodaklippa hat den Zuschlag für ein Großbauprojekt in Kairo erhalten und Francesco und ich sollen dem Spatenstich beiwohnen.“



    „Ägypten? Das ist so ein wundervolles Land, Klaudia“, schwärmte meine Tante. „Es ist dein erster Besuch, nicht wahr?“ Ich bejahte die Frage „Dann muss du dir unbedingt Zeit nehmen und die Pyramiden besichtigen. Und den Sphinx natürlich. Es ist schon so lange her, dass ich dort war. Früher, in meiner Zeit als Stewardess war ich oft in Ägypten. Und es hat sich mehr als einmal eine Möglichkeit ergeben, dass Land etwas näher zu erkunden. Hach, das waren noch wundervolle Zeiten“, die Augen meiner Tante begannen bei diesen Erinnerungen zu leuchten.



    „Und was für interessante Leute ich damals kennengelernt habe. Manche der Freundschaften von damals pflege ich noch heute. Und ihr werdet direkt in Kairo wohnen?“ „In einem Vorort von Kairo, unweit der Pyramiden“, erwiderte ich. Meine Tante kam ins Grübeln. „Ich habe eine sehr gute Freundin in Kairo. Und sie hat demnächst Geburtstag. Meinst du es wäre möglich, wenn du ihr ein Geschenk von mir mitbringen könntest? Auf dem Postweg ist leider bereits mehr als ein Päckchen verloren gegangen. Ich würde mich viel wohler fühlen, wenn ich wüsste, dass es sicher in deiner Obhut ist, Klaudia.“



    „Aber sicher doch, Tante Joanna. Das mache ich doch gerne“, antwortete ich ohne lange zu überlegen. „Ach Klaudia, du bist ein Schatz.“ Wir besprachen noch, wie ich Kontakt zu der Freundin meiner Tante aufnehmen konnte. Und das Geschenk würde sie mir mitbringen, wenn sie in den nächsten Wochen erneut Magda besuchte. Aber vorerst machte sie sich auf den Heimweg nach SimCity, wo mein Onkel Tobias und ihr Mops Toto sicher schon ungeduldig auf sie warteten.

  • Kapitel 73: Die Freundin meiner Tante



    Wie bei ihrem letzten Besuch besprochen, brachte Tante Joanna wenige Tage später das Geschenk für ihre Freundin vorbei. Und nach weiteren drei Wochen traten Francesco und ich unsere Reise in das heiße Ägypten an. Lottchen kam in der Zwischenzeit bei ihrer Oma unter und sie ließ uns nicht einen Augenblick im Ungewissen, dass sie bei Eleonore bleiben wollte. In Kairo angekommen nahmen wir zunächst an der Grundsteinlegung für den Bau der neuen Umgehungsstraße teil, die von der Firma aus Rodaklippa realisiert wurde. Am Abend waren wir dann zu einem Empfang bei dem Mann eingeladen, der die Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Nationen in die Wege geleitet hatte und der ein enger Geschäftspartner von Francesco war. Als wir bei seinem Haus in einem ländlichen Vorort von Kairo ankamen, wurden wir von einem Diener in Empfang genommen, der sich mehrmals ungeschickt vor uns verbeugte und uns mit den Worten, „Lord und Lady Hartfels, welche große Ehre. Mein Herr ist sich bewusst, dass er ihrer Anwesenheit nicht würdig ist. Aber er bittet sie untertänigst, seine Gastfreundschaft zu akzeptieren“, in Empfang nahm. Ich war irritiert über diese Begrüßung, aber Francesco schien sie bereits zu kennen und amüsierte sich sichtlich darüber.



    Im Inneren des Hauses wurden wir sogleich vom Hausherrn sayyid Fahad Madbouli in Empfang genommen, der, ganz im Gegensatz zu den Worten seines Dieners, nicht im Geringsten den Eindruck machte, als ob er sich unserer nicht würdig fühlen würde. Er begrüßte Francesco wie einen lang verschollenen Freund, den er nach Jahren der Trennung wieder zum ersten Mal sah. Dabei hatten die beiden sich erst vor wenigen Stunden auf der Baustelle voneinander verabschiedet.



    Insgesamt entpuppte sich der Empfang als ein gemütlicher, intimer Abend. Außer sayyid Fahad war nur noch seine Mutter sayyida Sanaa anwesend, eine weltgewandte ältere Dame, die trotz ihres Alters ein sehr gutes Englisch sprach, so dass ich mich problemlos mit ihr unterhalten konnte. Man sollte aber nicht meinen, dass für uns Kosten und Mühen gescheut worden wären. Obwohl wir nur zu viert waren, wurde ein opulentes Festmahl aufgetischt und auch ansonsten wurden wir in dem luxuriösen Haus von vorne bis hinten verwöhnt.


    *****



    Spät abends kamen wir wieder in unserem Hotel an. Natürlich hatte sayyid Fahad darauf bestanden, dass wir bei ihm nächtigen sollten. Aber Francesco schaffte es höflich abzulehnen, ohne die Ehre unseres Gastgebers zu verletzen. Der geschäftliche Teil der Reise war somit abgeschlossen und unser Flug zurück in die SimNation ging erst in einigen Tagen. Während ich meinen Schmuck abnahm und zurück in die Schmuckschachtel legte, sah ich im Spiegel, dass Francesco in einem Reiseführer blätterte. „Bereitest du dich schon darauf vor, mir morgen die Pyramiden und den Sphinx zu zeigen?“, fragte ich neugierig. „Ich bin schon so gespannt, all die alten Monumente zu sehen.“ Um ehrlich zu sein, hatte ich mich auf diesen Teil der Reise am meisten gefreut.



    Doch ich wurde enttäuscht, kaum dass ich meine Worte ausgesprochen hatte. „Nun, Klaudia, ich werde dich morgen auf deiner Besichtigungstour nicht begleiten können“, räumte Francesco ein. Er legte den Reiseführer auf dem Nachttisch und erhob sich vom Bett. „Sayyid Fahad hat mich vorhin auf ein Weinanbaugebiet 50 Kilometer östlich von hier aufmerksam gemacht, in dem die Muscat d’Alexandrie angebaut wird. Die Qualität des ägyptischen Weines hat in den letzten Jahren stark zugenommen und ich will mehr darüber erfahren, wie die Reben unter diesen trockenen Bedingungen angebaut werden. All die Sehenswürdigkeiten kenne ich ja ohnehin schon.“



    „Da ich aber weiß, wie gerne du die Pyramiden sehen willst“, sprach Francesco weiter, „steht der Diener von sayyid Fahad morgen und übermorgen zu deiner Verfügung, um dich auf deinen Ausflügen zu begleiten.“ Die Enttäuschung war mit deutlich ins Gesicht geschrieben. Aber Francesco sah sie nicht oder wollte sie nicht sehen. Die Reise hatte mich wieder einmal in diese Stimmung versetzt, in der ich hoffte von Francesco mehr Zuwendung zu erhalten. Ich wollte wieder einmal, allem besseren Wissen zum Trotz, dass er mich liebte. Selbst nach all den Jahren konnte ich einfach nicht von dieser Vorstellung lassen. Und jede Zurückweisung schmerzte dann fast genau so, wie beim ersten Mal.


    *****



    Aber zu meinem großen Glück hielt der Schmerz nicht so lange an, wie beim ersten Mal. Ja, ich war enttäuscht, dass Francesco unseren Aufenthalt in Ägypten dazu nutzte, um Weingüter zu besichtigen, statt sich zusammen mit mir die Kulturdenkmäler dieses Landes anzusehen. Doch ich hatte gelernt, mit Enttäuschungen dieser Art zu leben. Und so konnte ich es durchaus genießen, mir am nächsten Tag den Sphinx anzusehen…



    …oder die großartigen Pyramiden von Gizeh. Am liebsten wäre ich noch nach Luxor und weiter den Nil hinauf bis nach Abu Simbel gefahren, aber dafür blieb während unseres kurzen Aufenthaltes keine Zeit. Und wenn ich ehrlich war, dann vermisste ich mein Lottchen schon nach drei Tagen furchtbar. Wir telefonierten zwar jeden Abend, aber es war doch nicht dasselbe, als wenn ich sie leibhaftig um mich gehabt hätte.



    Francescos Abwesenheit, so sehr sie mich auch betrübte, gab mir immerhin die Möglichkeit, mich ungestört mit der alten Bekannten von Tante Joanna zu treffen. Als ehemalige Stewardess sprach sayyida Mena Lufti fließend English. Am Telefon schlug sie ein Treffen auf einem belebten Marktplatz unweit unseres Hotels vor. Der Diener von sayyid Fahad begleitete mich wieder einmal. Mir war das zwar ein wenig unangenehm, aber für eine simropäische Frau war es wirklich nicht angeraten, sich außerhalb der Touristengebiete ohne Begleitung zu bewegen. Und wie vereinbart erwartete mich sayyida Mena bereits, als wir den Marktplatz erreichten.



    Bei einer Tasse stark gesüßtem Pfefferminztee erkundigte sich sayyida Mena, wie es meiner Tante Joanna in den letzten Jahren so ergangen war. Es war spannend zu hören, wie sich die beiden Frauen vor vielen Jahren bei einem mehrtägigen Streik am Londoner Flughafen kennengelernt hatten, als für mehrere Tage alle Flugzeuge am Boden bleiben mussten. Und seit diesem Tag ist der Kontakt zwischen den beiden nie abgerissen, auch wenn er weniger geworden war, seitdem die beiden nicht mehr als Stewardessen unterwegs waren. Bei sayyida Menas Erzählungen wurde mir bewusst, wie wenig ich eigentlich über meine Tante wusste. Wir sahen uns mehrmals im Jahr und verstanden uns gut. Aber ich hatte nur eine blasse Vorstellung davon, wie ihr Alltag aussah, von ihrer Vergangenheit ganz zu schweigen.



    Ich würde nach meiner Rückkehr Mama einmal ausfragen müssen oder am besten gleich Tante Joanna darauf ansprechen. Sie hatte bestimmt viel spannende Geschichten aus der ganzen Welt zu berichten. Ich unterhielt mich fast zwei Stunden mit sayyida Mena. Und bevor es Zeit wurde, sich zu verabschieden, überreichte ich ihr das Geschenk von Tante Joanna.



    Sayyida Mena war sichtlich gerührt. „Das ist ja so typisch Joanna. Ich hab mir schon gedacht, dass sie meinen Geburtstag nicht vergessen hat. Und deshalb habe ich auch ein Kleinigkeit für sie vorbereitet.“ Aus ihrer Tasche holte sie nun ebenfalls ein hübsch verpacktes Geschenk hervor. „Wären Sie so freundlich, Klaudia, und würden Sie dieses Geschenk Ihrer Tante überreichen?“ Selbstverständlich hatte ich nichts einzuwenden. Wenn auf dem Hinflug Platz für ein Päckchen in meinem Koffer war, dann würde ein anderes auf dem Rückflug genauso gut hinein passen.

  • Kapitel 74: Unerwarteter Inhalt



    Die letzten Tage unserer Ägyptenreise verbrachte ich in diversen Museen, während Francesco bei jedem seiner Geschäftstreffen zwei neue zu vereinbaren schien. Doch schließlich ging es für uns zurück in die SimNation. Wir hatten einen Direktflug nach Simnorsk gebucht. Der Flieger landete pünktlich und bis nach Rodaklippa war es mit einem Kleinflugzeug nicht mehr weit.



    Francesco holte unser Gepäck von Kofferband herunter. Und mit dem vollgepackten Kofferwagen fuhren wir an den Zollbeamten vorbei in Richtung Ausgang, um uns in der Abflughalle mit dem Piloten zu treffen, der uns nach Rodaklippa weiterfliegen sollte.



    Wir hatten nichts dabei, was verzollt werden musste. Weder Francesco noch ich waren große Einkäufer. Daher nickten wir den Zollbeamten nur knapp zu, die uns aber offenbar umgehen erkannten und sich ehrfürchtig verbeugten und uns mit den Worten „Lady Hartfels, Lord Hartfels, willkommen in Simnorsk“ begrüßten. Wir waren fast schon an den beiden Beamten vorbei, als ein Spürhund unter einem der Tische hervorgeschossen kam und wie wild einen unserer Koffer, meinen Koffer, anbellte.



    „Otis, aus!“, rief einer der beiden Zollbeamten. Der Hund hörte zwar augenblicklich auf das Kommando und blieb stumm, aber er hatte das Interesse an meinem Koffer dennoch nicht verloren und kratzte mit der Vorderpfote daran herum. Verwunderten blickten Francesco und ich zu den Zollbeamten, die sich gegenseitig hilflos anblickten. Doch dann fasst der rechte der beiden sich wieder. „Lord Hartfels, unser Otis hat in ihrem Koffer etwas aufgespürt. Wahrscheinlich ist es falscher Alarm, aber wir sind dennoch verpflichtet, der Sache nachzugehen.“



    Ich schrieb es dem langen Flug zu, dass Francesco in diesem Augenblick nicht sehr einsichtig reagierte. „Wenn sie ohnehin nicht erwarten, etwas zu finden, dann können wir uns den ganzen Aufwand ja sparen“, erwiderte er kurz angebunden. Doch der Zollbeamte bestand auf die Kontrolle. „Lord Hartfels, wir sind dazu nun einmal verpflichtet. Das müssen sie doch verstehen.“ Doch das tat Francesco nicht. Verärgert ging er auf den Zollbeamten zu. „Ihnen ist schon klar, Herr…“, er las das Namensschild des jungen Mannes, „…Silbermann, dass ich eine Beschwerde bei ihrem Vorgesetzten wegen dieses Vorfalls einlegen werde. Danach werden sie in Zukunft nur noch die zurückgelassenen Koffer ins Lager tragen dürfen.“ Francesco Tonfall machte deutlich, dass er keine leeren Drohungen machte. Der zweite Zollbeamte begann nervös zu werden. „Komm schon, Thor, lassen wir es dieses eine Mal gut sein“, redete er auf seinen Kollegen und rieb sich nervös die Wange. „Ich bin mir sicher, dass mit Lord Hartfels‘ Koffer alles in Ordnung ist.“



    Thor Silbermann war fast bereit, seinem Kollegen zuzustimmen, als ich zu Francesco und den beiden Zollbeamten herüber trat. Ich stellte mich hinter Francesco und legte besänftigend meine Hand auf den Oberarm meines Mannes. Halb an Francesco, halb an die beiden Zollbeamten gewandt begann ich zu sprechen. „Francesco, die beiden machen doch nur ihre Arbeit. Wir lassen sie kurz in meinen Koffer blicken. Es wird nur ein paar Minuten dauern und dann können wir unsere Weiterreise antreten. Und in ein paar Tagen wird uns der ganze Vorfall wie eine lustige Anekdote erscheinen.“ Mir taten die beiden Zollbeamten einfach so leid und ich wollte auf keinen Fall, dass sie Ärger bekamen, wenn herauskommen sollte, dass sie einem Verdacht nicht nachgegangen waren. Mit einem Grummeln stimmte Francesco mir schließlich zu und ich sah deutlich die Dankbarkeit in den Gesichtern der beiden Zollbeamten.



    Wir gingen hinüber in ein Hinterzimmer, um vor den neugierigen Blicken der übrigen Passagiere geschützt zu sein. Die Zollbeamten stellten den Koffer auf einen Tisch in der Mitte des Raumes und öffneten ihn. Etwas unangenehm war es mir schon, dass diese beiden Fremden in meinen getragenen Kleidern herumwühlten, aber ich erkannte schnell, dass es ihnen nicht viel anders erging. Dann entdeckten sie das Geschenk, welches ich von sayyida Mena für meine Tante Joanna mitgebracht hatte. Kaum hatte sie es in der Hand, da begann auch Otis wieder zu bellen. Ganz offenbar war das der Gegenstand, der seine Aufmerksamkeit erregt hatte. „Würden Sie uns bitte sagen, was sich im Inneren dieses Päckchens befindet?“, verlangte der Zollbeamte Al-Tair freundlich aber bestimmt zu erfahren.



    „Ich weiß es leider nicht“, musste ich kleinlaut eingestehen. Am liebsten hätte ich mich in Luft aufgelöst. So musste ich den beiden aber erklären, wie ich zu dem Geschenk gekommen war. „Ich bin nicht auf die Idee gekommen zu fragen, was der Inhalt des Päckchens ist. Jetzt ist mir klar, dass ich das unbedingt hätte tun sollen.“ „In dem Fall werden wir das Geschenk öffnen müssen.“ Ich stimmte zu und beobachtete herzklopfend, wie die beiden Männer vorsichtig die Schleife lösten, das Geschenkpapier abnahmen und den Karton öffneten.



    Vorsichtig blickten sie hinein. Ich sah, wie sich ihre Augenbrauen zusammenzogen. Dann holten sie eine Packung mit ägyptischen Süßigkeiten hervor. Und dann noch eine und noch eine. Und dann begannen beide plötzlich zu lachen und zogen einen Packung mit Hundekeksen hervor. Eine aufgeplatzte Packung mit Hundekeksen! Kaum hatte Herr Silbermann sie in der Hand, begann Otis wie wild herumzuspringen und zu bellen. Und sein Schwanzwedeln machte deutlich, dass er sich sehr darüber freute, was seine beiden Kollegen vom Zoll da gefunden hatten.



    „Du bis aber ein ganz Verfressener, was Otis?“, fragte Herr Silbermann den Spürhund lachend um gab ihm einen der Hundekekse zu fressen, die dieser sofort gierig verschlang. Dann wurden er und sein Kollege wieder ernster. „Lady Hartfels, Lord Hartfels, es tut uns sehr leid, dass wir ihnen unnötigerweise Unannehmlichkeiten bereitet haben. Otis ist erst seit kurzem beim Zoll tätig. Offenbar muss er ein paar seiner Lektionen noch einmal wiederholen. Wir hoffen sehr dass sie verstehen, dass wir nur unser Arbeit getan haben.“ Das taten wir. Nun, zumindest ich tat es. Bei Francesco war ich mir nicht so sicher. Die Zollbeamten halfen mir dabei, meinen Koffer wieder einzuräumen und dann konnten Francesco und ich endlich die Heimreise antreten.


    *****



    Noch am selben Wochenende kam Tante Joanna wieder bei uns vorbei. Ich erfuhr alle Neuigkeiten von Magdas Schwangerschaft und im Gegenzug berichtete ich meiner Tante von meinen Erlebnissen in Ägypten. Da sie sich diesmal rechtzeitig angekündigt hatte, hatte ich auch ein Mittagessen vorbereiten können.



    Und nach dem Essen übergab ich meiner Tante dann das Geschenk ihrer Freundin. Ich hatte es so gut wieder eingepackt, wie es mir möglich war. Zum Glück waren die beiden Zollbeamten sehr vorsichtig mit der Verpackung umgegangen. Natürlich verschwieg ich den Zwischenfall am Flughafen nicht. Und zu meiner Erleichterung fand meine Tante die Geschichte urkomisch. Und dass ihrem Mops Toto nun ein paar Leckerlies entgehen würden, das konnte sie gerade noch so verkraften. Nein, sie war mir sehr dankbar, dass ich das Geschenk für sie überbracht hatte. Und als sie hörte, dass ich einem Monat mit Francesco nach Frankreich fliegen würde, fiel ihr wieder eine Bekannte ein, der ich vielleicht eine Kleinigkeit mitbringen konnte. Wie hätte ich meiner Tante solch eine Bitte abschlagen können?



    Nach etwa zwei Stunden verabschiedete sich Tante Joanna von uns und fuhr mit ihrem Jaguar zurück nach SimCity. Doch sie fuhr nicht direkt zu ihrem Haus, sondern hielt am Verwaltungsgebäude der SkyMeal. Nach außen hin war die SkyMeal ein ganz normales Cateringunternehmen für den Luftverkehr. Doch was ich nicht wusste, was ich nicht einmal ahnte war, dass die SkyMeal lediglich eine Deckfirma für Tante Joannas mafiaähnliche Verbrecherorganisation war. Sie war der Kopf von Justice, die Patin von SimCity. Und ich war unbewusst zu ihrer Hehlerin geworden. Im Hauptquartier angekommen öffnete sie das Geschenk von ihrer Geschäftspartnerin sayyida Mena. Die Süßigkeiten und auch die Hundkekse waren ihr vollkommen gleichgültig und landeten umgehend im Müll. Diese klebrigen, honiggetränkten arabischen Süßigkeiten konnte sie noch nie ausstehen. Nein, das was sie wollte, steckte im Boden der Verpackungen. Innerhalb des Kartons waren sie versteckt: Diamanten. 35 makellose Diamanten jeweils in der Größe einer Erbse. Möglicherweise waren waren es Blutdiamanten. Wahrscheinlich waren es Blutdiamanten. Aber das spielte keine Rolle solange sie jetzt Donna Joanna gehörten.



    Gedanken:


    Eigentlich hatte ich alles, was ich mir immer gewünscht hatte. Ich hatte eine eigene Familie. Ich hatte einen Ehemann und eine wundervolle Tochter. Und darüber hinaus war ich auch noch zur Lady von Rodaklippa aufgestiegen. Eigentlich war es wie im Traum. Eigentlich.
    Denn in Wahrheit war ich nicht glücklich. Zumindest nicht so glücklich, wie man es hätte erwarten sollen. Und der Grund dafür war, dass meine Ehe eine Ehe ohne Liebe war. Mein Mann Francesco liebte mich nicht und damit kam ich nur schwerlich zurecht. Aber was hatte ich von einer arrangierten Ehe auch erwartet? Nun, leider viel mehr, als ich am Ende bekommen hatte.
    Trotz aller Warnungen hatte ich darauf gehofft, dass Francesco sich in mich verlieben würde. Denn ich hatte mich in ihn verliebt. Vielleicht nicht sofort bei unserem ersten Treffen, aber spätestens am Tag unserer Hochzeit gehörte mein Herz ihm. Und immer wieder aufs Neue zu bemerken, dass er mein Herz nicht wollte, ganz zu schweigen davon, dass er mir seines schenken würde, tat unglaublich weh.
    Aber ich hielt durch. Ich drängte meine Erwartungen zurück und versuchte, das Beste aus der Situation zu machen. Und meine Tochter Karlotta half mir dabei. Sie war der Sonnenschein meines Lebens. Ein Blick auf mein kleines Mädchen genügte um zu erkennen, dass sie jedes Opfer wert war. Auch wenn meine Ehe mich nicht glücklich machte, meine Tochter tat es.
    Und auch wenn ich es zu Beginn meiner Ehe nicht für möglich gehalten hatte, meine Rolle als Lady von Rodaklippa erfüllte mich. Ich hatte das Gefühl mit alle meinem sozialen Engagement, etwas Gutes für die Gesellschaft zu tun.
    Der große Wehmutstropfen war aber, dass ich dafür auf die Anerkennung als Malerin verzichten musste. Ich malte weiterhin…aber nur noch für mich selbst, um den Gefühlen in meinem Herzen Ausdruck zu verleihen. Verkaufen wollte ich meine Bilder nicht mehr. Ich hätte es weiterhin gekonnt, aber zu groß waren meine Bedenken, dass die Leute meine Bilder nur noch mochten, weil sie von „Lady Hartfels“ gemalt worden waren. Jede Anerkennung war somit vergiftet und so verzichtete ich lieber ganz auf sie.
    Doch ich blickte auch sorgenvoll in die Zukunft. Karlotta wurde älter. In diesem Jahr ging sie schon zur Grundschule. Die Zeit verging so rasend schnell. Ehe ich es mich versah, würde sie auf die Universität gehen. In Simnorsk, wenn ich Glück hatte, oder nicht einmal innerhalb der SimNation, wenn ich Pech hatte. Eher früher als später würde Karlotta mich verlassen. Und dann wäre ich allein in meiner lieblosen Ehe. Würden meine Pflichten als Lady dann noch genügen um mich halbwegs glücklich zu machen. Ich hatte meine Zweifel…und das machte mir Angst.