Oxana - Wege des Gewissens

  • Kapitel 21: Leichtes Mädchen




    Also eigentlich ein toller Job, wäre da nicht wieder etwas vorgefallen. Ich arbeitete schon fast eine Woche im Saloon, als ein rothaariger Kerl auf mich zukam und mich ganz offensichtlich anmachte. "Hey, Schnecke", begann er seinen plumpen Annährungsversuch, "du hast doch gleich Pause. Mein Wagen steht gleich um die Ecke. Den solltest du dir unbedingt von innen ansehen". Dabei grinste er mich anzüglich an und machte eine eindeutige Hüftbewegung.




    Ich war angewidert und entsetzt. Was glaubte dieser Typ, wer ich war? Ich arbeitete in diesem Saloon als Bedienung und nicht als Dame für nette Stunden, auch wenn das früher vielleicht ein und dasselbe gewesen war. Ich schluckte heftig und versuchte mich wieder zu fassen. "Möchten Sie etwas bestellen?", fragte ich mit gedämpfter Stimme. "Ja, dich. In fünf Minuten bei mir im Wagen". Ich konnte nicht fassen, wie unverschämt dieser Typ war. "Wenn Sie nichts trinken wollen, dann möchte ich Sie bitten das Lokal zu verlassen", erklärte ich mit bestimmter Stimme. Aber diese Fassade täuschte. Meine Knie zitterten so sehr, dass ich fast eingeknickt wäre. Wenn er jetzt nicht ginge, wüsste ich nicht, wie ich weiter reagieren sollte, so sehr verunsicherte mich sein Verhalten.




    Doch der Typ ging. Er sah mich zwar wenig freundlich an, aber er verließ den Saloon und ich sackte absolut fertig auf einem Stuhl zusammen. Es dauerte eine Weile, aber dann war ich wieder so weit gefestigt, dass ich meine Arbeit aufnehmen konnte.
    "Oxana, Herr Longhorn ist im Anmarsch", hörte ich Aron mir noch zuflüstern kurz bevor eben dieser vor mich trat. "Frau Brodlowska", begann er im harschen Tonfall, "ich habe heute eine Beschwerde über sie von einem unserer Stammkunden erhalten. Sie hätten ihn grundlos aus dem Lokal geworfen. Ich wünsche, dass so etwas nicht mehr vorkommt!"




    Ich hatte gar keine Möglichkeit zu erklären, wie dieser Vorfall sich ereignet hatte. Und an Herrn Longhorns Gesichtsausdruck konnte ich deutlich ablesen, dass ihn das auch nicht im Geringsten interessierte. Aus diesem Grund nickte ich nur stumm. "Dann wäre das ja geklärt", sagte Herr Longhorn nun etwas freundlicher, aber eine Warnung folgte sogleich: "Aber ich möchte, dass sich so etwas nicht wiederholt. Es gibt genügend andere junge Frauen, die diesen Job gern hätten."




    Ich weiß, dass ich eigentlich hätte etwas sagen sollen, aber ich tat es nicht. Stattdessen machte ich mich wieder an die Arbeit, so als ob nichts passiert wäre. Ab diesem Tag begann die Arbeit mir deutlich weniger Spaß zu machen. Ständig hatte ich Angst wieder von einem Typen blöd angemacht zu werden. Außerdem hatte ich das Gefühl, als ob die Damen, die zweimal die Woche zum Bridgeabend in den Saloon kamen, mich abfällig betrachteten. Sie waren zwar nicht offen unfreundlich, aber sie gaben mir das Gefühl, als ob ich nichts wert wäre.




    Aber ich musste weiter machen. Schließlich brauchte ich das Geld, denn die Rechnungen bezahlten sich nicht von selbst und ich konnte schließlich nicht erwarten, dass Roland für alles aufkam. Ganz abgesehen davon, dass ich bezweifle, dass seine Gehalt dazu ausreichen würde.




    Ganz besonders schlimm war es, als der rothaarige Typ wieder auftauchte. Seine Augen funkelten wütend, als er mich ansah und ich konnte sehen, dass er meine Unsicherheit genoss, als ich ihn bediente. Aber in Gegenwart meines Chefs konnte ich nichts machen und selbst wenn Herr Longhorn nicht anwesend gewesen wäre, hätte ich nicht den Mut aufgebracht mich zur Wehr zu setzen. Also bediente ich ihn, als ob nie etwas passiert wäre.




    Und jeden Abend nach sechs Uhr kamen die Bohrturmarbeiter, die sich am Feierabend einen Drink genehmigen wollten. Und im Grunde war immer einer dabei, der mich mehr oder weniger offen anmachte. Das Grinsen und die Blicke konnte ich noch ignorieren, bei den Sprüchen wurde es dann schon schwieriger.




    "Komm und setz dich auf Daddys Schoß, Puppe. Mein Bohrstab wird dich schon glücklich machen", musste ich mir von diesem Kerl anhören und er kam sich dabei auch noch ziemlich witzig vor. Ich versuchte es einfach zu überhören. Ich stellte ihm ausdruckslos sein Glas hin und verschwand dann mit einem Karton Flaschen in der Hand im Hinterzimmer des Saloons.




    Genau diese Kiste hatte ich erst vor fünf Minuten nach vorne gebracht und das wusste Aron auch ganz genau, also folgte er mir. "Hey, Oxana, was ist denn los?", fragte er besorgt. "Du darfst dich von solchen Typen nicht fertig machen lassen. Die haben eine große Klappe, aber nichts dahinter." Er tätschelte tröstend meinen Arm, aber das machte es eigentlich nur noch schlimmer, denn jetzt konnte ich meine Tränen kaum noch zurückhalten.




    Ich drehte meinen Kopf zur Seite und starte durchs Fenster auf den staubigen Wüstenboden. Ich wollte nicht, dass er die Tränen sah, die an meiner Wange hinunter kullerten. "Ich kann einfach nicht weghören", erklärte ich schließlich mit zittriger Stimme. "Jedes Mal, wenn so ein Spruch kommt, trifft es mich mitten ins Herz. Ich kann einfach nicht verstehen, warum diese Kerle so etwas sagen. Und Herr Longhorn gibt auch noch mir die Schuld. Ich bin doch keine Hure!" Ich blickte ihn mit meinen großen feuchten Augen an und er lächelte mitfühlend. "Nein, du bist keine Hure, Oxana, ganz sicher nicht."




    Arons Worte bauten mich zumindest soweit auf, dass ich den Rest der Schicht überstehen konnte. Aber kaum hatte ich den Saloon früh morgens verlassen, brach ich erneut in Tränen aus. Wie sollte ich denn hier bloß weiter arbeiten?


  • Kapitel 22: Schmuselhäschen




    Und obwohl ich total ausgelaugt war, konnte ich doch die ganze Nacht über kein Auge zu tun. Selbst als die Sonne hinter den Bergen der Sierra Simlone hervorkam, lag ich immer noch wach in meinem Bett und mir war nur zum Heulen zumute. Ich wünschte mir so sehr jemanden, der mich in den Arm nahm, der mir Mut zusprach, bei dem ich mich ausheulen konnte. Ich wünschte Benny wäre jetzt bei mir.




    Ich griff zu meinem Handy, das auf meinem Nachttisch lag und wählte seine Nummer. Das hatte ich in den letzten Wochen schon so oft gemacht, doch er ging nie ran. Im Grunde rechnete ich damit, dass ich wieder umsonst klingelte und ich war mehr als überrascht, als er sich plötzlich am anderen Ende der Leitung meldete: "Ich will nicht mit dir reden, Oxana, und ruf mich bitte nicht mehr an. Wir haben uns nichts mehr zu sagen." "Bitte, Benny, hör mich an", unterbrach ich ihn flehend. "Es tut mir so wahnsinnig leid. Ich wollte dich nicht verletzen."




    "Das fällt dir aber reichlich spät an", antwortete er und an seiner Stimme konnte ich hören, dass ich ihn doch zutiefst verletzt hatte. "Ich habe gedacht, dass du mich wirklich gern hättest, Oxana. Aber dann bist du bei der ersten Gelegenheit zu Kasimir ins Bett gestiegen. Auf so eine wie dich lege ich keinen Wert." "Was?!", keuchte ich entsetzt in den Hörer. "Das ist doch nicht wahr. Ich habe nie mit Kasimir..." Doch Benny ließ mich nicht einmal aussprechen. "Lüg mich nicht an, Oxana. Ich weiß es. Die ganze Stadt weiß es. Kasimir hat ganz genau beschrieben, wie du dich ihm gleich beim ersten Date bereitwillig hingegeben hast. Wie du es genossen hast!"




    "Und jetzt hast du nicht einmal den Mut es zuzugeben. Das ist wirklich das Letzte! Also ruf mich nicht mehr an!" Damit beendete er das Telefonat und ließ mir nicht einmal die Gelegenheit für eine Erklärung. Aber was erwartete ich auch? Schließlich war ich jetzt die Dorfhure! Wer glaubte denn schon so jemanden wie mir?




    Niedergeschlagen setzte ich mich auf die Bettkante und legte das Handy neben mich auf die Bettdecke. "Ich bin das Dorfflittchen". Dieser Gedanke kreiste immer wieder in meinem Kopf herum. Plötzlich verstand ich, warum mich die Männer im Saloon immer wieder so blöd angemacht hatten. Laut Kasimir würde ich es ja mit jedem treiben. Das tragische daran war, dass ich bis jetzt noch nie mit einem Mann geschlafen hatte. Wie konnte es nur so weit kommen?







    Ich ging noch ein paar Tage in den Saloon, doch schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Die Sprüche der Typen und die Blicke der anderen Gäste hörten einfach nicht auf. Ich kündigte und verkroch mich in mein Zimmer. Am liebsten wäre ich gar nicht mehr heraus gekommen. Doch auch zu Hause konnte ich mich einfach nicht wohlfühlen, denn Roland mied mich noch immer weitestgehend. Es war nur noch schrecklich.




    Eines Nachmittags zog ich eine Kiste unter meinem Bett hervor und kramte darin herum. Dort fand ich neben alten Tagebüchern, Fotos und Freundschaftsbändern von meiner Zwillingsschwester Joanna auch einen alten Stoffhasen, den ich von ihr geschenkt bekommen hatte. Schmuselhäschen! Ich hatte ganz vergessen, dass ich ihn aus Warschau mitgenommen hatte.




    Ich wusste noch ganz genau, wann Joanna mir Schmuselhäschen geschenkt hatte. Ich fand ihn schon immer toll, aber es war nun mal ihr Stofftier. Und mit 8 ist Joanna damals plötzlich verschwunden. Niemand wusste, wo sie war und ich fühlte mich damals einfach nur verlassen. Ich war vorher noch nie von meiner Schwester getrennt gewesen. Meine Väter waren selbst viel zu sehr in Sorge, um sich richtig um mich kümmern zu können, und da half mir Schmuselhäschen, mich in meiner Einsamkeit zu trösten. "Joanna", seufzte ich schwer. Ich wünschte ich könnte sie einfach anrufen, doch noch war ich nicht bereit dazu. Und dann tauchte plötzlich ER auf. Schmuselhäschen hopste plötzlich durch die Esszimmertür direkt auf mich zu. Es war wie vor elf Jahren.




    Er stellte sich einfach vor mich und breitete seine Arme aus und ein breites Lachen zeichnete sich auf seinem Schnäuzchen ab. Und ich konnte nicht anders, als ihm überglücklich zu umarmen. "Ach, Schmuselhäschen, warum bist du denn nicht schon früher aufgetaucht?" Als Antwort drückte er mich nur noch fester an sich und im Gegenzug kuschelte ich mich noch enger an sein weiches Plüschfell.




    Und dann hockten wir uns zusammen hin und ich erzählte ihm, was alles passiert war. Von dem gemeinen Kasimir, dem doofen Roland und von den ganzen anderen fiesen Leuten in der Stadt und Schmuselhäschen stimmte mit mir voll und ganz überein, dass das alles ganz blöde Leute waren.




    Und dann fingen wir an uns alte Geschichten zu erzählen. Wie Joanna und ich damals eine Band gegründet hatten und Schmuselhäschen unser Bassist war. Er konnte sich noch genau erinnern und stimmte sogar unsere alten Songs an. Oder als wir ihn auf den Rücken unseres Hundes Fifi gebunden haben damit er durch den Garten reiten konnte. Das war vielleicht ein Abenteuer gewesen. Ich schmückte meine Erzählungen mit zahlreichen Gesten aus und hüpfte freudig durchs Wohnzimmer. Der doofe Roland kam dann auch kurz ins Zimmer und zeigte mir einen Vogel. Aber das war mir so was von egal. Schließlich war ja Schmuselhäschen bei mir.




    Und dann probierten wir unsere alten Tänze aus. Schmuselhäschen konnte noch alle Schritte mitmachen, aber schließlich hatten wir das auch oft genug geübt. Und auch meine neuen Tänze lernte er in Windeseile. Den Schlambada hatte er nach wenigen Minuten drauf und bei der Salsa ließ nicht nur ich kräftig meine Hüften wackeln. Schmuselhäschen, wie hatte ich es all die Jahre bloß ohne dich ausgehalten?




    Ich verschwand nur für einen ganz kurzen Augenblick, um meine Frisur wieder in Ordnung zu bringen. Für Schmuselhäschen wollte ich doch besonders hübsch aussehen. Doch gerade als ich mich wegdrehte, wackelte er mit seinem Schnäuzchen, schüttelte sein Stummelschwänzchen und hopste in die Luft. Und als ich mich wieder umdrehte, war Schmuselhäschen verschwunden und nur noch seine Pfotenabdrücke auf dem Teppich deuteten darauf hin, dass er hier gewesen war.




    Plötzlich wurde ich ganz schrecklich müde. Ich musste laut gähnen und meine Augen wurden so schwer, dass ich sie kaum offen halten konnte. Also tapste ich in mein Schlafzimmer und kuschelte mich unter meine Bettdecke. Und zum ersten Mal seit langer Zeit konnte ich ruhig und tief schlafen. Und in meinem Traum jagte ich mit Schmuselhäschen, Joanna und Fifi über die grünen Wiesen von SimCity.


  • Kapitel 23: Ein guter Rat




    Am Morgen wurde ich durch ein leises Klopfen an meiner Zimmertür geweckt. "Herein", murmelte ich verschlafen und richtete mich langsam auf. Es war Roland, der den Raum mit einem Teller voller Marmeladenbrote und einem heißen Cappuccino betrat und auf mein Bett zukam. "Guten Morgen", begrüßte er mich freundlich und stellte das Frühstück auf meinem Nachttisch ab. "Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte er dann besorgt. "Ich weiß, dass ich mich in letzter Zeit von dir distanziert habe, aber mir ist trotzdem aufgefallen, dass du irgendwie betrübt warst. Und die letzten Tage bist du nicht einmal mehr zur Arbeit gegangen und hast das Haus auch sonst nicht verlassen. Und dein Verhalten gestern hat mir fast schon Angst gemacht, als du stundenlang mit dir selbst geredet und gelacht hast. Geht es dir gut Oxana?"




    Ich begann leicht meinen Kopf zu schütteln und hatte plötzlich Mühe, meine Tränen zurückzuhalten. "Nein, mir geht es nicht gut", gestand ich in weinerlichem Ton. Ich deutete mit meiner Hand auf den leeren Platz neben mir und Roland legte sich zu mir aufs Bett. Ich erzählte ihm von den Gerüchten, die Kasimir über mich in die Welt gesetzt hatte, und wie sehr mich die Situation belastete. "Ich habe versucht dich vor ihm zu warnen", sagte er schließlich. "Aber wahrscheinlich habe ich dabei zu sehr an mich selbst gedacht, als dass diese Warnung bei dir ankommen konnte. Es tut mir leid."




    Plötzlich spürte ich, wie sich wieder diese Distanz zwischen uns aufzubauen drohte, und damit wären wir nicht weiter, als bei unserer letzten Entschuldigung. Doch dann legte Roland überraschend seine Hand auf meine Schulter. "Sind wir wieder Freunde? Und zwar so richtig, wie früher?", fragte er mich und lächelte dabei vorsichtig. Mein breites Grinsen war Antwort genug und Roland zog mich zu sich heran. "Und wenn diesmal Problem auftauchen", fügte ich hinzu, "dann reden wir früher darüber". "Versprochen!"







    Wenigstens zu Hause war nun wieder alles im Lot. Aber ich traute mich kaum mehr auf die Straße hinaus, denn ich hatte ständig das Gefühl, dass die Leute über mich redeten. Ich ging nur noch raus, wenn ich in die Kirche wollte. Und ich verbrachte viel Zeit dort. Es konnte nicht Schaden Gott um Hilfe zu bitten, aber sich auch für die schönen Dinge im Leben zu bedanken. Schließlich hatte ich mich wieder mit Roland versöhnt. An diesem Nachmittag erschien auch Gerda in der Kirche zum Rosenkranzgebet.




    Nachdem das Gebet beendet war, sprach sie mich zögerlich an. "Ähm, Oxana, mir sind da ein paar unschöne Dinge über dich zu Ohren gekommen." Vor Scham wäre ich fast in der Bank versunken. Es wussten tatsächlich alle bescheid. Kasimir hatte ganze Arbeit geleistet. Gerda konnte spüren, wie unangenehm mir die Situation wurde. "Ich wollte dir nur sagen, dass ich das Gerede der anderen nicht glaube", fuhr sie fort und ich schaute sie erstaunt an. "Du musst nicht so überrascht tun, Oxana. Ich kenne dich nun, seitdem du in diese Stadt gezogen bist und du hast immer den Eindruck eines sehr anständigen Mädchens gemacht."




    Über dieses unsägliche Thema wollte ich mich lieber nicht in einem Gotteshaus unterhalten, also gingen wir hinaus auf den Kirchenvorplatz. "Kasimir hat diese Gerüchte in die Welt gesetzt", erklärte ich ihr. "Aber ich bin auch selbst schuld. Wie konnte ich mich jemals auf ihn einlassen? Und jetzt weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Die Leute denken doch jetzt sonst was von mir."




    "Da hast du leider Recht. Aber vielleicht kann ich dir helfen", bot Gerda an. "Wir Farmerfrauen richten jedes Jahr ein Fest für unsere Nachbarn aus. Und im Grunde bist du auch eine von den Farmerfrauen. Zumindest ist dein Haus in den Grundbüchern offiziell als "Grünspan Farm" eingetragen und das heißt, du bist automatisch Mitglied im Farmerverein der Sierra Simlone. Ich könnte bei unserer nächsten Sitzung vorschlagen, das Fest dieses Jahr bei dir stattfinden zu lassen. So hättest du die Gelegenheit, dich bei deinen Nachbarn von der besten Seite zu zeigen." Ich war zunächst etwas skeptisch. Dieser Schuss konnte auch nach hinten losgehen. Was wenn alle die Feier bei "dem Flittchen" boykottieren würden? Aber schließlich stimmte ich doch zu.

  • Kapitel 24: Die Farmer-Fete




    Gleich am Wochenende war es soweit. Gerda leistete ganze Überzeugungsarbeit und der Verein der "Farmerfrauen der Sierra Simlone" stimmte dem Vorschlag zu und stellte mir auch die nötigsten Dinge zur Verfügung. Für Musik, Tische, eine Bar und den Grill war also gesorgt. Und dem Anlass entsprechend zogen Roland und ich uns passende Kleidung an. Wir wirkten damit tatsächlich fast wie Jungfarmer.




    Als die Sonne langsam hinter den Bergen zu verschwinden begann, schmiss Roland den Grill an und brutzelte leckere Rippchen. Ich hatte zunächst befürchtet, dass sich niemand auf der Party blicken ließe, weil eben ich sie gab. Doch ich irrte mich. Angelockt von dem Duft des gegrillten Fleisches oder durch die Tatsache, dass die Sonne nicht mehr unerträglich auf uns niederbrannte, zeigten sich die ersten Gäste.




    Nachdem sie sich am Büfett bedient hatten, löschten meine Gäste ihren Durst an der Bar. Wir hatten auf Gerdas Rat hin einen Barkeeper kommen lassen und dieser stellte sich auch als notwendig heraus, denn er musste ständig neue Bowle ansetzen. Die Bewohner der Sierra Simlone waren dem Alkohol alles andere als abgeneigt.




    Und nach ein, zwei Gläsern ging es plötzlich richtig rund. Die Leute stürmten förmlich auf die Tanzfläche und tanzten ausgelassen zu der Country-Musik, die aus der Jukebox kam. Und auch wenn diese Musik nicht unbedingt meinem Geschmack entsprach, konnte ich mich der ausgelassenen Stimmung nicht entziehen. Und ein Blick auf die Tanzfläche zeigte mir, dass mein Ansehen weniger stark gelitten hatte, als ich befürchtete. Meine Freunde, wie Manuela und mein früherer Arbeitskollege Maxim waren gekommen und auch viele der ansässigen Farmer ließen sich blicken.




    Mitten in der Feier tauchte plötzlich ein uralter Mann auf. "Moses persönlich ist auf meiner Party erschienen", schoss es mir bei seinem Anblick durch den Kopf und im nächsten Augenblick rügte ich mich selbst für diesen blasphemischen Gedanken.




    Und trotz seines hohen Alters war der Fremde alles andere als unbeweglich. Er begann ausgelassen zu der Musik zu tanzen und lachte dabei über das ganze zahnlose Gesicht. Und als er dann plötzlich anfing, selbst ein paar alte Volkslieder zum Besten zu geben, schnappten wir anderen uns ein paar Topfe aus der Küche und begleiteten ihn instrumentell.




    Dabei stellten wir uns wirklich gut an, wie ich fand. Mit dem Gesang des Alten, den rhythmischen Schlägen unserer "Instrumente" und auch der gesanglichen Unterstützung im Refrain konnten wir uns hören lassen. Zumindest hatten alle einen Heidenspaß. Besonders Frau Tülle, von der "Blauheiden Farm" amüsierte sich köstlich.




    Zum Abschluss der Darbietung bewarfen wir uns gegenseitig mit Konfetti, welches irgendwer zuvor an alle Gäste verteilt haben musste. Ich fand es sehr schade, als der alte Mann sich dann nach einem Glas Bowle und einem deftigen Rippchen von uns verabschiedete und leise vor sich hin lachend in Richtung Wüste verschwand.




    Als krönenden Abschluss dieses Festes entzündeten wir ein großes Feuer, dass in dieser klaren Nacht sicher noch bis weit in die Wüste hinein zu erkennen war. Plötzlich stimmte Roland ein altes Volkslied an und zeigte mir ein paar Schritte, die mich irgendwie an eine Polka im Country-Stil erinnerten. Doch lustig war es allemal.




    Nach und nach verabschiedeten sich die Gäste und schließlich war nur noch Albert da. "Sss war ne wundervolle Patty, Ochschana", lallte er, strahlte dabei aber über das ganze Gesicht. Er hatte ganz offensichtlich ein paar Gläser zuviel von der Bowle gekostet. "Ich hoffe du machscht sowasch bald wieder."




    Und dann umarmte er mich überschwänglich und drückte mich fest an sich. "Du bischt eine...eine escht tolle Frau. Jaa dasch bisse wirklich." Und bei diesen Worten wiegte er mich sacht hin und her.




    Und ich genoss es. Ich genoss jede seiner Berührungen. Ich genoss seinen festen Griff, der mich umklammerte und ich genoss es, von ihm als tolle Frau bezeichnet zu werden. In diesem Moment wünschte ich mir, dass er mich nie wieder los ließe, dass er hier bliebe und mich....Nein! Was dachte ich da bloß. Das hier war Gerdas Mann!




    Ich löste mich hastig aus seiner Umarmung und verabschiedete mich. Und dann machte sich Albert fröhlich pfeifend auf den Weg nach Hause. Nach Hause zu seiner Ehefrau, wie ich mir noch einmal ins Gedächtnis rief. Und trotzdem zog es mich dann unweigerlich zu dem Fenster meines Zimmers und ich starte in die Dunkelheit hinein, in die Albert gerade entschwunden war.


  • Kapitel 25: Und da waren es drei




    Früh am nächsten Morgen stand Roland auf and begann das Chaos vom vergangenem Abend zu beseitigen. Insbesondere die Essensreste mussten weg, bevor die Sonne zu hoch stand, ansonsten würde es in wenigen Stunden nur so von Fliegen und anderen Insekten wimmeln, die nur zu gerne auch in das Haus flogen. Einmal saß sogar ein Geier auf unserer Veranda, als ich versehentlich einen Burger hab stehen lassen.




    Roland bemerkte in seinem Arbeitseifer nicht einmal, dass Tristan sich ihm nährte. Doch als er sich mit einem Stapel Teller in der Hand umdrehte und seinen besten Freund sah, war er doch angenehm überrascht. "Hi, Tristen", begrüßte er ihn fröhlich und stellte die Teller zurück auf dem Tisch. "Wo warst du den gestern Abend? Du hast doch gesagt, dass du kommst und du hast echt eine tolle Party verpasst."




    Doch Roland merkte schnell, dass irgendetwas nicht stimmte. Das war nicht der ständig fröhliche und lachende Tristan, den er sonst kannte. "Was ist los Tristan?", fragte er deshalb sofort. Tristan Blick sprach eigentlich Bände. Irgendetwas war passiert, dass ihn tief getroffen hatte. Roland wusste nur noch nicht was. "Es gab ein paar Probleme in meiner WG", erklärte Tristan und Roland ahnte schon, dass "ein paar Probleme" stark untertrieben war.




    Doch er drängte Tristan nicht. Er würde ihm schon erzählen, was passiert war, wenn er es wollte. Und Tristan wollte darüber reden, auch wenn er nur zögerlich begann: "Du kennst doch meine drei Mitbewohner Martin, Frank und Abdul. Wir haben alle vier gemeinsam bei der SimÖl Gesellschaft angefangen und eine Haus zugewiesen bekommen. Und du weißt ja selbst wie das ist. Bevor du anwirbst verspricht dir die Gesellschaft das Blau vom Himmel und wenn du in der Sierra Simlone angekommen bist, stecken sie dich monatelang in ein Zeltlager oder in eine überfüllte Wohnung. Da hatten wir vier ja noch Glück und eigentlich dachte ich, dass die Jungs ganz in Ordnung wären, doch da habe ich mich scheinbar gewaltig getäuscht."




    "Abdul hat gestern irgendwo aufgeschnappt, dass ich auf Typen stehe. Es ist nicht so, dass ich das verheimlichen würde, aber ich muss nicht jedem meine Sexualität auf die Nase binden und bis jetzt hatte ich noch keinen Grund gehabt, es meinen Mitbewohnern zu sagen." Tristan wurde langsam immer lauter und immer zorniger. "Aber die Jungs sahen das wohl etwas anders. Abdul ging sofort auf mich los und meinte, dass so ein Verhalten nur total widerlich sei. Und mein anderer Mitbewohner Martin warf mir an den Kopf, dass er niemals mit mir Schwuchtel in einem Bett geschlafen hätte, wenn er es gewusst hätte. Als ob ich ihn jemals auch nur angeflirtet hätte! Wir haben nun mal nur zwei Doppelbetten in unserem Haus und irgendwie müssen wir zu viert darin schlafen. Und dann haben sie mir mitgeteilt, dass ich mir lieber so schnell wie möglich eine neue Bleibe suchen soll, denn mit einem wie mir wollten sie nicht länger unter einem Dach wohnen."




    "Und selbst Frank hat sich auf deren Seite gestellt. Dabei dachte ich, dass er ein wirklicher Freund sei. Aber da habe ich mich wohl geirrt. Das man sich so in Menschen täuschen kann!". Bei den letzten Worten wurde Tristan wieder ruhiger und sichtlich bekümmert. Doch das wollte Roland auf keinen Fall zulassen. "Jetzt lass dich bloß nicht von denen fertig machen. Wenn die drei hirnlose Idioten sind, dann ist das deren Problem und nicht deins. Und du gehst garantiert nicht dorthin zurück. Wir holen gleich deine Sachen und dann ziehst du bei mir und Oxana ein."




    "Meinst du das im Ernst?", fragte Tristan sichtlich überrascht und als Roland energisch mit dem Kopf nickte fiel er ihm sichtlich bewegt um den Hals. "Danke, Roland! Danke, danke, danke! Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann."




    Und so stolperte ich etwa eine Stunde später über Tristans Sachen, die nun in unserer Küche standen. Eine kurze Erklärung reichte mir um Rolands Einzugsangebot noch einmal zu bestätigen und so feierten wir mit Pizza und Sekt den Einzug des dritten Bewohners in das kleine grüne Haus in der Simlane 10.




    Gedanken


    Und wieder waren einige Wochen in meiner neu gewählten Heimat vergangen. Und es waren keine schönen Wochen, aber ich hoffte, dass diese schlimmen Zeiten endlich vorbei waren. Mit Roland war alles endgültig geklärt und das Gerede der Leute würde nachlassen. Zumindest hoffte ich das.
    Nur hatte ich wieder keinen Job. Zurück in den Saloon konnte ich nicht. Die Belastung würde ich nicht aushalten und vielleicht war es auch ganz gut, wenn ich mich die nächsten Wochen etwas von der Bildfläche zurückzöge. Aber auf Dauer war das auch keine Lösung. Vielleicht sollte ich noch einmal mit meinem alten Chef im Labor reden. Mehr als nein sagen konnte er schließlich nicht.
    Auf alle Fälle war es nicht verwunderlich, dass unser Konto immer noch recht leer war. Es reichte um die laufenden Kosten zu decken, aber größere Ausgaben waren da nicht drin. Und die schienen auf uns zu zukommen, denn unser Haus war für zwei Bewohner eingerichtet, aber ab jetzt waren wir ja zu dritt.

    Viel mehr als die Sachen, die er an sich trug und eine Kiste mit ein wenig Kleinkram hatte Tristan aber leider nicht mitgebracht. Und die 123§ die er auf unser Haushaltskonto eingezahlte würden für einen Hausumbau wohl kaum ausreichen.
    Aber das war auch nicht so wichtig. Wir würden schon klarkommen und Tristan war ein echt netter Mitbewohner. Ich hatte mit Roland monatelang in unserem winzigen Haus gelebt, da würden wir uns jetzt nicht beschweren. Und solange kein anderes Zimmer vorhanden war, schlief Tristan halt bei Roland im Zimmer.
    Gleich nach seinem Einzug hatte ich den Test rausgesucht, den auch ich schon bei meiner Einreise machen musste und den Roland zum Spaß bei seinem Einzug gemacht hatte. Und dabei war folgendes für Herr Tristan Linse, 22, geboren in Estella Grande herausgekommen:




    Er war extrem offen und nett und auf keinen Fall ein ernster Typ. Aber das hatte ich auch schon ohne Test festgestellt. Allerdings schien er etwas schlampig und faul zu sein. Ich hoffte bloß, dass der Test sich in diesen Punkten irrte.




    Was seinen Männergeschmack betraf, so stand er auf den gut gebauten Typ, der auch ruhig mal nach Mann pur riechen konnte. Kein Wunder, dass Tristan seine Freizeit gern mal im Fitness-Studio verbrachte. Allerdings mochte er es nicht, wenn sein Gegenüber sich verstellte und eine Maske aufsetzte.




    Seine liebsten Gesprächsthemen waren Kultur, Sport und die Arbeit. Vielleicht nicht ganz mein Fall, aber Roland schien immer sehr interessiert. Schade, dass er so überhaupt nichts mit Tieren und der Natur anfangen konnte.





    Was seine Arbeit anging, so war er zur Zeit Praktikant im Politbüro der SimÖl Gesellschaft, welches sich um die Vergabe der Bohrgenehmigungen vom Staat kümmerte und mit den Staatschefs anderer Länder über den Im- und Exporte von Öl verhandelte. Ich war gespannt, ob er wirklich dabei bleiben würde.




    Denn besondere Fähigkeiten brachte Tristan für diesen Beruf nicht mit. Insgesamt gab es so gar nichts, wo er wirklich gut drin war. Aber er konnte die Toilette reparieren und bekanntlich war das ein sehr wichtiges Kriterium, das ein Mitbewohner in meinen Augen erfüllen musste.


    Mehr gab es zu Tristan im Moment nicht zu sagen. Aber dafür musste ich noch einmal von unserer Party erzählen. Ich habe hinterher noch mit ein paar Gästen gesprochen und scheinbar hatte es allen gefallen. Frau Tülle war sogar so begeistert, dass sie mich seitdem jedes Mal grüßte, wenn wir uns im Lebensmittelladen begegneten.
    Also hoffe ich, dass die Zukunft deutlich rosiger werden würde, als die letzten Wochen. Und solange man Freunde hatte, ließ sich alles schaffen.


  • Kapitel 26: Wirrungen der Begierde




    Nach wie vor stand ich ohne Job da. Und nicht zu arbeiten tat mir irgendwie nicht gut. Zumindest tat es meiner Figur nicht gut, denn aus Langeweile stopfte ich leider alles Mögliche in mich hinein und ich bemerkte dann auch leider, dass mein Hintern und mein Busen wieder diese stärk ausgeprägten Rundungen zeigten. Das war nicht gut. Gar nicht gut!




    Dafür gestaltete sich das Leben mit Tristan ganz angenehm. Mit ihm konnte ich fast genauso viel Spaß haben wie mit Roland. Insbesondere wenn wir gemeinsam Soaps gucken konnten. "Hey, Oxana, komm schnell", winkte er mir zu, als ich aus der Küche kam. "Wirrungen der Begierde hat gerade erst begonnen. Du hast also noch nichts verpasst."




    "Nee, lass mal gut sein", antwortete ich ihm. "Dieser Soap kann ich echt nichts abgewinnen. Das ist alles viel zu unrealistisch und gestellt. Ich setz mich lieber an den PC." Doch Tristan versuchte mich weiterhin zu überzeugen, schließlich war "Wirrungen der Begierde" seine absolute Lieblings-TV-Sendung, wie ich gleich nach seinem Einzug festgestellt hatte, und er konnte immer noch nicht verstehen, warum ich sie nicht genau so liebte. "Ach komm schon, schlechter als die Soaps, die wir uns sonst noch ansehen, ist diese hier auch nicht. Außerdem ist heute die letzte Folge in der Dr. Slake Dewory mitspielt. Das musst du dir ansehen."




    Die letzte Folge mit Dr. Slake Dewory? Das machte mich doch stutzig und ich setzte mich zu Roland und ihm auf die Couch. Früher hatte ich diese Soap geliebt und jede Folge gespannt mitverfolgt, doch es ist jetzt schon fast eineinhalb Jahre her, dass ich mir "Wirrungen der Begierde" das letzte mal ansah. Stumm folgte ich der Handlung und beobachtete die letzten Szenen mit Slake. "Der Schauspieler von Slake heißt doch auch Brodlowski? Dariusz oder so. Seid ihr beiden vielleicht verwand?", fragte mich Tristan, als die Schlussmelodie der Serie erklang.




    "Verwand? Ich mit Slake? Wo denkst du hin", lachte ich unsicher. "Es gibt sicherlich hunderte Brodlowskis in der SimNation." "Ja, stimmt auch wieder", antwortete Tristan lachend. "Wäre aber schon lustig gewesen, wenn ich mit der Verwanden eines Stars zusammenleben würde." "Ja, das wäre wirklich lustig", kicherte ich gequält und starrte dann den Bildschirm an, um dieses Thema zu beenden.




    Lange blieb ich aber nicht sitzen, sondern verzog mich laut gähnend in mein Zimmer. Doch müde war ich keineswegs. Ich war wütend, traurig...und enttäuscht. Ich war wütend darüber, dass ich meine Freunde belog und traurig, weil ich nicht anders konnte. Natürlich war ich mit Dariusz Brodlowski verwand. Er war mein Vater! Der Vater, den ich vor seinem prügelnden Ehemann beschützen wollte und auch der Vater, der zuließ, dass mich der gleiche prügelnde Ehemann ein paar Tage später aus dem Haus warf. Die Enttäuschung darüber hatte ich bis heute nicht verkraftet. Wieso hatte er das zugelassen? Wieso?




    Ich hatte all die Monate hier in Sierra Simlone Stadt versucht, nicht mehr an meinen Vater zu denken, mich nicht länger von den Gedanken an meine Familie in SimCity quälen zu lassen. Doch auf einen Schlag hatte mich dass alles wieder eingeholt. Warum hört Paps bloß mit der Rolle in "Wirrungen der Begierde" auf? Diese Rolle war die Erfüllung seiner beruflichen Träume gewesen und ich konnte einfach nicht verstehen, warum er aufhören wollte.




    Ich setzte mich an den PC und versuchte etwas herauszufinden. Irgendeinen Hinweis darauf, warum Paps aufhören wollte. Ich war selbst überrascht, wie sehr mich das beschäftigte. Doch ich fand nichts zu seinen Beweggründen. Auf den Fanpages der Serie war zwar überall von seinem Abgang zu lesen, doch nirgends wurde ein Grund genannt.




    Und plötzlich erwischte ich mich dabei, wie ich mein Handy in der Hand hielt und die Telefonnummer meiner Eltern in SimCity wählte. Doch ich konnte die OK-Taste nicht drücken. Als ich die Nummer im Display sah, überkamen mich die Erinnerungen an meinen Dad, den prügelnden, trinksüchtigen Ehemann meines Vaters. Nein, ich bin in die Sierra Simlone gezogen, um endlich von diesen Menschen loszukommen. Wenn ich jetzt anrief, würde ich mir selbst mit einem Schlag meine gewonnene Freiheit wieder nehmen.








    Ich rief nicht an. Dafür klingelte am nächsten Morgen das Telefon und es meldete sich eine aufgeregte Gerda. "Oxana, ich muss dringend mit dir sprechen." Der Tonfall ihrer Stimme machte deutlich, dass es sich um eine ernste Angelegenheit handeln musste. "Am besten treffen wir uns gleich auf dem Golfplatz. Ich möchte diese Angelegenheit nicht am Telefon mit dir besprechen."




    Wenig später erschien ich auf dem Golfplatz, wo Gerda bereits auf mich wartete. "Gut, dass du so schnell gekommen bist", begrüßte sie mich knapp. "Es fällt mir nicht leicht darüber zu reden, aber es muss sein. Setzen wir uns erst einmal hin."




    Gerda führte mich zielstrebig zu einem Tisch, der sich unter dem schattenspendenden Dach der Golfplatzbar befand. Auf dem Weg dorthin sprach sie kein Wort und auch als ich mich gesetzt hatte starrte sie eine Weile nur wortlos auf die Tischplatte. "Es geht um Albert, Oxana", setzte sie schließlich an. "Ich fürchte, dass meine Ehe ernsthaft in Gefahr ist." Ich musste tief schlucken.




    Gerda wusste es! Sie muss von meiner innigen Umarmung mit Albert auf meiner Party erfahren haben. Diese Umarmung ging weit über einfache Freundschaft hinaus, dass hatte ich an diesem Abend sofort gespürt und trotzdem hatte ich sie nicht abgebrochen, sondern mich noch enger in Alberts starke Arme geschmiegt. Oh, Gott, vielleicht hatte sie uns beide sogar dabei beobachtet? Ich versuchte eine Erklärung hervorzubringen, eine Entschuldigung. Doch wie konnte ich mich gegenüber Gerda rechtfertigen, dass ich mich an ihren Ehemann herangemacht hatte? Dafür gab es einfach keine Entschuldigung. Ich konnte Gerda nur dafür bewundern, wie ruhig sie noch immer bleiben konnte, obwohl ich, die Ehebrecherin, genau vor ihr saß.

  • Kapitel 27: Besuch der Cousine




    Ich wartete darauf, dass sie anfing, mich anzubrüllen, dann wäre es plötzlich viel einfacher für mich. Doch nichts geschah. Gerda starrt weiter nur ruhig auf den Tisch und dachte angestrengt nach. "Ich habe eine große Bitte an dich, Oxana", seufzte sie schließlich. "Aber ich fange am besten ganz von vorne an."








    'Alles fing damit an, dass meine Cousine Letizia aus Orleans anrief. "Gerda, chéri, isch muss disch um ein groß Gefall bitten. Isch werde nächste Woche in die SimNation kommen, weil isch nischt mehr glücklisch bin ihr in Fronkreisch. Meine Appartement in Simtropolis wird aber erst in zwei Monat frei. Isch 'abe ge'offt, so lange bei dir bleiben zu dürfen?" Zu diesem Zeitpunkt tat mir meine Cousine noch leid. Sie war immer ein unglückliches Kind gewesen, mit einer ungesunden Haut und entstellten Augen. Kein schöner Anblick, dass kann ich dir sagen. Also stimmte ich zu, dass sie vorübergehend bei uns wohnen könne.'




    'Doch die Frau, die da vier Tage später aus dem Taxi stieg und auf unser Haus zuschlenderte, war nicht mehr zu vergleichen mit der kleinen, hässlichen Cousine, an die ich mich noch aus Kindertagen erinnern konnte.'




    'Und Albert entgingen ihre offensichtlichen Reize auch nicht. Er stürmte sofort hoch erfreut auf meine Cousine zu und hieß sie in der Familie willkommen. Und du kannst dir sicher sein, dass Alberts Freude weit darüber hinaus ging, was für einen verheirateten Mann in Gegenwart seiner Frau angebracht wäre.'




    'Albert überhäufte sie förmlich mit Komplimenten und Schmeicheleien und Letizia war dem leider überhaupt nicht abgeneigt und flirtete mit Albert. Direkt vor meinen Augen! Kannst du dir so ein dreistes Verhalten vorstellen?'
    Mein Herz raste. Oh Gott, wenn Gerda nur wüsste, dass ich genau dasselbe getan hatte. Ich hatte mit Albert geflirtet, mich von ihm umarmen lassen. Was war ich bloß für eine Freundin?




    Gerda fuhr in ihrer Erzählung fort: 'Mich ignorierte sie dabei vollkommen. Nein, einmal nahm sie mich doch wahr und zwar als Albert sie in das Haus führte. Da drehte sie sich nämlich zu mir um bat mich mit ihrer süßen Stimme: "Gerda, chéri, würdest du bitte mein Koffer in das 'Aus tragen. Er ist so schwer und du weiß am besten wo er 'in kommen soll." Ich hätte sie in der Luft zerreißen können!'




    'Aber ich hatte ihr erlaubt, bei uns zu bleiben, da konnte ich sie ja schlecht wieder hinauswerfen. Außerdem dachte ich mir, dass sie mir im Haushalt oder zumindest mit den Kindern helfen könnte. Letizia sah mich zwar an, als ob ich ihr befohlen hätte in einen Sack mit giftigen Schlangen zu greifen, aber schließlich stimmte sie doch zu, mir hier und da zu helfen.
    Allerdings stellte sie sich nicht sehr geschickt darin an, sich um die Kinder zu kümmern. Miranda, Hans und Desdemona gingen ihr einfach weitestgehend aus dem Weg, doch die kleine Elvira konnte meiner Cousine nicht so leicht entkommen.'




    'Elvira zeigte ihren Unmut dann auf ihre eigene Art und Weise, indem sie ihr Essen gleich wieder nach draußen beförderte und es über Letizia verteilte, die darüber alles andere als glücklich war.'




    'Und als Strafe begann Letizia unsere Kleine förmlich zu tyrannisieren. Ich war meist mit der Arbeit auf dem Hof zu beschäftigt, dass ich gar nicht mitbekam, wie sie sich Elvira schnappt, sie in eine Ecke setzte und dann so lange mit ihren teuflischen Augen anstarte, bis die Kleine ganz verängstigt war.'




    'Und ihm Haushalt hilft sie kein Stück mit. Ganz im Gegenteil ich habe eher das Gefühl, dass nun noch ein fünftes Kind im Haus wohnt, dem ich hinterher räumen muss. Ständig steht das Bad unter Wasser und die Toilette ist die reinste Fundgrube für Keime aller Art und ich bin diejenige, die das ganze Chaos beseitigen darf. Manchmal bin ich mit meinen Kräften einfach nur noch am Ende.'




    'Und obwohl sie mir versprochen hat sich um Elvira zu kümmern, macht sie es nicht. Es ist eine Sache sich einfach nicht um die Kleine zu kümmern, aber es mir zu versprechen und es dann nicht zu machen, obwohl ich mich auf sie verlasse ist einfach unverantwortlich. Eines nachts bin ich aufgewacht und Elviras Bettchen war leer.'




    'Und wo fand ich die Kleine dann? Nicht etwa bei Letizia, wo ich sie vermutet hätte, sondern allein im dunklen Badezimmer auf den kalten Fliesen. Und dort spritzte sie mit dem dreckigen Wasser herum, was wahrscheinlich Letizia selbst in ihrer Schlamperei dort verteilt hatte.'




    'Doch Madame schien das nicht weiter zu stören. Sie reagierte nicht auf mein Klopfen an ihre Zimmertür und schlief sich erst einmal ordentlich aus.'




    'Und am Morgen kam sie dann in ihrem knappen Nachthemdchen aus dem Zimmer und begann um Albert herum zu schawenzeln. Und das ist das eigentliche Problem, Oxana. Ich weiß nicht, wie lange Albert ihren Verführungen noch widerstehen kann.'




    'Ich kenne meinen Albert und weiß ganz genau, dass er gerne anderen Frauen hinterher schaut. Das war schon in unserer Schulzeit so, als wir zusammen kamen. Albert hat sich ständig umgesehen, aber im Endeffekt habe ich es immer geschafft, seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Doch ich werde auch nicht jünger und vier Schwangerschaften hinterlassen ihre Spuren. Ich fürchte einfach, dass es ihm irgendwann nicht mehr reichen könnte sich nur umzusehen, insbesondere, wenn ständig eine Frau um ihn herum schwirrt, die mit ihren Reizen nicht geizt.
    Und das tut Letizia auf keinen Fall. Sie flirtet mit Albert bei jeder Gelegenheit, insbesondere, wenn ich in der Nähe bin. Und er flirtet zurück! Sie darf sogar von seinem Teller essen, etwas, was er mir schon seit Jahren nicht mehr erlaubt.'


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  • Kapitel 28: Die Bitte




    'Und seit diese Frau in meinem Haus wohnt, passieren seltsame Unfälle. Es kann natürlich sein, dass es überhaupt nichts mit Letizia zu tun hat, aber erst vor fünf Tagen stand plötzlich der Herd in Flammen.'




    'Zum Glück war Albert in der Nähe und konnte mit dem Feuerlöscher aus der Scheune den Brand schnell löschen. Aber Letizia hat keine Anstallten gemacht, irgendetwas gegen die Flammen zu unternehmen. Das ganze Haus hätte abbrennen können, ihr wäre das egal.'




    'Und vor zwei Tagen ist dann plötzlich der Fernseher kaputt gegangen und Albert musste versuchen ihn zu reparieren. Mein Herz wäre fast stehen geblieben, als ich Alberst Schrei hörte und sah, wie der Strom durch seine Gliedmaßen zuckte. Er hätte dabei sterben können, Oxana! Und Albert weiß, wie gefährlich Strom sein kann, deshalb bin ich auch überzeugt, dass er den Strom abgestellt hat, bevor er anfing, am Fernseher herumzubasteln.'




    'Der Schlag war so heftig, dass seine gesamte Kleidung dabei verpufft ist. Er hatte nur noch seine verbrannten Boxershorts am Körper. Und er sah aus, als ob er sich in Asche gewälzt hätte. Es war ein furchtbarer Anblick. Der Schreck sitzt mir noch bis heute in den Knochen.'




    'Doch noch bevor ich mich von diesem Schreck erholt hatte, kam Letizia auf Albert zu. "Oh, Albert, du Dummerschen. 'Ast du dir etwa verletzt? Du weißt doch, dass du musst vorsischtisch sein mit die Elektrizität." Und dann malte sie mit ihrem Finger ein Herzchen auf Alberts rußgeschwärzte Haut. "Aber so kann isch sehen dein Muskel. Unter deine Anzug erkenne ich ja nischts." Oh, ich hätte diese Frau umbringen können!'




    'Doch natürlich blieb ich ruhig, aber nur um mit anzusehen, wie Letizia meinem Albert immer offensichtlicher Avancen machte...und Albert immer offensichtlicher diese erwiderte.'




    'Und weil es so nicht weiter gehen konnte nahm ich mir meine Cousine zur Seite und fragte sie direkt, was ihr den einfallen würde, meinen Mann zu verführen und das direkt vor meinen Augen und den Augen der Kinder und ob sie sich nicht schämen würde?'




    'Doch anstatt nur einen Funken Reue zu zeigen, grinste sie mich an: "Isch gebe deinem Albert nur das, was er von dir nischt bekommt, du vertrocknette Schnepfe. Isch kann es einfach nischt ertragen, einen Mann so unglücklisch zu sehen." Dann drehte sie sich zur Seite und winkte verführerisch lächelnd Albert durch die Glasscheibe der Eingangstür zu. Diese Unverschämtheit war einfach zu viel für mich und ich blieb mit offenem Mund stehen.'




    'Ich stand da und wusste nicht, was ich sagen sollte und Letizia machte sich nicht einmal die Mühe auf eine Reaktion von mir zu warte, sondern verschwand im Haus und wand sich Albert zu. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich etwas unternehmen musste, wenn ich meine Ehe retten wollte. Und deshalb habe ich dich angerufen, Oxana.'




    "Du musst mir helfen, Oxana", fleht sie mich an. "Bitte!". Sie war den Tränen nahe. "Ich weiß nicht, wie ich dir helfen soll", antwortete ich wahrheitsgemäß und da wagte Gerda einen verzweifelten Versuch: "Nimm Letizia bei dir auf. Sie wird nur noch etwa drei Wochen hier bleiben, bis sie für immer nach Simtropolis verschwindet. Wenn sie erst einmal aus meinem Haus verschwunden ist, dann werde ich Albert zurückgewinnen können."




    "Natürlich, Gerda. Natürlich helfe ich dir. Letizia kann gleich bei mir einziehen." Ich war so überglücklich, dass Gerda nichts von der Umarmung zwischen Albert und mir wusste, dass ich ihr in diesem Moment jeden Gefallen getan hätte. Und auch Gerda schien tief berührt. "Danke, Oxana. Ich hätte sonst wirklich nicht mehr gewusste, was ich machen soll."

  • Kapitel 29: Das Monster in meinem Haus




    Ich war noch nicht lange wieder zu Hause, als Gerdas Cousine auf unser Haus zukam. Und ich bekam einen richtigen Schrecken, als ich sie sah. Ihre Haut war ganz seltsam verfärbt. Es sah fast so aus, als ob sie schon...naja, tot wäre. Zumindest stellte ich mir genau so eine Leiche vor. Es lief mir kalt den Rücken hinunter. Aber noch viel schlimmer waren diese roten Augen, die mich teuflisch anstarrten. Was für ein Monster hatte ich mir da bloß ins Haus geholt?




    Aber nun war es zu spät, schließlich hatte ich Gerda mein Wort gegeben. Ich führte Letizia in mein Zimmer, wo wir beide die nächsten Wochen schlafen sollten. "Diese Zimmer ist ganz nett", bemerkte Letizia. "Etwas klein vieleischt, aber es müss reischen für die nä'ste Woch. Danke du kannst jetzt gehen. Isch sage bescheid, wenn isch 'Unger 'abe." Sie winkte mich mit ihrer Hand hinfort und begann es sich auf meinem Bett gemütlich zu machen.




    Ohne ein Wort zu sagen, drehte ich mich um und verließ das Zimmer. Aber Moment einmal, das war mein Zimmer! Irgendetwas lief hier gerade ziemlich falsch. Als öffnete ich die Tür erneut und trat wieder hinein. "Nicht das wir uns falsch verstehen, Letizia, dieses Zimmer müssen wir uns teilen. Auch das Bett."




    Letizia starrte mich an, als hätte ich Chinesisch gesprochen. "Hast du verstanden, was ich gesagt habe?", fragte ich deshalb noch einmal zur Sicherheit nach. "Natürlisch 'abe isch verstanden", antwortete Letizia eingeschnappt. "Isch 'abe gerade nur versucht zu überlegen, wie wir beide wollen passen in diese Bett. Isch meine, bei dein Umfang könnte es 'ier ein bisschen eng werden."




    Oh mein Gott! Was war das bloß für eine gemeine Kuh. Ich tat so, als ob ich ihre Beleidigung überhört hätte und ging ins Nachbarzimmer. Doch innerlich kochte ich. Diese Frau war gerade erst 10 Minuten in meinem Haus und hat es schon zwei Mal geschafft mich zu erniedrigen. In diesem Moment konnte ich verstehen, dass Gerda sie so schnell wie möglich loswerden wollte. Was aber konnte Albert bloß in ihr sehen?




    Mir wurde aber sehr schnell klar, dass Letizia offenbar eine sehr starke Wirkung auf Männer auszuüben schien. Zumindest Roland war ihr vom ersten Augenblick an verfallen und lauschte aufmerksam jedem Wort, das aus ihrem Gift spritzenden Mund kam. "Isch bin ja so froh, dass isch 'ier bei eusch wohnen kann. Bei Gerda und Albert war es einfach nur furchtbar."








    'Sofort als isch ankam bei mein Cousine Gerda, begann ihr Ehemann Albert mit mir zu flirten. Isch konnte es kaum glauben. Bien sûr, isch bin eine un'eimlisch atraktive Frau und kein Mann kann mir widerstehen, aber Albert ist nun einmal der Mann meiner Cousine Gerda und deshalb 'abe isch jeden Annährungsversuch im Keim erstickt, aber Albert wollte einfach nischt auf'ören mir schöne Augen zu machen.'




    'Gerda wurde sofort eifersüchtisch und be'andelte misch ab da wie eine Dienstmädschen. Isch musste in ein enge kleine Kammer in ein Bett mit Strohmatratz schlafen und für Gerda die 'Ausarbeit erledigen, während sie sisch einen schönen Tag auf die Feld machte. Und dann versuchte sie misch sogar zu vergiften mit ihre Essen. Mon Dieu, isch dachte fast, isch muss sterben. Gerda 'ätte sisch bestimmt gefreut.'




    'Dann zwang sie misch, misch um ihre klein Balg zu kümmern, Elvira. Dabei wusste sie doch ganz genau, dass isch Kinder 'asse. Und trotzdem ließ sie misch mit die kleine Schrei'als alleine, weil sie Albert angeblisch auf die Feld 'elfen musste. Aber ist es etwa mein Schuld, wenn sie es nischt schaft Arbeit und Kinder unter ein 'Ut zu bringen? Muss isch misch dann mit die stinkende Windeln abgeben, nur weil Madame angeblisch zu müde ist?




    'Und dreckisch war es in diese 'Aus! Isch traute misch kaum noch, dass Badezimmer zu benutzen. Anstatt, dass Gerda dort mal sauber machte, legte sie sisch gleich ins Bett, wenn sie von die Feld kam. Und isch musste die ganze Tag um die Wasserpfütz herumlaufen! Was wenn isch ausgerutscht wäre? Isch glaube nischt, dass sie so müde war, dass sie nischt einmal mehr kurz mit die Lappen wischen konnte. Gerda wollte misch einfach nur ärgern.'




    'Und dann ist sie vollkommen ausgerastet! Isch beobachtet, wie sie die Betten machte und erwähnte, dass mein Bettwäsche schon seit drei Tage nischt mehr gewechselt worden war und Gerda sie endlisch mal waschen könnte, wenn sie sonst schon nischts tat. Und plötzlich ging sie auf mich mit die Kissen los. Sie schlug so 'eftig, dass isch schon fast Angst um meine Leben 'atte. Ganz zu schweigen davon, dass sie meine Frisur total ruiniert 'atte. Mon Dieu, kannst du dir vorstellen, wie lange isch gebraucht 'abe um wieder so perfekt auszusehen? Ja und anstatt sisch zu entschuldigen bei mir, 'at sie mein Koffer in meine 'And gedrückt und gesagt, dass isch in die Simlane 10 gehen soll.'







    Naja, diese Geschichte hatte ich aber ein wenig anders zu hören bekommen, doch Roland fiel auch Letizias scheinheiliges Getue sofort herein. "Du Ärmste. Du musstest bei deiner Cousine ja Höllenqualen erdulden. Aber keine Angst, ich werde schon dafür sorgen, dass es dir bei uns besser ergeht."

  • Hi!
    Ich weiß ja nicht ob Kommentare erwünscht sind....hat ja noch keiner was geschrieben.... Ich muss sagen mir gefällt deine FS. Spannend zu lesen, es wird nicht langweilig!
    Hoffe es kommen noch mehrere Kapitel! ;)

    LG
    StarOfNight

    [SIZE=4]Für Shakespeare ist die Liebe eine Krankheit, die oft genug zum Tode führt. Je länger ich lebe, desto mehr bin ich geneigt ihm zu glauben... [/SIZE]

  • Hallo StarOfNight


    Natürlich sind Kommentare gern gesehen. Ich würde zwar auch so fleißig weiter posten, aber es ist doch nett zu wissen, wie die Geschichte bei den Lesern so ankommt.
    Also vielee, vielen Dank für deine netten Worte. Es werden noch ganz viele Kapitel folgen, dass kann ich schon einmal versprechen.


    Und traut euch ruhig, einen Kommentar dazulassen. Ich freue mich. Und konstruktive Kritik ist auch immer willkommen.

  • Kapitel 30: Die Schwammdusche




    Und das tat er dann auch. Madame hatte Hunger? Kein Problem, sie musste nur nach Roland rufen und schon bereitete er ihr ihr Wunschgericht zu, während sie sich in unseren Korbsessel zurücklehnen und ihren Kaffee genießen konnte, den ebenfalls Roland vorher frisch für sie gebrüht hatte.





    Als ich dann bei einem gemeinsamen Essen ansprach, dass Letizia, da sie nun mal jetzt zu unserer Wohngemeinschaft gehörte, auch im Haushalt mithelfen müsse, starrte sie mich nur entgeistert an. "Du willst, dass isch putze und die Abwasch mache? Mon Dieu, und isch habe geglaubt, dass du misch aus reiner Freundschaft zu dir ge'olt 'ast. Aber du bist genauso wie Gerda und willst misch be'andeln wie ein Dienstmagd. Aber gut, wenn es sein muss werde isch meine perfekte 'Aut mit die Putzmittel ruinieren." Plötzlich sah Roland mich entsetzt an. "Aber Oxana, das kannst du doch nicht zulasse. Letizia musste bei ihrer Cousine doch schon genug leiden."




    Und anstatt dass Letizia am heutigen Abend denn Abwasch machte, wie ich es vorgeschlagen hatte, stand Roland auf und übernahm diese Aufgabe für sie. "Roland, du bist eine wirkliche Schatz", bedankte sie sich und ließ beim Vorübergehen ihre Fingerspitzen über Rolands Rücken gleiten. Ich konnte nur laut aufstöhnen und meine Augen verdrehen. Es war kaum mit anzusehen, wie Roland sich von Letizia einwickeln ließ. Und auch Tristan konnte bei dieser Szene nur mit dem Kopf schütteln.




    Einmal beobachtete ich, wie Letizia sich in Rolands Gegenwart auffällig zu strecken begann. Natürlich entging dies Roland keineswegs, aber ich wette, dass diese Schlange das genauso beabsichtigt hatte. "Soll ich dir vielleicht deinen Rücken massieren, Letizia?", fragte er hoffnungsvoll und sie gab ihm prompt die gewünschte Antwort: "Das ist aber nett von dir, Roland. Meine ganze Rücken ist verspannt von die unbequeme Bett in die isch schlafen muss. Aber isch beschwere misch nischt. Ah qui", stöhnte sie auf, als Roland ihre Schultern massierte, "genau das 'abe isch gebraucht um die Qualen zu vergessen, die isch jede Nacht in diese Bett erleiden muss." Ich ging fast schon wieder an die Decke! Dieses undankbare Biest! Aber ich hatte es Gerda versprochen und irgendwie war dieses Monster auch eine gerechte Strafe dafür, dass ich mich an einen verheirateten Familienvater herangemacht hatte.





    Letizia hatte übrigens eine sehr eigenwillige Art, Roland ihren Dank zu erweisen. Eines Abends, als er alleine mit ihr in der Küche war, öffnete sie einfach den Reisverschluss ihres Kleides und ließ es zu Boden gleiten. Und dann drehte sie den Wasserhahn der Spüle auf, tauchte einen Schwamm hinein und drückte ihn über ihrem Busen aus, sodass das Wasser an ihren Brüsten herabfloss. Roland beobachtete dieses Schauspiel fasziniert und geschockt zugleich.




    Er konnte seinen Blick einfach nicht von Letizias wunderschönem Körper wenden. Ihre Brüste waren einfach perfekt. Als er in ihr Gesicht blickte, setzte sie urplötzlich einen erschrockenen Gesichtsausdruck auf, als ob sie erst jetzt gemerkt hätte, dass Roland überhaupt in der Küche war. Nur erkannte Roland nicht, dass dieser gespielt war, schaute beschämt auf den Boden und verschwand so schnell es ging in seinem Zimmer, während Letizia ungestört ihre Abkühlung an der Spüle fortsetzte.






    Ich hämmerte erneut gegen die Badezimmertür. "Letizia, beeil dich! Ich muss ganz dringend auf die Toilette!". Diese Frau war schon seit mindestens einer Stunde im Bad und so lief das hier jeden Tag, seitdem sie eingezogen war. Ich hüpfte ungeduldig von einem Bein auf das andere und versuchte meine Blase zusammenzudrücken. "Wegen dir mache ich mir noch in die Hose!"




    Doch von so etwas ließ Letizia sich nicht beirren. "Es dauert nun mal seine Zeit so unglaublisch gut auszusehen wie isch", antwortete sie seelenruhig. "Aber isch kann verstehen, dass jemand mit deine Aussehen das nischt nachvollziehen kann." Dann wurde es wieder ruhig und ich hörte nur noch das gelegentliche Plätschern des Badewassers durch die Tür hindurch.




    Schließlich, nach weiteren 40 Minuten, öffnete sich die Tür und eine perfekt gestylte und erfrischte Letizia spazierte hinaus. Ich stürmte sofort auf die Toilette zu und befreite die Fluten, die sich in mir angestaut hatte. Erst da bemerkte ich, dass das Badezimmer einem Hochwassergebiet glich. Aus dem Hahn der Badewanne spritzte Wasser an einer Stelle heraus, aus der es eigentlich nicht herausspritzen sollte und eine Pfütze breitete sich immer weiter auf den Fliesen aus. Fassungslos über das Chaos, was Letizia hier angerichtet hatte drückte ich blind die Toilettenspülung und musste mit Schrecken beobachten, wie das Wasser plötzlich überschwappte, ohne das ich etwas dagegen unternehmen konnte. "Isch weiß gar nischt, warum du disch so aufregst", entgegnete Letizia als ich sie wütend auf das Chaos ansprach. "Das ist doch im 'Andumdrehen wieder sauber".




    Tja, nur das Madame dazu in kleinster Weise beitragen würde. Sie wusste schließlich welchen Deppen sie für sich arbeiten lassen konnte. "Roland, mir ist passiert ein klein Ungeschick in die Badezimmer", spielte sie die unschuldige Jungfer in Not. "Die Wasser'ahn ist kaputt, aber isch bin viel zu schwach für die schwere Werkzeug. Isch brauche die 'Ilfe von eine große starke Mann." "Kein Problem, Letizia", antwortete Roland liebestrunken. "Ich werde das sofort für dich erledigen."




    Und das tat er dann auch umgehend. Wahrscheinlich hätte ich Roland sogar selbst gebeten, den Wasserhahn und die verstopfte Toilette wieder zu reparieren, aber Letizia schaffte es auf diese Weise sich komplett vor der Arbeit zu drücken und das Aufwischen des Bodens blieb an mir hängen. Ich sehnte den Tag herbei, an dem diese Frau endlich aus Sierra Simlone Stadt verschwinden würde.




    Doch bis es so weit war, hatte sie noch viele Gelegenheiten, mich zur Weißglut zu treiben.
    Das Telefon klingelte und Letizia nahm ab. "Oxana? Nein, die ist nischt zu 'Ause. Und nein, isch kann ihr auch nischts ausrischten. Isch bin schließlisch nischt ihre Sekräterin".




    Dann legte sie einfach auf und ich starte ungläubig das nun stumme Telefon an. Das war doch nicht zum aushalten. Da stand ich direkt neben ihr und dieses Monster behauptete einfach ich wäre nicht zu sprechen. Und dann lächelt sie mir auch noch unschuldig ins Gesicht, als ob ich nicht genau mitbekommen hätte, was sie da gerade getan hatte.




    Ich versuchte meistens ruhig zu bleiben und diese Frau zu ignorieren so gut es ging. Aber manchmal ging sie einfach zu weit. "Warum hast du das gemacht Letizia?", schrie ich sie an. "Wäre es so schwer gewesen mir einfach den Hörer in die Hand zu drücken? Wäre das wirklich so viel verlangt? Argrrgh!". Doch eine Entschuldigung war von dieser Frau nicht zu erwarten. Stattdessen versuchte sie mir wieder einmal ein schlechtes Gewissen einzureden: "Isch bin als Gast in diese 'Aus gekommen und du meckerst immer nur rum an mein Ver'alten. Wenn du misch nicht 'ier 'aben möschtest, dann kann isch auch zurück gehen zu Gerda." Sie wusste genau, dass sie mich mit diesem Satz beruhigen konnte. Schließlich hatte ich Gerda mein Versprechen gegeben und ich hatte nicht vor, es zu brechen.





    Das Schlimmste an ihr war aber, dass ich sie mehr als einmal dabei erwischte, wie sie versuchte Roland gegen mich aufzuwiegeln, indem sie ihm vorheulte, wie schlecht ich sie doch behandeln würde. Doch auch wenn Roland sich in letzter Zeit wie ein liebeskranker Welpe verhielt, so versuchte er wenigstens meinen Standpunkt zu verteidigen. Noch! Denn ich musste mit Schrecken feststellen, dass Letizias Einfluss auf ihn von Tag zu Tag wuchs.




    Und plötzlich guckte Roland nicht mehr mit mir unsere Lieblingssoaps am Abend, sondern mit Letizia und anstatt sich von mir mit eine Kissenschlacht zu liefern, übernahm jetzt Letizia diese Aufgabe. Sie nahm mir einfach meinen besten Freund weg! Wütend stopfte ich das Chili con Carne in mich hinein und kaute stumm darauf herum. Vor wenigen Wochen war Roland noch unsterblich in mich verliebt gewesen und jetzt wackelt Letizia einmal mit dem Hintern vor seiner Nase und er hat mich vergessen. Männer!


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  • Kapitel 31: Ein Kuss am Meer




    Na, wenigstens hatte ich in Tristan einen Verbündeten, der von Letizia mindestens genau so genervt war wie ich. Während sie mich bei jeder Gelegenheit auf die Palme brachte, ignorierte sie ihn einfach komplett. "Äh, Letizia, ich wollte mich gerade duschen", stammelte er verlegen, als sie einfach ins Bad herein spazierte und sich ungeniert auf die Toilette setzte. "Oh, du bist auch 'ier?", tat sie überrascht, machte aber keine Anstallten wieder zu gehen. "Misch stört es über'aupt nischt, wenn du disch jetzt duscht. Du bist ja ohne'in keine rischtige Mann."




    Daraufhin überließ er ihr einfach das Bad und setzte sich zu mir in die Küche. Letizia hatte es wieder einmal geschafft jemanden fertig zu machen. "Wie lange soll sie noch einmal hier bleiben?", fragte er mich bekümmert. "Langsam glaube ich, es wäre fast besser, wenn ich bei meinen drei homophoben Mitbewohnern geblieben wäre, als mit dieser Frau unter einem Dach zu leben." "Ende des Monats ist sie weg", antwortete ich ihm und zählte selbst schon die Tage, bis es so weit war.




    Der Wüstenboden hinter dem Haus erwies sich erfreulicherweise als Letizia-Frei-Zone und so war es nicht verwunderlich, dass Tristan und ich plötzlich viel Zeit dort verbrachten. Gegen Abend war es dann sogar richtig angenehm sich den Abendwind um die Nase wehen zu lassen. "Ich brauche echt eine Auszeit von dieser Frau!", stöhnte Tristan entnervt und ich konnte ihm nur beipflichten. "Lass uns doch morgen einfach mal wegfahren", schlug er nach einer kurzen Gedankenpause vor und plötzlich lebte er richtig auf. "Lass uns ans Meer fahren! Nach Seda Azul, das sind doch gerade mal 70 Kilometer. Mit dem Taxi sind wir in knapp einer Stunde da und wir wären endlich Letizia los."







    Das brauchte er mir nicht ein zweites Mal zu sagen. Und so fuhren wir beide gleich am nächsten Morgen mit dem Taxi Richtung Meer nach Seda Azul, einem kleinen Ferienort am Atlantischen Ozean. Unser Ziel war die hiesige Strandpromenade. "Ich hab übrigens noch einen Arbeitskollegen gefragt, ob er sich mit uns hier treffen will", erklärte Tristan kurz bevor das Taxi vor den schmucken kleinen Holzhäuschen zum stehen kam. "Ich hoffe das ist okay für dich. Ich glaube du kennst ihn sogar." Mir sollte es recht sein. Ich wollte nur weg von Letizia und die wird er ja wohl nicht eingeladen haben.




    Nun gut, vielleicht hätte Tristan ja doch lieber Letizia einladen sollen, denn ich konnte es kaum glauben, als plötzlich Benny aus einem der Läden an der Promenade heraus spaziert kam. Als er Tristan erspähte, kam er winkend auf ihn zu. Doch dann sah er mich und plötzlich verfinstert sich seine Miene. "Hast du das alles eingefädelt", blaffte er mich wütend an. "Ich hab dir doch klipp und klar erklärt, dass ich nichts mehr mit dir zu tun haben will!". Tristan starrte uns nur verwundert an.




    Ich versuchte Benny zu erklären, dass ich nicht geahnt hatte, dass er auch kommen würde, doch er hörte gar nicht richtig zu. Stattdessen murmelte er etwas von "Ich rufe mir jetzt sofort ein Taxi" und marschierte rüber zur Telefonzelle. Doch Tristan lief ihm hinterher. "Warte, du kannst doch jetzt nicht einfach wieder abhauen, Benny. Ich hab dich eingeladen, Oxana hat damit nichts zu tun", erklärte er und schaute die Treppen hoch, wo ich wie versteinert das Gespräch verfolgte. "Ich hab keine Ahnung was zwischen euch vorgefallen ist und es ist mir auch egal. Wir sind hier um Spaß zu haben, also stell dich nicht so an."




    Benny wirkte zwar immer noch zerknirscht, aber er ließ sich von Tristan überreden, doch mit uns gemeinsam den Tag zu verbringen. Plötzlich meldete sich auch mein Magen, also beschlossen wir erst einmal etwas zu Essen. Schlussendlich entschieden wir uns für ein kleines, gemütliches Fischrestaurant mit Blick auf das Meer.




    Die Jungs amüsierten sich dabei köstlich, indem sie sich ein Wettessen lieferten. Wären wir zu Hause, hätte ich auch sofort mitgemacht, aber in so einem feinen Lokal war mir das doch ein wenig zu peinlich. Doch auch wenn Benny ganz locker mit Tristan umging, mir gegenüber verhielt er sich sehr verkrampft und andersherum erging es mir da auch nicht besser.




    Ich weiß ja, nach dem Essen soll man eigentlich nicht ins Wasser, aber der Pool direkt am Strand war einfach zu verführerisch. Wobei ich schon befürchtet hatte, dass Tristans missglückter Hechtsprung, der in einem Bauchklatscher endete, böse Folgen haben könnte, insbesondere wenn ich daran zurückdachte, wie er seine Spaghetti di Mare in sich hineingestopft hatte.



    Und den Rest des Tages verbrachten wir damit, uns am Strand von der Sonne verwöhnen zu lassen. Nicht dass es in Sierra Simlone Stadt keine Sonne gebe, nur wurde es zu Hause innerhalb weniger Minuten heiß wie in einem Backofen, während uns hier die frische Meeresbrise Abkühlung verschaffte. Und das Wasser war auch nur ein paar Meter entfernt. Und mit jeder weiteren Minute die wir gemeinsam verbrachten entspannte sich die Situation zwischen Benny und mir.




    Wir blieben bis zum Sonnenuntergang am Strand sitzen. Danach klopften wir uns den Sand von der Haut und zogen uns wieder an. Keiner von uns hatte schon Lust wieder nach Hause zu fahren, also entschlossen wir einen Spaziergang am Strand zu machen. Doch kaum waren wir ein paar hundert Meter unterwegs, verabschiedete sich Tristan plötzlich. "Ich hab da drüben im Café gerade einen alten Bekannten gesehen", erklärte er wenig überzeugend. "Ihr könnt ja ohne mich weitergehen. Ich warte dann hier auf euch". Und schon verschwand er in Richtung der Promenade. Die faule Socke hatte doch nur keine Lust mehr weiter zu laufen.




    Wenn er nicht mit wollte, dann gingen wir halt alleine weiter. Tristan verpasste dann einfach diesen wundervollen Gesamteindruck. Man konnte das Rauschen der Wellen hören, die auf den feinen Sandstrand zurollten und die Luft war angenehm frisch. Wortlos schritten wir immer weiter an der Küste entlang. Und ganz plötzlich überkam mich das starke Bedürfnis, mich bei Benny zu entschuldigen und ihm alles zu erklären.




    Ich blieb stehen und sofort drehte Benny sich in meine Richtung. "Stimmt etwas nicht?" Ich versuchte die richtigen Worte zu finden, doch irgendwie wusste ich, dass es die gar nicht geben konnte. "Hör mir bitte zu", begann ich zu sprechen und an seinem Gesichtsausdruck erkannte ich, dass Benny sofort verstanden hatte, worüber ich reden wollte.




    "Es war falsch von mir, mit Kasimir auszugehen. Und das sage ich nicht nur, weil er sich als ein totales Ekel entpuppt hat. Ich hab dir damit wehgetan und das wollte ich nicht. Wirklich nicht. Und ich weiß, dass mein Verhalten dadurch nicht besser wird, aber ich habe nie mit Kasimir geschlafen. Das musst du mir glauben."




    Benny schaute schweigend auf den Sand. Nur daran, dass er seine Arme nervös vor seinem Oberkörper verschränkte und sich dabei an seinen Oberarmen festklammerte konnte ich erkennen, dass es ihm schwer fiel, die passenden Worte zu finden. "Als ich dich mit ihm gesehen habe und als ich dann auch noch Kasimirs Geprahle hörte, da habe ich mich plötzlich so dumm gefühlt", offenbarte er mir schließlich. "Ich weiß, dass ich kein Traumtyp bin. Meine Nase und die Art wie ich mich kleide...", er seufzte schwer. "Aber dann kamst du, eine wunderschöne junge Frau, und gabst mir das Gefühl, dass ich doch begehrenswert bin. Das war wie in einem Traum, verstehst du? Wieder in die Realität gerissen zu werden, war einfach nur furchtbar. Ich hätte einfach wissen müssen, dass so etwas passiert." Mit jedem Wort wurde seine Stimme dünner und er wagte es nicht, mir ins Gesicht zu blicken.




    Da trat ich einfach einen Schritt auf ihn zu und küsste ihn sanft auf den Mund. Unsere Lippen berührten sich kaum, aber Benny riss erstaunt seine himmelblauen Augen weit auf. Und als ich ihn ein zweites, drittes Mal küsste, jeweils mit einer kurzen Unterbrechung wobei ich nie den Augenkontakt zu ihm verlor, da entspannte er sich endlich.




    Und dann zog er mich zu sich heran und umschloss mich mit seinen Armen. Und plötzlich war ich diejenige, die seine Küsse in Empfang nahm.




    Tristans Räuspern riss uns aus unserer Zweisamkeit. "Unser Taxi zurück nach Sierra Simlone wartet an der Promenade", erklärte er breit grinsend, während Benny und ich auf ihn zu schlenderten."Ich vermute mal, ihr beiden wollt auf der Rückfahrt zusammen sitzen, stimmt’s?"




    Als wir dann in der Stadt kamen, konnte ich mich gar nicht von Benny trennen. Wir standen auf meiner Veranda, küssten uns, hielten Händchen, wir genossen es einfach zusammen zu sein. Tristan rollte nur mit den Augen und ging laut gähnend ins Haus. Aber ich hatte nur noch Augen für Benny.




    Nach etwa der zwanzigsten "diesmal aber wirklich"-Verabschiedung schlich ich leise in mein Zimmer. Letizia schlief bereits und nahm wieder einmal die gesamte Breite des Bettes für sich in Anspruch. Aber heute war mir das egal. Dieses Gefühl in mir war einfach unbeschreiblich. Wie hatte ich jemals auch nur einen Gedanken an Kasimir oder Albert verschwenden können, wenn Benny doch der perfekte Mann für mich war?

  • Kapitel 32: Das Erste Mal





    Und dieses Glücksgefühl hielt an und plötzlich hatte Letizia keine Chance mehr, mich auf die Palme zu bringen. Das heißt aber nicht, dass sie es nicht versuchte. " 'Ast du endlisch eingesehen, dass du mit diese Figur nie einen Mann abbekommen wirst?", spritzte sie ihr Gift, als sie bemerkte, dass ich mich seit ein paar Tagen mit einem kleinen Salat begnügte. "Aber bei deine bauern'afte Ver'alten werden dir auch ein paar Kilo weniger nischt 'elfen."




    Wenn die wüsste! Aber irgendwo hatte sie schon recht. Ich wollte tatsächlich ein paar Pfunde los werden. Ich hatte zwar nicht das Gefühl, dass meine Pölsterchen Benny groß stören würden, aber ich fühlte mich selbst wohler mit ein paar Kilos weniger auf den Rippen.




    Und deshalb verbrachte ich auch wieder mehr Zeit mit meinem Training und vor allem weniger Zeit mit Essen. Meine "Julia" hatte ich wohlwissend aufbewahrt und sie erwies mir erneut ihre treuen Dienste. Und diesmal war es Tristan, der mich in meinen Bemühungen abzunehmen unterstützte. Er überzeugte mich, dass mein Training im klimatisierten Fitnessstudio viel angenehmer sei, als in der Hitze der Wüste. Außerdem waren wir hier vor Letizia und dem liebestollen Roland sicher.







    Und Stück für Stück schmolzen meine Pfunde dahin. Stolz über meine erbrachte Leistung betrachtete ich mich im Spiegel. Das neue Abendkleid saß perfekt, aber waren meine Haare auch in Ordnung? Irgendwie war es so ungewohnt, sie offen zu tragen. Und heute wollte ich einfach perfekt aussehen. Benny hat vor mich in ein Restaurant in SimVegas auszuführen...und wir hatten nicht vor, heute Nacht wieder zu kommen.




    Ich fühlte mich fast wie ein Star, als das Taxi vor dem Falltuer-Building im Zentrum SimVegas' hielt und Benny die Wagentür öffnete, um mir hinaus zu helfen. Der rote Teppich führte uns eine kleine Treppe hinauf in die opulent ausgestattete Empfangshalle des Gebäudes, das unteranderem ein Hotel und mehrere Restaurants beherbergte.



    Benny bestätigte an der Rezeption kurz unsere Buchung bevor wir mit den Fahrstuhl in das Restaurant fuhren, dass sich im dritten Stock des Falltuer-Buildings befand. Am Ausgang des Fahrstuhls erwartete uns sofort eine freundliche, ältere Dame, die uns zu unserem Tisch führte. Der Service war ausgezeichnet, denn gerade als wir uns gesetzt hatten, stand auch schon ein Kellner an unserem Tisch, der uns die Speisekarten und ein Glas Mineralwasser brachte.




    Auf sein Anraten hin bestellten wir den Hummer, der einfach nur fantastisch schmeckte. Überhaupt war die ganze Atmosphäre unglaublich. Der prasselnde Kamin, die Kerzen auf dem Tisch, die leise Pianomusik. Doch das Schönste war, dass Benny bei mir saß. Das machte dieses Essen perfekt.




    Als wir das Restaurant verließen und erneut in den Fahrstuhl stiegen, begann mein Herz zu rasen, denn ich wusste genau was gleich passieren würde. Benny tippte einen Code in das Display des Lifts und nach einer überraschend ruhigen Fahrt öffnete sich die Tür und wir stiegen direkt in unser Hotelzimmer hinaus.




    Der Raum war unheimlich geschmackvoll eingerichtet und großzügig. Doch was mich am meisten faszinierte, war der Ausblick. Wir mussten mindestens in der dreißigsten Etage sein und vor mir breitete sich die glitzernde Skyline SimVegas' aus.




    Benny öffnete eine Flasche Sekt, die der Zimmerservice für uns hinterlassen hatte, und wir beide tranken einen Schluck. Und dann nahm er mich in den Arm und begann mich zu küssen und ich erwiderte seine Liebkosungen. Langsam begann ich seien Anzug und sein Hemd aufzuknöpfen und er öffnete den Reißverschluss an meinem Kleid. Und als ich schließlich fast unbekleidet vor ihm stand strich er sanft über meinen Körper, ließ mich auf das Bett gleiten und begann erneut mich liebevoll zu küssen.




    Er beugte sich über mich und küsste meine Lippen, meinen Hals, meinen Busen. Und ich wollte ihn nur berühren, ihn ganz nah bei mir spüren, eins mit ihm werden. "Bist du sicher, dass du das möchtest?", unterbrach er unser Liebesspiel und sah mir in die Augen. Ich konnte spüren, dass ich hätte nein sagen können und er das widerstandslos akzeptiert hätte. Aber ich wollte es. Ich wollte mit ihm schlafen, mit dem Mann, den ich liebte.




    Benny war so unheimlich liebevoll, dass der kurze Anflug von Angst schnell verflog. Für mich war es das erst Mal, dass ich mit einem Mann schlief. Und ich hätte mir niemand anderes Vorstellen können, an den ich meine Unschuld verlieren wollte. Doch das Schönste war, danach Bennys glückliches Gesicht zu sehen, die Liebe in seinen Augen zu erkennen und in seinen Armen einzuschlafen.


  • Kapitel 33: Faustkampf





    Wir blieben das ganze Wochenende in SimVegas und ich wollte lieber gar nicht wissen, was dieser Kurzurlaub Benny gekostet hatte. Aber ich würde mich revanchieren und das Tag für Tag aufs Neue. Er brachte mich bis nach Hause, wo ich mich von ihm mit einem langen Kuss verabschiedete. Alleine die Vorstellung heute Nacht nicht wieder neben ihm einschlafen zu können brach mir fast das Herz.




    Aber ich hatte ja Letizia. Zumindest dachte ich das, denn als ich die Tür zu meinem Zimmer öffnete, offenbarte sich mir eine Szene, die ich lieber nicht gesehen hätte. Da lagen doch tatsächlich Letizia und Roland auf meinem Bett und...naja...machten es miteinander. Ich schloss die Tür leise wieder und hoffte, dass die beiden mich nicht bemerkt hätten. Danach ging ich rüber zu Rolands Zimmer und legte mich zu Tristan ins Bett. Morgen musste ich als erstes meine Bettwäsche wechseln!




    Dummerweise entwickelte sich Letizia in den folgenden Tagen zu einer immer größeren Plage. Hat sie uns früher nur mit ihren Sticheleien und ihrer Faulheit zur Weißglut getrieben, wurde sie plötzlich auch noch handgreiflich. Ihr bevorzugtes Opfer war dabei Tristan, der eine Frau schlecht zurückschlagen konnte. Ich bekam langsam das Gefühl, dass Letizia Orléans nicht freiwillig verlassen hatte, sonder ins Exil geschickt worden ist.




    Und dann ging sie auch auf mich los! Ohne großartige Vorwarnung schlug sie mit ihrer Faust auf mich ein und beschimpfte mich mit französischen Schimpfwörtern, deren Bedeutung ich gar nicht wissen mochte. Doch da hat sie die Falsche angegriffen. Erst schlug ich zurück und dann sagte ich ihr mal ordentlich die Meinung, denn jetzt hatte sie die Grenze überschritten.




    "Du Miststück!", schrie ich sie an. "Was fällt dir ein, mich zu schlagen? Ich hab dich in mein Haus aufgenommen und deine ganzen Sticheleien über mich ergehen lassen. Ich hab zugesehen, wie du Tristan erniedrigt und Roland nach Strich und Faden ausgenutzt hast, aber jetzt bist du eindeutig zu weit gegangen. Nimm deinen französischen A**** und verschwinde aus meinem Haus! Ich will dich hier nie wieder sehen!"




    Letizia funkelte mich mit ihren teuflischen, roten Augen an, als ob sie mich gleich anspringen wollte. Doch ich gab keinen Zentimeter nach und meine finstere Mine gab ihr deutlich zu verstehen, dass sie jetzt lieber nichts mehr sagen und einfach verschwinden sollte.




    Was sie dann auch tat. Noch während sie ihre Sachen in den Koffer packte, rief ich ein Taxi, dass dieses Monster so schnell wie möglich aus meinem Haus, ja am besten aus der Sierra Simlone oder der ganzen SimNation, fortschaffen sollte. Roland war der einzige, der sie hinausbegleitete um sich zu verabschieden, doch sie würdigte ihn nicht einmal eines Blickes.




    Am nächsten Morgen musste ich mich dann bei Roland entschuldigen. "Es tut mir leid, dass ich Letizia aus dem Haus werfen musste, aber sie hat mir einfach keine andere Wahl mehr gelassen. Und auch wenn du sie scheinbar liebst, ändert es nichts daran, dass diese Frau den verdorbensten Charakter hat, den ich je bei einem Menschen erlebt habe." Roland sah mich zweifelnd an. Scheinbar hatte ihn Letizias Auszug mehr zu schaffen gemacht, als ich geglaubt hatte und dann wurde mir auch klar warum. "Sie hat sich nicht einmal von dir verabschiedet, stimmt‘s? Oh, Roland, es tut mir so leid für dich. Du hast sie wirklich geliebt und sie..."




    Roland begann plötzlich zu lachen und unterbrach mich mitten in meinem Satz. Was war denn jetzt kaputt? "Ach, Oxana, mir ist es doch völlig egal, ob sie weg ist." Ich sah ihn überrascht an. "Glaubst du etwa, dass ich nicht gemerkt hätte, was für ein Biest Letizia ist? Und ich hab auch gemerkt, dass sie vom ersten Moment an versucht hat mich auszunutzen. Aber das Spiel kann man auch zu zweit spielen. Auch wenn sie einen furchtbaren Charakter hat, sieht sie doch einfach rattenscharf aus. Und da hab ich einfach so getan, als ob ich auf sie reinfallen würde, um sie ins Bett zu kriegen. Und das hat ja auch wunderbar geklappt." Mein Mund blieb vor Erstaunen offen stehen. Ich hätte nie geglaubt, dass Roland so manipulierend sein könnte.




    Und mit Letizias Auszug kehrte wieder eine entspannte Atmosphäre in die Simlane 10 ein. Jetzt waren wir wieder unter uns, meine drei Jungs und ich.



    Gedanken:

    Die letzten Wochen waren so voller Gegensätze, dass es kaum vorstellbar war. Auf der einen Seite, musste ich mich mit Letizia Kappe, der Cousine von Gerda rumschlagen. Diese Frau hätte mich so manches Mal fast zur Weißglut getrieben, dabei bin ich ganz bestimmt kein leicht reizbarer Mensch.
    Auf der anderen Seite hatte ich ein wirklich gutes Verhältnis zu Tristan entwickelt. Er war derjenige, der mir half mit Letizia als Mitbewohnerin fertig zu werden. Wahrscheinlich lag es daran, dass er unter ihr genauso zu leiden hatte wie ich.
    Aber was noch viel wichtiger war: Ich hatte meinen Traummann gefunden. Benny war einfach unglaublich und ich war so glücklich mit ihm. Und wenn ich daran dachte, dass ich schon viel früher hätte mit ihm zusammen kommen können, dann bereute ich diese vergeudeten Wochen.
    Auf unserem Konto sah es gar nicht mal schlecht aus. Allerdings trug ich kein Stück dazu bei. Roland arbeitete immer noch für die Ölfirma an den Bohrtürmen und jobbte nebenher im Café. Tristan hatte dagegen in den letzten Wochen eine richtige Glückssträhne in der Arbeit und war zum Wahlkampfleiter des örtlichen Vorsitzenden der Ölgesellschaft aufgestiegen.




    Wenn er sich geschickt anstellte und sein Vorgesetzter die Wahlen zum Vorstand der "SimNationalen
    Vereinigung Für Öl- und Gasförderung" gewann, dann stand ihm möglicherweise eine Kariere in der Ölpolitik bevor. Zumindest hegte er diese Hoffnungen.




    Letizia hatte zur Haushaltskasse so ziemlich gar nichts beigetragen. Die lächerlichen 280§ hatte sie wahrscheinlich allein für die Wasserrechnung verbraucht, die aufgrund der von ihr verursachten regelmäßigen Überschwemmungen explodiert war. Gearbeitet hatte sie nie, was ich aber auch nachvollziehen konnte. Schließlich war sie nur vorübergehend in der Sierra Simlone. Dafür hätte sie aber ruhig im Haushalt anpacken können. Ich ärgerte mich immer noch, wenn ich daran zurückdachte, wie faul sie gewesen war.
    Normalerweise ließ ich meine neuen Mitbewohner den Test der Flughafenbehörde durchführen, aber Letizia hatte das kategorisch abgelehnt. Zufällig fand ich dann aber doch das zerknüllte, aber dennoch ausgefüllte Formular im Mülleimer.




    Das Ergebnis überraschte mich dann wenig. Mir war schon aufgefallen, dass sie der unfreundlichste und schlampigste Mensch war, den ich kannte. Allerdings musste der Test sich bei der Aktivität irren. Zumindest hatte ich nicht einmal beobachtet, dass Letizia freiwillig auch nur einen Finger gerührte hätte.




    Ihre seltsame Vorliebe für maskierte Männer im Vampir-Kostüm nahm ich ihr sofort ab. Diese Frau sah ja schon selber fast wie ein Vampir aus. Dass sie allerdings kein Parfüm mochte, überraschte mich, so dick wie sie es selbst auftrug. Aber vielleicht mochte sie es ja nur nicht an einem Mann?




    Den Test musste sie kurz vor ihrem Auszug angefertigt haben, denn als sie eingezogen war, konnte sie noch nicht einmal einen Kaffee kochen. Aber vielleicht lag es daran, dass sie solche Aufgaben lieber ihren liebestollen Verehrern überließ, oder zumindest welchen, die sie für solche hielt.



    Und als ich den Punkt las, der ihre Beziehungen zu Mitmenschen betraf, wäre ich vor Lachen fast vom Stuhl gefallen. Sie hielt uns drei tatsächlich für ihre Freunde. Also, wenn sie so zu Freunden war, wie wir sie in den letzten Wochen erlebt hatten, dann mochte ich nicht wissen, wie diese Frau ihre Feinde behandelte.


  • Kapitel 34: Nachricht von der Farmervereinigung




    Eigentlich sollte Tristan nur vorrübergehend bei uns wohnen bleiben. Aber inzwischen gehörte er einfach unzertrennlich zu unserer WG. Und deshalb haben Roland und ich beschlossen, ihn offiziell bei uns aufzunehmen und das Haus entsprechend auszubauen. Mit unserem Ersparten konnten wir das Esszimmer ein klein wenig erweitern und ein weiteres Zimmer neben dem von Roland anbauen.




    Denn auf Dauer wurde es doch ein wenig nervig, dass Roland und Tristan sich ein Zimmer und sogar ein Bett teilen mussten. Und spätestens seitdem ich mir mein Bett und Zimmer mit Letizia teilen musste, wusste ich die Privatsphäre eines eigenen Zimmers zu schätzen. Tristan schien auch alle Fälle sehr glücklich über sein neues Zimmer zu sein.




    Der Architekt hat sich große Mühe gegeben, die Form unseres Hauses nicht zu zerstören. Und ich fand, es ist ihm ganz gut gelungen. Der Anbau fügte sich sehr gut an und trotzdem wirkte das Haus nicht zu massiv, aber auch nicht zu zerstückelt.




    Eines Morgens holte ich wie gewöhnlich die Post aus dem Briefkasten. Doch neben den üblichen Rechnungen und Werbeschreiben fand sich noch ein unerwarteter Brief. Der Absender war die "Farmervereinigung der Sierra Simlone" und der Brief war eindeutig an Roland, Tristan und mich adressiert.




    Ein Brief von der Farmervereinigung? Was konnten die denn bloß von mir wollen? Für die Party, die ich letztens ausgerichtet hatte, haben sie sich schon längst bedankt. Ich setzte mich zu den Jungs an den Frühstückstisch und holte den Brief aus dem Umschlag. Doch was ich da las konnte einfach nicht wahr sein. Ich musste mich verlesen haben! Doch da stand es, schwarz auf weiß.




    "Die wollen mir das Haus wegnehmen", unterbrach ich Tristan und Roland in ihrer Unterhaltung. "Guter Witz", lachte Tristan. "Dabei ist doch heute gar nicht der erste April." Doch mir war überhaupt nicht zum Lachen zumute und ich schaute Roland mit ernster Mine an, der sofort erkannte, dass es mein voller Ernst war.




    Ich reichte Roland den Brief und er begann zu lesen. Tristan saß nun auch schweigend am Tisch und wartete auf Rolands Reaktion. "Ich fürchte, du hast Recht, Oxana", erklärte Roland bedrückt, nachdem er den Brief sorgfältig gelesen hatte. "Die Farmervereinigung will, dass wir das Haus verlassen, weil angeblich gegen irgendwelche Bestimmungen verstoßen worden ist. Wir haben drei Monate Zeit uns was Neues zu suchen." Rolands Worte trafen mich hart. Bis jetzt hatte ich gehofft, den Brief nur falsch verstanden zu haben.




    Die Tränen schossen mir in die Augen und ich könnte nicht mehr länger am Tisch sitzen bleiben. Ich dachte, ich hätte endlich ein neues Zuhause gefunden und nun sollte alles wieder vorbei sein? Das war doch nicht möglich. Tristan sah hilflos zu Roland hinüber, doch der schüttelte nur mit dem Kopf: "Lass sie für einen Moment allein. Sie muss diese Nachricht erst einmal verdauen".




    Ich war froh, dass Roland mich erst einmal in Ruhe ließ. Aber ich war auch froh, als er schließlich zu mir vors Haus kam, wo ich die letzte halbe Stunde Wüstenameisen dabei beobachtet habe, wie sie unter meiner Veranda ein Nest anlegten. Diese Insekten mussten sich keine Sorge darüber machen, dass sie bald obdachlos sein würden. "Was sollen wir jetzt machen?", fragte ich Roland. Im Gegensatz zu mir wirkte er sehr gelassen. "Wenn wir tatsächlich hier raus müssen, dann finden wir bestimmt auch eine neue Bleibe". Darüber hatte ich auch schon nachgedacht, aber ihm war genauso klar wie mir, dass es fast unmöglich war, eine Unterkunft in Sierra Simlone Stadt zu bekommen. Ganz zu schweigen davon, wenn man zu dritt war. "Versuch doch mal, mit denen von der Farmervereinigung zu reden", schlug Roland schließlich vor. "Die Kappes sind doch auch Mitglieder. Vielleicht wissen sie ja, was es mit diesem Brief genau auf sich hat."







    Da hatte Roland natürlich Recht. Gerda und Albert würden sicher wissen, was es mit diesem Brief auf sich hatte und vielleicht hätten sie auch eine Lösung für mich, damit ich mein Haus behalten konnte. Ich rief sofort an und Albert versprach mir, sich mit mir im Longhorn Saloon zu treffen.




    Wir setzten uns an die Theke und bestellten was zu Essen. Aron erkannt mich natürlich sofort wieder, doch ich hatte keine Zeit mich mit ihm zu unterhalten. Viel wichtiger war jetzt der Brief. Während wir auf das Essen warteten, gab ich ihn Albert, der sich ihn gründlich durchlas. Als er ihn weglegte, wirkte sein Gesicht aber alles andere als zuversichtlich. "So wie es aussieht, hat die Farmervereinigung gar keine andere Wahl, als auch aus eurem Haus zu vertreiben, denn ihr habt gegen die Agrarrichtlinien der Sierra Simlone verstoßen."




    "Was sollen wir den angeblich getan haben?", fragte ich leicht genervt, da die Vereinigung es nicht einmal für nötig hielt, mir einen vernünftigen Grund für den Rauswurf zu nennen. "Die Frage ist nicht, was ihr gemacht habt, sondern eher, was ihr nicht gemacht habt", entgegnete Albert. "Ihr habt gegen §21 der Agrarrichtlinien verstoßen. Ganz einfach ausgedrückt, ihr habt euer Land nicht bewirtschaftet, obwohl ihr gesetzlich dazu verpflichtet gewesen wärt."




    Jetzt war ich total verwirrt. Welches Land den bitteschön? Ich besaß kein Land. Nicht einmal das Haus gehörte mir richtig. Es würde erst in etwas mehr als vier Jahren endgültig an mich übergehen. Was wollte also die Farmervereinigung von mir? Albert konnte mir ansehen, dass ich das alles nicht verstand. "Wir können gleich zum Provinz-Archiv gehen", schlug er deshalb vor. "Dort finden sich alle Grundbucheinträge. Dann können wir auch gleich herausfinden, von welchem Land in diesem Brief die Rede ist."







    Das Archiv wurde erst vor wenigen Wochen eröffnet und ersetzte nun die vielen kleinen Archive, die zuvor über die ganze Sierra verteilt gewesen waren. Trotzdem war es nicht leicht, die aktuellsten Grundbücher unter all den Dokumenten zu finden und das fünfzehnjährige Mädchen, das gelangweilt im Empfangsbereich saß, war uns dabei auch keine allzu große Hilfe.




    Doch dann fand ich die gesuchten Dokumente. "Simlane 10, Sierra Simlone Stadt. Grundstück befindet sich im Besitz der Provinzbehörde. Derzeitige Pächter: Oxana Brodlowska, Roland Reichert, Tristan Linse. Eingetragen als "Grünspan Farm". Umfasst das Wohngebäude mit der obigen Adresse, sowie 56,45 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche. Die "Grünspan Farm" unterliegt den Regelungen der örtlichen Farmervereinigung." Ich konnte kaum glauben, was ich dort las. Mir gehörten also mehr als 55 Hektar Land? Ich gab Albert das Grundbuch. "Also dir gehört das Land, dass zwischen unserem und dem Land der Tülles liegt", lachte er. "Ich hab schon seit Jahren versucht, den Besitzer zu ermitteln." "Und was soll ich jetzt tun?", fragt ich ihn ratlos. "Fahr erst einmal nach Hause", riet mir Albert. "Und ich werde mich mit der Farmervereinigung in Verbindung setzten und mich informieren, was du jetzt machen kannst. Ich rufe dich sofort an, wenn es etwas Neues gibt."

  • Hi!

    Immer wieder schön zu lesen..... :D
    Sag mal hast du die FS eigentlich schon fertig am PC oder spielst du nebenher?

    LG
    StarOfNight

    [SIZE=4]Für Shakespeare ist die Liebe eine Krankheit, die oft genug zum Tode führt. Je länger ich lebe, desto mehr bin ich geneigt ihm zu glauben... [/SIZE]

  • star of Night


    Vielen Dank für dein Lob. Es freut mich immer wieder, ein wenig Rückmeldung zu bekommen.
    Ich arbeite gerade an den letzten Kapiteln der Geschichte, in denen ist Oxana aber bereits fast 50, es liegt also alles weit in der Zukunft. Alle bisher veröffentlichten Kapitel lagen schon etwas länger auf meiner Festpaltte und ich habe noch sehr viel Material für weitere Fortsetzungen.


    Gruß
    Stev

  • Kapitel 35: Farm oder nicht Farm?




    Ich verbrachte eine sehr unruhige Nacht. Albert hatte gestern bei seinem Abschied zwar sehr zuversichtlich geklungen, aber ich hatte trotzdem furchtbare Angst, mein Haus zu verlieren. Glücklicherweise rief Albert schon sehr früh am Morgen an. Doch anstatt mir zu erzählen, was er in Erfahrung gebracht hatte, bat er mich in seinen Wagen zu steigen. Wir fuhren hinaus aus der Stadt und plötzlich tauchten rechts und links von uns Mais- und Flachsfelder auf. Die sonst so karge Sierra Simlone war kaum wieder zu erkennen. Wir hielten an und Albert führte mich auf einen Weg zwischen den Feldern. "Schau dir alles genau an, Oxana", sagte er schließlich. "Auch so kann die Sierra Simlone aussehen. Grün und voller Leben. Man muss nur sehr viel Arbeit investieren." Das sah ich ein, aber warum zeigte Albert mir all dies?




    Wir gingen weiter den Feldweg entlang immer tiefer in die Felder hinein. Bis auf der linken Seite das Flachsfeld unerwartet endete und sich stattdessen der verdorrte, unfruchtbare Wüstenboden offenbarte. "Hier hat wohl jemand nicht genug Arbeit investiert", bemerkte ich sarkastisch, da man genau sehen konnte, dass auch dieses Feld irgendwann einmal bestellt worden war. Albert nickte. "Genau so ist es. Und zwar hast du nicht genügend Arbeit in dieses Feld gesteckt. Denn genau hier beginnt dein Land. Deine 55 ha."




    Ich schaute mich um und konnte das Ende des vertrockneten Feldes gar nicht ausmachen, so riesig war es. Doch Albert hatte mir noch mehr zu zeigen. "Siehst du diesen Zaun dort?" ich nickte. "Auch dass gehört alles noch dir. Der alte Señor Verdura, der ehemalige Besitzer der "Grünspan Farm" hat hier bis zu seinem Tod vor einigen Jahren Rinder gezüchtet." Langsam schritt ich auf das Gatter zu und mit etwas Druck öffnete es sich knarrend. Das war also alles meins? Und ich hatte es noch nicht einmal geahnt.




    Warum zeigst du mir das alles, Albert?", fragte ich ihn traurig. "In dem Brief stand doch, dass ich das Haus und somit auch das Land in drei Monaten ohnehin verlassen muss. Jetzt ist es also auch egal." "Ich hab mit der Farmervereinigung gesprochen", antwortete Albert. "Wenn du das Haus wirklich behalten möchtest, dann geben sie dir noch mal eine Chance. Du musst aber dieses Land bewirtschaften. Das ist die Bedingung." Er reichte mir ein Schreiben der Farmervereinigung. "Hier steht alles genau erklärt. Jetzt liegt es an dir zu entscheiden, was du möchtest. Ich weiß, dass es keine leichte Entscheidung ist."







    "Auf meinen Wunsch hin, ließ Albert mich allein auf meinem Land zurück, von dem ich bis vor zwei Tagen noch nicht einmal geahnt hatte. Ich wusste, dass der Weg zurück nach Sierra Simlone Stadt lang war, aber ich brauchte die Zeit, um mir darüber klar zu werden, was ich wollte. Doch erst als ich auf mein kleines grünes Haus zukam, das hell erleuchtet in der kühlen Abendluft stand wurde mir bewusst, dass dies mein Zuhause war. Ich wollte hier bleiben, egal was ich dafür auch tun musste.




    Als ich die Tür öffnete, konnte ich das fröhliche lachen von Roland und Tristan hören. Nein, ich wollte diese "Familie" um keinen Preis verlieren...nicht noch einmal. Als sie bemerkten, dass ich von meinem Treffen mit Albert zurück war, wurden sie augenblicklich still und warteten auf das, was ich ihnen zu sagen hatte. Schließlich ging es auch um ihre Zukunft. "Albert hat mir heute das Land gezeigt", begann ich zu erzählen. "Unser Land, was wir eigentlich als Pächter dieser Farm hätten bestellen müssen. Und Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Aber die Farmervereinigung lässt uns hier wohnen bleiben." Roland und Tristan rissen beide überrascht die Augen auf und ihre Gesichter hellten sich auf. Allerdings hatte ich noch nicht zu Ende gesprochen. "Aber wir müssen die Farm bestellen. Wir müssen nachweisen, dass wir mindesten zwei Drittel der Fläche landwirtschaftlich nutzen oder wir müssen die Farm in drei Monaten verlassen. So sind die Bedingungen."




    Es herrschte betroffene Stille. "Wir haben doch überhaupt keine Ahnung, wie man das Land bewirtschaftet. Wie sollen wir das denn anstellen?", sprach Tristan den Gedanken aus, der uns alle beschäftigte und schaute abwechselnd zu mir und zu Roland herüber.




    Da holte ich das Schreiben heraus, das Albert mir auf der Weide gegeben hatte und zeigte es den beiden. "Falls wir uns dazu entschließen sollten zu bleiben, werden wir für vier Wochen auf eine Farmschule in der Nähe von Ganado Alegro geschickt. Dort werden uns dann die notwendigsten Kenntnisse zum Bewirtschaften einer Farm in der Sierra Simlone vermittelt. Zudem würden wir einen günstigen Kredit von der Farmervereinigung erhalten um die ersten Jahre überstehen zu können."




    "Ich weiß, dass ich euch zu nichts zwingen kann, aber ich möchte dieses Haus behalten. Ich möchte Sierra Simlone Stadt nicht mehr verlassen. Und ich glaube, wenn wir das gemeinsam angehen, dann werden wir das auch schaffen. Dann werden wir aus der "Grünspan Farm" wieder einen florierenden Agrarbetrieb machen. Ihr müsste euch nicht jetzt sofort entscheiden. Ich kann verstehen, dass ihr Zeit braucht, um alles genau abzuwägen. Aber ich würde mich sehr freuen, wenn ihr beide mich bei dieser Sache unterstützen würden, denn alleine werde ich es wahrscheinlich nicht schaffen."




    Ich ging in mein Zimmer, aber dort hielt ich es nicht lange aus. Zum einen war da diese drückende Hitze im Raum, die erst in den frühen Morgenstunden erträglicher werden würde. Zum anderen machte ich mir aber viel zu viele Gedanken darüber, wie Roland und Tristan sich wohl entscheiden würden. Schließlich würde es für beide bedeute, ihren bisherigen Job aufzugeben. Ich musste mit jemanden reden, also rief ich Benny an, der versprach, sofort zu kommen. Ich setzte mich nach draußen auf die Bank vor dem Haus und wartete, bis mein Freund endlich mit dem Geländewagen vor unserem Haus hielt. Er begrüßte mich mit einem liebevollen Kuss und setzte sich zu mir. Ich erzählte ihm von dem Angebot der Farmervereinigung und von der schweren Entscheidung, die meine beiden Mitbewohner jetzt treffen mussten. "Mach dir keine Sorgen, Oxana", versuchte er mich zu beruhigen. "Ich bin mir sicher, dass alles gut wird. Und im schlimmsten Fall finden wir gemeinsam eine Lösung".




    Ich war so dankbar dafür, Benny zu haben. In dieser Nacht fuhr er nicht wieder zurück auf die Ranch, auf der er angestellt war, sondern blieb bei mir. Trotz der Hitze schmiegte ich mich eng an seinen Körper, denn ich wollte jetzt ganz nah bei ihm sein. Und als ich so den angenehmen Duft seiner Haut einatmete und seinem gleichmäßigen Atmen lauschte, vergaß ich für einen Moment meine Sorgen und viel in einen tiefen, erholsamen Schlaf.





    Doch als ich am Morgen die Augen aufschlug kreisten meine Gedanken sofort wieder um die Zukunft meines Zuhauses. Ich ging hastig in die Küche und fand Roland und Tristan bereits am Kückentisch sitzend vor. An meinem Platz stand ein duftendes Omelett und ich nahm mir auch vor es zu essen und die beiden nicht mit irgendwelchen Fragen unter Druck zu setzen. Sie würden mir ihre Entscheidung schon mitteilen, wenn sie sich entschlossen hätten. Aber schließlich konnte ich nicht länger warten. "Habt ihr es auch überlegt? Habt ihr entschieden, ob ihr mir beim Aufbau der Farm helfen wollt?" Ich schaute nervös vom einen zum anderen, bis Tristan sich zu Roland drehte und ihn ernst anblickte: "Willst du es ihr sagen oder soll ich?"




    Roland begann zu sprechen: "Wir haben uns heute Nacht noch lange unterhalten, Oxana. Aber schließlich sind wir uns einig geworden". Meine innere Anspannung wurde immer unerträglicher, doch plötzlich wandelte sich Rolands starrer Gesichtsausdruck in ein warmes Lächeln. "Wir werden dir helfen, Oxana und dich bei allem unterstützen. Du kannst also auf uns beide zählen."




    Ich war so glücklich diese Worte aus seinem Mund zu hören, dass die Tränen mir über die Wangen liefen. Ich ging auf Roland zu und umarmte ihn so fest ich konnte. "Danke, ich danke euch beiden so sehr", brachte ich schluchzend hervor und lächelte dabei auch Tristan zu, der etwas verlegen immer noch auf seinem Platz am Tisch saß.


  • Kapitel 36: Der Hahn auf dem Misthaufen




    Noch am gleichen Tag kündigten Roland und Tristan ihre Jobs und es schien so, als ob es beiden nicht sonderlich schwer fiele. Ich war den beiden unendlich dankbar, dass sie das für mich taten. Wir packten unsere Sachen und Albert holte uns am Abend ab, um uns auf die Farm zu bringen, wo wir die nächsten Wochen damit verbringen sollten, die Grundlagen der Landwirtschaft zu erlernen.




    Im Inneren wurden wir bereits von Gretchen, der Hauswirtschafterin, erwartet. "Folgen Sie mir bitte", forderte sie uns auf und stieg die Treppen in den ersten Stock des Hauses hinauf. Dort schritten wir einen langen Gang entlang, bis wir zu einer weiteren engen Treppe kamen, die uns direkt unter das Dach führte. Die Luft dort oben war drückend heiß, aber ansonsten war der Dachboden aufgeräumt. "Hier werden sie die nächsten Wochen schlafen", erklärte Gretchen und zeigte auf die Betten in den Fensternischen. "Die Duschen befinden sich eine Etage tiefer direkt neben der Treppe. Abendessen gibt es um sechs, Frühstück um halb sechs. Das Mittagessen wird je nachdem wie es mit der Arbeit aussieht bereitet. Der Unterricht beginnt morgen um halb sieben. Seien sie also pünktlich." Nach dieser Auskunft verabschiedete sie sich knapp und stieg die Treppe wieder hinunter.




    Roland ließ sich sofort auf eins der Betten fallen. "Die sind gar nicht mal so unbequem", bemerkte er, nachdem er es sich gemütlich gemacht hatte. Ich setzte mich auf einen Stuhl, der neben dem Bett stand, auf das Tristan sich gerade setzte und ließ den Raum auf mich wirken. "Nichts als Felder ringsherum", stellte Tristan enttäuscht bei einem Blick aus dem Fenster fest. "Ich glaube nicht, dass man hier abends irgendetwas unternehmen kann."




    Den ganzen Abend wollten wir natürlich nicht in der stickigen Dachkammer verbringen, also stiegen wir hinunter und sahen uns auf dem Hof um. Direkt neben dem Haupthaus stand eine rote Scheune, die auch als Kuhstall genutzt wurde. Daneben befanden sich zwei hohe Silotürme. Ansonsten war da nur noch Mais. Mais, soweit das Auge reichte.




    Mitten auf dem Hof stand ein alter, vertrockneter Baum. Das allein war nicht sonderlich interessant, denn solche Bäume fand man zuhauf in der Sierra Simlone. Was meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte, war eine Schaukel, die sich sacht im Wind bewegte. Ich umfasste die Halteseile mit meiner Hand, senkte mich auf die Sitzfläche hinab und stieß mich leicht vom Boden ab. Der Ast über mir knartschte bedrohlich, aber er hielt. Und von der Schaukel aus beobachtete ich, wie die Sonne in einem Meer aus Mais versank.




    Ich schlief erstaunlich gut in dieser Nacht. Vielleicht lag es daran, dass die Sorge über die Zukunft meines kleinen Hauses endlich von mir gefallen war. Das Krähen eines Hahnes kündigte schließlich den anbrechenden Tag und damit den Beginn unserer Ausbildung zum Landwirt an. Unter der erfrischenden Dusche wusch ich mir den Schweiß vom Körper und ging dann hinunter zur Veranda, wo Gretchen bereits das Frühstück serviert hatte und Roland und Tristan es sich schmecken ließen. Bis jetzt kam mir der Aufenthalt hier schon beinah wie Urlaub vor.




    Nach dem Frühstück stand dann der Unterricht auf der Tagesordnung. Wir drei waren zurzeit die einzigen Schüler. Es war ein komisches Gefühl wieder die Schulbank drücken zu müssen. Nachdem ich SimCity verlassen musste, hatte ich auch die Schule abgebrochen und niemals mein Abitur gemacht. Aber ich war auch nie eine wirklich gute Schülerin gewesen. Ich blätterte in dem Lehrbuch, das auf meinem Tisch lag und betrachtete die bunten Abbildungen der Tier und Pflanzen, als ein Mann Ende vierzig den Klassenraum betrat.



    Er stellte sich als Bob Rembert vor und er würde uns in den nächsten Wochen sowohl die theoretische, als auch die praktischen Aspekte des Farmerlebens vermitteln. "Es ist wichtig, dass Sie sich der Verantwortung bewusst sind, die ein Leben als Farmer, gerade in einer Region wie der Sierra Simlone, mit sich bringt". Er blickte uns der Reihe nach eindringlich in die Augen. "Ohne uns Farmer, wäre dieser Teil der SimNation eine kahle, trostlose Wüste. Doch Dank unserer Arbeit, Dank unserer umfassenden Bewässerungsprogramme und Dank unsere Aufopferung für dieses Land ist es uns gelungen, die Sierra Simlone in eine fruchtbare Oase zu verwandeln. Doch denken Sie immer daran, wenn wir auch nur für einen Moment mit unseren Bemühungen aufhören, dann verwandelt sich dieses Land zurück in die Ödnis, die es ursprünglich war."
    Insbesondere Roland war gefesselt von Bobs Ansprache und auch ich musste zugeben, dass es mich plötzlich stolz machte, bald einen wichtigen Anteil daran zu haben, die Sierra Simlone zu einem angenehmen Lebensraum für die Menschen zu machen.




    Bob begann, uns ausführlich, das Klima der Sierra Simlone zu erklären und die Folgen, die dieses trockene und heiße Klima für die Nutzung des Landes bedeutete. Die Böden hier waren zwar trocken und unfruchtbar, aber die Sierra Simlone verfügte über riesige unterirdische Wasservorkommen, die regelmäßig mit dem Wasser der kräftigen Niederschläge in den Bergen um SimVegas aufgefüllt wurden und eine intensive Bewässerung des Landes erlaubten. Und Dank modernster Kunstdünger und spezieller Zuchtsorten, waren die weiten Ebenen der Sierra Simlone perfekt für die Landwirtschaft geeignet. Unser erster praktischer Unterrichtsteil bestand darin, sich mit dem gängigen Pflanzen vertraut zu machen. Fenchel, Tomaten, Gurken, Hülsenfrüchte. Alles wurde hier angebaut. Alles mehr oder weniger erfolgreich. Insbesondere die sengende Sonne bereitete den meisten Pflanzen Probleme.
    Bob gab uns den Auftrag, selbst zu experimentieren und anhand der Lehrbücher und seiner morgendlichen Vorträge zu erforschen, welche Maßnahmen zu treffen sein, um die Pflanzen am Leben zu erhalten. Allerdings war ich dabei nicht so erfolgreich. So musste ich feststellen, dass meine Tomaten alles andere als gut aussahen. Sie wirkten teilweise...gegrillt? Tristans Fenchel gedieh dagegen prächtig und Roland begann sich intensiv mit den Bodenverhältnissen und den notwendigen Düngern zu beschäftigen.




    Nach etwa eineinhalb Wochen schickte Bob uns in die Maisfelder. Irgendetwas würde nicht stimmen, teilte er uns mit und wir sollten entscheiden, was dem Mais fehlte und welche Gegenmaßnahem zu treffen sein. Ich muss zugeben, dass ich damit absolut überfordert war. Für mich sah der Mais völlig normal aus. Wie Mais halt. Wir verbrachten fast zwei Stunden im Feld und untersuchten die Maispflanzen von der Wurzel bis zur Blüte.




    Und schließlich war es Roland, der einen seltsamen bräunlich-roten Belag auf den Blättern der Pflanzen feststellt. Die Recherche in einem Buch über Pflanzenschädlinge offenbarte, dass es sich bei dieser Verfärbung um einen Pilz handelte, der sich mit einem dort aufgeführten Fungizid bekämpfen ließ. Wir teilten Bob unser Ergebnis mit und er beglückwünschte uns, denn wir hatten genau das herausgefunden, was er bereits gestern an den Pflanzen entdeckt hatte. "Dann können wir uns ja gleich daran machen, das Fungizid aufzutragen", erklärte er. "In der Scheune liegt die Ausrüstung bereit. Der Mais ist schon zu hoch, um mit dem Tracktor zu spritzen. Der Pilzbefall begrenzt sich auf etwa einen Hektar Mais. Wir könne also noch manuell spritzen." Ich atmete erleichtert auf. Ein Hektar konnte ja nicht so viel sein. "Das heißt, in zwei Tagen sollten wir damit fertig sein", beendete Bob seinen Vortrag und machte sich lachend auf den Weg zur Scheune.




    Aus den zwei Tagen wurden schließlich dreieinhalb Tage. In der Schutzkleidung und unter der Atemschutzmaske war es fast nicht aushalten und das, obwohl wir die Arbeit in die frühen Morgenstunden und den Abend verlegten. Ich glaube, ich habe noch nie so viel geschwitzt wie in diesen Tagen.
    Deshalb war ich auch unheimlich froh, als wir endlich von den Feldern wegkamen und uns mit der Tierzucht auseinander setzten. Auf der Farm selbst gab es zwar keine Schweinemast, aber es wurden hier Ferkel aufgezogen, die dann an Mastbetriebe weiterverkauft wurden. Die Ferkel waren schon sehr niedlich. Und wenn man in ihre Augen blickte, hatte man fast das Gefühl, einem Menschen ins Gesicht zu blicken. Zwar war es auch anstrengend, regelmäßig das Gehege vom Schweinedreck zu befreien, aber der Anblick der spielenden Ferkel entschuldigte für vieles.




    Die Pferde waren dann doch etwas, wovor ich gehörigen Respekt hatte. Ich meine, die sind immerhin größer als ich und ich hatte keine Lust Bekanntschaft mit ihren Hufen zu machen. Doch Bob erlaubt mir nicht, diese Lektion ausfallen zu lassen. "Du wirst immer wieder mit Pferden arbeiten müssen, Oxana. Gerade hier in der Sierra Simlone sind wir immer wieder auf diese Reittiere angewiesen." Dann drückte er mir einige Werkzeuge in die Hand, die mich an Spatel erinnerten. "Das ist für die Hufe", erklärte er. "Du musst sie säubern und kontrollieren, ob die Eisen noch richtig sitzen. Wenn nicht, müssen wir sie neu beschlagen lassen".




    Vorsichtig traute ich mich an eines der Pferde heran und strich ihm beruhigend über den Hals. "Ganz ruhig, mein Großer", sagte ich mehr um mich, als das Tier zu beruhigen und hob langsam den Huf des Tieres an. Tristan beobachtete mich mit Spannung, denn er würde das zweite Pferd übernehmen müssen. "Tristan!", unterbrach Rolands Ruf meine Konzentration und ich rutschte mit dem Spatel ab, worauf hin das Pferd kräftig zur Seite auswich und mich fast umwarf. "Was ist?", fragte Tristan ärgerlich, doch Roland winkte ihn nur zu sich hinüber. Dass ich fast zertrampelt worden wäre, interessierte scheinbar niemanden.




    "Was willst du denn?", fragte er noch einmal, als er bei Roland ankam. "Kannst du mal auf den Misthaufen klettern?", erwiderte dieser. Tristan starrte Roland verwirrt an, aber als keine weitere Erläuterung folgte, tat er einfach, was Roland verlangte. "Und jetzt?". "Wenn du schon mal da oben bist, dann kannst du ja das Hühnerhaus ausmisten", schlug Roland mit unschuldigem Blick vor. "Die Schaufel liegt direkt neben dir. Ich kann derweil...äh...schon mal die Tomaten gießen." Er drehte sich um und verschwand in Richtung des Gemüsegartens. "Verdammt!", dachte Tristan und schaute Roland ungläubig hinterher. "Er hat mich hereingelegt!"