FOTOSTORY - Riverview IV

  • Hi Leute,
    der Mai ist zur Hälfte vorbei und damit auch die Warterei.


    Genug gedichtet, kurz und knapp, die neue Staffel ist da!


    Wie erwähnt gibt es neue Folgen jeweils Montags und Freitags!


    eine Neuerung: Jede Folge gibt es jetzt auch zusätzlich als PDF zum download, für die Leute, die lieber offline lesen möchten.


    Also viel Spaß mit dem neuen Abenteuern aus Riverview!



    DOWNLOAD Folge 1



    4x01 – Freunde, Liebe und Gefahren




    Zurückzukehren ist schwierig. Manchmal unmöglich und doch notwendig.

    Jakob Winter hatte vor genau 5 Monaten gedacht, dass es für Manuela Berg unmöglich werden würde jemals zu ihm zurück zu kehren. Noch immer sah er vor seinem inneren Auge die grausame Tat. Manuela lag in seinen Armen, blutverschmiert und mit einem Messer in der Brust. Damals hatte er gedacht, dass er ihr Lächeln nie wieder sehen würde. Und auch als ihm die Ärzte versicherten, sie sei außer Lebensgefahr, so konnte er immer noch nicht sicher sein jemals wieder zu ihr zurückkehren zu können. Er hatte ihr Vertrauen missbraucht. Doch selbst wenn sie ihm vergeben würde, das Schicksal war nicht auf seiner Seite.






    Jakob stellte die Blumen, die er wie jeden Tag mitgebracht hatte in die Vase. Er rückte sie zurecht und öffnete die Vorhänge des kleinen Einzelzimmers, in dem die junge Frau lag. Es war komisch. Obwohl er diesen Anblick schon seit nun 5 Monaten jeden Tag aufs Neue ausgesetzt war, tat es ihm immer wieder weh. Manuela lag im Koma. Still und ruhig atmend und das die ganze Zeit über. Würde sie jemals wieder aufwachen?

    „Ach, hallo Jakob.“ Jakob schrak auf und sah zur Tür. Dort stand Annette, ebenfalls mit Blumen in der Hand und lächelte.






    „Annette. Was machst du so früh hier?“, fragte Jakob und strich sich seinen Anzug glatt.

    „Ach, Leopold hat ja heute seinen ersten Arbeitstag und da ich jetzt alleine zuhause bin, dachte ich, ich besuche mal eine alte Freundin.“






    Jakob konnte ebenfalls den Schmerz in Annettes Augen sehen. Manuela und sie waren die besten Freundinnen gewesen. Er erinnerte sich noch gut an die langen Abende, die sie zu dritt verbracht hatten. Es war eine schöne Zeit gewesen. Aber jetzt, da war es sicher besonders schlimm für sie. Ihre beste Freundin lag im Koma, ihr Ex-Verlobert und ihre Mutter waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Es musste unglaublich schmerzhaft gewesen sein so viele geliebte Menschen auf einmal zu verlieren. Gut, dass sie Leopold zurück hatte. Er gab ihr wenigstens etwas Kraft in der schwierigen Zeit. Kraft, die er auch gerne in einem Menschen schöpfen würde. Aber in wem? In Susanne? Nein, mit ihr arbeitete er nur zusammen und das war schon mehr als genug.






    „Ich habe gehört dein Haus wäre fertig.“ Annette sah den Architekten an, der daraufhin sofort lächelte.

    „Ja, mein neues Haus steht und ist perfekt geworden. Susanne meinte zwar die Decke wäre nicht ganz in Ordnung, und es fehle noch der letzte Schliff, aber ich bin zufrieden.“

    „Das ist schön zu hören. Sag mal, wie läuft es mit deinen Plänen wieder ein neues Architekturbüro zu eröffnen?“






    „Ach …“ Jakob hielt kurz inne. Ja, es gab wohl nicht, was er sich sehnsüchtiger wünschte als wieder sein eigener Herr zu sein. Aber konnte er all das noch einmal auf sich nehmen? Wäre es klug?

    „… ich … ich weiß nicht. Weißt du, seitdem Manuela nicht mehr bei mir ist, da… da bin ich mir bei gar nichts mehr so sicher. Außer bei einem. …“






    „Du liebst sie. Hab ich recht?“

    Jakob sah Annette traurig an. Nein, er liebte Manuela nicht. Er vergötterte sie. Er würde alles für sie tun. Am liebsten würde er sich für sie dort in dieses Bett legen. Sie hatte das nicht verdient. Nein …

    Annette legte ihre Hand auf seine Schulter.

    „Wie wäre es, wenn wir vor der Arbeit noch einen Kaffee trinken gehen und wir uns mal wieder so richtig unterhalten. Du hast dich lange genug von der Menschheit abgegrenzt. Es wird Zeit, dass du in die Welt zurückkehrst!“







    Rüdiger hatte gerade den letzten Umzugskarton geleert, sich die Hände gewaschen und dann gestrahlt. Es war vollbracht. Zufrieden ließ er sich auf seine alte, modrige Couch fallen. Ja, das war sein Zuhause. Hier fühlte er sich richtig wohl. Er war zurück, zurück in seinem alten Trailerhouse am Rand der Stadt. Warum er jetzt hier wohnte? Nein, es lag nicht daran, dass er allergisch auf Sauberkeit und moderne Häuser war.






    Nein, Rüdiger hatte beschlossen wieder alles richtig zu machen. Und dazu gehörte: Sein Geschäft aufgeben, seine Mutter in den Wind schießen und … Nelly um Vergebung bitten. Es hatte lange gedauert bis Rüdiger den Tod von Silke verkraftet hatte, aber nun, fünf Monate später fühlte er sich stark genug. Ja, Rüdiger Himbert war endlich stark genug. Klar, er würde immer noch nicht schwer heben können, das war aber wegen seinem Kreuz, das durfte nicht schwer belastet werden.

    Rüdiger wusste was er als nächstes tun musste. Duschen. Es war zwar noch nicht Sonntag, aber es konnte nichts schaden gut duftend Nelly zu begegnen.

    Gerade als er ins Bad gehen wollte, spürte er plötzlich etwas Weiches unter seinen Plattfüßen. Es quikte.






    „Herr Adam!“, stieß er überglücklich aus und streichelte die kleine Ratte, die am Boden kroch. Wie sehr hatte er das alles nur vermisst. Es war alles so wunderschön hier. Tränen schossen ihm in die Augen. Bald würde wieder alles so sein, wie es sein soll.

    Vorm Spiegel blieb er jedoch plötzlich stehen. Denn was dort hing, verschlug ihm die Sprache. Ein Bild von ihm und Nelly.



    Das war unglaublich …

    Nelly. Er liebte sie noch immer. Vor 5 Monaten war sie gegangen. Seit dem hatte er sie nicht mehr gesprochen, dabei wusste er ganz genau, wo sie jetzt lebte. Sie hatte Krebs, auch das wusste er. Aber er musste es einfach versuchen. Nelly gehörte zu ihm. Er brauchte sie.

    Er würde sie wieder zurückholen! Das war sicher!






    Aber jetzt musste erst einmal der Dreck von drei ganzen Wochen von sich gespült werden.







    „Herr Bürgermeister?!“

    „Ja, Sandy?“, fragte Leopold, der gerade an seinem Schreibtisch saß und einige Gesetzesentwürfe studierte.






    „Ich habe hier ein Paket für Sie. Ein schön kleines… was könnte da wohl drinnen sein?“

    „Eine Atombombe!? Jetzt geben Sie schon her, Sandy! Das habe ich bestellt.“

    „Oh … geben Sie jetzt schon Gelder der Stadt für private Angelegenheiten aus, oder wie? Macht ja nichts, das habe ich bei Ihrem Vorgänger andauernd gemacht. Oder was glauben Sie, warum ich so viele Schuhe habe?“






    Leopold von Werken beäugte seine Beraterin streng.

    „Das habe ich privat gekauft, es bloß hier her liefern lassen, damit Annette es nicht findet. Sagen Sie, war das Ihr Ernst?“

    Sandy wurde rot und schüttelte den Kopf.






    „Ach, was … Sie wissen doch, ich scherze gerne. So viele Schuhe habe ich doch gar nicht… Wenn Sie mich jetzt entschuldigen!“

    Sandy verließ den Raum. Im Weggehen konnte Leopold noch hören, wie sie den neuen Praktikanten anbrüllte: „John! Du musst sofort meine Bestellung von gestern stornieren!“

    Kopfschüttelnd wandte sich der Bürgermeister dem Päckchen zu und öffnete es. Es war ein Verlobungsring, der sich darin verbarg.

    Ja, damit würde er Annette zu seiner Frau machen. Und niemand würde sie trennen können. Niemand, niemals.






    Ja, willkommen zurück allerseits. Doch wie das so ist, bedeutet jede Rückkehr neue Probleme. Die einen warten vergeblich darauf, dass ein anderer aufwacht. Wieder andere kehren in ihr geliebtes Zuhause zurück. Doch dann gibt es noch diejenigen, die nicht nach Hause zurückkehren können…






    „Danke Jakob, das war ein nettes Frühstück! Das müssen wir wiederholen! Bis dann!“ Damit verabschiedete sich Annette von Jakob und begab sich auf den Heimweg. Gerne wäre sie heute arbeiten gegangen, aber ihre Praxis hatte geschlossen. Sie würde sich ein Bad einlaufen lassen, das…






    Plötzlich packte sie ein Mann an ihren Armen. Brutal und erbarmungslos drückte er sie zu Boden und zog sie in einen Wagen. Sie konnte nicht einmal schreien, so geschockt war sie, als sie sich wenige Sekunden später im Innern eines Autos befand. Alles ging so rasend schnell. Ihre Arme waren gefesselt, ihr Mund geknebelt. Was geschah hier? Dann raste der Wagen davon …

    [CENTER]


    [SIZE=3]Liebe, Intrigen, Mord, Totschlag, Affären, Liebeleien, Erbarmen, Lust, Freud, Leid, Wahrheit und ... Geheimnisse... [/SIZE]


    [SIZE=6]Die Simlinge von Riverview[/SIZE]
    [SIZE=4]Eine Kleinstadt und ihre Geheimnisse [/SIZE]


    [/CENTER]

  • 4x02: Unsere Helden

    PDF -Download



    Es geschah kurz vor zehn Uhr morgens, als der Nachrichtensender SimNN plötzlich nur noch ein Thema hatte. Und es waren diesmal nicht die unendlich langweiligen Nazi-Dokumentationen über den 2. Simkrieg, nein, diesmal war es etwas wirklich Schreckliches.



    Alles begann damals, Anfang des neuen Jahrtausends, als ein Mann an die Spitze des Staates gewählt worden war. Doch, was damals noch keiner ahnte, er war derjenige, der die ganze Welt verändern würde. Seine Verdienste reichten von einer großen Gesundheitsreform



    , über die erfolgreiche Überwindung einer Bankenkriese, bis hin, und das ist das wirklich wichtige, zu einer Versöhnung. Denn nach mehr als zwanzig Jahren erbitterten Bürgerkrieg in Simlisch-Mayorana, einem Inselstaat am Rande von Simopa, schaffte es dieser Mann den Frieden wiederherzustellen. Ja, Henry McBryan war ein Held. Ein Held, der an diesem Tag aus der Welt geschieden war.



    Und nicht nur sein Land, nein die ganze Welt trauerte um ihn…



    Magda McBryan war keine Frau großer Worte. Sie war auch nicht die beste Schauspielerin. Doch, in den sechs Jahren, in denen sie ihrem Mann zur Seite gestanden hatte, hatte sie so einiges gelernt: Das wichtigste davon war die Regel, die sich schon immer bewährt hatte:
    Der Presse niemals mit leeren Worten vorzutreten.



    Magda zog ein letztes Mal den tiefroten Lippenstift nach und betrachtete ihre müden Augen im Spiegel. Sie sah furchtbar aus. Völlig fertig und ausgepowert. Also genau richtig um vor die Presse zu treten. Denn das erwarteten sie von ihr. Fertig auszusehen, heulend und am Boden zerstört. Und das würde sie ihnen liefern. Denn für einen Eklat am Todestag ihres Ehemannes wollte sie natürlich nicht sorgen. Die Menschen sollten eine trauernde Witwe sehen und kein kaltes Monster, das nicht einmal eine Minute um diesen Idioten getrauert hatte. Nein, dafür hatte sie zu viel von ihm gelernt.
    Als sie die Falten in ihrem Gesicht kaschierte, musste sie lächeln. Dieser Kerl hatte es wirklich drauf gehabt. Und die Menschen da draußen haben ihm alles abgekauft. Er war der große Held gewesen, der Retter der Nationen. Ts… Magda konnte nur lachen.



    Wenn die Menschen nur wissen würden, wie er all das geschafft hatte, dann würde niemand mehr um ihn trauern. Aber das spielte keine Rolle mehr. Ihr Ehemann, nein, geliebter Ehemann war tot. Sie trauerte. Das sollten alle denken.



    „Magda… wir wären so weit.“, sagte ihre Beraterin und engste Freundin Laura Ewert. Sie trug ein schwarzes Kleid und wirkte im Gegensatz zu Magda wirklich betroffen.
    „Ich bin fertig. Hat Bernard meine Rede fertig geschrieben? Ich hoffe er hat diesen sentimentalen Blödsinn rausgestrichen. Das ist ja kaum zum Aushalten.“ Ein letztes Mal strich sie sich die Frisur gerade, ehe sie sich eine Zigarette ansteckte und aus dem Fenster des Grand Hotel von Riverview sah.



    „Ich glaube, ich kann dann den Termin bei diesem Architekten für heute Nachmittag absagen…“, sagte Laura zögernd. Entsetzt starrte Magda sie an und schüttelte den Kopf.
    „Bloß nicht! Alles bleibt wie es sein sollte. Das Haus wird trotzdem gebaut.“
    „Aber … das… das ist irre. Die Presse wird…“
    Magda lächelte leicht.
    „Die Presse werden es verstehen. Ich bin trauernde Witwe und will mir den Traum von mir und mein Mann verwirklichen. Das bekommt unsere PR-Abteilung schon hin. Soll Bernard doch so eine dämliche Rede machen, glaube mir, die Leute schlucken alles…“



    „Aber Magda! Diesmal ist es anders! Ihr Mann, unser Held, ist tot!“ Wütend baute sich die Beraterin vor der Witwe auf.
    „Mein Mann waren kein Held! Er waren ein verdammter Heuchler!“
    „Wie kannst du das sagen. Bei allem, was er für dich und dein Land getan hat.“ Laura schüttelte unverständlich den Kopf.
    „Wenn du in meine Lage wärest, dann du würden es verstehen! Und jetzt ruf diesen Jakob Winter an. Der Termin bleibt. Ich will mein Haus haben!“





    Jeder Mensch hat seine persönlichen Helden. Für Frau Meier aus der Brauerstraße war es der nette Nachbar, der ihr die täglichen Einkäufe mitbrachte. Für Julia Albert, der kleinen Erstklässlerin, war es Alex Bender, der ihre Katze vom Baum rettete, wenn sie mal wieder zu hoch kletterte. Doch so sehr man jemanden für seine Taten schätzt umso schwieriger ist es, wenn dieser jemand plötzlich fehlt. Das musste zumindest Rüdiger Himbert erfahren, als er sich an diesem Morgen im Spiegel betrachtete.



    Es war scheußlich, einfach grauenhaft. Und damit meinte er nicht die vielen Mitesser, die sein Gesicht wie ein Atomwaffentestgebiet aussehen ließ. Nein, es war das Wesen, das sich hinter diesem fettigem Gesicht befand. Ein Wesen, das gebrochen, das nicht mehr vollkommen war.
    „Ach Jamie...“, stöhnte er und kämmte sich eine Haarsträhne zur Seite. Die kleine Ratte, die an seinen Socken knabberte sah ihn schief an.
    „Jetzt sieh mich bitte nicht so an! Es wird schon alles gut werden. Da bin ich mir sicher. Ich liebe Nelly! Das weiß sie.“



    Wusste sie es wirklich oder versuchte er nur sich selbst und seinen unfreiwilligen rattigen Mitbewohnern etwas vor zumachen. In der Vergangenheit hatte er oft gemerkt, dass er dazu neigte. Aber man sollte ja niemals pauschalisieren. Das war nicht Rüdigers Art. Aber was war dann seine Art? Seitdem Nelly gegangen war hatte sich so viel geändert. Mal davon abgesehen, dass er jetzt immer selber Waschen musste, was einigen selbst gestrickten Wollpullis bereits das Leben gekostet hatte, gab es so vieles, das ihm jetzt keinen Spaß mehr machte. Wie zum Beispiel Fernsehen. Was konnte man sich denn noch gutes ansehen, wenn man keinen hatte, mit dem man darüber lästern konnte. Oder Essen, nach ja, Essen jetzt nicht per se, denn dafür liebte Rüdiger die Nahrungsaufnahme zu sehr, aber so bestimmte Dinge wie Salat essen, was er niemals ohne Nelly tun würde. So sehr er Salat auch nicht ausstehen konnte, für Nelly tat er sich dieses gesunde Grünzeug an. Doch jetzt? Was würde sein, wenn sie nicht mehr zu ihm zurückkommen würde? Er müsste ungesund sterben. Oder, was noch schlimmer war, alleine.
    So muss es gehen. Lächelnd betrachtete er sich uns seinen Schlabberlook. Besser bekam er es nicht hin. Jetzt war es so weit. Er würde zu ihr gehen.



    Dann schnappte er sich die Schlüssel, streichelte seine Rattenbande und schwang sich in seine alte Klapperkiste. Der Motor startete polternd und schon im nächsten Moment tuckerte er in Richtung Außensiedlung. Einem Sozialbaugebiet, in dem Nelly seit fünf Monaten mit Tobias zusammenlebte...


    Helden haben viele Gesichter. Die einen stellen sich einen Helden mit Maske vor, der durch die Luft fliegt. Andere sehen die Retter in Weiß als Helden ihres Lebens. Und wieder andere sehen in einer blutüberströmten Frau, die in einem Autowrack liegt ihren Helden.



    Leopold von Werken dachte noch oft dran. Zu oft, wie er zugeben musste. Aber dieser Unfall hatte alles verändert. Er hatte sein Leben zurückbekommen, obwohl er es fast verloren hätte. Als Annette vor fast fünf Monaten in ihre eigene Mutter und ihren Verlobten gerast war, hatte er geglaubt, dass nun alles zu Ende wäre. Aber wie durch ein Wunder verfehlte ihn der Wagen ur knapp.
    Als er dann, nach minutenlanger Starre wieder klar denken konnte, hatte er erst das ganze Ausmaß der Katastrophe sehen können. Der Wagen war an einigen Felsen zerschellt. Neben dem Todeswagen lagen Silke und André.



    Und als er zu dem Auto sah, das ihn nur knapp verfehlt hatte, bekam er einen Schock. Annette hing aus einem zerstörten Fenster. Sie war bewusstlos und voller Blut gewesen.
    Leopold schüttelte den Kopf und sah auf die Uhr. Es war kurz nach drei. Bald hatte er Feierabend. Das Blick auf das kleine Foto von Annette zauberte augenblicklich ein Lächeln auf seine Lippen. Sie hatte immer behauptet er wäre ihr Retter, ihr Held gewesen, der sie aus dem Autowrack befreit hatte. Aber das stimmte nicht. Er war nicht ihr Held gewesen, sondern sie war seiner gewesen.
    Dann in dem Moment, als er sie im Arm hielt und ihr die Haare von der blutigen Stirn gestrichen hatte, war ihm eines klar gewesen: Alles würde sich ändern. Und das hatte es.
    Und das nur, weil er eine Heldin hatte...


    Ja, wir alle haben unsere Helden. Die einen sehen in einem großen Staatsmann den Helden der Nation.
    Für andere wiederum ist der Partner der wichtigste Held in ihrem Leben und wenn er nicht mehr da ist, merken sie, wie schlecht ihre Welt ist.



    Doch was ist mit denen, die glauben ihr Held hätte sie gerettet und alles wäre gut? Ist es dann nicht zerschmetternd, wenn er … nicht mehr da ist.



    „Ich bin weg. Komme nicht wieder.“
    Der Satz traf Leopold wie ein schlag ins Gesicht. Minuten lang starrte er auf das Display seines Smartphones. Das konnte unmöglich wahr sein … Annette würde so etwas nicht tun … niemals!

    [CENTER]


    [SIZE=3]Liebe, Intrigen, Mord, Totschlag, Affären, Liebeleien, Erbarmen, Lust, Freud, Leid, Wahrheit und ... Geheimnisse... [/SIZE]


    [SIZE=6]Die Simlinge von Riverview[/SIZE]
    [SIZE=4]Eine Kleinstadt und ihre Geheimnisse [/SIZE]


    [/CENTER]

  • 4x02: Unsere Helden

    PDF -Download



    Es geschah kurz vor zehn Uhr morgens, als der Nachrichtensender SimNN plötzlich nur noch ein Thema hatte. Und es waren diesmal nicht die unendlich langweiligen Nazi-Dokumentationen über den 2. Simkrieg, nein, diesmal war es etwas wirklich Schreckliches.



    Alles begann damals, Anfang des neuen Jahrtausends, als ein Mann an die Spitze des Staates gewählt worden war. Doch, was damals noch keiner ahnte, er war derjenige, der die ganze Welt verändern würde. Seine Verdienste reichten von einer großen Gesundheitsreform



    , über die erfolgreiche Überwindung einer Bankenkriese, bis hin, und das ist das wirklich wichtige, zu einer Versöhnung. Denn nach mehr als zwanzig Jahren erbitterten Bürgerkrieg in Simlisch-Mayorana, einem Inselstaat am Rande von Simopa, schaffte es dieser Mann den Frieden wiederherzustellen. Ja, Henry McBryan war ein Held. Ein Held, der an diesem Tag aus der Welt geschieden war.



    Und nicht nur sein Land, nein die ganze Welt trauerte um ihn…



    Magda McBryan war keine Frau großer Worte. Sie war auch nicht die beste Schauspielerin. Doch, in den sechs Jahren, in denen sie ihrem Mann zur Seite gestanden hatte, hatte sie so einiges gelernt: Das wichtigste davon war die Regel, die sich schon immer bewährt hatte:
    Der Presse niemals mit leeren Worten vorzutreten.



    Magda zog ein letztes Mal den tiefroten Lippenstift nach und betrachtete ihre müden Augen im Spiegel. Sie sah furchtbar aus. Völlig fertig und ausgepowert. Also genau richtig um vor die Presse zu treten. Denn das erwarteten sie von ihr. Fertig auszusehen, heulend und am Boden zerstört. Und das würde sie ihnen liefern. Denn für einen Eklat am Todestag ihres Ehemannes wollte sie natürlich nicht sorgen. Die Menschen sollten eine trauernde Witwe sehen und kein kaltes Monster, das nicht einmal eine Minute um diesen Idioten getrauert hatte. Nein, dafür hatte sie zu viel von ihm gelernt.
    Als sie die Falten in ihrem Gesicht kaschierte, musste sie lächeln. Dieser Kerl hatte es wirklich drauf gehabt. Und die Menschen da draußen haben ihm alles abgekauft. Er war der große Held gewesen, der Retter der Nationen. Ts… Magda konnte nur lachen.



    Wenn die Menschen nur wissen würden, wie er all das geschafft hatte, dann würde niemand mehr um ihn trauern. Aber das spielte keine Rolle mehr. Ihr Ehemann, nein, geliebter Ehemann war tot. Sie trauerte. Das sollten alle denken.



    „Magda… wir wären so weit.“, sagte ihre Beraterin und engste Freundin Laura Ewert. Sie trug ein schwarzes Kleid und wirkte im Gegensatz zu Magda wirklich betroffen.
    „Ich bin fertig. Hat Bernard meine Rede fertig geschrieben? Ich hoffe er hat diesen sentimentalen Blödsinn rausgestrichen. Das ist ja kaum zum Aushalten.“ Ein letztes Mal strich sie sich die Frisur gerade, ehe sie sich eine Zigarette ansteckte und aus dem Fenster des Grand Hotel von Riverview sah.



    „Ich glaube, ich kann dann den Termin bei diesem Architekten für heute Nachmittag absagen…“, sagte Laura zögernd. Entsetzt starrte Magda sie an und schüttelte den Kopf.
    „Bloß nicht! Alles bleibt wie es sein sollte. Das Haus wird trotzdem gebaut.“
    „Aber … das… das ist irre. Die Presse wird…“
    Magda lächelte leicht.
    „Die Presse werden es verstehen. Ich bin trauernde Witwe und will mir den Traum von mir und mein Mann verwirklichen. Das bekommt unsere PR-Abteilung schon hin. Soll Bernard doch so eine dämliche Rede machen, glaube mir, die Leute schlucken alles…“



    „Aber Magda! Diesmal ist es anders! Ihr Mann, unser Held, ist tot!“ Wütend baute sich die Beraterin vor der Witwe auf.
    „Mein Mann waren kein Held! Er waren ein verdammter Heuchler!“
    „Wie kannst du das sagen. Bei allem, was er für dich und dein Land getan hat.“ Laura schüttelte unverständlich den Kopf.
    „Wenn du in meine Lage wärest, dann du würden es verstehen! Und jetzt ruf diesen Jakob Winter an. Der Termin bleibt. Ich will mein Haus haben!“





    Jeder Mensch hat seine persönlichen Helden. Für Frau Meier aus der Brauerstraße war es der nette Nachbar, der ihr die täglichen Einkäufe mitbrachte. Für Julia Albert, der kleinen Erstklässlerin, war es Alex Bender, der ihre Katze vom Baum rettete, wenn sie mal wieder zu hoch kletterte. Doch so sehr man jemanden für seine Taten schätzt umso schwieriger ist es, wenn dieser jemand plötzlich fehlt. Das musste zumindest Rüdiger Himbert erfahren, als er sich an diesem Morgen im Spiegel betrachtete.



    Es war scheußlich, einfach grauenhaft. Und damit meinte er nicht die vielen Mitesser, die sein Gesicht wie ein Atomwaffentestgebiet aussehen ließ. Nein, es war das Wesen, das sich hinter diesem fettigem Gesicht befand. Ein Wesen, das gebrochen, das nicht mehr vollkommen war.
    „Ach Jamie...“, stöhnte er und kämmte sich eine Haarsträhne zur Seite. Die kleine Ratte, die an seinen Socken knabberte sah ihn schief an.
    „Jetzt sieh mich bitte nicht so an! Es wird schon alles gut werden. Da bin ich mir sicher. Ich liebe Nelly! Das weiß sie.“



    Wusste sie es wirklich oder versuchte er nur sich selbst und seinen unfreiwilligen rattigen Mitbewohnern etwas vor zumachen. In der Vergangenheit hatte er oft gemerkt, dass er dazu neigte. Aber man sollte ja niemals pauschalisieren. Das war nicht Rüdigers Art. Aber was war dann seine Art? Seitdem Nelly gegangen war hatte sich so viel geändert. Mal davon abgesehen, dass er jetzt immer selber Waschen musste, was einigen selbst gestrickten Wollpullis bereits das Leben gekostet hatte, gab es so vieles, das ihm jetzt keinen Spaß mehr machte. Wie zum Beispiel Fernsehen. Was konnte man sich denn noch gutes ansehen, wenn man keinen hatte, mit dem man darüber lästern konnte. Oder Essen, nach ja, Essen jetzt nicht per se, denn dafür liebte Rüdiger die Nahrungsaufnahme zu sehr, aber so bestimmte Dinge wie Salat essen, was er niemals ohne Nelly tun würde. So sehr er Salat auch nicht ausstehen konnte, für Nelly tat er sich dieses gesunde Grünzeug an. Doch jetzt? Was würde sein, wenn sie nicht mehr zu ihm zurückkommen würde? Er müsste ungesund sterben. Oder, was noch schlimmer war, alleine.
    So muss es gehen. Lächelnd betrachtete er sich uns seinen Schlabberlook. Besser bekam er es nicht hin. Jetzt war es so weit. Er würde zu ihr gehen.



    Dann schnappte er sich die Schlüssel, streichelte seine Rattenbande und schwang sich in seine alte Klapperkiste. Der Motor startete polternd und schon im nächsten Moment tuckerte er in Richtung Außensiedlung. Einem Sozialbaugebiet, in dem Nelly seit fünf Monaten mit Tobias zusammenlebte...


    Helden haben viele Gesichter. Die einen stellen sich einen Helden mit Maske vor, der durch die Luft fliegt. Andere sehen die Retter in Weiß als Helden ihres Lebens. Und wieder andere sehen in einer blutüberströmten Frau, die in einem Autowrack liegt ihren Helden.



    Leopold von Werken dachte noch oft dran. Zu oft, wie er zugeben musste. Aber dieser Unfall hatte alles verändert. Er hatte sein Leben zurückbekommen, obwohl er es fast verloren hätte. Als Annette vor fast fünf Monaten in ihre eigene Mutter und ihren Verlobten gerast war, hatte er geglaubt, dass nun alles zu Ende wäre. Aber wie durch ein Wunder verfehlte ihn der Wagen ur knapp.
    Als er dann, nach minutenlanger Starre wieder klar denken konnte, hatte er erst das ganze Ausmaß der Katastrophe sehen können. Der Wagen war an einigen Felsen zerschellt. Neben dem Todeswagen lagen Silke und André.



    Und als er zu dem Auto sah, das ihn nur knapp verfehlt hatte, bekam er einen Schock. Annette hing aus einem zerstörten Fenster. Sie war bewusstlos und voller Blut gewesen.
    Leopold schüttelte den Kopf und sah auf die Uhr. Es war kurz nach drei. Bald hatte er Feierabend. Das Blick auf das kleine Foto von Annette zauberte augenblicklich ein Lächeln auf seine Lippen. Sie hatte immer behauptet er wäre ihr Retter, ihr Held gewesen, der sie aus dem Autowrack befreit hatte. Aber das stimmte nicht. Er war nicht ihr Held gewesen, sondern sie war seiner gewesen.
    Dann in dem Moment, als er sie im Arm hielt und ihr die Haare von der blutigen Stirn gestrichen hatte, war ihm eines klar gewesen: Alles würde sich ändern. Und das hatte es.
    Und das nur, weil er eine Heldin hatte...


    Ja, wir alle haben unsere Helden. Die einen sehen in einem großen Staatsmann den Helden der Nation.
    Für andere wiederum ist der Partner der wichtigste Held in ihrem Leben und wenn er nicht mehr da ist, merken sie, wie schlecht ihre Welt ist.



    Doch was ist mit denen, die glauben ihr Held hätte sie gerettet und alles wäre gut? Ist es dann nicht zerschmetternd, wenn er … nicht mehr da ist.



    „Ich bin weg. Komme nicht wieder.“
    Der Satz traf Leopold wie ein schlag ins Gesicht. Minuten lang starrte er auf das Display seines Smartphones. Das konnte unmöglich wahr sein … Annette würde so etwas nicht tun … niemals!

    [CENTER]


    [SIZE=3]Liebe, Intrigen, Mord, Totschlag, Affären, Liebeleien, Erbarmen, Lust, Freud, Leid, Wahrheit und ... Geheimnisse... [/SIZE]


    [SIZE=6]Die Simlinge von Riverview[/SIZE]
    [SIZE=4]Eine Kleinstadt und ihre Geheimnisse [/SIZE]


    [/CENTER]

  • 4x03: Die Geschichte vom Kommen und Gehen


    PDF - Download



    Es ist die wohl älteste Geschichte der Welt – Die Geschichte vom Kommen und Gehen. In unserer Vergangenheit kam diese Geschichte in den verschiedensten Ausführungen vor. Allein das Leben selbst ist eine solche Geschichte. Man wird geboren und stirbt, man kommt an und verlässt sie wieder.
    Ja, jeder Mensch kennt die Geschichte und doch ist sie bei jedem anders. Jakob Winters Geschichte begann jedoch nicht mit dem Kommen, sondern mit dem Gehen:



    Er erinnerte sich noch genau an die vergangenen Jahre. Zunächst war seine Frau gegangen, dann seine beste Freundin, und nun… nun war die Liebe seines Lebens gegangen. Aber warum? Warum hatte sie sich für ihn nur aufgeopfert? Und wie hatte er nur so dumm sein können und seine Exfrau heiraten wollen? War er so verzweifelt gewesen? So erbärmlich?



    Jakob nahm auf seiner neuen Couch Platz. Das Haus war schön, mit dem modernsten Schnickschnack ausgestattet und trotzdem fühlte er sich hier nicht wohl. Es fehlte etwas. Und nichts konnte diese Leere füllen. Manuela Berg, die Frau, die sich nicht nur in einer Hinsicht für ihn hingegeben hatte fehlte ihm. Sie fehlte ihm so sehr, dass er fast jeden Abend mit Tränen in den Augen zu Bett ging, nur um sechs Stunden später mit derselben Stimmung wieder aufzuwachen.



    Das Telefon klingelte und der Architekt wachte aus seiner Gedankenwelt auf. Er griff nach dem Sprecher und nahm das Gespräch an.
    „Winter hier?“
    „Laura Ewert hier, ich habe vor einigen Tagen bei …“, meldete sich die freundliche Dame.
    „Miss Ewert von der Regierung.“ Jakob war erstaunt über ihren Anruf. Nach dem Tod des Präsidenten hatte er nicht damit gerechnet.
    „Es geht um den Auftrag. Die Frau des Präsidenten …“ Sie machte eine Pause. Jakob merkte, dass ihr nicht gefiel, was sie ihm jetzt sagen würde. Es war ein Jammer, dachte Jakob. Dabei waren die Pläne, die er für das neue Domizil des Präsidentenpaares gemacht hatte grandios. Aber der Präsident war gestorben und nun würde seien Frau sicher nicht mehr darin wohnen wollen. Das konnte er verstehen. So war das eben, Aufträge kamen und gingen. Nur, dass bei ihm öfters Aufträge gingen, als gute kamen. Vielleicht war es keine gute Idee gewesen noch mal ein Büro aufzumachen.



    „Ich weiß, ich habe von dem Tod des Präsidenten gehört und verstehe, wenn Sie anrufen um mir zu sagen, dass der Bau nicht stattfindet, kann ich es verstehen. Ich habe mich sowieso gefragt, wieso die Präsidentenfamilie ein Haus von mir, einem relativ unbedeutenden Architekten haben will…“
    „Eigentlich wollte ich Ihnen sagen, dass Frau McBryan an den Plänen festhält. Das Haus wird gebaut. Herzlichen Glückwunsch.“
    Es traf Jakob wie ein Schlag ins Gesicht; ein seltsam angenehmer Schlag. Das konnte unmöglich wahr sein. Das … das konnte nicht wahr sein!
    „Sind Sie sich sicher?“, fragte Jakob ungläubig, dessen Gesichtsfarbe zu einem Ziegenkäse-Weiß gewechselt war. Das war verrückt.
    „Die Frau des Präsidenten hat den Bauauftrag unterschrieben. Er wird per Post zugeschickt. Sie können beginnen.“


    Sprachlos legte Jakob auf. Stumm saß er in seinem neuen Heim und betrachtete die Wände. Er wusste nicht ob er sich freuen oder weinen sollte. Damit hatte er nicht gerechnet. Er würde das Haus des Präsidenten … oder zumindest dessen Frau bauen? Das war Wahnsinn! In diesem Moment wurde ihm klar, dass die Geschichte seines Lebens auf einmal einen neuen Kurs eingeschlagen hatte; Es kam mal wieder etwas. Und diesmal war es etwas großes.




    Auch Leopold von Werken hatte eine Geschichte. Seine Geschichte war jedoch gerade auf einem Tiefpunkt angelangt. Er hatte sie verloren. Annette Obermeier war gegangen. Und es war seine Schuld.
    Traurig saß der Bürgermeister von Riverview über seinem Glas Nektar. Er hasste dieses alkoholische Zeug. Es war süß und lange nicht so schmackhaft wie das Zeug, was der Rest der Welt trank, nämlich Wein. Aber in der freien Welt war Wein verboten, sodass die Bürger gezwungen waren dieses seltsam schmeckende zeug zu trinken. Als man das verordnet hatte ging es um Jugendschutz, oder so… Leopold war damals mit sechzehn Jahren in die Politik gegangen um genau dieses Gesetz zu ändern. Er hasste Nektar nämlich. Er wollte richtigen Alkohol! Denn nur dieser konnte seinen Schmerz lindern.
    „Leopold?“ Die dunkle Stimme kam von irgendwo hinter ihm, vermutete der Bürgermeister, beschloss jedoch sich nicht vom Tresen umzudrehen.



    „Leopold, du bist es ja wirklich. Wow, der Bürgermeister.“
    Bert Schumann war um die dreißig, hatte helle Haut und eine Klappe, die niemals zuging. Er redete so viel dass ihm schon mit zwanzig Jahren die Haare vom Kopf wanderten, nur um ihn nicht mehr hören zu müssen. Das zumindest hatten seine Studienkollegen damals gesagt, als seine Geheimratsecken zu ganzen Gassen wurden.



    „Bert… hallo.“ Leopold betrachtete seinen ehemaligen Kommilitonen mit einem flüchtigen Blick, ehe er sich wieder seinem Nektar zuwandte.
    „Scheiß Zeug, heute wie damals, was?“, sagte Bert und bestellte sich gleich auch ein Glas.
    „Du sagst es. Fast zehn Jahre ist es her.“ Leopold strich sich durch die Haare und bestellte ebenfalls ein Glas.
    „Elf. Und du hast es immer noch nicht geschafft.“
    „Was?“



    „Na unsere Trinkfreiheit in der freien Welt. Du hast dich immer so über dieses Gesetz geärgert. Du wolltest alles ändern. Tja, Bürgermeister bist du ja schon mal.“, scherzte Bert und hob das Glas.
    „Sei nicht albern, ich schaffe es ja nicht einmal den Stadtrat dazu zu bringen die Straßenbeleuchtung mit Energiesparlampen auszustatten.“ Ein kleines Lächeln zeichnete sich auf dem Gesicht des Bürgermeisters ab und sie stießen an.
    „Was ist los mit dir?“



    „Hm … weißt du, heute hat mich meine Freundin verlassen, der ich heute einen Heiratsantrag machen wollte. Und das alles nur, weil ich ein Idiot bin.“
    Bert hob erstaunt die Brauen.
    „Das klingt nicht nach einem guten Tag. Willst du mit jemanden darüber reden?“
    „Das kann ich nicht.“
    „So, so … Henry, ein Mal Spezial bitte. Aber das gute Zeug.“
    Erstaunt sah Leopold dabei zu, wie der Barkeeper eine Flasche richtigen Alkohols unter dem Tresen hervorholte. Ob er wusste, dass vor ihm der Bürgermeister saß? Und wenn schon…
    „Danke, Henry. So, trink mein Freund. Und dann erzählst du mir, was passiert ist.“
    Leopold dachte nicht weiter darüber nach, sondern griff sich das Glas und kippte es mit einem Satz in seinen Rachen. Das heiße Gefühl überkam ihn sofort und ergriff ihn in seiner vollkommenen Schönheit.



    „Füll auf und es geht los.“ Leopold lächelte. Bert füllte das Glas ein weiteres Mal und sein Gegenüber wurde ernst.
    „Aber das, was ich dir jetzt sage ist harter Tobak. Und es bringt mich in Schwierigkeiten.“
    „Jetzt komm schon, du hast doch wohl keinen auf dem Gewissen.“, scherzte Bert, doch Leopolds Mine blieb steinern.
    „Du hast ja keine Ahnung, was ich getan habe…“




    Als Rüdiger ankam war er verblüfft. Mit einem lauten Knall schlug er die rostige Autotür zu und betrachtete staunend das Anwesen vor sich. Es war liebevoll geschmückt, bunte Blumen, Springbrunnen und ein großzügiger Eingang waren bloß die Spitze des Eisbergs. Das war eine Villa. Und nicht die Art von Villa in der er gewohnt hatte, nein diese hatte wirklich alles, was man sich wünschte. Und hier wohnte Nelly jetzt? Respekt. Er kannte dieses Haus, er war ja schon oft genug hier vorbeigefahren, doch er hatte sich nie getraut anzuhalten. Geschweige denn auszusteigen und den Treppenabsatz zur Haustür zu beschreiten. Er zitterte.
    Er blieb kurz stehen, sah zur Sonne hoch und atmete tief durch. Viel schief gehen konnte ja nicht mehr. Seine Frau hatte ihn ja schon verlassen. Er überlegte, ob er auch alles richtig gemacht hatte. .. die Ratten waren gefüttert, der Herd ausgeschaltet … die Zehennägel gereinigt. Und die Blumen, die er Nelly mitbringen wollte entsorgt. Nelly hasste Blumen, sie war Allergikerin.



    Beherzigt klopfte er an der massiven Holztür. Das dumpfe Klopfen flößte dem jungen Burschen Angst ein. Tat er wirklich das Richtige? Oder war es …
    Dann ging die Tür auf.



    Rüdiger lächelte und betrachtete das blasse Gesicht, das ihn erschrocken ansah. Stumm blickten die beiden Gesichter sich an. Eine Minute verging, eine zweite, ja sogar ganze fünf, ehe sich die junge Frau an der Tür gefasst hatte und Rüdiger plötzlich wild umarmte.
    Diese Umarmung war wundervoll gewesen. Und mit jedem Drücken, jedem Streicheln wusste Rüdiger, was er in den letzten Monaten bitterlich vermisst hatte. Ja, das war seine Frau. Seine Nelly.



    Als sich die Umarmung löste, zuckte Nelly plötzlich zusammen.
    So schnell sie konnte wandte sie sich einem Blumenstock zu ehe sie eine gelbe Brühe erbrach. Sie versuchte sich an der Veranda festzuhalten, rutschte jedoch ab, sodass sie in einem Blumenstock hängen blieb und das Kopftuch, das ihr Haupt bedeckte herunter gerissen wurde.
    Erst jetzt wurde Rüdiger das ganze Ausmaß der Katastrophe bewusst: Seine Frau war wirklich todkrank…



    „Nelly… warum hast du mir nichts gesagt?“
    „Rüdiger…“, schluchzte sie und ging in Richtung Tür.
    „… geh a Besten wieder. Es war keine gute Idee, dass du gekommen bist. Ich … ich kann das jetzt nicht… nein.“ Doch Rüdiger hielt sie am Arm fest.



    „Ich bleibe. Weißt du noch? Bis dass der Tod uns scheide.“
    Nelly sah Rüdiger tief in die Augen. Die Verzweiflung war ihnen beiden ins Gesicht geschrieben.
    „Es sieht so aus, als würde es dazu bald kommen…“





    Ja, wir alle haben sie schon einmal gehört. Und die meisten von uns haben sie sogar schon erlebt. Eine Geschichte, eine Geschichte, die so alt ist wie die Welt: Die Geschichte vom Kommen und Gehen. Doch egal wie viele Jahrtausende vergehen, wo sie passiert, es ist doch immer erstaunlich, wie verschieden diese Geschichte doch sein kann …



    „Du machst Witze … Das hast du wirklich getan?“ Bert sah Leopold geschockt in die Augen.
    „Ja, das habe ich getan… Und das Schlimme ist…“ Er nippte an seinem Glas. „Ich würde es immer wieder tun!“

    [CENTER]


    [SIZE=3]Liebe, Intrigen, Mord, Totschlag, Affären, Liebeleien, Erbarmen, Lust, Freud, Leid, Wahrheit und ... Geheimnisse... [/SIZE]


    [SIZE=6]Die Simlinge von Riverview[/SIZE]
    [SIZE=4]Eine Kleinstadt und ihre Geheimnisse [/SIZE]


    [/CENTER]

  • 4x04: Das Schlimmste auf der Welt


    PDF - Download


    Das Schlimmste passiert immer dann, wenn man es am wenigsten gebrauchen kann.



    Es kann die Milchtüte sein, die beim stressigen Samstagseinkauf nach einer halben Stunde an der Kasse stehen, plötzlich aufplatzt.



    Oder ein Autounfall, den man auf dem Weg zu Arbeit hat, obwohl man so wieso schon spät dran war. Doch all diese kleinen Dinge sind nichts im Vergleich dazu, was einige Menschen durchleben, Dinge, die sich nicht im Supermarkt ereignen…



    Als Rüdiger Himbert an diesem Morgen aufwachte, dachte er, er würde immer noch träumen. Der süßliche Geruch von Lavendel und Rosmarin lag in der Luft. Dazu die warmen Sonnenstrahlen, die seine blasse Haut vitalisierten. Doch all diese wundervollen Eindrücke waren nichts im Vergleich zu dem, was neben ihm gebettet lag. Das wundervollste, dass er sich überhaupt vorstellen konnte: Seine Frau.



    Er lächelte, er strahlte, ja er frohlockte formlich. Er liebte sie. Er hatte sie die ganze Zeit über geliebt. Und daran konnte nichts etwas ändern. Selbst dieser blöde Krebs nicht, an dem Nelly litt. Das würde sie überstehen. Sie musste es einfach.



    Nachdenklich starrte Rüdiger an die Decke des Zimmers. Nelly hatte sich fast ein halbes Jahr nicht bei ihm gemeldet, war einfach verschwunden gewesen. Sie hatte Angst gehabt, hatte sie ihm gestern Abend erzählt. Sie hatte Angst gehabt, dass er an ihr zu Grunde gehen würde. Sie hätte nicht gewollt, dass er mitansehen musste, wie sie dahin vegetierte. Rüdiger konnte das gar nicht verstehen. Er würde seine Frau doch immer lieben, ihr immer beistehen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht?



    Nathalie Himbert hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. War es vor Glück? Vor Freude? Oder waren es bloß diese unerträglichen Schmerzen? Ganz gleich was es war, Tatsache war, dass sie Angst hatte. Angst, dass jetzt alles schief gehen würde. Aber was konnte denn noch schlechter laufen, als ohne hin schon? Wenn man am Boden ist, dann kann man eben nicht weiter sinken. Und Rüdiger konnte ihr vielleicht doch eine Hilfe sein. Zumindest solange es noch ging.
    Bei dem Gedanken wurde ihr schlecht. Es musste alles gut werden. Aber wie? Was wäre, wenn Rüdiger die Wahrheit erfahren würde? Würde er dann immer noch zu ihr stehen? Würde er ihr noch vertrauen? Aber andererseits hatte sie keine Wahl. Sie wurde schließlich dazu gezwungen. Es war alles so kompliziert…



    „Schatz, bist du wach?“, fragte Rüdiger schüchtern. Nelly drehte sich zu ihm und lächelte. Ihr kahler Kopf reflektierte die morgendlichen Sonnenstrahlen.
    „Ich bin froh, dass du bei mir bist.“
    „Nelly, ich weiß nicht, warum du geglaubt hast, dass ich dich nicht krank sehen wollen würde. Es ist mir egal. Wir stehen das durch.“



    „Wenn du das sagst.“ Nelly wusste, dass Rüdiger nicht mehr gehen würde. Er war treu wie ein Hund und genau das schätze sie an ihm sehr. Umso trauriger war es, dass dieser treue Hund bald sein Herrchen verlieren würde. Denn egal, was sie ihm auch erzählte, sie wusste, dass sie sterben würde. Und das schon bald.



    „Ja, wir stehen das zusammen durch.“, sagte Nelly und lächelte Rüdiger glücklich an.




    Ja, das Schlimmste auf der Welt kommt manchmal ziemlich plötzlich. So plötzlich, dass die ganze Welt es kaum glauben kann…



    „Das ist ein Desaster!“, rief Laura Ewert und knallte Magdalena McBryan die Zeitung auf den Schreibtisch.
    „Laura! Was sollen das?“ Entsetzt starrte die Frau des toten Präsidenten die Beraterin an.
    „Weißt du eigentlich, was da draußen vor sich geht? Die Menschen verurteilen deine Pläne wegen dem Hausbau.“



    Magda setzte eine abweisende Mine auf und sah auf den Bildschirm ihres Notebooks, dass ein Bild ihrer Heimatstadt Simaluk zeigte. So schäbig und vergammelt, zerbombt und vernichtet es auch war, irgendwie hatte sie sich dort immer wohl gefühlt. Ganz im Gegensatz zu dieser komplizierten westlichen Welt. In Simaluk hätte sich die Bevölkerung niemals so ungehobelt ihrem Präsidenten oder dessen Frau verhalten. Diese Freien Welter hatten einfach einen Anstand.



    „Die sollen sich nicht anstellen so. Ich bin trauernde Witwe! Irgendwie muss ich das verarbeiten!“, meinte Magda in gebrochener Sprache.
    „Und genau aus diesem Grund glauben Sie dir es nicht. Hast du jemals ein Wort zur Presse gesagt, dich irgendwie medienpräsent gezeigt? Nein, du sitzt hier in deinem Büro und verkriechst dich! Und erzähl mir nicht, du würdest trauern. Du hast ja nicht einmal den Anstand um schwarz zu tragen.“
    Stimmt, dachte sich Magda und sah an sich herunter. Sie trug ihre helle Bluse. Erst jetzt bemerkte sie, dass Laura hingegen in gediegenem Schwarz auftrat.



    Aber hier war sie ja so oder so unter sich.
    „Die Presse ist mir egal. Ich bin First Lady!“




    „Warst! Dein Mann ist tot und um Himmels Willen, begreif es endlich!“ Laura wurde langsam immer lauter. Man konnte ihr die Empörung und Wut förmlich im Gesicht ablesen. Magda wusste, dass sie den Präsidenten sehr geschätzt hatte. Klar, wer nicht. Jeder hatte den alten Sack geliebt, das ganze Land war verrückt nach ihm gewesen.
    „Magda, die PR-Abteilung läuft heiß, die Telefone stehen nicht still. Wann sagst du etwas vor der Kamera?“
    „Das mussen warten. Ich möchten, dass du unseren Flugzeug bereit machst. Wir fliegen nach Rierview.“



    „Was?“ Laura verstand die Welt nicht mehr. War sie jetzt vollkommen verrückt geworden?
    „…d…d…das kann nicht dein Ernst sein? In einer Stunde übernimmt der Vizepräsident offiziell das Amt und du verschwindest einfach?“
    Magda warf Laura einen warnenden Blick zu und sagte dann nur noch harsch:
    „In einer Stunde!“
    Laura wollte etwas sagen, fuchtelte mit den Armen in der Luft herum, beließ es aber dabei und stampfte aus dem Raum.


    Bild16: Magda am Fenster ohne Brille


    Als Laura gegangen war zog Magda ihre Brille aus, stand auf und ging ans Fenster. Sie hatten alle keine Ahnung. Sie dachte wohl alle, das hätte etwas mit dem Tod ihres Mannes zu tun, doch da irrten sie sich. Magda interessierte das alles nicht mehr. Sie hatte nur ein Ziel vor Augen. Ein Ziel, auf das sie die letzten Jahre zugearbeitet hatte. Und in wenigen Stunden würde es so weit sein…



    Leopold von Werken hatte in seinem Leben schon viele lange Nächte hinter sich gebracht. Schon als Student hatte es kaum ein Wochenende gegeben, an dem man ihn nicht auf irgendeiner Party, in Diskotheken oder an der Strandbar angetroffen hatte. Damals hatte er die nächste meist gut überstanden. Klar, einen Kater hatte er des Öfteren, aber das gehörte ja dazu. Doch was ihm letzte Nacht passiert war, das war eine Premiere. Er hatte einen totalen Blackout.



    „Sie sehen schrecklich aus Herr Bürgermeister…“ wisperte er sich selbst zu, als er sein müdes Gesicht im Spiegel betrachtete. Dunkle breite Augenringe dominierten sind Gesicht, woraufhin er reflexartig den Blick vom Spiegel abwandte. Er musste sich nicht mehr quälen als er ohnehin schon tat. Was hatte er nur die ganze Nacht getrieben? Wo war er gewesen? Je länger er darüber nachdachte, desto mehr wurde ihm bewusst, dass er sich nicht mehr erinnern konnte. Das letzte, was er noch wusste war, dass er jemanden kennengelernt hatte. Einen Mann, einen alten Freund?



    Wer auch immer es war, er hatte ihm von Annette erzählt und dass sie ihn Hals über Kopf verlassen hatte. Sie fehlte ihm. Dabei war sie gerade einmal einen Tag weg. Er sah zu seinem Handy, dass auf der Kommode lag. Das Display war schwarz; keine neue Nachricht. Sie hatte nicht angerufen, sich nicht gemeldet. Vielleicht hatte er es verdient. Nein, ganz sicher hatte er das. Und sie hatte es herausgefunden und war nun fort. Er honte jetzt nur hoffen, dass sie nicht zur Polizei ging. Wenn das rauskommen würde, wäre er schneller hinter schwedischen Gardinen, als ihm lieb war.
    Gerade als er ins Bad gehen wollte, klingelte plötzlich das Handy.



    „Hallo? Annette?“, fragte Leopold erwartungsvoll, doch am anderen Ende der Leitung meldete sich eine Männerstimme.
    „Nein, ich bin nicht Annette, Herr Bürgermeister.“ Die Stimme klang sehr verschmitzt, schon fast hämisch.


    Ja, der Morgen nach einer durchtrunken Nacht kann hart sein, doch manche Nächte stellen sich als die Schlimmsten auf der Welt heraus…


    „Wer sind Sie?“, fragte Leopold verwirrt.
    „Ich weiß Sie letzten Sommer getan haben und was noch wichtiger ist, was die damit bewirkt haben …“




    [CENTER]


    [SIZE=3]Liebe, Intrigen, Mord, Totschlag, Affären, Liebeleien, Erbarmen, Lust, Freud, Leid, Wahrheit und ... Geheimnisse... [/SIZE]


    [SIZE=6]Die Simlinge von Riverview[/SIZE]
    [SIZE=4]Eine Kleinstadt und ihre Geheimnisse [/SIZE]


    [/CENTER]

  • 4x06: Erinnerst du dich noch?


    PDF - Download



    Das Leben ist lang. Manchmal kommt es uns so lang vor, dass wir beginnen Dinge zu vergessen. Wir vergessen alte Dinge, die uns früher Freude bereitet haben. Wir vergessen aber auch Menschen, die wir früher für unabdingbar gehalten haben. Doch am allerliebsten vergessen wir eines: Schmerzen.



    Und wer einmal richtig verletzt wurde, geblutet hat und dann nur noch hoffte diese schrecklichen Dinge zu vergessen, der weiß wie schmerzlich es sein kann, wenn einen die Erinnerung wieder einholt …



    Jakob Winter erstarrte. Sein Körper verkrampfte und er spürte wie ihm die Farbe aus dem Gesicht wich. Das konnte unmöglich wahr sein. Er konnte nicht hier sein! Jakob konnte nicht tun, als zu zusehen, wie es geschah. Und während die Sekunden verstrichen und sich der Man auf ihn zubewegte, kam alles wieder hoch. All die Qualen, all die Schmerzen, die er durch ihn erlitten hatte. Fast zehn Jahre hatte er es geschafft ihn aus seinem Leben auszublenden, zu vergessen, was er ihm angetan hatte. Doch dieser Moment, diese Sekunden hatten alles verändert. Denn er war wieder da, Jakobs Vater, Charles Dorsent.



    „Jakob … Jakob!“ Susanne, die neben dem Architekten stand, stieß ihn unsanft an. Jakob erwachte augenblicklich aus seiner fast-Totenstarre und schluckte. Dabei starrte er immer noch auf den Mann in Anzug, der ihm nun gegenüber stand.
    „Kennen Sie sich?“, fragte die Frau des toten Präsidenten, Magda McBryan und sah verstört zu den beiden Männern.



    „Das … das ist mein Sohn.“, verkündete Charles kühl und versuchte sich ein Lächeln abzugewinnen.
    „Oh … also ja… das sein ja Zufall großer.“ ´



    „Willkommen in Riverview.“, sagte Susanne und reichte der Frau lächelnd die Hand. Die musterte Susanne erst und nahm dann etwas verwirrt die Hand an.
    „Ich bin Susanne Winter. Die Baubeauftragte der Stadt Riverview. Mein herzlichstes Beileid.“
    „Danke. Ich sein froh endlich hier zu sein.“, gab die Witwe zu und sah dann gespannt zu Jakob, der immer noch stumm da stand.
    „Wir kennen uns schon ja, Herr Winter … Winter … sagen Sie, seien Sie beide verheiratet?“
    Susanne seufzte. „Geschieden.“




    „Was ist jetzt? Kommen Sie? Wir haben viel zu besprechen. Ich wollen neues Haus bauen!“, drängte Magda und deutete auf einen großen Wagen, der unweit des Landeplatzes stand.
    „Nein.“ Jakob sah kurz zu Magda, stierte dann aber sofort wieder seinen Vater an.
    „Wie bitte? Was Sie meinen?“



    „Ich kann das nicht, Frau McBryan. Tut mir Leid. Nicht unter diesen Umständen.“
    Mit diesen Worten drehte sich der Architekt um und wollte gehen. Doch Susanne hielt ihn fest.
    „Jakob …“, flüsterte sie ihm mahnend zu, doch der schüttelte nur den Kopf.
    „Du weißt wieso ich das nicht tun kann…“
    Damit löste er sich aus dem Griff seiner Exfrau und ging davon, stieg in seinen Wagen und war verschwunden. Verwirrt blickten die übrigen Personen einander an.
    „Was nun?“, fragte Magda, die die Welt nicht mehr zu verstehen schien und sah zu Susanne.



    „Äh… also … keine Sorge. Fahren Sie schon mal ins Rathaus. Meine Kollegen von der Bauaufsicht haben bereits den Konferenzraum vorbereitet.“ Susanne versuchte sich ein aufmunterndes Lächeln aufzusetzen.
    „Aber mein Sohn möchte doch nicht … Hören Sie, wenn ich gewusst hätte, dass sie gerade meinen Sohn als Architekten ausgewählt haben, dann wäre ich nie hergekommen.“
    „Aber nein, ich brauchen Sie, Charles. Ihre Firma sein die beste in gesamten Region. Wenn ich gewissen, dass Jakob ihr Sohn, dann ich hätten niemals …“



    „Frau McBryan. Vertrauen Sie mir, ich krieg das schon hin. Fahren Sie beide ins Rathaus. Ich bringe Herrn Winter.“
    „Seien Sie sicher?“
    „Ja, ich werde ihn überreden. Vertrauen Sie mir!“
    Die beiden Frauen sahen sich tief in die Augen, und schließlich nickte die Frau des toten Präsidenten.
    „Einverstanden. Ich fahre in der Limousine. Charles, Ihnen habe ich ein eigenes Fahrzeug besorgt. Ich muss noch einige Telefonate führen, wenn Sie verstehen.“
    „Natürlich, Frau McBryan.“



    Susanne war klar, dass das, was sie vorhatte nicht einfach werden würde. Es gab nicht auf der Welt, was Jakob weniger leiden konnte, als seinen Vater. Doch Susanne war zuversichtlich. Er hasste zwar seinen Vater, doch es gab etwas, dass Jakob sehr leibte: Geld.





    Karin Himbert war ein Mensch, von dem man sich erzählte, dass sie keine Gefühle hatte. Sie hatte nicht getrauert, als ihre fünf oder sogar sechs Ehemänner vom Totengräber zur Ruhe gelegt worden waren. Sie hatte keine Regung gezeigt, als vor zehn Jahren zwei Flugzeuge in zwei Bürotürme geflogen waren und es interessierte sie herzlich wenig, dass überall auf der Welt die Menschen hungerten und starben. Ja, Karin Himbert war in ihrem Innern ein Eisklotz. Verdorrt, abgehärtet und total emotionslos.
    Doch an diesem Tag sollte es sich ändern …



    Karin Himbert war erstarrt. Sie traute sich kaum etwas zu sagen. Alles was sie tat war schweigend und entsetzt zuzuhören. Der Mann keuchte, schnappte nach Luft und schrie. Dann geschah das unglaubliche: ein Schuss fiel. Und alles wurde still. Karin Himbert hatte gerade gehört, wie am anderen Ende der Leitung jemand erschossen worden war. Und diese schrecklichen, von Todesschreien erfüllten Sekunden verbissen sich in ihrem kalten Herz. Mit zitternden Händen legte die das Handy zur Seite und sah aus dem Fenster. Ihr gingen die Worte des Mannes nicht mehr aus dem Kopf.



    „Ja… ja hier ist Tobias … ich … ich … Sie müssen Nelly warnen! Sie … sie ist in Gefahr! Gott er wird sie töten! Er wird Rüdiger töten! Er wird … er …“ Dann fiel der Schuss und Karin wurde augenblicklich schlecht. Sie hielt sich gerade noch so an einer Couch fest und setzte sich. Alles war so verwirrend… so unglaublich … das … das konnte nicht wahr sein …
    Nelly und Rüdiger waren in Gefahr? Karin wusste nicht was mit ihr geschah, sie wusste nicht was sie tun oder lassen sollte. Sie wollte gerade aufstehen, einen Schluck Wasser trinken, als ihr Kreislauf versagte und sie zusammensank. Alles drehte sich plötzlich. Das konnte alles nicht wahr sein …



    Annette Obermeier war jemand, der eigentlich nichts vergas. Sie vergas niemals ihre Rechnungen zu bezahlen, ihren Patienten rechtszeitig ihre Medikamente zu geben oder die Geburtstage ihrer Lieben.
    Doch als Annette an diesem Tag die Augen öffnete hatte sie vergessen, was passiert war, nur um fast im gleichen Moment die Hölle auf Erden zu erleben…
    Annette riss die Augen auf.



    Es war dunkel, still und feucht. Es dauerte eine Weile bis sich ihre Augen an die dunkle Umgebung angepasst hatten, aber dann sah sie die ganze Misere. Wo war sie? Und warum saß sie in einer Höhle? Verwirrt sah sie sich um. Schwaches Licht kam von einem kleinen Strahler am Boden.
    Angst hatte sie noch keine, obwohl sie das auch etwas wunderte Schließlich war sie gerade aufgewacht und befand sich auf mysteriöse Weise in einer Höhle. Was war passiert? Annette dachte nach, doch … es kam einfach nichts. Sie hatte es wohl vergessen. Sie lehnte sich zurück, stieß dabei mit dem Kopf an die Wand. Das tat höllisch weh. Sie hatte eine Beule am Kopf. Hatte sie jemand geschlagen?



    Doch ehe sie weiter nachdenken konnte, hörte sie plötzlich Schritte. Sie kamen näher. Jetzt begann Annette sich Sorgen zu machen. Und endlich kam auch die Angst hoch.
    „Hallo?“, fragte sie mit schwacher Stimme, was sie selbst etwas schockte.
    „Wer ist da? Hallo!“
    Die Schritte wurden lauter und dann tauchten Füße aus der Dunkelheit auf. Es war eindeutig ein Mann.



    „Hm … du bist wach.“, sagte eine schwache, männliche Stimme. Doch Annette konnte das Gesicht des Unbekannten nicht erkennen. Wer war er? Und was wollte er von ihr? Sofort dachte sie an das Schlimmste. War er ein Vergewaltiger? Ein Mörder? Angstschweiß zeigte sich auf der Stirn der jungen Ärztin.
    „Was wollen Sie von mir?“
    „Ach Annette… was ich will spielt keine Rolle. Nicht mehr. Wer sie will, das ist das einzige, das zählt.“
    „Was? Wer sind Sie? Was soll das?“ Annette wurde angst und bange. Der Kerl klang wie ein Geisteskranker. Sie musste einen Weg finden von hier zu verschwinden.



    „Sie werden uns alle erlösen. Und den Weg weisen. Alls was wir tun müssen ist zu glauben.“
    „Hören Sie damit auf! Sie machen mir Angst!“ Annette selbst erschrak bei ihrer Reaktion. Das war doch alles verrückt.
    „Prätor, sie ist so weit. Wir können nun beginnen!“
    „Prätor?“ Annette dachte nach und dann ging ihr ein Licht auf.
    „Die Kinder der Vielen … Sie … sie gehören zu Ihnen.“
    Der Mann lachte leise und Annette merkte, wie er den Kopf schüttelte.



    „Oh nein, die Kinder der Vielen sind schwach. Sie können nicht das volle Potenzial der Götter sehen. Nur durch uns wird ihre Macht klar und deutlich. Wir sind ihre Werkzeuge, ihre … Krieger.“
    Annette traf es wie ein Pfeil durchs Herz. Alles an ihrem Körper schien vor Angst zu zittern. Die Krieger des Lichtes … Sie befand sich tatsächlich in der Gewalt dieser militanten Glaubensgruppe.



    Annette hatte schon viel von ihnen gehört. Sie glaubten nicht an den einen Gott, sondern waren Anhänger der antiken Götter. Sie glaubten, dass nur ihre Götter die einzig wahren waren. Und sie sahen sich als Kreuzritter, die diese Botschaft, auch gewaltsam, in der Welt verbreiten sollten.
    „Was wollen Sie von mir?“
    „Von dir nichts, mein Kind. Du bist wie wir alle nur Mittel zum Zweck. Aber glaub mir, wenn wir Erfolg haben, dann wird die Welt eine bessere sein.“




    Ja, wir alle vergessen. Wir vergessen alte Wunden, die man uns zugefügt hat. Wir vergessen wie es ist Schmerz zu erfahren. Doch wenn wir vergessen haben, was Gefahr bedeutet, kann uns das schneller zum Verhängnis werden, als uns lieb ist.



    „Was meinen Sie mit Erfolg? Was haben Sie mit mir vor?“ Annette war käsebleich vor Angst.
    „Du meine Liebe, bist der Garant dafür, dass wir unseren göttlichen Auftrag erfüllen. Du wirst das erste Opfer sein…“
    [FONT=&quot]
    [/FONT]

    [CENTER]


    [SIZE=3]Liebe, Intrigen, Mord, Totschlag, Affären, Liebeleien, Erbarmen, Lust, Freud, Leid, Wahrheit und ... Geheimnisse... [/SIZE]


    [SIZE=6]Die Simlinge von Riverview[/SIZE]
    [SIZE=4]Eine Kleinstadt und ihre Geheimnisse [/SIZE]


    [/CENTER]

  • 4x07: Vergeben und vergessen

    Download PDF




    Leopold von Werken hatte in seinem Leben oft vergeben müssen. Er hatte seinen Eltern vergeben, als sie ihn als Kind nicht aufs Gymnasium schickten, sondern sich für die ländliche Gesamtschule entschieden, wo man ihn für seine Herkunft und Wohlstand das Leben schwer machte. Später hatte er Annette vergeben müssen, dass sie ihn für tot erklärt hatte. Doch dem Mann, dem er nun vergeben sollte, sprengte seine Vorstellung.



    Robert Obermeier. Er sollte dem Mann Amnestie gewähren, der ihn vor zwei Jahren fast umgebracht hatte. Einen Mann, der versucht hatte durch Korruption und Veruntreuung an die Macht zu kommen. Leopold konnte sich keinen besseren Ort vorstellen, als dort wo sich Robert Obermeier gerade befand: Dem Staatsgefängnis von Riverview.



    Aber er hatte womöglich keine andere Wahl. Dieser Unbekannte Mann bedrohte ihn. Er würde alles über Leopold an die Öffentlichkeit bringen, er würde über den größten Fehler seines Lebens erzählen, ein Fehler, der nun alles zerstören könnte.
    Nein, so leicht würde er nicht aufgeben. Es musste einen anderen Weg geben. Aber bis dahin musste er versuchen dem Wunsch seines Erpressers nachzukommen, so schmerzhaft das auch war.



    „Herr Bürgermeister, ich habe die Unterlagen, die Sie angefordert haben.“, sagte Sandy, die gerade in den Raum kam und legte einen Stapel Bücher auf den Schreibtisch.



    „Hören Sie, es geht mich ja nichts an, aber warum wollen Sie etwas über Amnestie wissen? Ihnen ist schon klar, dass so etwas große mediale Konsequenzen mit sich bringen kann.“
    Leopold staunte nicht schlecht. Mediale Kompetenzen… Womöglich war Sandy doch schlauer als ihr Ruf es versprach.
    „Was meinen Sie Sandy?“
    „Ach, ihr Vorgänger hat das auch versucht. Er hat einen 81 jährigen Sträfling entlassen, wegen des Alters. Das hätte ihm fast den Titel gekostet. Die Presse hat ihn zerrissen. Das hätten Sie lesen sollen. Die sind nicht zimperlich mit ihm umgegangen. Aber sie waren ja zwei Jahre von der Bildfläche verschwunden. Sie hätten sich mehr für Riverview interessieren sollen.“
    Leopold lächelte Sandy leicht an.



    „Danke Sandy. Ach und, das bleibt bis auf weiteres unter uns.“
    „Wie Sie meinen, Sir. Das verstehe ich.“
    Als Sandy den Raum verließ stutzte der Bürgermeister plötzlich. Sie verstand es? Was meinte sie damit?
    Leopold stand auf und rieb sich die Augen. Er war wohl schon vollkommen verrückt geworden. Sandy hatte sicher nichts damit zu tun. So ein Unsinn aber auch. Offensichtlich waren die letzten Tage wohl zu viel für ihn gewesen. Erst Annettes Verschwinden, der Tod des Präsidenten und jetzt die Erpressung. Vielleicht wäre es besser, wenn er sich etwas hinlegen würde. Ruhe hatte noch nie jemanden geschadet.



    Rüdiger Himbert verließ das Haus und Nelly lächelte. Zum ersten Mal seit Wochen hatte Nelly wieder gelächelt. Sie erinnerte sich schon nicht mehr daran, wann sie das letzte Mal so glücklich gewesen war. Rüdiger war toll, einfach perfekt für sie. Doch ihre Freude wurde schnell wieder getrübt, als die Schmerzen wieder anfingen.



    Schnell ging sie hoch ins Bad, öffnete den Alibert-Schrank und griff nach den Tabletten. Ihre Hände zitterten so stark, dass sie es kaum schaffte die Pillendose zu öffnen. Doch schließlich klappte es und mit einem Satz schluckte sie die Weisen Wunderbringer herunter. Es dauerte einige Minuten bis die Übelkeit und der Schwindel sich legten, dann ging es ihr wieder einigermaßen gut. Sie musste es Rüdiger sagen. Es hatte einen Sinn mehr es zu verheimlichen. Aber sie hatte Angst. Sie hatte Rüdiger schon einmal verloren. Sie hatte Angst davor, dass es ein weiteres Mal passieren konnte. Das würde sie nicht verkraften, niemals …
    „Nelly???“ Die junge Frau erschrak, als sie plötzlich die Aufgeregte Stimme hörte.
    „Nelly, bist du zu Hause?“ Nelly stutzte, als sie erkannte, wer gekommen war.



    „Karin?“, sagte sie verwirrt und ging die Treppe hinunter. Dort stand sie, ihre Schwiegermutter. Die Frau, die Nelly wohl am wenigsten leiden konnte. Und nicht nur sie. Nelly konnte sich keinen Menschen vorstellen, der diese Schreckschraube mögen oder gar lieben konnte. Sie war sogar davon überzeugt, dass selbst Rüdiger nicht viel für sie übrig hatte. Obwohl er das niemals zugeben würde.



    „Nelly, gut dass du da bist. Ich … ich hab gerade einen schrecklichen Anruf erhalten.“, stotterte die ältere Frau aufgeregt. Nelly versuchte die Situation zu fassen. Sie hatte diese Frau noch nie so aufgelöst gesehen. Es musste etwas wirklich Schreckliches passiert sein.
    „Was ist los? Wer hat dich angerufen?“
    „Tobias. Dein … Mitbewohner von hier …“
    Jetzt war Nelly noch viel verwirrter. Warum um alles in der Welt rief er ihre Schwiegermutter an?
    „Er hat mir etwas erzählt, dass du … dass du in Gefahr wärst. Ich … ich …“ Karin musste nach Luft schnappen und hielt kurz inne.
    „Was ist? Was ist mit ihm?“



    „Er … er ist tot, Nathalie. Er wurde erschossen. Ich habe es gehört … er wurde einfach erschossen…“



    Krach machte es auf einmal. Die Welt blieb stehen, alles wurde hell, dann dunkel. Nathalie Himbert verschlug es die Sprache. Und für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie sofort selbst tot umzufallen. Denn das, was sich gerade vor ihr auftat war unfassbar, so unfassbar, dass es Nelly Angst machte. Karin weinte. Da waren tatsächlich Tränen …
    Doch auf diesen schock folgte sofort ein weiterer auf dem Fuße. Ihr Mitbewohner Tobias war tot? Er … war tot … Nelly musste sich die Worte der alten Frau erst durch den Kopf gehen lassen um zu begreifen, was das bedeutete.



    „Was sagst du da… er … er ist tot?“
    „Ja… und du .. und Rüdiger … er … er sagte, dass ihr in großer Gefahr seid. Nelly, was ist los? Was wird hier gespielt?“
    Und mit diesem Moment wurde Nelly klar, dass das Versteckspiel zu Ende war. Denn ab jetzt stand alles auf dem Spiel und nicht mehr nur ihr eigenes Leben …
    „Nelly, was ist los? Ich weiß, dass du mir etwas verheimlichst! Rede mit mir! Rüdiger kannst du vielleicht etwas vormachen, aber nicht mir! Ich bin eine Menschenkennerin!“
    Nelly konnte sich nicht fassen, sie konnte sich nicht konzentrieren. Alles war so wage, so fragil geworden. Vielleicht war es doch besser, wenn sie es wusste, möglicherweise konnte sie ihr sogar helfen.

    „Karin, was ich dir jetzt erzähle, wird alles verändern. Und du musst mir verzeihen, dass ich damit nicht eher zu dir gekommen bin …“




    Jakob Winter atmete tief durch. Das war wie ein Alptraum. Es schmerzte sehr diesem Mann wieder entgegen zu treten. Er dachte daran, wie sie damals vor Jahren auseinander gegangen waren. Wie er die Tür geknallt, geschrien und gegangen war. Dieser Mann hatte alles zerstört. Alles, woran Jakob geglaubt hatte, was er geliebt hatte: Seine Familie.



    „Jakob … da bist du ja.“, sagte Susanne, die sich Jakob auf der Parkbank näherte. Mit mitleidigem Blick betrachtete sie ihren Exmann und setzte sich neben ihm.
    „Ich hasse ihn.“, sagte er knapp und sein Blick bleib eisern.
    „Ich weiß. Und ich verstehe es. Denn das, was er getan hat, das ist unverzeihlich.“



    „Unverzeihlich … ts … für dich sagt es sich so leicht. Du bist nicht mit ihm verwandt. Du weißt nicht wie viel mir alles bedeutet hat. Alles! Er hat es zerstört! Er hat es mir genommen!“ Jakob sah Susanne an, als ob er auf sie wütend wäre.
    „Ach ja, ich weiß nicht wie das ist? Jakob, ich war viele Jahre lang deine Frau. Ich habe diesen Mann genauso gut gekannt wie du. Ich habe alles miterlebt.“
    Jetzt stand Jakob auf und schüttelte erbost den Kopf.



    „Du hast doch keine Ahnung! Du …“, prustete er los, doch Susanne baute sich vor ihm auf.
    „Ich habe Ahnung, Jakob! Dein Vater war nicht besser als meiner! Er hat deine Mutter misshandelt, sie geschlagen und obendrein gesoffen. Verdammt, das habe ich alles miterlebt! Ich bin nicht dumm!“



    Susanne sah ihm tief in die Augen, wobei sie den Schmerz förmlich sehen konnte.
    „Du .. du hast ja Recht. Es tut nur so weh. Wenn ich an den Tag denke, als meine Mutter tot auf dem Boden lag … mein Gott, sie hat sich mit einem Küchenmesser das Leben genommen! Und warum? Warum??? Nur weil dieses ********* sie wie Dreck behandelt hatte… ich hätte nicht so früh ausziehen sollen, wer weiß, vielleicht hätte…“



    Susanne ohrfeigte Jakob plötzlich.
    „Spinnst du?“
    „Wach auf! Du bist hier der Spinner! Du hast dir nichts vorzuwerfen. Dein Vater war ein *****. Aber er hat sich geändert. Weißt du eigentlich was mit ihm los war, als er deine Mutter tot gefunden hatte? Weißt du das? Nein, natürlich nicht. Du warst blind vor Wut. Du hast ihm alles an den Kopf geworfen, ihm die Schuld an allem gegeben. Aber ich sag dir jetzt was: Für Eheprobleme sind immer beide Seiten Schuld. Deine Mutter war keine Heilige, auch wenn du das immer so darstellen willst.“



    Susanne hatte sich in Rage geredet und spürte nun wie ihr Herz raste. Geschockt starrte Jakob sie an, dem die Worte fehlten.
    „Er war am Boden zerstört. Dein Vater hat viele Jahre gebraucht um das alles zu überwinden. Er hat schließlich alles verloren, seine geliebte Frau und seinen einzigen Sohn. Du hast ja nie mit ihm gesprochen…“
    „Er… er war doch schuld…“, stotterte Jakob wie ein kleines Kind und sah in die weite Welt hinaus.
    „Ja, er war Schuld, deine Mutter jedoch nicht unschuldig. Vielleicht ist es Zeit, dass du mit ihm sprichst und versuchst ihn zu verstehen, dass…“



    „Nein! Nein … das … Susanne … ich kann das nicht.“
    Susanne nahm seine Hände und sah ihm helfend an.
    „Wir schaffen das. Ich verspreche es dir. Aber lass dir deshalb nicht diesen Auftrag entgehen. Damit könntest du wieder erfolgreich werden. Nur das sollte zählen.“
    Am liebsten hätte sich Jakob jeglicher Verantwortung entzogen und wäre gegangen. Doch irgendetwas hielt ihn fest, ließ ihn nicht fortgehen. Was Susanne sagte schmerzte zwar, war aber irgendwie auch die Wahrheit. Und möglicherweise war nach so langer Zeit wirklich die Zeit gekommen einen Schritt auf seinen Vater zuzumachen, ihm vielleicht endlich zu verzeihen, auch wenn das das schwierigste sein würde, was ihm je bevorstand...


    Ja, wir Menschen können vergeben und vergessen. Einige müssen schwere politische Konsequenzen in Kauf nehmen um jemandem zu vergeben, der es in ihren Augen nicht verdient hat. Andere haben vergessen wie es ist Gefühle zu zeigen. Und wieder andere stehen am Scheideweg, soll ich meinem Vater vergeben oder nicht?
    Doch was ist, wenn es Menschen gibt, die nicht vergessen und schon gar nicht vergeben können?
    Ja, diese Menschen können uns gefährlich werden…



    Magda McBryan saß in ihrer Limousine. Und während sie da so saß musste sie lächeln. Zwar hatte sie dazu keinen Grund, denn gerade war ihr Ehemann verstorben, aber trotzdem lächelte sie. Denn sie wusste, dass es bald so weit sein würde. Lange hatte sie darauf gewartet. Und jetzt endlich würde sie es zu Ende bringen …
    Langsam kramte sie in ihrer Handtasche und zog ein kleines Foto heraus, das schon etwas mitgenommen aussah.
    „Ach mein Lieber Aleksander … bald wird es so weit sein. Ich werden sorgen dafür, dass alles gerecht werden. …“



    [CENTER]


    [SIZE=3]Liebe, Intrigen, Mord, Totschlag, Affären, Liebeleien, Erbarmen, Lust, Freud, Leid, Wahrheit und ... Geheimnisse... [/SIZE]


    [SIZE=6]Die Simlinge von Riverview[/SIZE]
    [SIZE=4]Eine Kleinstadt und ihre Geheimnisse [/SIZE]


    [/CENTER]