Friends of mine


  • Jetzt sag doch mal ‚Jamie’!“ Doch statt ihrem Onkel mal diesen kleinen Gefallen zu tun, sah mich Rebecca nur groß an und steckte sich dann die Finger in den Mund. „Ist doch nicht so schwer. Jaaa-miiiie!“ Sie plapperte irgendetwas vor sich hin, das nicht im Entferntesten nach meinem Namen klang und entschied, dass das Aquarium eher ihre Aufmerksamkeit verdiente als ich. Ich seufzte. Das Wochenende hatten wir überstanden, auch wenn es ein paar kleinere Krisen gab, von denen wir aber irgendwie vergaßen Melissa und Tyra zu berichten, als die beiden nach ihren Kurztrips wieder nach Hause kamen… Im Übrigen hatte Melissa sich beruhigt und sowohl mit mir als auch mit Tyra – zwischen den beiden hatte es laut Nick auch irgendwelche Differenzen gegeben – wieder Frieden geschlossen.



    Die Türklingel schrillte und ich hörte Melissa aus dem Flur rufen: „Ich geh’ schon!“ Einen letzten verzweifelten Versuch unternehmend, flehte ich Rebecca von weitem an: „Versuch’s doch wenigstens einmal. Ja-mie…“ Ich war total überrascht, als ich plötzlich tatsächlich meinen Namen hörte. Das kam allerdings nicht von Rebecca, sondern von der Person, die eben geklingelt hatte und offenbar zu mir wollte. Und ehe ich richtig mitbekam, was vor sich ging, stürmte eine junge Frau ins Wohnzimmer und fuhr mich lautstark an: „Wo ist meine Tochter?!?“ Melissa folgte ihr mit hilflosem Gesichtsausdruck und sagte vorsichtig: „Ähm, Jamie… Besuch für dich.“ „Ich seh’ schon“, meinte ich ironisch. Inzwischen hatte die Fremde, die ich aus nahe liegenden Gründen für Rebeccas Mutter hielt, die Kleine entdeckt und nahm sie auf den Arm.



    „Da bist du ja, mein Schatz“, sagte sie zärtlich und ich fragte mich, ob das die gleiche Frau war, die mich eben noch mit einer ganz anderen Stimme angeschrieen hatte. Rebecca schien sich auf jeden Fall zu freuen und schmiegte sich an ihre Mutter. „Dann bist du also Charlene?“ erinnerte ich unseren Gast elegant daran, dass manche Leute sich vorstellen, wenn sie in ein fremdes Haus hereinplatzen. Sie warf mir einen feindseligen Blick zu und nickte. „Und du bist demzufolge der Bruder von Wayne… diesem nichtsnutzigen Mistkerl.“ So durfte sie in meiner Gegenwart nicht über meinen Bruder sprechen. „Hey, er hat Rebecca nur hier gelassen, weil er keine andere Möglichkeit…“, versuchte ich ihn zu verteidigen, aber sie hörte mir gar nicht zu, sondern fauchte: „Wo ist der Rest der Sachen?“



    Ich war sonst nicht auf den Mund gefallen, aber dieses Verhalten verschlug sogar mir die Sprache, ganz zu schweigen von Melissa, die Charlene ungläubig anstarrte. Kein „Hi, ich bin Charlene, ich möchte Rebecca abholen“ und schon gar kein „Danke, dass ihr euch um mein Kind gekümmert habt“. „Oben“, brachte ich irgendwann heraus. „Okay, mein Wagen steht direkt gegenüber, wenn du also alles in den Kofferraum…“ „Moment mal. Findest du das nicht ein bisschen unhöflich?“ mischte sich Melissa plötzlich ein, und ich musste mich zusammenreißen, damit mir nicht der Mund offen stehen blieb. Charlene betrachtete sie mit einem „wer bist du eigentlich und warum sprichst du mich an“-Blick von oben bis unten, ehe sie sich zu einer Antwort, besser gesagt zu einer Gegenfrage, hinreißen ließ.



    „Wie bitte?“ Für einen Augenblick sah es so aus, als hätte Melissa Angst vor der eigenen Courage bekommen, aber dann fuhr sie fort. „Ich meine, Jamie hat Rebecca schließlich für mehrere Tage aufgenommen, ein Kind, das ihm vorher ganz fremd war. Er kann doch nichts dafür, dass du und Wayne nicht miteinander klarkommt. Also wenn du irgendwelche Probleme mit seinem Bruder hast oder damit, dass der auf Geschäftsreise geht, statt sich um seine Tochter zu kümmern, dann lass das nicht an Jamie aus!“ So langsam kannte ich mich mit Melissa wirklich nicht mehr aus. Sie wäre die Letzte gewesen, der ich so eine Rede zugetraut hätte, und was das Erstaunlichste war: es schien zu wirken. Charlenes Gesichtsausdruck verlor ein wenig an Härte und sie dachte offensichtlich ernsthaft über die Predigt nach, die ihr eine völlig Unbekannte soeben gehalten hatte.



    „Dann will ich dir mal was sagen, …“ Sie sprach jetzt ganz ruhig und sah Melissa fragend an. „Melissa“; stellte diese sich vor. „Melissa. Du hast keine Ahnung von meinem Leben. Ich habe einen sehr stressigen Job, bin allein erziehende Mutter von einem Kleinkind und komme gerade von der Beerdigung meines Großvaters, der mir wirklich viel bedeutet hat. Ich habe Rebecca sicher nicht leichten Gewissens bei ihrem Vater abgegeben, aber ich hatte keine Wahl. Und anstatt diese einmalige Chance zu nutzen, seinen Pflichten nachzukommen, hinterlässt er mir eine Nachricht, dass er seine Tochter bei einem gewissen Jamie gelassen hat… Hast du Kinder, Melissa?“ Diese schüttelte den Kopf. „Also kannst du dir vermutlich nicht vorstellen, wie ich mich in dem Moment gefühlt habe. Ich hab keine besonders gute Meinung von Wayne als Partner in einer Beziehung, aber ihn ich kenne wenigstens.“



    Charlene sah mich ernst, aber nicht mehr unfreundlich an. „Ich habe mir das Schlimmste ausgemalt. Du hättest Drogendealer, Zuhälter oder sonst was sein können.“ Sie atmete tief durch. „Scheint ja nicht der Fall zu sein. Aber Melissa hat Recht, ich hab meine Wut auf Wayne an dir ausgelassen. Tut mir Leid. Wenn ihr irgendwelche zusätzlichen Kosten oder sonstigen Unannehmlichkeiten hattet, komme ich natürlich dafür auf.“ Einen kurzen Augenblick später hielt sie mir ihre Visitenkarte hin. „Und jetzt würde ich gern…“ Ich unterbrach sie, nachdem ich mir den Namen und die anderen Angaben auf der Visitenkarte dreimal durchgelesen hatte. „Williams? DU bist Charlene Williams?“ „Ja. Gibt es ein Problem mit meinem Namen?“ Kein Problem, eher eine Chance…

    [CENTER][SIZE="3"][COLOR="darkred"]:jeah[FONT="Comic Sans MS"]We are the Winners... of Eurovision[/FONT]:jeah [/COLOR][/SIZE][/CENTER]
    [CENTER]Meine Fotostory:
    [SIZE="3"]Heaven and Hell[/CENTER][/SIZE]

  • Hey, wieder so nette Kommentare, danke sehr...
    Nath weiß inzwischen, was von ihr erwartet wird (*g*), MARF lässt sich von kleinen Kindern leicht begeistern und es ist schön, dass doch ab und zu auch mal neue Leser meine Story entdecken!
    Kurze FS nur diesmal, muss erstmal wieder dran arbeiten...
    Der von Kira angesprochene Perspektivwechsel steht wieder einmal an:


    LEWIS



    Charlene Williams?“ hakte ich nach. Jamie nickte. Ich rief mir das Stadtbild von Breyton ins Gedächtnis. „Hatte ihr Vater nicht diese Galerie in der King Avenue?“ „Genau, und seit ihre Eltern vor drei Jahren aus Breyton weggezogen sind, gehört die Galerie ihr.“ Eine vage Idee entstand in meinem Kopf, und ich sah Jamie misstrauisch von der Seite an. „Du hast ihr deine Bilder gezeigt, oder?“ Er grinste. „Klar. Sie wollte erst nicht so richtig, aber dann fand sie sie echt gut. Sie meint, sie hat schon ein paar Leute im Hinterkopf, die…“ Ich blieb plötzlich stehen und Jamie unterbrach irritiert seinen Redefluss. „Was ist?“ „Ich kenne das Auto“, sagte ich langsam. Er blickte in die gleiche Richtung wie ich und sah den Wagen, der vor dem Haus hielt. „Ich auch, das ist ein Protzero 711.“ Ich schüttelte den Kopf.



    „Nein, ich meine, ich kenne genau dieses Auto.“ In diesem roten Protzero war Philipp Rosenberg vor fast eineinhalb Jahren bei mir vorgefahren und hatte mein Leben zerstört. Zumindest hatte ich das damals so empfunden. Aber die Person, die jetzt aus dem Wagen ausstieg, war nicht Philipp. Sie sah sich nach links und nach rechts um, entdeckte Jamie und mich und wir trafen uns genau vor dem Haus. „Hallo Lewis“, begrüßte sie mich, und irgendwie klang sie ein wenig unsicher. „Hallo“, sagte ich kühl. Wir starrten uns eine halbe Ewigkeit an, bis es Jamie zu dumm wurde und er sich räusperte. „Ähm, das ist Jamie“, sagte ich, „und Jamie: das ist Hannah, meine Ex-Freundin.“



    „Hi“, begrüßte Jamie sie, aber sie beachtete ihn kaum, sondern fragte mich leise: „Können wir miteinander reden?“ Tja, das könnten wir bestimmt, nur wollte ich das eigentlich gar nicht. Seit einer Weile glaubte ich nun, sie überwunden zu haben, und da tauchte sie einfach unangemeldet auf und wollte mit mir reden! „Sicher. Komm mit rein.“ Hannah, Jamie und ich gingen also ins Haus, und ich hörte Stimmen aus dem Wohnzimmer. Als wir hineinkamen, erstarrte Tyras Gesicht und sie flüsterte Nick etwas zu, das ich als „Was will die denn hier?“ zu identifizieren glaubte. „Tyra kennst du ja sicher noch“, sagte ich zu Hannah, auf die ein oder zwei Gelegenheiten anspielend, bei denen die beiden sich auf irgendwelchen Familienfeiern getroffen hatten. „Und das ist Nick. Ich hab dir von ihm erzählt… Aber das weißt du bestimmt nicht mehr.“



    Hannah nickte den beiden kurz zu und bat mich dann, bezogen auf ihre letzte Frage: „Unter vier Augen?“ Widerwillig nickte ich. „Gehen wir nach oben.“ Ich spürte regelrecht die neugierigen Blicke in meinem Rücken, als ich mich umdrehte, aber ich war sicher, Tyra würde auf ihre ganz spezielle Art alle Fragen beantworten, die Nick und Jamie haben würden. In meinem Schlafzimmer angekommen – das früher einmal unser Schlafzimmer gewesen war – hatte sie es plötzlich nicht mehr so eilig, ihr Anliegen zu schildern. Sie wollte stattdessen wissen: „Wohnt deine Cousine jetzt etwa hier?“ Am liebsten hätte ich geantwortet, dass sie das nichts anginge, aber ich erwiderte: „Ja. Und die anderen beiden auch. Insgesamt sind wir sogar zu fünft.“



    „Oh“, sagte sie bloß. Was hatte sie erwartet? Dass ich immer noch einsam und allein hier herumsitzen und auf ihre Rückkehr warten würde? Ich hätte inzwischen verheiratet sein und ein Kind haben können! „Also, was wolltest du mit mir besprechen?“ „Hm… es scheint dir ja ganz gut ergangen zu sein in der Zwischenzeit…“, meinte sie und nagte an ihrer Unterlippe. „Wir hatten leider nicht so viel Glück.“ „Wir“ waren dann wohl ihr steinreicher Lover Philipp und sie. Aus unerfindlichen Gründen konnte ich kein Mitleid für die beiden empfinden. „Phil hatte… eine finanzielle Pechsträhne und wir müssen uns… etwas einschränken.“ Aha, also nicht mehr so steinreich.



    Am Hungertuch schien er ja noch nicht zu nagen, wenn er und Hannah immer noch mit einem solchen Wagen umherfuhren. Andererseits, überlegte ich, würden Männer wie Philipp Rosenberg eher von Wasser und Brot leben als solche Statussymbole wieder aufzugeben. „Wo treibt er sich denn rum? Er muss doch nicht in der Fußgängerzone betteln gehen, oder?“ erkundigte ich mich bissig. Der Blick, den Hannah mir zuwarf, war eher verständnislos als wütend. Ja, den sarkastischen Lewis kennst du wohl noch nicht, dachte ich. „Unser Leid amüsiert dich also, Lewis. Nun ja, du und ich, ähm, sind ja auch nicht gerade in Freundschaft auseinander gegangen.“



    ICH war überhaupt nicht gegangen, und sie war weder in Freundschaft noch in Streit oder irgendwas gegangen. Ohne dass ich es hatte kommen sehen, eröffnete sie mir eines Tages, dass sie jemand anderen kennen gelernt hatte und beabsichtigte, von nun an sein Leben zu teilen. Bis zu dieser Minute war ich der Meinung gewesen, alles wäre in bester Ordnung. Ich gab mir selbst einen Ruck, um wieder in die Gegenwart zurückzukehren. „Dann soll ich euch jetzt einen guten Anlageberater empfehlen, oder was?“ Sie schob trotzig ihr Kinn vor. „Phil musste alle Immobilien veräußern, um seine Verluste an der Börse einigermaßen wieder auszugleichen und… Da mir immer noch eine Hälfte dieses Hauses gehört, dachten wir…“ Nein. Das konnte nicht wahr sein. „Lewis, wir kaufen dir deinen Teil ab und möchten hier leben.“

    [CENTER][SIZE="3"][COLOR="darkred"]:jeah[FONT="Comic Sans MS"]We are the Winners... of Eurovision[/FONT]:jeah [/COLOR][/SIZE][/CENTER]
    [CENTER]Meine Fotostory:
    [SIZE="3"]Heaven and Hell[/CENTER][/SIZE]

  • Vielen lieben Dank für die tollen Kommentare. Im Moment hab ich viel mit meinem Song Contest um die Ohren, daher dauert's jetzt immer ein wenig mit den Fortsetzungen.


    Nath: Dass Jamie ein Künstler ist, wird ganz am Anfang schon mal kurz erwähnt, blätter mal zurück :)
    Nery: Ich wusste doch, dass diese Signatur noch mal für irgendwas gut sein muss... Aber ich hatte eigentlich nicht vorgehabt, Dich vom Schauen Deiner Lieblingsserie abzuhalten, ehrlich! *g*
    Abby: Natürlich haben die fünf das ganze Haus bewohnt, es gehört ja eher in finanzieller Hinsicht zur Hälfte Hannah.
    Teufelchen: Offenbar gibt's hier mehr, die Lewis' Ex nicht mögen... woran das wohl liegt? :roftl
    Smeagol: Stimmt, jetzt bin ich quasi wieder am Anfang (wird gleich noch mal besonders deutlich). Und ich denke, bis zum Ende werden alle offenen Fragen geklärt oder zumindest die wichtigsten.



    Vergiss es.“ Da das offenbar alles war, was sie wollte, hätte sie nach meiner Abfuhr eigentlich gleich wieder in das hübsche Auto steigen und mich in Ruhe lassen sollen. Doch natürlich war sie viel zu stur, um das so einfach hinzunehmen. „Hör mich doch erstmal an.“ Ich legte den Kopf schief. „Das habe ich. Du willst das Haus, ich sage nein, Diskussion beendet.“ Irritiert runzelte sie die Stirn. Auch solchen Widerspruch war sie von mir nicht gewöhnt. Aber ich war eben nicht mehr der Mann, den sie kannte. „Du weißt, ich habe mich sofort in das Haus verliebt, als ich es sah…“ „Darum hast du es auch Hals über Kopf verlassen.“ Damit glaubte ich, nach Punkten zu führen, aber sie sah mich nur aus kalten Augen an und schüttelte den Kopf.



    „Ich habe dich verlassen, Lewis.“ Das war ein echter Tiefschlag, aber ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie mich damit getroffen hatte. „Erinnerst du dich? Nur auf mein Drängen hin haben wir dieses Haus gekauft. Ohne mich würdest du heute hier nicht wohnen. Und die anderen erst recht nicht.“ Was sollte das jetzt, bildete sie sich ein, darüber entscheiden zu können, wer hier lebte und wer nicht? Es hatte sie doch die letzten 17 Monate nicht interessiert. „Du hättest es dir ohne meine Erbschaft genauso wenig leisten können, Hannah. Und wenn ihr Geld braucht: ich bin gern bereit, dir deine Hälfte abzukaufen. Du hast dich zwar bisher nie darum gekümmert, dass dir hier noch ein Teil eines Hauses gehört, aber…“



    „Es geht mir nicht um das Geld, sondern um das Haus!“ Sie sprach mit mir wie mit einem zurückgebliebenen Kind. „Ich weiß gar nicht, warum du so ein Theater machst. Wir würden alle Kosten, die dir durch einen Umzug entstehen, übernehmen.“ Sie war gerade dabei, ihre letzte Munition zu verschießen. Aber sie bemühte sich umsonst. Ich würde ganz sicher nicht nachgeben. „Es geht hier nicht nur um mich. Stell dir vor, manche Menschen denken auch mal an andere.“ Ungeduldig winkte sie ab. „Meinst du deine Untermieter? Die werden schon was finden, da mach dir mal keine Sorgen.“ „Das sind nicht nur meine Untermieter. Es sind meine Freunde.“

    [CENTER][SIZE="3"][COLOR="darkred"]:jeah[FONT="Comic Sans MS"]We are the Winners... of Eurovision[/FONT]:jeah [/COLOR][/SIZE][/CENTER]
    [CENTER]Meine Fotostory:
    [SIZE="3"]Heaven and Hell[/CENTER][/SIZE]


  • Sie will das Haus?“ fragte Nick empört. Ich nickte. „Genau genommen will sie meinen Teil des Hauses.“ Melissa sah mich verunsichert an. „Du hast uns nie erzählt, dass dir nur die Hälfte gehört…“ „Ich habe auch nicht damit gerechnet, dass Hannah plötzlich auftaucht und es für sich beansprucht“, verteidigte ich mich. „Und falls du befürchtest, sie würde rechtliche Schritte einleiten und euch rauswerfen, kann ich dich beruhigen: das wird nicht passieren. Das kann sie gar nicht.“ Nick saß immer noch mit völlig fassungslosem Gesichtsausdruck da. Etwas überrascht, um es mal so zu sagen, waren sie alle gewesen, mit Ausnahme von Tyra. Sie hatte Hannah nie gemocht und sich vermutlich bei deren unangemeldeten Besuch schon nichts Gutes gedacht.



    „Aber ich verstehe das nicht so ganz“, meinte Nick. „Ich meine, wenn es den beiden an Geld mangelt, wieso wollen sie dann noch Schulden machen und dieses Haus kaufen?“ Ich lächelte nachsichtig, aber verbittert. „Du kennst Philipp Rosenberg nicht. In Greenville war er so eine Art kleine Berühmtheit, ehe er damals mit Hannah dieses Jet-Set-Leben begann. Für Mr. Neureich bedeutet Geldmangel etwas anderes als für unsereins. Glaub mir, der muss schon nicht verhungern. So ein Haus wie dieses ist für ihn gerade noch standesgemäß. Und weil eine Hälfte ihm, Entschuldigung, weil es Hannah ja sowieso schon gehört…“ Alle nickten, das war nachvollziehbar. „Aber du hast doch nicht vor, zu verkaufen?“ wollte Jamie wissen.



    Als ob daran noch ein Zweifel bestanden hätte! „Selbstverständlich nicht! Außerdem ist das ja nicht nur mein Zuhause, sondern auch eures.“ Ich hatte mit begeisterter Zustimmung von allen Seiten gerechnet, seltsamerweise blieb diese aus. So beschloss ich, das Thema zu wechseln. „Was wollte Charlene denn?“ erkundigte ich mich bei Jamie, da ich vorher einen Anruf von ihr entgegengenommen und an Jamie weitergeleitet hatte. Sein strahlendes Lächeln verriet, dass es gute Neuigkeiten gab. „Meine Bilder sind so gut angekommen, dass sie mir, äh, den Bildern, eine ganze Ausstellung widmen will.“ „Glückwunsch!“ „Klasse!“ bekam er zu hören.



    Tyra hatte die ganze Zeit nur nervös auf ihrem Stuhl hin- und herrutschend verbracht und ergriff jetzt endlich das Wort. „Ja, ja, alles ganz toll, aber will mich nicht mal jemand fragen, was es bei mir Neues gibt?“ Sie würde es uns zwar ohnehin sagen, aber ich tat ihr den Gefallen. „Was gibt’s Neues?“ „TA-DAAA!“ rief sie und streckte uns ihre Hand entgegen, die sie bisher unter dem Tisch versteckt hatte. Unnötigerweise verkündete sie gleich anschließend: „Ich bin verlobt!“ Das kam jetzt doch etwas plötzlich für mich. „Mit wem?“ fragte Jamie grinsend, als ob die Antwort nicht eindeutig gewesen wäre. „Mit Evan natürlich!“ Heute würde sich Tyra nicht ärgern lassen, dazu war sie viel zu stolz.



    „Der ist ja wunderschön“, flüsterte Melissa und bewunderte den Ring. Von der gegenüberliegenden Seite des Tisches beobachtete Nick sie lächelnd. Als Melissa es bemerkte, sah sie ihn kurz an und dann sehr schnell wieder weg, woraufhin Nicks Lächeln einem ernsten, nachdenklichen Gesichtsausdruck wich. Ich fragte mich, ob ich der Einzige war, der das Ganze gesehen hatte und fand, dass man es sich mit den beiden nicht mehr lange ansehen konnte. Ich wandte mich ruckartig wieder dem aktuellen Thema zu und konnte einfach nicht anders, als Tyra zu fragen: „Und du findest nicht, dass das ein bisschen schnell geht?“



    „Das hast du auch gesagt, als ich hierher kam, um Model zu werden – und jetzt sieh dir an, wo ich heute stehe!“ Ja, du stehst kurz davor, dich Hals über Kopf in eine Ehe zu stürzen mit einem dahergelaufenen Fotografen, den du kaum kennst, dachte ich. Aber ich sagte es lieber nicht. Großer Gott, Tyra hatte Recht gehabt, ich klang schon wie ihr Vater! „Meinen herzlichsten Glückwunsch“, sagte Melissa und umarmte Tyra. Damit tat sie wahrscheinlich das einzig Richtige – sich einfach für Tyra zu freuen. Wir anderen schlossen uns den Glückwünschen an, aber ich nahm mir trotzdem vor, Evan noch mal genauer unter die Lupe zu nehmen.


    -----------------------------------------------------------------------------
    P.S.: Man sieht es nicht, aber Tyra trägt tatsächlich einen Ring...

    [CENTER][SIZE="3"][COLOR="darkred"]:jeah[FONT="Comic Sans MS"]We are the Winners... of Eurovision[/FONT]:jeah [/COLOR][/SIZE][/CENTER]
    [CENTER]Meine Fotostory:
    [SIZE="3"]Heaven and Hell[/CENTER][/SIZE]

  • Lieben Dank für die Kommis!
    Und übrigens - so viel will ich schon mal verraten - manche Fragen werden bis zum Schluss nicht beantwortet und einiges der Fantasie des Lesers überlassen...


    Jetzt aber endlich weiter im Text!



    Genervt knallte ich den Telefonhörer auf den Apparat. Warum konnte Hannah nicht einsehen, dass es keine Frage des Geldes war? Sie würde das Haus nicht bekommen, da konnte sie noch so oft anrufen und das Angebot erhöhen. Ich stieß einen nicht jugendfreien Fluch aus, und hinter mir fragte jemand vorsichtig: „War das Hannah?“ Dass Nick hereingekommen war, hatte ich gar nicht bemerkt. „Klar, wer sonst?“ Nick verdrehte die Augen, kam näher und legte mir eine Zeitung hin, die bei den Wohnungsanzeigen aufgeschlagen war. Eine der Anzeigen war rot umkringelt. „Was hältst du davon?“ fragte er. Ich überflog den Text und sah Nick prüfend an. „Klingt nicht schlecht, aber ich habe nicht vor, auszuziehen.“ „Ich schon.“



    Okay, wo genau war jetzt die versteckte Kamera? Doch leider gab es kein Anzeichen dafür, dass Nick es nicht ernst meinte. „Darf ich fragen, warum?“ Nick sah mich entschuldigend an. „Weißt du, es war sehr nett von dir, mich hier wohnen zu lassen, und eine Zeitlang war es auch ganz lustig, aber…“ Ich hätte wetten können, dass er sich seinen Text vorher zurechtgelegt hatte und jetzt nur eine Kunstpause einlegte. „Es ist nun mal so, ich bin kein Student mehr. Aus dem Alter für WGs bin ich irgendwie raus… Ich möchte was Eigenes.“ Langsam nickte ich. „Und ich dachte schon, Melissa wäre vielleicht der Grund…“ Aufmerksam beobachtete ich, wie sich sein Gesichtsausdruck veränderte.



    Nicks Reaktion erinnerte mich an die eines ertappten Diebes. „Na ja… Auch. Du kannst sicher verstehen, dass es nicht ganz einfach ist, unter diesen Umständen mit ihr unter einem Dach zu leben.“ Er hatte durchaus Recht, mir war auch schon aufgefallen, dass Melissa sich ihm gegenüber in letzter Zeit besonders abweisend verhalten hatte. „Vielleicht solltest du mal mit ihr darüber reden.“ Hätte ich mir denken können, dass diese Idee ihn nicht unbedingt begeisterte. „Das macht es wahrscheinlich bloß schlimmer. Ich glaube, sie will einfach nur in Ruhe gelassen werden.“ „Dein Entschluss steht also fest?“ Nick sah mir mit festem Blick in die Augen. „Ja. Ich habe schon mit dem Makler gesprochen. Am übernächsten Wochenende kann ich die Wohnung besichtigen, und ab nächsten Monat ist sie frei.“



    Tja, es schien, als sei er tatsächlich nicht mehr davon abzubringen. „Na dann“, sagte ich schweren Herzens, „wünsche ich dir viel Glück.“ Er lächelte. „Danke. Ich wusste, dass du das verstehst.“ Dann wandte er sich zum Gehen, aber ich rief ihn noch einmal zurück. „Nick? Du kommst uns doch besuchen?“ „Logisch“, antwortete er und versuchte, der Situation noch etwas Witziges abzugewinnen. „Jeden Abend, wenn Jamie das Essen macht.“ Wir grinsten uns an und dann war er weg. Ich verfiel ins Grübeln. Es war irgendwie komisch, sich vorzustellen, dass Nick nicht mehr da wäre. Aber ich tröstete mich damit, dass wir immer noch zu viert waren. Ich konnte ja nicht ahnen, dass das nur der Anfang vom Ende war…

    [CENTER][SIZE="3"][COLOR="darkred"]:jeah[FONT="Comic Sans MS"]We are the Winners... of Eurovision[/FONT]:jeah [/COLOR][/SIZE][/CENTER]
    [CENTER]Meine Fotostory:
    [SIZE="3"]Heaven and Hell[/CENTER][/SIZE]


  • Der Nächste war Jamie. Er kam abends aus Breyton zurück, wo er mit Charlene noch wegen ein paar Absprachen zur bevorstehenden Ausstellung verabredet gewesen war. „Hallo“, begrüßte ich ihn, als er ins Wohnzimmer kam. „Wie laufen die Vorbereitungen?“ „Ganz gut. Hör mal, ich muss mit dir reden, wegen… Also, ich hab mir überlegt, wieder nach Breyton zurück zu ziehen.“ Ich muss einen ziemlich debilen Gesichtsausdruck gehabt haben, als Jamie das sagte. „Was?“ „Na ja, irgendwie läuft alles mit den Bildern gerade so gut, aber ich muss ständig zwischen Greenville und Breyton hin- und herfahren. Dann hab ich mich noch mit Wayne getroffen und ein paar Kumpels besucht. Ich hab nicht Heimweh oder so was, aber…“



    Das war es also? Er hatte sich ein bisschen mit seinem Bruder und ein paar alten Freunden unterhalten, vielleicht ein paar nette Erinnerungen an seine Heimatstadt aus dem Gedächtnis hervorgeholt und schon wollte er wieder zurück? So ganz konnte ich das nicht glauben – und wollte es ehrlich gesagt auch gar nicht. „Ja, und wo wohnst du dann?“ Ich wusste, dass seine Mutter, die ihn und Wayne allein großgezogen hatte, vor sechs Jahren verstorben war und er auch sonst keine Großeltern, Tanten oder ähnliches dort hatte. Das war wohl auch der Grund gewesen, warum sein Bruder extra nach Greenville gekommen war, um Rebecca „abzuliefern“. Jamie sah ein bisschen verlegen aus. „Also erstmal wohne ich bei Wayne.“ Er hatte das also schon abgesprochen! Das war gar keine so spontane Idee…



    „Jamie, ich gönn dir ja deinen Erfolg, aber… Was ist, wenn auf einmal keiner mehr deine Bilder kauft? Denkst du, du kannst von deiner jetzigen Glückssträhne noch jahrelang leben?“ Was ich sagte, klang gemeiner, als es beabsichtigt war, aber es war ein letzter Versuch, ihn noch einmal umzustimmen. Bei Nick, das war mir klar, wäre das nicht mehr möglich gewesen – obwohl ich es immer wieder mal halbherzig versuchte. Jamie hingegen… Er schien noch nicht ganz so fest entschlossen zu sein. „Na ja, wenn nicht, fang ich in Billys Bar an. Er hat gesagt, für mich hat er immer ’nen Job. Du erinnerst dich bestimmt noch an Billy?“ An den konnte ich mich aus Schulzeiten tatsächlich noch erinnern, wenn auch sehr ungern.



    „Erst Nick, jetzt du. Habt ihr euch gegen mich verschworen oder was?“ sagte ich halb im Scherz, aber Jamie grinste nicht. „Blöder Zufall, das ist alles. Da ist ja noch was…“ Auf einmal wurde er geradezu kleinlaut. „Charlene hat Rebecca heute in die Galerie mitgebracht, sie konnte wohl keinen Babysitter kriegen. Und das war einfach… so toll. Jedenfalls mag ich sie sehr, und ich würde einfach gern in ihrer Nähe sein.“ Für einen verrückten Moment dachte ich, er meinte Charlene und nicht seine Nichte, aber das wäre selbst für Jamie zu seltsam. Wobei: der Glanz in seinen Augen war irgendwie… Nein, das konnte nicht sein. Charlene war die Ex-Freundin seines Bruders, er würde doch nicht…? Aber ehe ich unverfängliche und doch aufschlussreiche weitere Fragen stellen konnte, sagte er auch schon „Gute Nacht“ und war auf dem Weg in sein Zimmer.

    [CENTER][SIZE="3"][COLOR="darkred"]:jeah[FONT="Comic Sans MS"]We are the Winners... of Eurovision[/FONT]:jeah [/COLOR][/SIZE][/CENTER]
    [CENTER]Meine Fotostory:
    [SIZE="3"]Heaven and Hell[/CENTER][/SIZE]

  • Danke, Nath, für Dein Posting!
    Du hast jetzt sogar ein bisschen vorgegriffen, war zwar abzusehen, aber Tyra hat ja bis jetzt noch nichts von Ausziehen gesagt - wird sich aber gleich ändern.
    Ist ein gutes Argument, was Du da anbringst bezüglich Jamie und Charlene. Aber vielleicht geht Lewis' Fantasie ja auch nur wieder mit ihm durch, wer weiß? :misstrau


    Et voilà: der nächste Teil!



    Tyra ging das Ganze viel direkter an. Sie spazierte einfach in die Bibliothek, wo ich mich ein wenig zum Klimpern und Nachdenken ans Klavier gesetzt hatte und legte los. „Ich zieh übrigens demnächst zu Evan.“ Ich seufzte resigniert. Damit hatte ich ja rechnen müssen. „Aha“, sagte ich bloß und hoffte, sie damit ein wenig zu provozieren. Ganz sicher hatte sie mehr Widerstand erwartet, eine kleine Diskussion, einen weiteren Vortrag, dass alles viel zu schnell ging, so was in der Art. Entsprechend wirkte sie etwas unzufrieden. „Also, erst muss ja sein Mitbewohner raus, der kann aber erst in zwei Wochen in seine neue Wohnung, und darum…“, sagte sie und beobachtete mich. Ich nickte nur mit dem Kopf und zeigte meinen besten geistesabwesenden Gesichtsausdruck.


    „Du hörst mir ja gar nicht zu!“ regte sie sich auf. „Doch“, erwiderte ich leise. „Du ziehst zu Evan, sobald der seinen Mitbewohner los ist.“ Tyra starrte mich ratlos an. „Und du hast nichts dagegen?“ Ich schenkte ihr ein mildes Lächeln. „Würde das denn was ändern?“ Sie schüttelte den Kopf. „Na also“, sagte ich. „Du denkst jetzt bestimmt, wir lassen dich im Stich“, meinte Tyra ein bisschen mitleidig. Ich grübelte einen Moment darüber nach. „Nicht direkt, aber… Es ist schon komisch, dass ihr alle genau dann ausziehen wollt, wenn Hannah es auf das Haus abgesehen hat. Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass sie so was wie eine Zwangsräumung veranlassen könnte…?“ „Nein, ich jedenfalls nicht. Außerdem wäre das für mich eher ein Grund, erst recht hier zu bleiben.“



    Sie sah mich herausfordernd an, wobei das trotzige Aufblitzen in ihren Augen ja eher Hannah galt. „Ach so, wenn ich dich bitte, nicht auszuziehen, weil wir dann in der Überzahl wären und ich das Haus behalten würde, würdest du das tun?“ Die Frage war eher rhetorisch, und das wusste sie auch. „Ähm, wenn Evan dann einziehen dürfte…“ antwortete Tyra grinsend. Ich ging auf ihre Herumalberei ein. „Von mir aus gern, aber das junge Paar will doch sicher nicht gestört werden.“ Tyra wurde wieder ernst. „Ich dachte, du kannst ihn nicht leiden.“ „Sogar dazu kenne ich ihn zu wenig“, sagte ich. „Aber du bist alt genug. Wenn du glaubst, er ist der Richtige…“ Diese Einsicht war noch neu, aber ernst gemeint. Sie lächelte. „Ja, das glaube ich. Und ich will mit ihm zusammen leben.“

    [CENTER][SIZE="3"][COLOR="darkred"]:jeah[FONT="Comic Sans MS"]We are the Winners... of Eurovision[/FONT]:jeah [/COLOR][/SIZE][/CENTER]
    [CENTER]Meine Fotostory:
    [SIZE="3"]Heaven and Hell[/CENTER][/SIZE]


  • Ich saß mit Nick im Esszimmer. Er wartete auf seinen Kollegen, der ihn für die bevorstehende Geschäftsreise abholen sollte. Nach der Reise wollte er sich die Wohnung in der Innenstadt ansehen, für die er sich interessierte. „Wenn du wiederkommst, und deine Meinung in der Zwischenzeit geändert haben solltest… dann ist das okay. Ich werde dein Zimmer bestimmt nicht so schnell weitervermieten.“ Wie gesagt, probieren konnte man es ja. „Danke, aber ich glaube nicht, dass das passiert“, entgegnete Nick. „Und wenn du doch mal zu Melissa gehst und…“ begann ich, aber da wurde ich von dem Hupen eines Autos unterbrochen. Nick schien ganz erleichtert zu sein, dieses Thema nicht erneut diskutieren zu müssen.



    „Ich muss los. Das ist sicher Jeff. Wir sehen uns Freitag.“ „Ja, bis Freitag…“ sagte ich und sah ihm nach, als er das Esszimmer verließ. Ich erschrak, als Melissa plötzlich neben mir stand. Sie musste aus der Küche gekommen sein. Anscheinend hatte sie zumindest den Schluss unseres Gesprächs noch gehört, aber gewartet, bis Nick weg war. „Zieht Nick etwa meinetwegen aus?“ „Ich… ich habe ihm versprochen, nichts dazu zu sagen“, brachte ich hervor, als ich mich wieder gefasst hatte. Mit ein bisschen Glück würde Melissa aus dieser Bemerkung schon alles heraushören, was sie wissen musste. Doch offenbar konnte sie das nicht, oder sie stellte sich absichtlich dumm. Melissa setzte sich hin und sah mich eindringlich an.



    „Lewis, bitte. Ist er etwa wütend auf mich? Ich weiß, ich war…“ In dem Moment kamen Tyra und Jamie herein, die Nick wohl noch im Flur verabschiedet hatten. Alle guten Manieren außer Acht lassend, mischte Tyra sich sofort ein. „Wer, Nick? Quatsch, der steht auf dich, das sieht doch ein Blinder.“ Eigentlich wollte ich sie streng und zurechtweisend ansehen, aber das misslang gründlich. Im Grunde wurde es auch Zeit, dass es mal jemand aussprach, und Tyra hatte Nick gegenüber offensichtlich nicht Verschwiegenheit gelobt. Vermutlich dachte der immer noch, außer ihm und mir wüsste keiner von seinen Gefühlen… Überrascht blickte Melissa von Tyra zu mir und schließlich zu Jamie. Der hob abwehrend die Hände. „Sieh mich nicht an, ich hab schließlich gedacht, ihr habt schon längst was miteinander.“



    Jamie und Tyra ließen sich gegenüber von Melissa am Tisch nieder. „Und du?“ fragte Tyra sie. „Ich meine, kannst du dir vorstellen, dass da was mit ihm laufen könnte?“ Melissa schaute nachdenklich drein, ehe sie langsam antwortete. „Vor kurzem wäre der Gedanke, dass Nick und ich… also, das wäre ungefähr so gewesen, als ob ihr beide ein Paar sein würdet.“ Dabei deutete sie auf Tyra und mich, und wir sahen uns leicht angewidert an. „Versteht ihr, er war fast wie ein Bruder für mich. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass er… dass er mehr wollen könnte. Und dann, an dem Abend, als Andrew – also, als wir uns getrennt haben, da war Nick so… Er war einfach für mich da, und hat mir keine Vorhaltungen gemacht, obwohl er eigentlich allen Grund dazu gehabt hätte.“



    Sie lächelte Tyra an. „Du hattest ja Recht. Erst hab ich alles verbockt und dann… Na jedenfalls habe ich an dem Abend angefangen, Nick mit anderen Augen zu sehen. Aber ich wusste selbst nicht genau, wie ich damit umgehen sollte. Darum habe ich am nächsten Tag auch so überreagiert“, erklärte sie mit entschuldigendem Blick in Richtung Jamie. „Ich dachte, vielleicht suche ich unbewusst nur einen schnellen Trost oder eine Art Ersatz, und bin absichtlich auf Abstand gegangen. Doch inzwischen…“ Melissa atmete tief ein und wieder aus, ließ den Satz jedoch unvollendet. „Warum erzählst du ihm das nicht?“ fragte ich sanft. Sie sah uns unsicher an. „Meint ihr denn, er versteht, was ich damit sagen will? Habt ihr es denn verstanden?“ Wir drei warfen uns gegenseitig leicht amüsierte Blicke zu, und dann sagte Jamie: „Klar. Du bist in ihn verliebt.“

    [CENTER][SIZE="3"][COLOR="darkred"]:jeah[FONT="Comic Sans MS"]We are the Winners... of Eurovision[/FONT]:jeah [/COLOR][/SIZE][/CENTER]
    [CENTER]Meine Fotostory:
    [SIZE="3"]Heaven and Hell[/CENTER][/SIZE]

  • Hi Ihr Lieben,
    das ist ja schön, dass die letzte FS Nath glücklich gemacht hat :D
    Und Du hast die gleichen Hintergedanken wie Lewis...


    Smeagol: nö, der Lewis wird schon nicht allein in dem großen Haus "rumdümpeln" :roftl , dazu ist er jetzt viel zu sehr an die Gesellschaft der anderen gewöhnt. Aber... lies selbst.


    amylee: Ich glaub, Smeagol meinte es umgekehrt. Denn dass Melissa auch in Nick verliebt ist, war ja (hoffentlich) nicht so vorhersehbar (ich schätze mal, das war eher Wunschdenken von Smeagol als tatsächliches "Wissen", oder? ;) )


    So, nur eine winzig kleine Fortsetzung, damit Ihr wisst, wie's mit Nick und Melissa weitergeht:



    Selbstverständlich hatte ich nicht nur meinen eigenen Vorteil im Kopf, aber ich fieberte Nicks Rückkehr mindestens ebenso entgegen wie Melissa. Wenn sie mit ihm gesprochen hatte – und das wollte sie unbedingt persönlich und nicht am Telefon tun – und alles glatt ginge, würde sich Nick das mit dem Auszug bestimmt noch mal überlegen. Dann wären wir immerhin noch zu dritt, und Hannah konnte doch nicht wirklich von mir verlangen, zwei Menschen auf die Straße zu setzen… oder? Auch wenn ich es nicht zugegeben hätte, hatte ich mir bei den all den auszugswilligen Noch-Mitbewohnern langsam überlegt, warum ich Hannah gegenüber überhaupt noch Gegenwehr leistete.



    Zwar hatte ich vorher auch schon eine Weile allein in dem Haus gelebt, aber glücklich war ich nicht gewesen. Und jetzt, wo ich wusste, wie es war, wenn das Haus… nun ja, mit Leben erfüllt war, grauste es mir umso mehr bei der Vorstellung, wieder allein sein zu müssen. Bis jetzt hatte Melissa keine derartigen Bemerkungen gemacht, doch ich befürchtete, auch bei ihr würde es nur eine Frage der Zeit sein, wenn Nick, Tyra und Jamie erstmal weg wären. Nick war nun quasi meine einzige Hoffnung. Mit diesen Überlegungen kehrte ich Freitagnachmittag von der Arbeit heim und stieß gedankenverloren die Tür zum Wohnzimmer auf.



    „Oh, entschuldigt“, sagte ich automatisch, als ich sah, dass Nick und Melissa anscheinend beschäftigt waren. Die beiden grinsten ein wenig verlegen, und erst jetzt wurde mir bewusst, was das Ganze bedeutete. „Dann habt ihr euch also endlich ausgesprochen?“ Nick zwinkerte mir zu und Melissa nickte. „Herzlichen Glückwunsch, kann man da wohl sagen… Dann will ich mal nicht weiter stören“, meinte ich und zog mich diskret zurück. Schmunzelnd ging ich nach oben und rieb mir insgeheim die Hände. Wenn die beiden glücklich waren, war ich es auch – und zwar aus mehr als einem Grund.



    Später lief mir Nick über den Weg und ich konnte einfach nicht anders als ihn zu fragen: „Das heißt dann also, dass du hier bleibst, oder?“ „Ähm…“, druckste er herum. „Eigentlich heißt das…“ Nick räusperte sich mehrmals, dann rückte er endlich mit der Sprache heraus. „Melissa kommt morgen mit, wenn ich mir die Wohnung ansehe. Du bist uns hoffentlich nicht böse, aber wir… wir wollen es gern mit einem Zweier-Haushalt probieren.“ Ich senkte den Kopf, weil ich mich ein bisschen vor mir selbst schämte. Das gleiche Argument, nämlich dass ein Paar wahrscheinlich für sich sein wollte, hatte ich doch vor kurzem erst Tyra gegenüber selbst verwendet… Warum hatte ich bei Nick und Melissa nicht daran gedacht? „Lewis?“ fragte Nick unsicher. „Ist schon okay, ich kann das nachvollziehen.“
    Als Nick nach unten lief, ging ich zum Telefon. Ich wählte eine Mobilfunknummer und als sich jemand meldete, sagte ich: „Hannah? Hier ist Lewis. Steht euer Angebot noch?“

    [CENTER][SIZE="3"][COLOR="darkred"]:jeah[FONT="Comic Sans MS"]We are the Winners... of Eurovision[/FONT]:jeah [/COLOR][/SIZE][/CENTER]
    [CENTER]Meine Fotostory:
    [SIZE="3"]Heaven and Hell[/CENTER][/SIZE]


  • Mehrere Wochen später.
    Ich sah mich in meiner neuen Wohnung um. Würde mir wohl nicht ganz leicht fallen, mich hier einzugewöhnen. Ich hatte nur wenige Möbel aus dem Haus mit hierher genommen, aber für das Geld, das ich Hannah und Philipp letztendlich abgeknöpft hatte, konnte ich mir mehrere Möbelgeschäfte kaufen. Es war ruhig in dem Haus, zu ruhig. Selber schuld, dachte ich, ich musste ja auch unbedingt in ein ganz neues Haus ziehen, in dem ich einer der ersten Mieter war – kein Wunder bei den Preisen. Ich steckte die Hände in die Hosentaschen und schloss die Finger um mein Handy, was mich schmerzhaft daran erinnerte, dass sich meine ach so geschätzten Freunde schon länger nicht mehr gemeldet hatten. Kein einziger.



    Es klingelte und ich ging nichtsahnend zur Tür. Vor mir stand jemand, mit dem ich kein bisschen gerechnet hatte. „Hi Cousin“, sagte Tyra und grinste. „Tyra?! Was machst du denn hier?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Na, ich wohne hier.“ „Du wohnst nicht HIER“, widersprach ich und machte eine Geste, die meine neue Wohnung einschloss. „Nicht HIER, zwei Stockwerke über dir. Jedenfalls ab nächsten Monat. Also, kann ich reinkommen?“ Ich ließ sie eintreten und musste mich erstmal fangen, während ich die Tür schloss und mich zu ihr umdrehte. Inzwischen hatte sie es sich schon gemütlich gemacht. „Wolltest du nicht zu Evan ziehen?“ Tyra nickte. „Bin ich auch erst, aber dann konnte ich ihn überzeugen, dass seine alte Wohnung zu klein für uns ist. Für uns beide und die Kinder.“



    „Kinder?“ fragte ich geschockt. „Na ja, irgendwann mal vielleicht, wenn ich alt bin, 35 oder so… Ganz zufällig wusste ich, wo noch ein paar Wohnungen frei sind“, meinte sie und strahlte, „und wir haben vor einer halben Stunde den Mietvertrag unterschrieben. Evan musste aber gleich wieder los, die Arbeit, du weißt schon. Sag hallo zu deiner neuen Nachbarin!“ Sie breitete theatralisch die Arme aus. „Hallo, neue Nachbarin“, antwortete ich gehorsam und beobachtete sie skeptisch. Das ging nicht mit rechten Dingen zu. Träumte ich vielleicht nur? Gerade wollte ich Tyra bitten, mich zu kneifen, als es erneut an der Tür klingelte. Keine Ahnung, warum ich überrascht war, dass Jamie lächelnd da stand und mich begrüßte mit „Tag, Lewis… Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“



    „Eher zwei. Komm rein. Tyra ist auch gerade da.“ Die beiden begrüßten sich wie nebenbei und Jamie wandte sich wieder an mich. „Ich hab mir gerade meine neue Wohnung angesehen.“ So ganz glaubte ich zwar schon nicht mehr daran, aber ich fragte: „In Breyton?“ Beinahe erwartungsgemäß schüttelte er den Kopf. „Nicht in Breyton, in diesem Haus. Dachgeschoss, linke Seite. Ich habe eine Weile bei Wayne gewohnt, aber das lief nicht so gut. Und Charlene hat ihre Galerie einer Freundin übergeben und macht hier in Greenville nächsten Monat eine neue Galerie auf, zahlungskräftigere Kundschaft, du verstehst. Im Übrigen möchte sie, dass Rebecca in einer… anderen Umgebung aufwächst.“ Misstrauisch sah ich von einem zum anderen. „Ihr nehmt mich doch auf den Arm.“



    „Nein, ich wohne wirklich hier“, bekräftigte Jamie und Tyra stimmte zu. „Ich auch.“ „Ja, aber nicht zufällig. Ich bin vielleicht ein bisschen dämlich, aber nicht sooo dämlich.“ Bevor die beiden irgendetwas dazu sagen konnten, klingelte es ein drittes Mal innerhalb weniger Minuten und ich hatte bereits eine vage Ahnung, wer es diesmal sein würde. Und wie hätte es anders sein können, strahlten mir Nick und Melissa entgegen. Ich ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen. „Lasst mich raten, ihr habt soeben den Mietvertrag unterschrieben und wohnt jetzt in der zweiten Etage.“ Melissa verneinte. „Erdgeschoss“, und Nick sah an mir vorbei Tyra und Jamie an und beschwerte sich: „Wieso habt ihr ihm alles verraten?“ „Haben wir nicht“, wehrte Jamie sich.



    „Lewis ist vielleicht ein bisschen dämlich, aber nicht sooo dämlich“, erklärte Tyra und Jamie begann zu lachen. Ich sagte Melissa und Nick, dass sie hereinkommen sollten und konnte mir die Frage nach der Wohnung in der Carson Street nicht verkneifen. „Wir haben sie uns angesehen, aber dann wurde sie uns in letzter Minute vor der Nase weggeschnappt. Also mussten wir erstmal in ein Hotel ziehen, doch dann haben wir es einfach zu sehr vermisst.“ „Was, mich?“ wollte ich wissen, doch die zwei sahen mich nur merkwürdig an. „Jamies Essen!“ meinte Nick. „Darum blieb uns gar nichts anderes übrig, als in seine Nähe zu ziehen. Was für ein Zufall, dass du auch hier wohnst“, sagte Melissa schmunzelnd.



    Ich konnte nur noch mit dem Kopf schütteln. „Ich muss ja einen ziemlich erbärmlichen Eindruck auf euch gemacht haben, dass ihr denkt, ich könnte ohne euch nicht leben.“ „Ja“, „Doch“, „Irgendwie schon“, schallte es von allen Seiten, und ich hätte laut losgelacht, wenn ich nicht so gerührt gewesen wäre. Natürlich mussten die vier das abgesprochen haben. Sie hatten bestimmt nicht nur wegen mir alles andere aufgegeben, aber ich hätte wetten können, dass sie in Kontakt geblieben waren und als zufällig alle gleichzeitig eine neue Bleibe suchten, fiel einem von ihnen das Haus ein, in dem ich nun wohnte. „Ihr seid ganz schön verrückt, ist euch das klar?“ „Ja, aber wir sind auch deine Freunde“, klärte Jamie mich auf und ich sah alle der Reihe nach an. Das stimmte allerdings, es waren meine Freunde.
    Wahrscheinlich die besten, die ich jemals hatte.


    ENDE

    [CENTER][SIZE="3"][COLOR="darkred"]:jeah[FONT="Comic Sans MS"]We are the Winners... of Eurovision[/FONT]:jeah [/COLOR][/SIZE][/CENTER]
    [CENTER]Meine Fotostory:
    [SIZE="3"]Heaven and Hell[/CENTER][/SIZE]