Habe nochmal Zeit gefunden, eine Fortsetzung zu machen. Ich konzentriere mich sehr auf die Schule, deswegen wird es vielleicht auch nur jedes Wochenende eine FS geben, aber ich hoffe, ich schaffe es öfter.

Am nächsten Morgen brachen auch die Goldings mit Alfred Russel nach Southampton auf. Sie fuhren in einem Wagon, der nur für 3. Klasse-Passagiere der Titanic bestimmt war.

Kurz, nachdem der Zug um 7:30 die Waterloo Station verlassen hatte, kam eine hübsche zurückhaltende Frau ins Abteil und fragte, ob für sie und ihren Sohn noch Platz wäre.
„Aber selbstverständlich“, sagte Mr Golding, „kommen Sie nur herein, das heißt falls Sie nicht viel Gepäck haben, denn ich fürchte, wir haben alle Netze und Ablagen mit unseren Koffern gefüllt.“
„Oh, das macht nichts“, sagte die Frau erleichtert. „Ich habe überhaupt nichts bei mir, denn ich begleite nur meinen Sohn, und der hat bloß einen Seesack, das ist Vorschrift, mehr darf er nicht mitbringen.“

Sie und ihr Sohn setzten sich auf die freien Plätze.
„War das nicht ein schreckliches Gedränge auf dem Bahnsteig? Warte, Chris, schieb deinen Sack unter die Bank, dann ist er nicht so im Weg und du musst ihn nicht die ganze Zeit auf dem Schoß halten.“

Ihr Sohn tat wortlos den Sack unter seinen Sitz, nachdem er alle gegrüßt hatte, und setzte sich wieder.

„Nun mach nicht so ein Gesicht, Mum. In gut zwei Wochen bin ich wieder da.“
Mrs Golding betrachtete die beiden neugierig. Sie liebte Leute kennen zulernen, die bereit waren, viel von ihrem Leben zu erzählen und sich dann ihre Ratschläge anzuhören.

„Ja, sie haben ganz Recht, es war ein schreckliches Gedränge“, antwortete Mrs Golding auf die schon längst gestellte Frage. „Man kann sich gar nicht vorstellen, dass alle diese Leute auf einem einzigen Schiff Platz haben werden. Und wenn man bedenkt, dass die ganze Besatzung ja schon an Bord ist, also noch einmal 900 Mann, dann schwirrt einem richtig der Kopf.“
„Alle sind noch nicht an Bord“, stellte die Frau richtig. „Deshalb sitzen wir doch überhaupt hier. Es hat nämlich Schwierigkeiten mit dem Personal gegeben, es sind mehrere Leute krank geworden und so haben sie in letzter Minute ein paar Lehrjungen die Chance gegeben mitzufahren, natürlich nur den besten. Mein Sohn macht nämlich eine Bäckerlehre im Hotel Adelphi, müssen Sie wissen.“
Sie machte eine erwartungsvolle Pause.
„Alle Achtung, junger Mann“, sagte Mr Golding anerkennend. „Da kriegst du ja wohl die beste Ausbildung, die man sich wünschen kann.“

„Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich war, als sie ihn genommen haben, denn es war ein enormer Andrang. Obwohl die Bedingungen gar nicht so günstig sind, andere Hotels sind großzügiger, aber die haben eben nicht so einen guten Ruf. Das Adelphi gibt nur ein Wochenende im Monat frei und die Jungen kriegen zwar gut zu essen, aber schlafen tun sie zu viert in einem Kämmerchen und jeden Abend spät ins Bett und jeden Morgen um vier Uhr raus. Und verdienen tun sie keinen Penny, sondern ich muss noch Lehrgeld zahlen, und das ist nicht einfach für mich, denn ich bin Witwe. Wenn ich nicht zwei Zimmer vermieten würde, und das kann ich nur, weil ich in der Küche schlafe, dann wüsste ich nicht, wie wir über die Runden kommen sollten. Aber bald ist mein Chris fertig mit der Lehre und dann wird er das erste Mal Geld verdienen, dann wird es leichter für uns. Deshalb war ich auch so froh über das Adelphi, denn da kann ich sicher sein, dass er eine gute Ausbildung findet. Vielleicht behalten sie ihn sogar auf der Titanic, obwohl … nein, ich glaube fast, das wäre mir doch nicht recht.“
„Aber ich bitte Sie, die Titanic ist doch zweifellos die schönste Adresse, die sich denken lässt.“
„Ja, das ist sie wohl und ich bin auch sehr stolz auf meinen Sohn, denn ich weiß, dass es eine große Ehre für ihn ist. Aber mit ist fast das Herz stehen geblieben vor Schreck, als er gestern Abend nach Hause kam und ich meine Zustimmung geben sollte. Wasser hat keine Balken, sage ich immer, und Sie können noch so viel reden, dass die Titanic unsinkbar ist und ein schwimmender Palast, aber Schiff bleibt Schiff, und was schwimmt, das kann auch untergehen. Und wen ich daran denke …“
„Aber es gibt nicht den geringsten Grund, an etwas gefährliches zu denken.“, erklärte ihr Mr Golding. „Ich kann Ihnen versichern, dass die Fahrt auf der Titanic genauso wenig gefährlich ist wie unsere Zugfahrt jetzt. Ich habe mich sehr ausführlich mit diesen Fragen beschäftigt, denn wir wollen schon seit Jahren nach Amerika. Wir haben nur so lange gezögert, weil die Schiffe, die sie den Auswanderern anbieten, eine Zumutung sind, jedenfalls für Leute, die so empfindlich sind wie meine Frau und mein Sohn. Glauben Sie mir, wenn mein Frankie alt genug wäre eine Lehre zu machen, dann hätte ich überhaupt keine Einwände, ihn auf die Titanic zu schicken. Und dieser junge Mann hier, Alfred heißt er, der ist erst fünfzehn und seine Mutter hatte nicht die geringste Sorge, ihn mit der Titanic fahren zu lassen, nur auf der Reise der Rocky Mountains, da sollen wir ein Auge auf ihn haben. Und ich selbst habe nicht einmal Reisefieber. Ich habe das Gefühl, als ob wir eine Woche Urlaub machen werden, mit viel frischer Seeluft jeden Tag und auf einmal sind wir in Amerika.“
Er gähnte herzhaft und lehnte den Kopf an die Wand des Abteils.

„Ich bin so wenig aufgeregt, dass ich jetzt ein Nickerchen machen werde. Wir haben nämlich gestern ausgiebig Abschied gefeiert, und das steckt mir noch in den Knochen. Weck mich, wenn wir da sind, Molly!“
„Und wenn ich es vergesse?“
„Das tust du nicht. Ich kenne dich doch. Wie willst du ohne mich mit dem Gepäck fertig werden? Und was willst du ohne mich in Amerika?“
Mrs Golding lachte. „Das meinen die Männer immer, dass man ohne sie nicht zurechtkäme. Aber du hast ja Recht, mein Lieber, wie immer. Ohne dich wäre ich ganz verloren.“