Kapitel 58: Danach

Nachdem sie die Zelle der Fürstin verlassen hatten, immer noch geschockt über die Enthüllung, betraten sie Elias' Zelle. Er hockte neben dem Bett und spielte mit einer Münze. Er sah nicht auf als sie hereinkamen, sondern murmelte weiter unverständliches Zeug.
"Elias?" fragte der Fürst, aber der ehemalige Priester hob nicht den Blick. "Hörst du mich?"

Elias hob den Blick, aber schien seine Besucher gar nicht wahr zu nehmen. "Schöne Münze, magische Münze. Mit ihrem Licht kann ich mächtige Magie wirken. Wollt ihr mal sehen?" Seine Augen leuchteten vor Vorfreude und Lina fühlte sich schuldig, für was immer sie ihm auch angetan hatte. Sicher, sie war froh, dass der Spuk nun ein Ende hatte, aber die Strafe schien ihr zu hart. Aber sie hatte keine Ahnung, ob man das rückgängig machen könnte, was immer auch mit seinem Kopf passiert war.
"Nein, danke," lehnte William ab. "Aber vielleicht kannst du uns noch ein paar Fragen beantworten?"

"Keine Magie, keine Fragen," Elias sah wieder auf seine Münze und drehte sie zwischen den Fingern, während er anfing zu summen.
Sie erkannten, dass sie nichts mehr aus Elias herausbekommen wurden und verließen den Raum wieder. Der kurze Besuch hatte alle nachdenklich gemacht und still folgten sie dem Fürsten in den großen Saal. Er hatte noch zwei Stühle mehr dort hin bringen lassen und alle konnten sich setzen. Niemand wollte auf dem zweiten Thron sitzen, so dass Lina und Richard dem Fürsten gegenüber saßen.

"Und nun?" fragte Lina nach einer Weile Schweigen. "Was geschieht nun mit den Beiden und uns allen. Wie geht es weiter?"
William räusperte sich. "Nun, laut Gesetz Eliza wird für ihren Hochverrat des Landes verbannt. Ich möchte sie nie wieder sehen und ich werde dafür sorgen, dass wir geschieden werden, auch wenn das bisher noch nie vorgekommen ist. Elias, nun ich fürchte, dass wir ihn nicht einfach so wegschicken können. Es muss sich jemand um ihn kümmern und darauf achten, falls sein wahres Ich wieder zum Vorschein kommen sollte."

Lina überlegte einen Moment. "Ja, das sollte getan werden. Vielleicht kann man Elias wieder ans Kloster übergeben. Ich bin mir sicher, dass sich Abt Leopold sicher um seinen ehemaligen Priester kümmern würde. Wurde er eigentlich schon benachrichtigt? Ich habe irgendwie den Überblick verloren." Sie lachte verlegen.
"Ja, ein Bote ist schon zu ihm unterwegs. Ich habe mich gestern noch darum gekümmert. Und auch eure beiden Freunde sind gefunden worden. Sie dürften jetzt in der Küche sitzen und essen."
"Das freut mich," kam es von einem äußerlich sehr ruhigen Richard.

"Was die Gesetze gegen die Hexen angeht, die habe ich ebenfalls schon gestern aufgehoben und Boten in alle Ecken des Reichs geschickt, dass die Verfolgung ein Ende hat. Und ich habe angekündigt, dass die Familien entschädigt werden." Er hob die Hand abwehrend. "Ich weiß, dass ist keine Entschuldigung für das was geschehen ist, aber ich bin gewillt alle meine Fehler einzugestehen und Reue zu zeigen. Es tut mir Leid, dass so viele Unschuldige leiden mussten, aber ich kann es nicht mehr ändern, nur noch versuchen es von nun an besser zu machen."
"Ich danke dir, dafür das du es versuchst. Ich bin mir sicher, dass es genug sein wird, genug sein muss. Auch wenn dir vielleicht nicht jeder verzeihen wird, wird es genug Menschen geben, die das tun." Lina lächelte ihren Vater dankbar an, doch dann änderte sich ihre Miene. "Und was geschieht nun mit mir? Was hast du für Pläne mit mir?"

"Nun... Ich würde dich gerne als meine Tochter anerkennen, mit allem was dazu gehört. Ich bin stolz darauf was du bist, wer du bist und ich würde es am liebsten dem ganzen Reich verkünden, aber ich weiß auch, dass es schwierig sein würde. Für dich, für mich und für den Rest des Adels. Du bist
nur mein Bastard. Niemand kannte deine Mutter besonders und so wie die Lage hier jetzt ist, werden sie auch mir nicht einfach glauben, wenn ich es sage. Die Beweise reichen nicht dafür, es eindeutig zu machen, aber vielleicht gibt es doch noch eine Möglichkeit. Es gibt vielleicht noch Zeugen von damals, aber es würde schwer werden." Er sah sie eindringlich an. "Das Land braucht einen Erben und ich würde alles tun, um dich zu einem zu machen. Es liegt an dir, Lina. Es ist alleine deine Entscheidung. Ich beuge mich da ganz deinem Willen."

Sie sah ihn an und blickte dann zu Richard, der aussah als wäre ihm übel. "Kriege ich Bedenkzeit? Das ist eine schwere Entscheidung und ich kann sie nicht von jetzt auf hier treffen."
"Natürlich, natürlich, aber lass dir nicht zu lange Zeit damit. Was hältst du von morgen Mittag? Ich denke solange kann ich die Aasgeier noch vertrösten."
Sie nickte dankbar und stand auf. Sie verabschiedete sich von William und verließ mit Richard zusammen den Audienzsaal. Sie gingen zusammen in die Küche, um dort Henry und Jacob zu begrüßen und um ihre Geschichte zu erzählen.

Der Fürst hatte den Männern einen eigenen Raum hergerichtet und auch Lina hatte ihr eigenes Gemach bekommen. Die Freude über das Wiedersehen war groß und zusammen feierten sie ihren Sieg alle in Linas Gemach, denn das war das größere der Beiden. Auch wenn Richard nicht wirklich nach feiern zumute war. Er machte sich Sorgen um Lina. Er hatte keine Ahnung, was sie tun würde. Ihm wäre am liebsten, wenn sie nicht Thronerbin werden würde. Er liebte sie, aber er würde nicht mit ihr am Hof bleiben. Dazu war er nicht geschaffen und er war sich auch sicher, dass es nichts für Lina war und doch hatten schon ganz andere den Verlockungen der Macht nicht widerstanden.

Es war schon sehr spät als sich die Männer zum gehen wandten. Lina, der viel zu viel im Kopf herumschwirrte, umarmte Henry und Jacob noch einmal. "Richard, bleibst du noch, bitte."
"Sicher, wenn du willst," er schloss die Tür und tat so als hätte er das anzügliche Lachen von Henry nicht gehört. Dann drehte er sich zu Lina um, doch etwas hielt ihn davon ab näher an sie heran zu treten. Seit er gehört hatte, dass sie die mögliche Thronerbin war, hatte er fast Angst davor sie zu berühren.
"Was werdet ihr nun tun?" Ihre Stimme zitterte fast und ihre Augen blickten ängstlich zu ihm auf.

"Was wir tun werden? Nun," Er schluckte. "Ich denke, wir gehen wieder dorthin wo wir hin gehören: in den Wald. Der Hof hier ist nichts für uns. Ich hatte noch nie was übrig für den Adel, Anwesende natürlich ausgeschlossen." Er klang traurig, aber bestimmt. "Aber was wirst du tun, nun wo alle deine Geheimnisse gelüftet sind? Nimmst du das Angebot des Fürsten an und wirst seine Erbin?"
Sie schluckte, aber dann machte sie einen Schritt auf ihn zu. "Bist du verrückt? Das könnte ich nie tun, ich glaube ich wäre die schlechteste Fürstin der gesamten Geschichte. Nein, ich dachte das wäre dir klar, dass ich das nicht tun könnte." Sie lachte nervös. "Richard, manchmal bist du wirklich ein Idiot."

Er grinste verlegen. "Nun ja, hätte ja sein können. Für so unwahrscheinlich hielt ich das nicht."
Sie stellte sich vor ihn und nahm seine Hand. "Richard, ich liebe dich und kein Fürstentum der Welt könnte das ändern. Alles was ich will, ist mir dir zusammen zu sein, wenn du mich willst?"
Lachend nahm er sie in die Arme und küsste sie stürmisch. "Ist dir das Antwort genug?"
Epilog: ...und wenn sie nicht gestorben sind

Ein Jahr verging und in Tularea kehrte wieder Ruhe ein. Fürst William gab drei Tage nach dem Kampf in der Halle bekannt, dass Eliza eine Verräterin sei und des Landes verbannt wurde. Außerdem verkündete er, dass er nun offiziell eine neue Fürstin suchte und konnte sich vor Angeboten kaum retten. Seine Wahl fiel auf eine rundliche junge Frau aus einem der Nachbarreiche und schon kurze Zeit später war der Thronerbe unterwegs. Fürstin Amira gebar einen gesunden Jungen, den sie nach Williams Vater John benannten und der Fürst war glücklich wie nie zuvor.

Er entließ seine korrupten Berater und führte die Regierungsgeschäfte nun mit seiner Frau. Er stellte erstaunt fest, dass er doch noch Spaß daran fand und machte seine Sache gut. Das Volk von Tularea vergaß die Gräueltaten bald und fing an den Fürsten wieder zu respektieren. Und durch die Geburt des Erben stellte sich bald wieder Hoffnung für das Reich ein. Die Verfolgung der Hexen war schnell beendet und zum ersten Mal seit vielen Jahren konnten diese sich frei im Land bewegen ohne sich verstecken zu müssen.

Elias wurde unter strengster Bewachung zurück ins Kloster gebracht, wo ihn Abt Leopold in eine der Büßerzellen sperrte. Er beauftragte Jorim, der sich immer noch für Elias verantwortlich fühlte, mit der Pflege und Überwachung ihres Gefangenen. Bald schon sprach sich herum, dass dort ein Priester gefangen war, der sich für einen großen Magier hielt und das Kloster konnte sich vor Schaulustigen nicht mehr retten. Jeden Tag kamen ein paar Menschen vorbei, die sich den verrückten Priester genauer ansehen wollten. Und Elias freute sich über die Zuschauer und vollführte immer vermeintliche Tricks, die natürlich nie funktionierten.

Doch sich um Elias zu kümmern, war nicht Jorims ganze Aufgabe. Er hatte sich überreden lassen doch noch einen Schüler auszubilden. Zuerst war er nicht begeistert davon, aber schon bald zeigte sich, dass dieser Mann lernwillig war. Durch seinen langen etwas unfreiwilligen Aufenthalt im Kloster hatte Henry sich für die Lehren von Ela begeistert und war nun Feuer und Flamme endlich etwas sinnvolles mit seinem Leben anzufangen. So hatte er sich kurz nach dem Fall Elias' von seinen Gefährten getrennt und war als Bittsteller ins Kloster zurück gegangen.

Die ehemalige Fürstin Eliza wurde an die Grenzen des Reiches eskortiert und ihr wurde unter Höchststrafe angedroht nicht wieder zurückzukommen. Sie floh nach Ermandia und versuchte dort mit Näharbeiten über die Runden zu kommen. Nach einer Weile konnte sie aber nicht mehr arbeiten, denn kurz nach ihrer Verbannung entdeckte sie, dass sie schwanger war. Zuerst verfluchte sie die Umstände, aber je länger die Schwangerschaft dauerte, desto mehr hoffte sie darauf, dass ihr wenigstens das Kind etwas Glück bringen würde. Doch sie wurde enttäuscht. Als das Kind nach langem Kampf endlich auf der Welt war, sah sie in die eisblauen Augen von Elias und ihre letzten Hoffnungen auf eine Rückkehr nach Tularea zerplatzten.

Für Lina und Richard wurde es eine Zeit des Glücks und der Zufriedenheit. Die Beiden kehrten dem Hof den Rücken und gingen wieder in den Wald zurück. Sie suchten Aderas Hütte auf und richteten sich dort ein Zuhause ein. Lina wurde von den Bewohnern von Drei Eichen als neue Hexe angenommen und half dort zusammen mit ihrem Räuber die von Elias zerstörten Häuser wieder aufzubauen. Schnell freundete sie sich mit den Dorfbewohnern an und die schlimmen Zeiten waren bald vergessen.

Nachdem das Dorf wieder einigermaßen aufgebaut war, ging sie zusammen mit Richard zurück zu der Hexe, die ihr die Magie gelehrt hatte. Dort versuchte sie herauszufinden was sie mit Elias getan hatte und ob man es wieder rückgängig machen könne, aber sie fand keine Lösung. Die erfahrene Hexe meinte, dass sie durch einen tragischen Unfall Elias' Verstand umgekrempelt hatte, so dass er jetzt glaubte etwas zu sein, was er nicht ist. Und da es zu gefährlich für Beide und zusätzlich noch verboten wäre noch einmal in seinem Verstand einzudringen, beschlossen sie alles so zu lassen wie es war.

Lina und Richard heiraten im Frühjahr danach im kleinen Kreis. Die Trauung wurde im Kloster von Abt Leopold vollzogen, so dass alle Freunde mit teil haben konnten. Selbst Fürst William, der nie stolzer auf seine Tochter war und gemeinsam mit seiner Frau die Trauung verfolgte, nachdem er sie höchst persönlich zum Altar geführt hatte.
"Und damit endet die Geschichte von der jungen Hexe und dem wahnsinnigen Priester." Jacob blickte in die Gesichter der Kinder, die ihm gebannt gelauscht hatten. "Und hat euch die Geschichte gefallen?"