Kapitel 57: Gelüftete Geheimnisse
Linas Blick richtete sich auf Richard und die Fürstin, doch dann nahm sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr. Sie wirbelte herum und die Faust des Priesters flog haarscharf an ihrem Kopf vorbei. Sie hörte ihn knurren und ehe sie sich versah, stürzte er sich auf sie. Sie wusste, dass er ihr an Kraft sicher überlegen war und versuchte sich auf ihre Magie zu konzentrieren, aber dazu ging alles viel zu schnell. Sie schaffte es nicht, schnell genug ihre Kräfte zu aufzubauen und Elias aufzuhalten. Zwar merkte sie, wie die Magie durch sie hindurch floss, aber sie konnte ihren Willen nicht bündeln. Er schnürte ihr schmerzhaft die Luft ab und vor ihren Augen erschienen schwarze Punkte. Sie merkte, wie sie den Kampf verlor und ließ ihr Herz ganz alleine entscheiden, was es mit der Magie tun sollte. Die Kraft verließ ihren Körper und es wurde dunkel um sie herum.
Langsam kam sie wieder zu sich und bemerkte, dass sie auf dem Boden lag. Ihr Kopf schmerzte und ihre Kehle war ausgetrocknet. Sie öffnete probeweise ihre Augen und sah in Richards besorgtes Gesicht.
"Endlich kommst du zu dir," er lächelte sie an und für einen Moment war Lina verwirrt. Was war passiert?
"Was..." krächzte sie und versuchte den Kopf zu heben, um sich um zu schauen, aber Richard drückte sanft ihre Schulter.
"Bleib noch einen Moment still liegen. Hier ist alles unter Kontrolle."
"Ja," fiel eine weitere Stimme ein. "Hier ist alles wieder gut."
Nun hob Lina doch den Kopf und sah ihren Vater neben ihr knien. Auch er lächelte sie an und sah gelöst und zufrieden aus. Sie sah sich weiter um und erkannte, dass die Fürstin von einer Wache in Schach gehalten wurde und der Priester seltsam auf dem Boden hockte. Er war bei Bewusstsein und hinter ihm standen zwei Wachen. Erst da hörte sie, dass er vor sich hin murmelte.
"Ich bin ein Zauberer, ein mächtiger Zauberer und ich verwandle euch alle in Kaninchen."
Sie sah verwirrt zu Richard und der grinste sie an. "Ich weiß nicht, was du mit ihm gemacht hast, aber er scheint sich jetzt für einen Magier zu halten. Er ging mit dir zusammen zu Boden, gerade als die Wachen herein kamen und mir diese Furie abnahmen. Ich sah dich fallen und dachte schon das Schlimmste." Er schluckte und fuhr dann fort. "Ich versuchte noch dich aufzufangen, aber ich kam zu spät. Es tut mir Leid."
"Macht nichts, es ist nicht deine Schuld und nun fahre fort."
"Eigentlich gibt es nicht mehr viel zu sagen. Du warst bewusstlos genauso wie der Priester, aber er kam schneller wieder zu sich und hielt sich für einen Magier. Das war es auch schon." Er lachte leise und strich ihr übers Haar. Sie lächelte ihn an und er half ihr langsam aufzustehen.
Fürst William wandte sich derweil an seine Wachen. "Bringt diese Beiden von hier weg in Gewahrsam. Ich werde mich später um sie kümmern. Jetzt sollten wir uns alle erst einmal ausruhen. Später wird noch genug Zeit sein, sich mit ihnen zu beschäftigen."
Elias und Eliza wurden herausgeführt und William wandte sich an Lina. "Geht es wieder? Schaffst du es alleine oder soll ich dir helfen?"
"Danke, aber ich denke ich schaffe es, mit Richards Hilfe." Sie stützte sich auf Richards angebotenen Arm und ließ sich von ihm herausführen. William blieb alleine zurück, setzte sich auf seinen Thron und sah noch lange die geschlossene Tür an. Das war vielleicht ein Tag, dachte er und lächelte.
Am nächsten Morgen suchten Richard und Lina den Fürsten auf, um mit ihm zusammen nach der Fürstin und auch Elias zu sehen. Man hatte sie getrennt voneinander in den Dienstbotenquartieren eingesperrt und als die vor dem Raum postierte Wache die Tür auf schloss konnten die Drei eine sehr veränderte Fürstin sehen. Man hatte ihr die feinen Kleider genommen und sie machte einen sehr angeschlagenen Eindruck.
"Guten Morgen," grüßte der Fürst seine Frau etwas hämisch. "Ich hoffe, du hast dich gut erholt."
"Fahr zur Hölle," kam es leise von ihr und sie funkelte ihn wütend an.
"Aber, aber meine Liebe, es ist doch so ein schöner Morgen. Da kann man doch etwas Höflichkeit an den Tag legen, oder denkst du nicht." Er grinste und man sah ihm an, dass es ihm Spaß machte sie zu reizen. "Aber das Austauschen von Höflichkeiten sollte jetzt auch beendet sein. Ich denke, wir haben noch so einiges zu klären, findest du nicht auch?"
"Ich wüsste nicht, was wir noch zu besprechen hätten. Du hast mich von dir weg gestoßen und verhöhnt. Ich habe dir nichts mehr zu sagen." Sie drehte den Kopf weg von ihm, nicht bereit ihn weiter anzusehen.
"Jetzt verdrehst du die Tatsachen. Du hast mich nie geliebt und mir nie eine echte Chance gegeben, genauso wenig wie ich dir, aber das sollte jetzt nicht das Thema sein. Ich habe da noch einige Fragen, die ich mir nicht von selbst beantworten kann. Zum Beispiel, warum warst du so darauf aus, Hexen zu vernichten? Sie machen nichts böses und eigentlich helfen sie den Menschen meistens, viele von ihnen sind Hebammen und kennen sich mit Krankheiten aus. Sie tun den meisten Menschen nichts und auch du hast jahrelang mit ihnen verkehrt. Sieh mich nicht so an, ich weiß, dass du häufiger Tränke von ihnen bekommen hast und ich kann mir auch denken, wozu sie waren. Also, warum der Sinneswandel?"
Sie schwieg eine Weile und erst nach einer weiteren Aufforderung zum Reden, sah sie wieder auf. Ihr Blick sprühte vor Hass und ihre Stimme war eisig. "Du willst die Wahrheit wissen? Gut, dann kriegst du sie. Ja, ich habe unsere ganze verdammte Ehe über Tränke gekriegt, Tränke damit ich nicht dein Balg austragen musste. Du hast richtig gehört. Ich wollte nicht von dir schwanger werden und es war der einzige Weg, den ich gehen konnte. Ich hasse diese Kreaturen, aber ich brauchte ihre Hilfe. Und jahrelang hat es auch wunderbar geklappt. Doch dann wollte dieses Weib mir nichts mehr liefern. 'Tularea braucht einen Erben.' hat sie gesagt und drohte mir, dir alles zu verraten. Und das konnte ich nicht zulassen. Ich ließ sie ermorden, einer meiner Männer tat es nur zu gerne für mich. Ein sauberer Schnitt durch die Kehle, obwohl ich es lieber länger und schmerzhafter gehabt hätte..."
Bei den Worten der Fürstin zog sich Linas Magen zusammen. Ein Schnitt durch die Kehle? Das kam ihr bekannt vor, zu bekannt und sie konnte sich nicht mehr zurückhalten. "Wie war der Name der Hexe?" fragte sie mit gepresster Stimme.
"Der Name? Spielt das eine Rolle, wie das Miststück hieß?" Eliza wirkte gelangweilt. "Sie sind doch alle gleich."
"Der Name Eliza, sag ihren Namen." befahl William und mit einem Seufzer nannte die Fürstin den Namen, den Lina erwartet hatte. Adera.
~~~
*seufz*
Das war es erst einmal für heute. Beim nächsten Mal gibt es das große Finale, dem ich mit ziemlich gemischten Gefühlen entgegen sehe. *wehmütig :wink*