@Shoshana: Ich hab eigentlich gedacht das wär klar: Es war ein Traum, den Kathrin immer wieder träumt - wie sie von dem Krebs erfährt.
Danke für den Kommi!
@Radiosocke: Danke für deinen Kommi
Ich mag deine, die sind irgendwie immer so... toll.
Chrissili: jep, es war ein Traum, aber es hat sich genau so abgespielt. Danke!
Jetzt möchte ich auf eine "Aktion" hinweisen:
Ich plane eine art Interview mit Jana, Kathrin, Emily und Nicole zu veranstalten. Ich stelle Fragen - ich antworte, aber als die entsprechende Person.
Das ist eine Herausforderung für den Autor, die ich gerne 'antreten' möchte.
Deshalb bitte ich euch, mir eine PNzu schicken, sofern ihr Fragen an die Personen habt. Würde mich sehr freuen. 
Wer an der Küste bleibt,
kann keine neuen
Ozeane entdecken
Ferdinand Magellan

Mama hatte Emily losgeschickt um die Einkäufe zu erledigen, die ihre Mutter während dem Tag nicht erledigt hatte. Es war halt Dienstag. Schliesslich ging es Dienstag nie gut, der Tag nach der Chemotherapie. Wenn Emily so darüber nachdachte war ihr Leben in Wochentagen gegliedert. Montag, der mit Abstand schlimmster Tag von allen. Andere Jugendliche in ihrem Alter hatten geantwortet, Montag sei ein schlechter Tag weil da die Schule anfängt. Emily ging es nicht so. Jetzt wo sie Nicole hatte, ging sie - natürlich – lieber zur Schule als in ihrer alten. Wie sollte man auch gerne zur Schule gehen wenn man gemobbt wird und anscheinend keiner, weder Schüler noch Lehrer, einen mochte? Es war immer noch wie ein Stich im Herz als Emily an das dachte. Hatte sie etwas falsch gemacht? War sie so verschieden als die anderen? Die Anderen. Das war der Fall gewesen. Es gab die Anderen und es gab Emily. So erschien es auch Nicole zu ergehen. Bis Emily kam. Jetzt war doch alles besser, nicht? Irgendwie schon, die Wochentage bestammen aber immer noch ihr Leben. Der Montag, an dem die Chemotherapie durchgeführt wurde – Montag, an dem Mama immer müde nach Hause kam und die Stufen nur mit Mühe schaffte. Emily versuchte dann nicht hinzuschauen, ging stur vor. Sie wollte nicht ihre geschwächte Mutter sehen, wie sie an ihrer Krankheit litt. Sie wollte nichts davon sehen, dass es Kathrin nicht besser ging. Und dann kam der Dienstag. Dieser verdammte Tag, beinahe so verdammt wie Montag. Dienstag, an dem Kathrin immer noch völlig geschwächt war. Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag – die Tage flogen vorbei und es war schon wieder Montag. Und das Ganze fing wieder von vorne an.
Aber ihre Mutter war heute nicht in Form. War sie jemals in Form? Emily wollte die Frage nicht beantworten. Sie hatte Angst vor der womöglich schmerzenden Antwort.
Und so lief sie ohne Murren in den nächsten Supermarkt um die Einkäufe zu erledigen.

Völlig in Gedanken versunken betrat sie den Laden, packte sich einen nahe an der Kasse gelegenen Korb und suchte die Nahrungsmittel auf der Einkaufsliste ab. Einige Punkte konnte Emily nur schlecht lesen, Mamas Schrift war ganz verwackelt. Ein weiterer Nebeneffekt: ständiges Zittern. Er war nicht der Einzige. Emily zwang sich, an etwas anderes zu denken. Aber es stimmt doch! Mama wurde sterben. Irgendwann. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber ob in einer Woche oder in zehn Jahren, machte das einen Unterschied? Mama war dann weg. Und Emily war ganz alleine. Noch mehr als jetzt. Zu wem würde sie dann ziehen? Zu den Grosseltern? Das wollte Emily nicht. Nein, auf keinen Fall. Jana würde sie vielleicht aufnehmen, aber ob sie sich auch um Emily kümmern könnte war fraglich. Jana war doch mehr Kind als Emily es je war. Emily schüttelte den Kopf, als wolle sie so diese Gedanken vertreiben, die ihr seit einiger Zeit durch den Kopf spukten. Es gelang ihr halbwegs, indem sie sich auf Heidelbeermarmelade und Fladenbrot, was unter anderem auf der Liste stand, konzentrierte.
Die Marmelade war ganz unten im Regal. Emily musste sich bücken um zwei davon in ihren Korb zu befördern. Sobald sie wieder aufgestanden war, suchte sie den Laden nach dem Fladenbrot ab. Ihr Blick schwankte zu den Tiefkühlartikeln, die gleich neben ihr waren und –
im selben Augenblick war es um Emily Anne Wing geschehen.

Als sie ihn erblickte. Sie starrte ihn an, starrte in seine kristallklaren blauen Augen, starrte auf diese verstrubbelten schwarzen Haare, die aussahen als wären sie nicht genug gekämmt worden. Sie starrte auf die kleinen Pickel auf seiner Stirn. Sie registrierte jedes Detail seines Gesichts – wie als hätte sie einen Schnappschuss von ihm gemacht. Er hatte ein Nasenloch, das offenbar grösser war als das andere und eine Nase, die etwas krumm war. Es störte sie nicht, dass er offenbar keine Kenntnis von ihr nahm, sie starrte einfach weiter. In dieses Gesicht, dass ihr perfekt schien. Nun ja, nicht perfekt. Sie fand, es hatte einfach seinen bestimmten Wiedererkennungswert. Ausserdem sah der Typ sehr sympathisch aus, sobald sie ihren Blick von den Nasenlöchern entfernte und sein ganzes Gesicht anschaute. Anstarrte. Er schien sie zu bemerken, als er von einem Gurkenglas aufschaute – offenbar war er gerade daran das Etikett zu lesen. Erstaunt schaute er Emily an und lächelte schliesslich etwas verlegen, anscheinend war ihm das peinlich.

Emily lächelte zurück und verschwand rasch um das Regal, als ihr klar wurde wie lange sie ihn angestarrt hatte. Aus irgendeinem Grund musste sie jetzt an ihre Mutter und eine Sache denken, die sie gesagt hatte. Dass es zwei Arten des Verliebens gab. Die erste war die langsame Art. wenn man eine Person schon lange kennt und man sich erst später in sie verliebt. und da war die zweite: wenn man sich urplötzlich in jemanden verliebte. Emily blieb erst einmal eine Weile dort wo sie war und versuchte danach ganz ruhig die Einkäufe zu erledigen, wie zufällig neben ihm etwas zu suchen und ihn dann anzusprechen. Das war doch machbar. Was machte sie sich eigentlich vor? Sie würde es nie schaffen. Oder? Einen Versuch war es wert! Emily übte ein wenig - man konnte wirklich sagen übte! - aufrecht zu gehen. Schliesslich wollte sie einen guten Eindruck machen. Ob die Kochlöffel davon beeindruckt waren konnte man nur schwer sagen, aber Emily fand das noch ganz ordentlich. Schliesslich war sie nicht unbedingt hässlich. Oder?

Emily stürzte sich, auf eine Art lebensmüde, in die Höhle des Löwen und ging in die Tiefkühlabteilung, wo er vorher ihr begegnet war. Sie würde es schaffen. Sie würde es schaffen. Sie würde es schaffen. Sie würde es schaffen. Sie ging aufrecht und lächelte, bis sie ihn sah. Oder eben nicht sah. Vielleicht hätte sie es geschafft. Wenn er an dieser Stelle geblieben wäre. War er nicht. Das Gurkenglas war wieder an seiner Stelle und er war nicht da. Einfach weg.
Emily starrte zu Boden. Was hatte sie sich denn davon versprochen? Es war klar dass das nicht klappen würde. Sie hätte nie den Mut aufgebracht, selbst wenn er da gewesen wäre. Aber das war er nicht mehr. War er etwa von ihr geflüchtet? Hatte sie ihm mit dem ganzen Starren in solche Verlegenheit gebracht, dass er schnell abgehauen war? Nachdenklich packte sie die bereits erledigten Einkäufe zusammen und vergas die Hälfte. Erst als sie an der Kasse bezahlt halte und hinaus trat, kam ihr die Erkenntnis. Es war als hätte die kühle Abendluft ihr die Gedanken in die richtige Richtung und Reihenfolge gepustet.
Es traf Emily wie ein Schlag mitten ins Gesicht. Sie war zum ersten Mal richtig verliebt. Auf die zweite Art. Und sie würde ihn nie wiedersehen.