Bevor ich sterbe von Jenny Downham
„Wenn du in ein Taxi steigst und zuDaddy nach Hause fährst, was bist du dann?“
Ich stelle mir vor, wie ich ins Bettgehe, die ganze Nacht die abgestandene Luft in meinem Zimmer einatme,am Morgen aufwache und nichts ist anders als sonst.
„Noch irgendwelcheFragen?“Erwartungsvoll sieht er mich an, und ich enttäuschte ihnungern, aber was in aller Welt könnte ich dieses gewöhnlicheMännlein wohl fragen.
Unsere Worte klingen sehr laut. Sienehmen den ganzen Platz in meinem Kopf ein, und da hocken sie undhallen zu mir zurück.
Ich puste Rauch in die Luft raus. Beijedem tiefen Zug höre ich ein Knistern in meinen Lungenflügeln.Vielleicht habe ich Tbc. Hoffentlich. Die besten Dichter aller Zeitenhatten Tuberkulose; es ist ein Zeichen von Sensibilität. Krebs istbloß beschämend.
Ich kauere mit krummem Rücken davor.Stumm. Fassungslos, was für ein Schrott im Fernsehen kommt, wiewenig wir alle zu sagen haben.
Ich wünschte, ich hätte AdamsHandynummer. Dann würde ich ihm eine SMS schicken: LEBSTE NOCH?
Er ist hässlicher, als ich ihn inErinnerung hatte. Wie wenn mein Gedächtnis ihn verschönert. KeineAhnung, wie so was passieren kann.
Das war ein schwerer Fehler von mir zuglauben, er könnte mich retten.
„Wie geht’s denn so?“, fragtFiona. Beth nickt, als stimme sie dieser Frage vollkommen zu.„Kriegst du immer noch die ganzen Behandlungen?“
„Nicht mehr.“
„Dann geht es dir also besser?“
„Nein.“
Ich sehe zu, wie der Groschen fällt.Es fängt in ihren Augen an und breitet sich die Wangen hinab bis zuden Mündern aus. Es ist alles so vorhersehbar. Jetzt werden sie mirkeine Fragen mehr stellen, weil keine höflichen mehr übrig sind.Ich möchte ihnen die Erlaubnis erteilen zu gehen, weiß nur nicht,wie.
Sie zuckt die Schultern. „Du kannstnicht erwarten, dass alle Leute Zeit haben, bloß weil du freihast.
Ich spüre, wie etwas in mir wächst,während ich sie ansehe und in einem glasklaren Moment geht mir auf,dass ich sie überhaupt nicht mag.
„Du magst deine Akne oder deine Beinenicht, aber im großen Ganzen spielt das alles keine Rolle.“
Ich werde sie fahren lassen, aber nurweil ich es so will. Sie kann mich nicht mehr kontrollieren. Ich habesie hinter mir gelassen.
Wenn mein Leben anders wäre, würdeich jetzt mit Zoey um die Häuser ziehen. Wir würden Pommes essen,an einer Straßenecke stehen und unsere salzigen Finger ablecken,darauf warten, dass was passiert. Stattdessen bin ich hier. Tot aufder Türschwelle.
Früher habe ich mir immer angesehen,wie Richard Green zu Mittiag die Lokalnachrichten sprach. EineSchwester im Krankenhaus schwärmte für ihn. Jetzt weiß ich, warumer in den Rundfunk verbannt wurde.
Den Nachmittag über habe ich michdurch das Buch geblättert, dass ich von Cal geschenkt bekam,Einhundert aberwitzige Methoden, seinem Schöpfer gegenüberzutreten.
Kaum ist er weg, fehlt er mir schon.Wenn er nicht bei mir ist, kommt es mir so vor, als hätte ich ihnmir ausgedacht.
„Jemand träumt von dir“, sagt Mum.„Das bedeutet das.“
wir haben siebenundzwanzigmal miteinander geschlafen und in zweiundsechzig Nächten das Bett geteiltund das ist eine ganze Menge Liebe
„Frühstück?“, fragt er.
Ich will nicht tot sein.
Ich bin noch nicht lange genug sogeliebt worden.