Oxana - Wege des Gewissens

  • Kapitel 2: Ankunft




    Als der Bus vom Flughafen in das Tal fuhr, in dem Siera Simlone Stadt lag, hatte man eine wunderbare Aussicht. Vor mir lag eine kleine Ansammlung von Gebäuden und sich endlos am Straßenrand enlangziehende Strommasten. Und im Hintergrund sah man die Berge. Ich war überrascht, wie grün es doch war. Ich meine, in einer Wüste erwartet man nur Staub und Sand, aber hier sah man überall Kakteen, Büsche und Bäume, die ich beim besten Willen nicht zuordnen konnte. Es gefiel mir.




    Der Busfahrer setzte mich dann vor einem kleinen grünen Häuschen ab. Man würde erwarten, dass ich hineinstürmte, um es mir anzusehen, doch das tat ich nicht. Stattdessen setzte ich meine Tasche neben mir ab und hockte mich auf den warmen Wüstenboden. Das sollte also nun mein neues Zuhause werden? Ich war gerade einmal 19 und vollkommen auf mich allein gestellt. Irgendwie bekam ich es jetzt doch mit der Angst zu tun und ich traute mich nicht, das Haus zu betreten, denn dann würde es endgültig sein.
    Es war übrigens nicht schwer, dieses Haus zu bekommen. Als ich mich am Flughafen von SimVegas bei der Einwanderungsbehörde meldete, war man begeistert, dass jemand mit der Staatsangehörigkeit der SimNation sich freiwillig für das Besiedlungsprogramm meldete. Scheinbar lief das Programm nicht ganz so gut an. Die meisten Bewerber waren Immigranten, die sich in der Sierra Simlone ein besseres Leben erhofften. Aber hey, dass war ich im Grunde auch. Der Beamte wies mir sofort das Haus direkt in Sierra Simlone Stadt zu. Würde ich mindestens fünf Jahre hier leben bleiben, wäre es meins.




    Zuvor musste ich ein paar Eignungstests über mich ergehen lassen. Der Beamte meinte, dass sie aufgrund der Profile der freiwilligen Siedler eine bessere Werbekampagne ausarbeiten wollten.
    Dabei kamen wirklich interessante Dinge zum Vorschein. Ich selbst hätte mich niemals so ernst und schüchtern eingestuft. Im Gegenzug glaube ich aber auch nicht, dass ich so eine Sportskanone bin. Wenigstens mein Sternzeichen stimmte.




    Auch meine Hobbys wurden genau unter die Lupe genommen. Demnach interessiere ich mich besonders für Kultur, meine Umgebung und Essen. Zumindest bei letzterem konnte ich voll und ganz zustimmen.




    Der interessanteste Teil des Tests war der Chemie-Test. Dabei ging es aber keineswegs um irgendwelche Formeln, sondern die Herrschaften wollten herausfinden, auf welchen Typ Mann ich stand. Nun, das war nicht schwer. Stark und behaart sollte er sein. Und Make-up gehört ausschließlich in mein Gesicht.




    Ich muss eine ganze Weile so nachdenklich vor meinem neuen Haus gesessen haben. Plötzlich hörte ich ein Räuspern hinter mir und blickte in das Gesicht einer jungen Frau. Ich stand auf, klopfte mir den Staub von meinem Hintern und begrüßte sie. Sie stellte sich als Geraldine vor und arbeitete für eine der neuen Ölfirmen. Auch sie war gerade erst hier in Sierra Simlone Stadt eingetroffen.




    Und sie blieb nicht der einzige Besuch an diesem Tag. Noch bevor ich Geraldine in mein Haus begleiten konnte, das ich selber noch nie betreten habe, kam eine weitere Gruppe von Menschen auf mich zu. Gerda, Benjamin und Manuela. Ich lud sie alle zu mir ein. Es konnte nicht schaden ein paar neue Menschen kennen zu lernen. Außerdem hatte ich so keine Ausrede mehr, mein eigenes Haus nicht zu betreten.




    Im Gegensatz zu den anderen, war Gerda eine Einheimische. Sie und ihr Mann hatten eine Farm ganz hier in der Nähe, schon lange bevor die ersten Ölquellen in der Sierra Simlone entdeckt wurden. Ich musste Gerda meine Bewunderung aussprechen. Ich fand es toll, dass es Menschen gab, die wie sie, weit ab von der Zivilisation lebten und dafür sorgten, dass wir Stadtbewohner allen erdenklichen Komfort genießen konnten. Ich glaube, sie fühlte sich wirklich geschmeichelt.




    Und dann war es endlich so weit. Zum ersten Mal betrat ich mein Haus. Es war überschaubar und das war auch gut so. Wie hätte ich sonst vor den anderen dagestanden, wenn ich mich in meinem eigenen Haus nicht zurechtgefunden hätte. Ich ging sofort in die Küche und zu meinem Glück, hat jemand kurz vorher einige Lebensmittel in den Kühlschrank gelegt, sodass ich meinen Gästen wenigsten eine Kleinigkeit zu Essen anbieten konnte.




    Na gut, um ehrlich zu sein, hatte ich selbst einen Bärenhunger, denn schließlich habe ich nichts mehr gegessen, seit ich aus dem Flugzeug gestiegen bin. Die anderen hatten scheinbar keinen so großen Appetit, doch das störte mich nicht. "Glaubt ihr, dass wir morgen wieder so ein tolles Wetter haben werden?", fragte ich die anderen, während ich mein Sandwich abbiss. Manuela schaute mich an, als ob ich verrückt geworden wäre und der Gesichtsausdruck der anderen lies ähnliches vermuten. Ich lief knallrot an und kaute weiter an meinem Brot herum. Woher sollte ich denn wissen, dass in dieser Wüste die Sonne eigentlich immer schien.




    Und noch etwas musste ich feststellen. Bei den Temperaturen, die draußen und auch hier drinnen im Haus herrschten, blieb das Essen nicht lange frisch. Eigentlich wurde es schon schlecht, noch während Geraldine und ich es aßen. Das war mir auch schon wieder total peinlich. Wie konnte ich meinen Gästen nur vergammeltes Essen anbieten? Doch Geraldine beruhigte mich schnell wieder: "Mach dir keine sorgen, Oxana. Das mussten wir alle erst einmal lernen."




    Ich musste gestehen, dass ich Benjamin irgendwie süß fand. Sein Kleidungsstill war zwar gewöhnungsbedürftig und seine Nase hatte auch eine ganz seltsame Form, aber er hat etwas an sich, das mich ganz kribbelig macht. Es könnte aber auch sein, dass das nur an den vergammelten Sandwichs lag.




    Die Hitze und das verdorbene Essen schienen mir etwas zu Kopf gestiegen zu sein, denn ich fing an ihn anzuhimmeln. Gerda guckte mich nur kopfschüttelnd an. Und auch Benjamin starrte mich verwundert an. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass er sich von mir verarscht vorkam. Er verabschiedete sich deshalb auch hastig und ging.

  • Kapitel 3: Das Versuchskaninchen




    Auch die anderen gingen kurz danach. Inzwischen war es schon dunkel geworden. Ich musste aber feststellen, dass die Sonne hier in der Sierra Simlone viel früher unterging, als in Warschau. Es war ein seltsames Gefühl, sich in das unbekannte Bett zu legen. Wenigstens ist es vor meiner Ankunft frisch bezogen worden. Die Tür hab ich über Nacht offen stehen lassen, denn anders hätte ich die Hitze in meinem kleinen Holzhaus kaum ausgehalten.





    Am nächsten Morgen klingelte das Telefon und ich war doch sehr überrascht, denn schließlich habe ich noch niemandem meine Nummer gegeben. Es war aber eine angenehme Überraschung, als ich Benjamins Stimme hörte. Da es nicht so viele Häuser in Sierra Simlone Stadt gab, hatte er meine Nummer leicht rausbekommen. Und ich fand es wirklich süß, als er sich für seinen blöden Abgang gestern Abend entschuldigte.





    Wir telefonierten eine ganze Weile, bis schließlich Benjamin auflegen musste, weil seine Fahrgemeinschaft zu einer nah gelegenen Ranch, auf der er arbeitete, vor dem Haus stand. So hatte ich die Gelegenheit mich etwas genauer in meinem Haus umzusehen. Mir fiel sofort das gut gefüllte Bücherregal auf. Hauptsachlich fanden sich dort große Werke simnationaler Schriftsteller, aber auch einige praktische Bücher, wie Lexika, Wörterbücher...





    ...und ein Atlas. Ich schlug eine Karte von Simropa auf. Es war eine ganz schöne Entfernung, die ich zurückgelegt hatte. Vor einem Jahr erst war ich von der SimNation aufgebrochen in das tausende Kilometer weit entfernte Simbirien, um meine Mutter zu suchen und um kurz darauf bei meinen Großeltern in Warschau zu landen. Und jetzt war ich zurückgekehrt in meine Heimat. Aber es trennten mich noch immer über 1000 Kilometer von meiner Familie in SimCity und das sollte in nächster Zukunft auch so bleiben.





    Ich legte den Atlas weg und betrachtete den Rest der Wohnung. Wie schon gesagt, es war recht überschaubar. Doch das machte mir nichts. Immerhin hab ich das letzte Jahr im Wohnzimmer meiner Großeltern gewohnt, in einer engen Plattenbauwohnung aus den frühen siebziger Jahren. Ich konnte froh sein, endlich ein wenig Privatsphäre zu besitzen. Nur dreckig war es hier. Vielleicht nicht wirklich schmutzig, aber alles war bedeckt von einer feinen Staubschicht. Also fing ich an zu putzen.





    Und als das Badezimmer fertig war, machte ich mich auf in den Wohnbereich, um schließlich in der Küche zu Enden. Die Sonne war schon hinter den Bergen verschwunden, als ich endlich fertig war. Allerdings beschlich mich ein ungutes Gefühl, dass ich solche Putzorgien öfter wiederholen musste, wenn ich staubfrei in der Wüste leben wollte.




    Als mein Magen knurrte, wurde mir bewusst, dass ich seit dem Aufstehen nichts gegessen hatte und mein Kühlschrank war nach dem gestrigen Besuch auch leer. Also machte ich mich auf den Weg um die Stadt etwas genauer zu erkunden und möglicherweise auch einen Laden zu finden. Nach einem kurzen Fußmarsch traf ich dann im Ortskern von Siera Simlone Stadt ein. Im Grunde bestand der Ortskern nur aus vier Gebäuden, die aber alle durchaus belebt schienen.





    Und ich fand auch einen Laden, in dem man Lebensmittel einkaufen konnte. Es war nichts Großartiges und die Preise kamen mir doch arg überteuert vor. Aber so ist das nun mal. Die Nachfrage bestimmt die Preise und dieser Laden war der einzige im Umkreis von 100 Kilometern. Ich packte alles was mir nötig erschien und bezahlte an der Kasse.





    Dann fiel mein Blick auf ein Brett mit vielen bunten Zetteln. Der Junge an der Kasse bemerkte meinen Blick und erklärte mir, was es damit auf sich hatte: "Das ist unser Infobrett für Sierra Simlone Stadt. Alle wichtigen Neuigkeiten werden dort ausgehängt. Meistens ist es aktueller, als die Stadtzeitung, die nur einmal die Woche erscheint. Also wenn sie ein Job suchen oder ihren Gartentisch verkaufen möchten, dann ist das der richtige Ort um fündig zu werden."
    Ich ging rüber und sah mir alle Zettel an. Da waren tatsächlich ein paar Jobangebote, von denen ich mir die Nummern notierte. Und noch etwas stach mir ins Auge. Es gab sehr viele Gesuche für eine Unterkunft. Hauptsächlich junge Männer suchten eine Bleibe hier in Sierra Simlone Stadt. Und da ich schon dabei war, schrieb ich mir auch einige dieser Nummern auf.





    Am nächsten Morgen fand ich in meinem Briefkasten dann auch die Zeitung, von der der Junge im Laden gesprochen hat. Auch hier gab es ein paar Jobangebote, doch das meiste bezog sich auf Hilfskräfte für eine der umliegenden Farmen oder für Arbeiter an den Ölfördertürmen. Beides war nicht so mein Fall, um ehrlich zu sein. Ich konnte mir weder vorstellen, irgendwelche Ställe auszumisten oder Rinder zu hüten, noch glaubte ich, dass eine kleine, schwache Frau sehr hilfreich bei der Ölförderung wäre. Wenigstens war das Kreuzworträtsel anspruchsvoll.





    Deshalb rief ich eine der Nummern vom Infobrett im Laden an. Zwei der Jobs waren schon vergeben, aber beim Dritten hatte ich Glück. Die Stelle als Proband bei einem Forschungsinstitut unweit der Stadt war noch frei und man bot mir die Stelle auch sogleich an. Man schickte mir sogar eine Fahrgemeinschaft vorbei. Das war auch ganz gut so, denn ich hätte nicht gewusst, wie ich sonst zur Arbeit gekommen wäre.






    Der erste Arbeitstag war dann zwar nicht so erfolgreich und ich musste gleich eine Kaffeemaschine ersetzen, aber meine Kollegen waren alle ganz nett und die Bezahlung war auch in Ordnung. Ich hatte etwas Geld von meinem Paps, das er mir gegeben hatte, als Dad mich aus dem Haus schmiss, aber dieses Geld wollte ich nicht. Zumindest solange nicht, wie ich auf andere Weise an Geld kommen konnte.





    Ich freute mich auf einen ruhigen Abend nach meinem ersten Arbeitstag, doch daraus wurde nichts. Als ich nichts ahnend die Toilettenspülung betätigte, musste ich mit Schrecken feststellen, dass das Wasser stieg und stieg und stieg und gar nicht mehr aufhören wollte. Ich konnte sehen wie es dem Rand immer näher kam und bettete, dass der Spülkasten endlich leer wäre und kein neues Wasser mehr nachkäme. Doch meine Gebete wurden nicht erhört und eine übelriechende Brühe breitete sich auf meinen gestern erst geputzten Fliesen aus. Durch Zufall fand ich einen Pümpel unter der Spüle in der Küche und machte mich daran, zunächst die Verstopfung zu lösen.





    Irgendwann gelang es mir dann auch, allerdings habe ich zuvor mindestens eine Stunde mit diesem Gummiding in der Toilette rumgestochert. Und dann musste ich auch noch das Brackwasser vom Boden aufwischen. Danach war erst einmal eine Dusche fällig. Als das erfrischende Wasser auf mich niederprasselte, fielen mir die Wohnungsgesuche wieder ein. Erst habe ich nicht viel davon gehalten, einen Mann bei mir einziehen zu lassen, aber so hätte ich wenigstens jemanden, der das nächste mal die Toilette für mich reparieren konnte, denn ein zweites Mal hatte ich wirklich keine Lust dazu.

  • Kapitel 4: Mitbewohner




    Also rief ich einfach die erste Nummer an, die ich aufgeschrieben hatte. Am nächsten Morgen stand dann ein junger Mann im Ölverschmierten Overall vor mir. Er stellte sich als Roland vor und schon während der Begrüßung starte er mich mit weit aufgerissenen Augen an und danach fing er an, zusammenhangloses Zeug zu brabbeln. "Was für eine Typen hab ich mir den da angelacht?", dachte ich im Stillen, doch plötzlich wurde mir der Grund für seine Verunsicherung bewusst.





    Ich stand lediglich in meinem doch recht knappen Schlafhemdchen vor ihm, dass zu allem Überfluss auch noch leicht durchsichtig war. Mein Kopf lief knallrot an und ich wies ihm beschämt den Weg ins Haus. Er war dann auch ganz froh, dass er hinein konnte, während ich am liebsten im Boden versunken wäre. Dann musste ich aber doch lächeln. Es war schon ganz schön süß zu beobachten, wie er nervös geworden war.





    Ich zog mir dann aber doch lieber etwas weniger aufreizendes an, schließlich wollte ich meinem potenziellen Mitbewohner keine falsche Vorstellung von mir geben. "Wie du ja selbst sehen kannst, ist das Haus recht eng", erklärte ich ihm beim Essen, dass ich schnell zubereitet hatte. Roland langte aber auch kräftig zu. Es kam mir vor, als hätte er seit Tagen nichts Vernünftiges gegessen.





    "Das ist nicht so schlimm", meinte er schmatzend. "Bis jetzt schlafe ich mit ein paar Kumpels draußen bei den Ölfeldern in einem Zelt. Ist nicht sehr bequem, da bin ich froh über jede Bleibe, die ich kriegen kann." "Du schläfst einfach im Freien?", fragte ich ungläubig und er nickte. "Schon seit fast zwei Monaten. Die Ölgesellschaft hat mich angeworben und mir auch eine Bleibe versprochen. Aber Pustekuchen. Bis jetzt sieht man davon nur die Fundamente, die langsam im Wüstensand verschwinden. Also versuche ich jetzt selbst was zu finden."





    Das war ja wirklich unglaublich. Da konnte ich ja froh sein, dass ich sofort dieses Häuschen bekommen hatte. Trotzdem wollte ich Roland noch ein wenig näher kennen lernen, bevor ich ihn bei mir wohnen ließ. Und da im Fernsehen gerade nur Müll lief und draußen die Sonne erbarmungslos auf uns nieder brannte, weihten wir die Dartscheibe an meiner Wand ein.





    Durch die offene Tür, die ich zwecks fehlender Klimaanlage immer offen stehen ließ, konnte ich Benjamin erkennen, der sich meinem Haus nährt. Ich lief hinaus und begrüßte ihn mit einer Umarmung und dann lud ich ihn zu mir ein. Ich wollte auch seine Meinung zu Roland hören.





    Doch irgendwie nahm Benjamin Roland überhaupt nicht wahr. Stattdessen erzählte er mir von seinen Erlebnissen der letzten Tage oder einen neuen Witz, den er aufgeschnappt hatte. Es war ja nicht so, dass mich das nicht interessieren würde. Ganz im Gegenteil, ich hörte Benjamin gerne zu, doch irgendwie hatte ich dabei das Gefühl, dass Roland sich ein wenig fehl am Platz fühlte.





    Auch als ich in die Küche ging, um ein Abendessen vorzubereiten, redeten die beiden Jungs kaum ein Wort miteinander. Sollte ich das als Zeichen werten, dass Benjamin Roland mochte? Immerhin stritten sie sich nicht. Beim Essen verhielt Roland sich dann auch ganz ruhig, doch den Grund dafür bemerkte ich erst, als er mit seinem Gesicht in die Spaghetti fiel und in dieser Position einfach weiterschlief.





    Benjamin und ich konnten uns nur erstaunt beobachten. Erst dachte ich, Roland wolle einfach nur einen Spaß machen, aber nein, er schlief tatsächlich tief und fest. Erst als Benjamin in kräftig schüttelte, wurde er langsam wach. "Was?", murmelte er mit verschlafenem Blick bis ihm endlich bewusst wurde, wo er sich befand und was gerade passiert war. Sein Gesicht lief rot an, er verabschiedete sich hastig und wollte so schnell wie möglich raus zur Tür. Doch ich lief im hinterher. "Roland, warte!", sagte ich zu ihm. "Das gerade braucht dir nicht peinlich zu sein. Obwohl...eigentlich schon ein bisschen, wenn ich so überlege". Ein breites Grinsen konnte ich mir dann doch nicht verkneifen. Doch als ich sah, dass Rolands Unbehagen sich immer weiter verschlimmerte, kam ich endlich zum Punkt. "Wenn du willst, kannst du bei mir einziehen. Am besten sofort, dann kannst du dich auch gleich vernünftig ausschlafen." Roland schien überglücklich und drückte mich überschwänglich an sich. "Danke, Oxana, vielen Dank".




    Ich zeigte ihm nur noch schnell das Bad, damit er sich die restliche Tomatensoße aus dem Gesicht wischen konnte und dann zeigte ich ihm das Bett. "Leg dich einfach hin und schlaf. Ich bin eh noch nicht müde." Das brauchte ich ihm nicht zweimal zu sagen. Mein neuer Mitbewohner schlüpfte sofort unter die Decke.





    Ich hatte Angst, dass Benjamin und ich ihn vielleicht stören könnten, doch darüber brauchte ich mir keine Sorgen zu machen. Roland schlief sofort ein und ich glaube, nicht einmal eine Öltankexplosion hätte ihn aus dem Schlaf gerissen. "Was hältst du von ihm?", fragte ich Benjamin. Doch er drückte sich um eine direkte Antwort herum. Irgendwie verstand ich nicht, was er hatte. Roland war doch wirklich nett, oder etwa nicht?




    "Vielleicht soll ich heute Nacht doch lieber hier bei dir bleiben?", schlug Benjamin dann vor. "Ich fühle mich irgendwie nicht wohl bei dem Gedanken, dass ein wildfremder Mann bei dir im Haus schläft". Ich fand es wirklich rührend, wie sehr er sich um mich sorgte, aber wenn ich es recht bedachte, kannte ich ihn selbst ja nicht viel länger als Roland. "Nein, Benny, du kannst beruhigt nach Hause gehen", antwortete ich ihm schließlich. "Ich bin mir ganz sicher, dass ich keine Angst zu haben brauche."





    Benny schien zwar nicht ganz überzeugt, er ging dann aber trotzdem, nachdem er mich noch einige Male aufgefordert hat, vorsichtig zu sein. Als er weg war, legte ich mich auf das Sofa und versuchte es mir bequem zu machen. Wenn es doch nur ein wenig länger wäre. Aber irgendwann schlief ich dann trotzdem ein. Und irgendwie fühlte ich mich in dieser Nacht viel sicherer in meinem Haus mit der Tür, die wieder einmal sperrangelweit offen stand.


  • Kapitel 5: Feindschaft





    Ich hatte zunächst Angst, dass das Zusammenleben mit einem Mann, der vorher in einem Zelt mit drei weiteren Kerlen gelebt hatte, problematisch werden könnte, doch Roland stellte sich als sehr umgänglich heraus. Meine größte Sorge war gewesen, dass er seinen Müll überall herumliegen lies und die Klobrille nicht herunterklappt. Doch er verhielt sich vorbildlich. Er putzte sogar, ohne dass man ihn dazu hätte auffordern müssen. Und er war dabei fast genauso gründlich wie ich.





    Im Grunde überließ er mir meistens das Bett und schlief selber auf der Couch. Das fand ich richtig süß von ihm. Ich beobachtete ihn gerne, wenn er fest schlief. Er sah dabei immer so hübsch aus. Wie ein kleiner Junge. Ich hätte ihn manchmal stundenlang beobachten können.




    Roland zeigte mir dann auch ein paar Örtlichkeiten in Sierra Simlone Stadt. Es gab hier zwar nicht viel, aber immerhin so eine Art Saloon. Man konnte dort auf alle Fälle gut den einen oder anderen Cocktail genießen.





    Und eine Tanzfläche gab es auch. Eine alte Jukebox und ein an der Decke montierter Scheinwerfer sorgten für die nötige Disco-Atmosphäre. Dabei musste ich feststellen, dass Roland ein wirklich guter Tänzer war. Es machte Spaß mit ihm abzutanzen, auch wenn wir die einzigen auf der Fläche waren.





    Denn die meisten Gäste des Saloons hingen an der Bar oder vertrieben sich ihre Zeit mit einer Runde Billard. Und das taten Roland und ich dann auch. Nach einigen Stößen gesellte sich noch ein Mann von der Theke zu uns. Er grüßte mich, indem er an seinen Cowboy-Hut griff und mir zunickte. Dann fragte er, ob er mitspielen könne. Und ich hätte verrückt sein müssen, wenn ich diesen Typen nicht hätte mitspielen lassen.





    "Wer ist denn dieser verdammt gut aussehende Mann da?", fragt ich Roland unauffällig. "Der da?!", antwortete Roland ungläubig mit gedämpfter Stimme. "Das ist Albert Kappe. Der Mann von Gerda, die kannst du doch schon. Ihm gehört die Kappe-Farm hier in Sierra Simlone Stadt." Albert also. Gerda hatte ein verdammtes Glück, so einen Kerl abzukriegen. Ich hoffte inständig, dass mir auch mal so ein Mann über den Weg lief.





    Der Saloon bot mir aber auch die Möglichkeit noch ein paar neue Leute kennen zu lernen. Die meisten waren genauso wie ich erst kurz in der Sierra Simlone, aber einige, wie Hertha zum Beispiel, haben schon ihr ganzes Leben hier verbracht. Als ich mich so mit ihr unterhielt, bekam ich gar nicht mit, was sich hinter meinem Rücken anbahnte. "Na, was machst du halbe Portion denn hier im Saloon?", ging ein rothaariger Typ auf Roland los. "So weit ich weiß haben Kinder hier keinen Zutritt." Er amüsierte sich einfach köstlich über Rolands Hilflosigkeit. Und es wurde auch nicht besser, als Marlene versuchte, denn Streit zu schlichten. "Lass ihn in Ruhe, Kasimir, er hat dir schließlich nichts getan."





    Mir viel ein, dass ich noch ein paar Kleinigkeiten besorgen musste, also ging ich rüber in den Laden und verpasste damit alle folgenden Ereignisse.
    "Jetzt muss du dich auch noch von einer Frau verteidigen lassen, du Waschlappen", spöttelte Kasimir weiter und fing an Roland mit seiner Faust zu schlagen. Die Schläge waren zwar nicht stark, Roland wusste sich trotzdem nicht zu verteidigen. "Jetzt reicht es aber Kasimir!", ging Marlene erneut dazwischen und zog ihn von Roland weg. "Ich hab gesagt, du sollst dich nicht einmischen, Flittchen!", schrie Kasimir sie an und verpasste ihr Eine. Allerdings war Marlene keine Frau, die sich so etwas gefallen ließ. Stattdessen schlug sie einfach zurück.





    Roland stand einfach nur hilflos daneben und die anderen Gäste versuchten, Kasimir zum Aufhören zu bewegen. Erst als die Barkeeperin mit der Polizei drohte, ließ Kasimir von Marlene ab und sie blieb geschlagen auf dem Boden sitzen. "Und so etwas nennt sich Mann!", spuckte Kasimir verächtlich in Rolands Richtung und ging überheblich aus dem Saloon. Die anderen halfen Marlene wieder auf die Beine. Sie hatte zwar den ein oder anderen blauen Fleck, aber sonst ging es ihr gut.




    Als ich wieder in den Saloon kam, war Roland schon weg. Also fuhr auch ich wieder nach Hause. Dort fand ich ihn dann auf dem Boden hockend vor, wie er etwas in sein Tagebuch schrieb. Denn Rest des Tages, war er betrübt und nicht sehr gesprächig. Ich sprach ihn zwar darauf an, doch er wollte einfach nicht mit mir darüber reden.


  • Kapitel 6: Kindsköpfe





    Doch in den darauf folgenden Tagen war er wieder ganz der Alte. Jeder hat mal das Recht, schlecht drauf zu sein. Ich mochte Roland wirklich gerne und ihm schien es genauso zu gehen, denn er überhäufte mich förmlich mit Komplimenten. Ich war echt froh, dass er bei mir eingezogen war und dass ich einen so guten Freund in ihm gefunden hatte.





    Mit Gerda hatte ich mich in der Zwischenzeit auch recht gut angefreundet. Sie zeigte sich sehr beeindruckt über meinen Fernseher. Das überraschte mich etwas, schließlich war dieser Fernseher nichts Besonderes. Ein einfaches Modell, das schon etliche Jahre auf dem Buckel hatte.





    Des Weiteren hatte ich mich enger mit Manuela angefreundet . Ich hoffte mit Gerda und ihr einen netten Abend verbringen zu könnte, doch irgendwie verlief der Abend dann anders als geplant. Als ich in der Küche war um eine Kleinigkeit zu Essen vorzubereiten, hörte ich plötzlich, wie die beiden anfingen zu streiten. Ich konnte nur ein paar Wortfetzen wie "...Flittchen...", "...Finger von meinem Mann..." und "...eifersüchtige Kuh..." hören. Als ich dann zurück ins Wohnzimmer kam, verabschiedete Manuela sich hastig und ging. Mit den beiden zusammen sollte ich keinen Frauenabend mehr planen.





    Als dann auch Gerda gegangen war legte ich mich ins Bett um zu schlafen. Doch daraus wurde leider nichts, denn plötzlich wurde ich von lauten Lachen und dem Geräusch von springenden Metallfedern geweckt. Als ich mich aufrichtete und mich wütend über den Lärm beschweren wollte sah ich Roland, der vergnügt auf dem Sofa rumhüpfte. Also wirklich! In jedem Mann steckt ein Kind, egal wie alt er war.





    Aber auch in mir steckte ein Kind. Ich war immerhin erst 19, also immer noch ein Teen. Und Roland war doch auch nur einige Jahre älter. Und so sprang ich gekonnt über die Rückenlehne des Sofas und begann mit Roland auf und ab zu hüpfen. Das hatte ich schon ewig nicht mehr gemacht aber es machte einfach einen heiden Spaß.





    An Schlaf war jetzt überhaupt nicht mehr zu denken. Dazu waren wir beide viel zu aufgedreht. Also schnappten wir uns das Radio und stellten es nach draußen um zu tanzen. Im Haus war es dafür viel zu stickig und selbst draußen war es immer noch warm. Roland zog seinen verschwitzten Arbeitsanzug aus und dann tanzten wir wild umher. Er in Unterwäsche, ich im Pyjama. Es hat schon seine Vorteile, wenn man keine Nachbarn in direkter Nähe hat.





    Noch ein paar Tage später traf dann auch der Fall ein, für den ich mir eigentlich einen Mann ins Haus geholt hatte. Die Dusche war mal wieder kaputt und überflutete die halbe Wohnung. Roland machte sich auch gleich an die Arbeit. Seine Reparaturmethode war zwar gewöhnungsbedürftig, aber es schien doch etwas zu bringen laut zu fluchen und mit dem Schraubenschlüssel um sich zu schlagen. Auf alle Fälle war die Dusche repariert und Roland beseitigte anschließend sogar das entstandene Chaos.





    Neue Gesichter in Sierra Simlone Stadt waren ja nichts Ungewöhnliches. So lernte ich dann auch Brandi kennen. Doch es kam mir so vor, als ob sie gar nicht so sehr an mir, als an Roland Interesse gefunden hätte. Zumindest versuchte sie den ganzen Abend lang ihm zu schmeicheln und streute immer wieder Komplimente in ihr Gespräch. Doch der arme Roland schien davon nichts mitzubekommen, dabei war es wirklich offensichtlich.





    Im Laufe des Abends gesellte sich noch Holger zu uns. Ich weiß nicht woher, aber Roland schien ihn zu kennen und er war nicht sehr angetan von seinem Auftauchen. Ich verstand deshalb gar nicht, warum er ihn dann trotzdem ins Haus bat.





    Ich schien ein Talent dafür zu besitzen, alle aufregenden Dinge zu verpassen. Denn ich versuchte Gerade den Deckel des Briefkastens, der gestern abgefallen war, anzuschrauben, als Holger und Roland aufeinander losgingen. Gerda erzählte mir später alles, aber wie es zu dem Streit gekommen war, wusste sie selbst nicht.





    Auf alle Fälle behielt Holger klar die Oberhand in diesem Kampf und ließ einen bekümmerten Roland zurück. Ob es ihm wohl peinlich war, dass er vor Brandis Augen verprügelt wurde?





    Am nächsten Morgen wollte ich mit Roland darüber reden, doch er wimmelte mich nur ab und erzählte etwas von "...verlorenem Dartspiel..." oder so ähnlich. Er wollte mir den Grund für den Streit also nicht sagen und das musste ich akzeptieren. Er würde schon zu mir kommen, wenn er reden wollte.





    Na und am Abend war auch wieder alles in Ordnung. Manuela war da und wir drei tanzten eine Runde Schlambada um unser grünes Sofa herum. Juhu! So stellte ich mir mein Leben vor.



    Gedanken



    Das würde ich doch einen gelungenen Start in mein neues Leben nennen. Ich war zufrieden, hier in Sierra Simlone Stadt, in meinem kleinen grünen Häuschen. Sogar mein Konto sah gar nicht übel aus. Allerdings lag das zum größten Teil an einem Fehler der Bank. Bei Rolands Einzug hatten sie mir fälschlicherweise 7000§ zuviel überwiesen und leider haben sie diesen Fehler auch schnell wieder korrigiert.





    Aber ich hatte einen Job gefunden, der mir Spaß machte und der nicht schlecht bezahlt war. Inzwischen durfte ich selbst einige Experimente an unwissenden Probanden durchführen. Aber das ist nicht halb so schlimm, wie es sich anhört, schließlich hatte ich doch selbst als Versuchskaninchen begonnen.




    Ich hatte in dieser kurzen Zeit auch schon einige Kontakte geknüpft. Insbesondere Benjamin, Manuela und Gerda konnte ich zu meinen wirklichen Freunden zählen. Und natürlich Roland, meinen Mitbewohner.





    Ich hatte ihn auch den Test der Einwanderungsbehörde machen lassen, einfach um ihn etwas besser kennen zu lernen. Aber so mürrisch war Roland überhaupt nicht.



    Allerdings hatte er auch nicht sehr viele Freunde. Ich glaube eigentlich, dass ich sogar seine einzige Freundin war. Und auf Holger hatte er eine Wut, die ich mir einfach nicht erklären konnte. Aber vielleicht würde er sich mir ja doch noch anvertrauen.

  • Kapitel 7: Kaffee und weiße Kittel





    Der Fragebogen, den ich am Flughafen ausfüllen musste, scheint den Herren Beamten wohl sehr geholfen zu haben, denn in den folgenden Wochen wimmelte es plötzlich von Menschen in Sierra Simlone Stadt. Scheinbar über Nacht wuchsen ganze Straßenzeilen aus dem staubigen Boden und langsam war mein kleines grünes Häuschen nicht mehr so einsam in der Wüste.




    Dabei hatte sich auch im Inneren einiges geändert. Auf Dauer war es doch ganz schön lästig geworden, dass entweder Roland oder ich auf dem Sofa schlafen musste. Also haben wir uns ein zweites Bett gekauft. Nun war es im Haus aber recht...gemütlich geworden. Eigentlich hätten wir das Haus ausbauen müssen, aber mit unseren 5000§ konnten wir uns gerade einmal den Architekten leisten.




    Also musste der Anbau erst einmal warten. Ich wunderte mich schon seit längerem, warum Roland immer nur in seinen Arbeitsklamotten herum lief. Schließlich stellte sich heraus, dass es ganz einfach die einzigen Sachen waren, die er besaß. Hinterher war mir die Frage so peinlich, dass ich ihm nicht mehr in die Augen schauen konnte. Und ihm war es noch viel unangenehmer. Also kratzte er seine letzten Simoleons zusammen und kaufte sich etwas zum Anziehen.





    Um diese Ausgaben zu decken und um den geplanten Ausbau zu finanzieren, hatte er sich noch einen neuen Job gesucht. Die Arbeit als Barista im Café wurde zwar nicht sonderlich gut bezahlt, aber immerhin brachte sie etwas Geld und die Arbeitszeiten waren flexibel.
    Aber gleich am ersten Arbeitstag musste Kasimir im Café auftauchen. "Haben die von der Ölfirma endlich erkannt, was für ein Waschlappen du bist und dich rausgeschmissen?", fragte er hämisch. "Lass mich doch einfach in Ruhe!", versuchte Roland sich zu wehren, doch das stachelte Kasimir erst recht an.





    "Oh, ist das kleine Baby jetzt etwa eingeschnappt?", fragte Kasimir mit gespieltem Mitleid und grinste. "Du sollst mich in Ruhe lassen", versuchte es Roland noch einmal, doch diesmal wurde Kasimir wirklich böse. "Sonst was, du kleiner Wicht? Glaubst du etwa du kannst mir drohen? Du wirst schon sehen, was du davon hast!" Marlene hatte die ganze Zeit über das Gespräch mit angehört, doch jetzt reichte es ihr.





    Wütend warf sie sich auf Kasimir und begann wie schon letztens im Saloon auf ihn einzuschlagen. Doch diesmal ließ dieser sich nicht einmal auf einen Kampf ein. Er packte sie einfach fest am Arm und schleuderte sie zu Boden. "Langsam fängst du an lästig zu werden, Schlampe!", drohte er ihr. "Und wir beide sprechen uns noch", fügte er in Rolands Richtung gewand hinzu. "Hast Glück, dass ich jetzt zu einer Verabredung muss."





    Kasimir ging und Roland half Marlene beim Aufstehen und bedankte sich für ihre Hilfe, versicherte ihr aber, dass er auch alleine damit fertig geworden wäre. Dann zog er sich schnell um und stellte sich hinter den Kaffeeautomaten, denn dazu war er schließlich hier. Aber seine Gedanken kreisten nur um den Vorfall von vorhin und Roland wünschte sich inständig, endlich eine Lösung zu finden. Deshalb bemerkte er auch den jungen Kunden nicht, der nun schon zum wiederholten Mal versuchte einen Kaffee zu bestellen. Erst als dieser mit seiner Hand vor Rolands Gesicht wedelte, wurde dieser aus seinem Gedanken gerissen und konnte seiner Arbeit nachkommen.





    Und auch ich ging meiner Arbeit nach. Die Arbeit im Labor war ganz interessant. Doch ich verabscheute diese schrecklichen Kittel. Und die rosa Hose erst! Bei der Arbeit lernte ich Maxim kennen, der gleich im Labor neben meinem forschte und ich hielt es für eine gute Idee mal meine Kollegen etwas genauer kennen zu lernen.





    Maxim war ganz nett, doch unsere Unterhaltung bezog sich im Wesentlichen auf die Arbeit. Das war aber auch in Ordnung, denn so erfuhr ich, wie ich an eine bessere Position in unserer Firma kommen konnte. "Am Wichtigsten ist es, dass du immer nett zu unserem Chef bist", meinte er grinsend. "Und dann solltest du natürlich über Fachwissen verfügen. Beschäftige dich damit, was unsere Firma so alles tut und dann musst du damit vor irgendwem angeben, der wichtig ist. Ich hab es so gemacht und das hat mir eine eigene Projektleitung eingebracht."





    Maxim hatte Recht. Ich musste unbedingt etwas für meine Bildung tun. Um ehrlich zu sein, war ich nie besonders gut in der Schule gewesen und gerade Naturwissenschaften waren nicht so mein Ding. Irgendwie wäre es das einfachste, meine weiblichen Reize bei meinem Chef einzusetzen. Aber dann schämte ich mich auch schon dafür, dass ich so etwas überhaupt denken konnte. Also schnappte ich mir ein Buch und fing an zu lesen. "Die Bilanz eines kontinuierlichen Fermenters mit Wachstumskinetik erster Ordnung und Erhaltungsstoffwechsel". Das schien mir doch angemessen für den Anfang.





    Ich wusste nun nicht was genau den Ausschlag gegeben hatte, meine neues Fachwissen oder doch meine weiblichen Reize. Auf alle Fälle wurde mir kurze Zeit später auch die Leitung eines Projektes übertragen.




    "Das müssen wir unbedingt feiern", meinte Roland, als ich ihm von der Beförderung erzählte. "Im Stadtzentrum hat doch ein Club aufgemacht, den sollten wir mal auskundschaften."

  • Kapitel 8: Zeit zu feiern!




    Das war natürlich eine gute Idee. Ich schnappte mir das Telefon und rief Benjamin an, schließlich ist so ein Clubbesuch mit mehreren Leuten immer lustiger. Ich schlug Roland noch vor, dass er Brandi einladen sollte, doch er war nicht so begeistert von dem Vorschlag. Dabei dachte ich wirklich, dass er sie mochte.





    Im Club selber war es dann richtig abgefahren. Der ganze Raum war in ein violett-pinkes Licht getaucht und der DJ machte seinen Job auch nicht schlecht. Doch bevor es auf die Tanzfläche ging, probierten wir die Blasenmaschine aus. Plötzlich kam ein Typ mit Hut auf uns zu. "Kann ich mich zu euch setzen?", lächelte er Roland zu, als ob er ihn kennen würde und als dieser nur mit den Schultern zuckte, schloss er sich uns einfach an.





    Doch lange blieb ich nicht an der Blasenmaschine. Ich schnappte mir Benny und zog ihn auf die Tanzfläche. Erst versuchte er sich zu drücken, doch als ich ihn flehend anblickte, konnte er nicht anders und tanzte mit mir. Er war zwar nicht ein halb so guter Tänzer wie Roland, aber es machte trotzdem Spaß.





    Als dann ein langsameres Lied aufgelegt wurde, war er sichtlich verunsichert. Ich war wirklich gespannt, wie er nun reagieren würde. Aber weil nichts geschah, schob ich mich selber an ihn heran und erst dann legte er seine Arme unbeholfen um mich. Ich musste schmunzeln, wie sehr er sich doch zierte. Aber unter Freunden musste es doch möglich sein, auch eng umschlungen zu tanzen.





    Da ich mit Benny beschäftigt war, bemerkte ich gar nicht, dass Roland ganz allein in der Gegen herumstand und nicht so recht wusste, was er nun tun sollte. Also setzte er sich hin und sah Benny und mir beim Tanzen zu. Plötzlich bemerkte er, dass der Typ im Hut sich neben ihn auf die rosa Couch in Form einer riesigen Lippe setzte. "Du bist doch der Barista aus dem Café gleich gegenüber, nicht wahr?", fragte er Roland. "Der Typ, der mich heute Mittag fast nicht bedient hätte". Roland fuhr erschrocken zusammen. Gleich am ersten Tag ein unzufriedener Kunde. Wenn sein Chef das erführe!





    "Es tut mir leid, ich wollte nicht unhöflich sein. Den nächsten Kaffee bekommen Sie dafür umsonst von mir", stammelte Roland. Doch der Typ lächelte ihn nur breit an. "Hey, keine Angst, das war doch kein Vorwurf", beruhigte er Roland. "Ich wollte einfach mit dir ins Gespräch kommen. OK, neuer Versuch. Hallo, ich bin Tristan." Er hielt Roland die Hand hin, der diese ergriff und sich dann als Roland vorstellte.





    Die beiden schienen sich wirklich gut zu verstehen. Immerhin hingen sie den Rest des Abends zusammen rum. Und dabei schienen sie sich gut zu amüsieren. Jedes Mal, wenn ich die beiden entdeckte, waren sie am Lachen und Rumalbern. Es war schön Roland so ausgelassen zu sehen, denn sonst erlebte ich ihn eher als einen sehr zurückgezogenen Menschen.

  • Kapitel 9: Dick und rund? Na und!





    Meine neue Position in unserem Labor war zwar sehr gut bezahlt, aber ich merkte schnell, dass man für dieses Geld auch etwas von mir forderte. Und ich muss gestehen, dass ich teilweise ein wenig überfordert war. Als mich eine meiner Mitarbeiterinnen fragte, ob die lineare Form der Michaelis und Menten Kinetik nach Foster und Nieman der richte Ansatz zur Auswertung eines Satzreaktorversuches für enzymkatalysierte Reaktionen sei, konnte ich sie nur anstarren und dümmlich grinsen. Aber das sollte mir nicht noch einmal passieren. Als schnappte ich mir die entsprechenden Bücher und versuchte mir das anzueignen, was die meisten anderen in vier Jahren Studium lernten. Es lag also eine Menge Arbeit vor mir.





    Das nahm dann doch einige Zeit in Anspruch. Zumindest konnte ich nach ausgiebigen Nachforschungen der Mitarbeiterin versichern, dass ihr Ansatz tatsächlich zutreffend war. Alles andere wäre auch sehr schlecht gewesen, immerhin war das die Grundlage der Arbeit der gesamten letzten Woche gewesen. Ich arbeitete also, dann lernte ich, dann arbeitete ich wieder um am Abend noch mehr zu lernen. Da kann es mir wohl keiner verübeln, dass ich gelegentlichen Heißhungerattacken ausgesetzt war und dann innerhalb von Sekunden eine ganze Chipstüte verdrückte.





    Solche Attacken kamen ja nicht oft vor, höchstens zwei, drei Mal am Tag. Meine Oma meinte ohnehin, dass ich ein paar Pfunde mehr auf den Rippen vertagen könne. Nur dieser Arbeitskittel wirkt extrem unvorteilhaft auf die Figur. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass mein Hinterteil riesig wäre.





    Ich wusste nicht, ob es an der neuen Arbeit oder am ungewohnten Wüstenklima lag, aber auch mein Busen kam mir deutlich größer vor. Mein Nachthemd spannte richtig. Vielleicht sollte ich mich im Geschäft nach neuen Klamotten umsehen?





    Gesagt, getan. Da ich an diesem Tag ohnehin frei hatte, konnte ich mich ein wenig im einzigen Bekleidungsgeschäft austoben. Es war gar nicht so leicht etwas zu finden, dass meine neu gewonnen Rundungen richtig präsentierte, aber schließlich fand ich ein paar Sachen, die mir recht gut zusagten.





    Und ich musste mir nicht einmal ein schlechtes Gewissen wegen der Ausgaben machen. Erst gestern wurden 7500§ auf mein Konto überwiesen. Meine Lernerei hat sich ausgezahlt, denn durch mein Fachwissen habe ich im Bericht eines Mitarbeiters eine neue Entdeckung gemacht und das lies die Kasse kräftig klingeln.





    Als ich wieder aus der Stadt kam, war Roland auch schon von der Arbeit zurückgekehrt. "Ist es in Ordnung, wenn ich heute Abend jemanden einlade?", fragte er mich schüchtern, nachdem er mich begrüßt hatte. "Na, klar ist das in Ordnung", antwortete ich ihm. "Schließlich wohnst du hier genau so wie ich. Du musst mich nicht extra fragen, wenn du jemanden Einladen willst." Bis zu diesem Tag war es aber noch nie vorgekommen, dass Roland jemanden mit nach Hause gebracht hätte. Ich war froh, dass er es endlich mal tat.





    "Wen willst du denn einladen?", fragte ich überhaupt nicht neugierig. "Etwa Brandi? Ich hatte gleich das Gefühl, dass ihr euch gut versteht." Roland guckte mich verwirrt an. Scheinbar hatte ich mich geirrt und es war nicht Brandi, die vorbeikommen wollt. "Nein", klärte Roland mich auf. "Es ist Tristan. Du weißt doch, der Typ, der sich in der Disco zu uns gesetzt hat. Er ist echt nett, du wirst ihn mögen."





    Wenige Minuten später begrüßte ich Rolands neuen Bekannten. "Du bist also Oxana", begann er das Gespräch. "Roland hat mir schon eine Menge von dir erzählt. Du bist tatsächlich so schön, wie er dich beschrieben hat." Ich grinste verlegen zurück. "Von dir hab ich bis jetzt noch überhaupt nichts gehört", musste ich eingestehen. Tristan lachte kurz auf. "Das macht doch überhaupt nichts. Dann erfährst du alles Wichtige direkt von mir." Roland hatte vollkommen Recht. Ich mochte Tristan.





    Da es im Haus wieder einmal viel zu stickig war, blieben wir gleich draußen. "Zeit für Schlambada!", schrie ich, schaltete das Radio an und begann kräftig meine Po kreisen zu lassen. Die Jungs fingen an ausgelassen zu johlen und feuerten mich an, bis sie sich mir dann anschlossen und wir drei gemeinsam unsere Popos kreisen ließen.





    Ich hatte nicht bemerkt, dass Roland plötzlich verschwunden war. Erst der Duft von frischen Crepes machte mich darauf aufmerksam und lockte mich ins Haus. Das Tanzen hatte mich doch ganz schön ausgehungert und ich stürzte mich auf die Pfannkuchen. "Gott, Tristan, die musst du probieren", schwärmte ich mit vollem Mund unserem Besuch vor. Ich konnte gar nicht verstehen, dass er dieses herrliche Dessert nicht sofort verschlingen wollte.





    Ich hatte in den letzten Wochen zwar sehr viel gelernt, aber das weckte nur den Drang in mir noch mehr zu lernen. Das laminare Strömungsverhalten in einem kontinuierlichen Festbettreaktor war einfach ein zu spannendes Thema. Außerdem genoss ich es in einem Buch zu schmökern und immer eine Kleinigkeit zum Naschen griffbereit zu haben. So machte das Lernen noch viel mehr Spaß.





    An meinem freien Tag rief Benny an. "Hast du Lust ins Freibad zu gehen?", fragte er mich. "Freibad? Klar, warum nicht", antwortete ich ihm und Roland nickte mir begeistert zu. Hier in Sierra Simlone Stadt war es eigentlich jeden Tag warm, aber heute war es besonders heiß und eine kleine Abkühlung würde uns allen gut tun. "Roland kommt übrigens auch mit. Das geht doch in Ordnung?", bemerkte ich zum Abschied. Es kam mir fast so vor, als ob Benny einen Moment mit seiner Antwort gezögert hätte, bevor er mir zustimmte.

  • Kapitel 10: Schrumpelfinger




    Wir machten uns auch gleich auf dem Weg. Bis zum Freibad waren es nur ein paar hundert Meter. Roland hatte schon zu Hause seine Badehose angezogen und sprang sofort in das erfrischende Nass. Ich hielt es dann doch für zu gewagt im Badeanzug durch die Stadt zu laufen, auch wenn es auch dem Weg nicht einmal Wohnhäuser gab. Aber man konnte ja nie wissen, wer einem über den Weg lief.





    Lange konnte Roland das Wasser aber nicht genießen, denn als er meinen Schrei aus der Umkleidkabine hörte sprang er sofort hinaus um mir zu Hilfe zu eilen. Doch bei diesem Problem konnte er mir nicht helfen. Ich war fett geworden. Fett! Ich kam aus der Kabine und präsentierte mich ihm mit einem entsetzten Gesichtsausdruck. Ich hatte nicht nur an Busen gewonnen, nein, meine ganzer Körper hatte an Masse zugelegt.





    "Oh mein Gott, Roland! Ich sehe aus wie ein Walross!" Ich schaute nach einmal an mir herab und piekste mir mit dem Finger in den Bauch. Ich spürte nicht den geringsten Widerstand. Mein Finger versank einfach unter einer weichen Fettschicht. "Warum hast du mir nicht gesagt, dass ich dermaßen zugenommen habe", fuhr ich Roland nun wütend an, der davon total überrascht wurde. "Hätte ich gewusst wie ich aussehe, wäre ich doch niemals mit ins Freibad gekommen."





    Roland war richtig eingeschüchtert von meinem Wutausbruch. "Ich...ich", begann er zu stottern. "Mir ist gar nicht aufgefallen, dass du zugenommen hast." Natürlich! Wir wohnen unter einem Dach und schlafen im selben Zimmer, aber er merkt es nicht, wenn ich 20 Kilo zulege. Ich starte ihn noch finsterer an. "Ehrlich, Oxana", entschuldigte er sich und fügte verlegen hinzu: "Für mich bis du wunderschön. Da spielt es keine Rolle, wie viel du wiegst."





    Das Kompliment entging mir irgendwie, denn plötzlich wurde mir klar, dass Benny jede Sekund im Schwimmbad auftauchen konnte. Wenn er mich so sehen würde, dann könnte ich jedes weitere Treffen gleich vergessen. "Der Whirlpool!", rief ich und lief sofort in dessen Richtung. Die Blubberblasen würden meine Pfunde verdecken und Benny würde nichts bemerken. Roland seufzte nur tief und folgte mir dann.





    Der Whirlpool war wirklich eine ausgezeichnete Idee. Erstens war es hier angenehm kühl, da dieser Whirlpool im Gegensatz zu den meisten anderen, mit kaltem Wasser betrieben wurde, außerdem sah man mir so tatsächlich nicht an, dass ich zugenommen hatte. Außer an Oberweite natürlich! Durch den Auftrieb der Blasen wirkte mein Busen sogar noch größer. Das würde Benny sicher ablenken. Ich war so in Gedanken vertieft, dass erst ein Spritzer Wasser aus Rolands Richtung mich zurück in die Wirklichkeit holte.




    Schließlich kam auch Benny. Er entdeckte uns gleich im Whirlpool und setzte sich direkt zu uns. Ich starte Roland gespannt an, ob Benny die Veränderung an meinem Körper doch auffallen würde. Doch scheinbar ging mein Plan auf. Von Benny kam kein Kommentar und auch an seinen Blicken konnte ich nichts Ungewöhnliches feststellen. Glück gehabt.




    "Lass uns doch mal rüber ins große Becken gehen und ein paar Bahnen ziehen", schlug Benny vor, nachdem wir schon etliche Stunden im Whirlpool verbracht hatten und wollte auch gerade aufstehen. Doch ich hielt ihn schnell zurück. "Halt! Hier ist es doch so entspannend. Lass uns lieber im Whirlpool bleiben. Außerdem sind wir hier doch viel ungestörter". Mein aufreizender Blick bei diesen Worten scheint ihn wohl überzeugt zu haben und wir blieben wo wir waren.




    Zum ersten Mal war ich froh, dass Benny nach drei Stunden wieder gehen musste. Inzwischen war meine Haut schon total verschrumpelt. Außerdem hatte ich einen Riesendurst. Als ich sicher war, dass Benny das Freibad verlassen und außer Sichtweite war, konnte ich endlich aus dem Whirlpool steigen. "Ich muss unbedingt abnehmen", bemerkte ich zu Roland, nachdem ich meinen Durst gelöscht hatte. Und ich fing damit an, dass ich ein einfaches Mineralwasser trank anstelle des köstlichen, zuckersüßen Eistees.




    Und ein wenig Sport konnte da auch nicht schaden. Und da wir im Schwimmbad waren, konnte ich auch gleich mit Schwimmen anfangen. Ich nahm Anlauf und rannte auf das Sprungbrett zu. Ich hatte das Gefühl, als würde der Boden beben, jedes Mal wenn meine Füße den Grund berührten. Und dann sprang ich, so graziös wie es mir in meiner derzeitigen körperlichen Verfassung möglich war in das Wasser und beglückte die umstehenden Kinder mit einer herrlichen Wasserfontäne.




    Zwar war ich schon nach den ersten drei Bahnen total aus der Puste, aber ich musste durchhalten. Ich wollte nicht noch einmal in eine so peinliche Situation kommen. Und als Roland sich dann zu mir gesellte, wurde es gleich viel einfacher. Ich zog so lange meine Runden, bis die Sonne hinter den Bergen verschwunden war und der Bademeister uns aus dem Freibad schmiss.


  • Kapitel 11: Lasst die Pfunde purzeln!




    Am nächsten Morgen lief ich gleich rüber in den Laden und kaufte mir die aktuelle Ausgabe der "Julia". Der Aufhänger der Zeitschrift war "Die große Frühlingsdiät - Schlank in zwei Wochen". Genau das brauchte ich jetzt.




    Zuhause begann ich sofort den Artikel zu lesen. Allerdings war es nach "Julia" schon fast ein Verbrechen, dass ich diese Zeitschrift las, anstatt sich um die Gewichtsreduzierung zu kümmern. Ab heute musste ich meine Ernährung ändern, Wasser trinken bis mir schlecht wurde und Sport treiben. Viel Sport.




    Das einfachste war noch die Essensumstellung. Die Gerichte sollten möglichst wenige Kalorien enthalten, dabei aber immer noch ausgewogen sein. Und da bot sich ein leckerer Salat förmlich an. Roland hatte übrigens zugestimmt mich bei meiner Diät zu unterstützen und aß deshalb genau dasselbe wie ich. Das war auch das mindeste, was er tun konnte, schließlich hatte er mich doch nicht gewarnt, dass ich aufgegangen war wie ein Hefeteig.




    Und auch beim Sport machte er mit. Ein Fitnessstudio gab es in Sierra Simlone Stadt noch nicht und meine "Julia" sah auch keins vor. Stattdessen wurde das Radio angemacht um die Übungen mit Musikbegleitung durchzugehen.




    Roland machte zwar nicht jede Übung mit, aber er unterstützte mich dann wenigstens mental indem er mich anfeuerte und mir hilfreiche Tipps gab. Zumindest waren sie hilfreich gemeint, doch manchmal hing mir sein besserwisserisches Gehabe zum Hals raus. Sollte er es doch besser machen!




    Das Dumme war, dass er es dann auch tat. Es war so unfair. Während ich es kaum schaffte meine überproportionierten Oberschenkel zu heben und am liebsten erschöpft im Wüstensand aufgegeben hätte, schienen ihm weder die Sonne noch die Übungen das Geringste auszumachen.




    Wie gut, dass ich ja auch noch viel trinken sollte. So hatte ich immer eine gute Ausrede, um eine Pause einzulegen und mich etwas zu erholen. Währenddessen trainierte Roland einfach weiter. Seine Kondition wollte ich auch mal haben.




    Zur Entspannung schlug die "Julia" noch ein paar Joga-Übungen vor. Aber wo bitte blieb da die Entspannung? Ich schaffte es ja kaum mich so zu verrenken, wie es auf den Bildern gezeigt wurde, geschweige denn in dieser Position meine innere Ruhe zu finden.




    Auch das Lernen für meinen Job war anstrengend gewesen. Aber dieses Trainingsprogramm toppte es bei weitem. Beim Lernen konnte ich mich ja immer wieder mit etwas Süßem belohnen. Aber jetzt gab es keine Belohnung. Schon nach ein paar Tagen musste ich feststellen, dass Salat doch nicht so abwechslungsreich war, wie man annehmen könnte und auch das Vollkornmüsli zum Frühstück war nicht so das Wahre. Ich war froh, dass die Diät mir wenigstens nicht die süßen Früchte dazu verbot.




    Doch ich wollte es schaffen. Ich musste es schaffen! "Und, wie lange musst du dich noch abrackern, bis du deine Traumfigur erreicht hast?", fragte Roland, als ich wieder einmal angestrengt in meiner "Julia" blätterte. "Die Hälfte hab ich bereits geschafft", antwortete ich. Zumindest behauptete das die Zeitschrift.




    Doch leider sah ich davon überhaupt nichts. Ich sah immer noch aus wie ein aufgequollenes Gummibärchen und auch die Waage zeigte keine wirklich Besserung. Roland sah, dass es mir nicht gut ging und bot mir eine Rückenmassage an, die ich dankend annahm. "Die Mühe wird sich sicher bald auszahlen", ermutigte er mich. "Du schaffst alles, wenn du nur willst."




    Ich konnte nur hoffen, dass er Recht behielt. Und auch die "Julia" versicherte mir, dass der Erfolg dieser Diät sehr sprunghaft erfolgen würde. Also trainierte ich weiter. Tag um Tag. Manchmal war ich so müde, dass ich beinah schon während des Trainings einschlief. Aber ich gab nicht auf.




    Und es lohnte sich. Genau am vierzehnten Tag meiner "Julia"-Diät spürte ich, wie mein ganzer Körper sich straffte und alle Fettpölsterchen wie durch Zauberhand verschwanden. Ich war wieder schlank und so sollte es in Zukunft auch bleiben.




    Überglücklich lief ich ins Haus und sprang dem verdutzten Roland in die Arme. Und da ich nun wieder federleicht war, hatte er auch keine Mühe damit, mich aufzufangen. "Ich hab doch gewusst, dass du es schaffst", beglückwünschte er mich und dafür drückte ich ihn nur noch fester.

  • Kapitel 12: Umbau



    Und nach all der Plackerei der letzten Tage wollte ich endlich wieder Spaß haben. Also griff ich zum Telefon und rief all unsere Freunde an. Roland war zwar etwas besorgt, dass nicht alle ins Haus passten, aber mir brauchten uns ja auch keine Sorgen zu machen, dass es Regnen könnte.




    Aber unser Haus war viel größer, als es schien. Und neun Leute passten locker hinein. Auf alle Fälle hatten alle ihren Spaß.




    Und endlich war es mir wieder möglich, Benny zu sehen. Ich hatte ihn die letzten Wochen mit irgendwelchen blöden Ausreden von mir fern gehalten, weil ich einfach nicht wollte, dass er sah, wie dick ich geworden war. Und ich hatte schon Angst, dass er mir deswegen böse wäre. Doch er kam zu der Party und war genauso froh mich zu sehen, wie ich ihn. Ich hatte ihn so sehr vermisst und erst jetzt wurde mir bewusst, wie sehr ich ihn doch mochte.




    Und wie Endet eine Party in der Simlane 10? Natürlich mit einem Schlambada. Und bei diesem Tanz stimmt es wirklich: Je mehr Leute, desto besser!


    Auch wenn ich die letzten Wochen sehr mit meiner Figur beschäftigt war, hatte ich doch nie meine Arbeit vernachlässigt und so wuchs der Betrag auf meinem Konto von Tag zu Tag. Und auch Roland steuerte mit seinen zwei Jobs einen nicht unerheblichen Teil hinzu. Schließlich hatten wir genug Geld zusammen, um den geplanten Ausbau des Hauses zu finanzieren.




    Es war nicht schwer einen Architekten aufzutreiben, denn zurzeit wimmelte es in Sierra Simlone Stadt nur so davon. Und da auch alle Baufirmen vor Ort waren, wuchs unser Haus in Windeseile aus dem Boden. Die vielen Neuankömmlinge zogen aber auch das Verbrechen mit sich, denn noch während des Umbaus schlich sich ein Dieb in unser noch unfertiges Haus. Es war gut, dass Roland und ich direkt vor dem Haus schliefen, sonst hätten wir ihn womöglich gar nicht bemerkt.




    Es war mir dabei vollkommen schleierhaft, was dieser Mensch überhaupt stehlen wollte. Das Haus war so gut wie leer. Und anstatt sich den Fernseher zu schnappen, der vielleicht noch ein paar Simoleons beim Pfandleier eingebracht hätte, schnappte er sich die billige Staffelei aus dem Baumarkt.




    Doch da ich sofort die Polizei rufen konnte, gelang es dem Dieb nicht einmal diese mitzunehmen. Der Polizeibeamte warf sich auf den Ganoven und versuchte ihn festzuhalten, bis seine Kollegen anrückten, doch leider war der Dieb geschickter und konnte sich aus dem Staub machen. Auch wenn ihm die Flucht gelang, musste ich doch ganz ehrlich zugeben, dass die Verbrecher in SimCity irgendwie besser organisiert waren.




    Das blieb aber der einzige Zwischenfall und nach ein paar Tagen waren die Bauarbeiten beendet. Mein Häuschen war immer noch grün, klein konnte man es jetzt aber wirklich nicht mehr nennen.




    Der Architekt gab mir dann auch einen Plan des Grundrisses unseres Hauses, falls wir irgendwann weitere Veränderung vornehmen wollten. Die Grundmauern des alten Häuschens mussten stehen bleiben. Es stellte sich heraus, dass es unter Denkmalschutz stand. Ich durfte zwar alles Mögliche an und drumherum bauen, aber das ursprüngliche Haus musste bestehen bleiben. Wieder eine dieser seltsamen Baurichtlinien der SimNation.




    Alle Innenwände des alten Hauses wurden entfernt. Und in dem neu entstandenen Raum befand sich nun das Wohnzimmer. Es ist ein Wunder, dass wir monatelang zu zweit auf diesen paar Quadratmetern gelebt hatten.




    Die Küche befand sich im Anbau, so wie der Rest der Räume. Endlich hatten wir etwas Platz zum Kochen. Und endlich war es möglich, dass mehr als drei Leute gleichzeitig am Tisch essen konnten.




    Aus einem mir unerfindlichen Grund hat der Architekt darauf bestanden, ein Arbeitszimmer zu bauen und aus einem noch unerfindlicheren Grund, habe ich mich von ihm überreden lassen. Wer bitte braucht ein Arbeitszimmer? Wahrscheinlich nur der Architekt um seinen Geldbeutel aufzufüllen.




    Doch das Schönste am Ausbau des Hauses war, dass wir nun endlich vernünftige Schlafzimmer besaßen. Und zwar eines für jeden von uns. Roland hatte seins...




    ...und ich hatte meins. Die auf Dauer doch sehr schmalen Betten konnten endlich durch breitere ersetzt werden und endlich hatte ich einen Raum, in den ich mich zurückziehen konnte. Roland war zwar der beste Mitbewohner, den ich mir vorstellen konnte, aber ein wenig Privatsphäre braucht doch jeder von uns. Ein eigenes Zimmer! Das kannte ich nicht mehr, seit ich vor über einem Jahr das Haus meiner Eltern verlassen hatte.


    Und schon war von unseren Ersparnissen nichts mehr übrig. Aber da sowohl Roland, als auch ich regelmäßig Geld verdienten, machte ich mir darüber keine Sorgen.

  • Kapitel 13: Peinlich, peinlich




    Die Sonne musste schon vor einigen Stunden aufgegangen sein, denn in meinem Schlafzimmer war es heiß wie in einem Backofen. Für eine Klimaanlage hat das Geld immer noch nicht gereicht. Verschlafen tapste ich in die Küche und konnte noch im Halbschlaf Roland ausmachen, der bereits am Esstisch saß. Es ist doch nicht normal, dass ein Mensch freiwillig so früh morgens aufsteht. Aber ich brauchte jetzt eine Erfrischung. Der kühle Hauch aus dem Kühlschrank tat schon gut und ein kalter Saft würde mir noch besser tun.




    Ich griff nach der Flasche und drehte mich langsam um. Was war denn dieser verschwommene Schatten direkt neben Roland. Und als meine Augen langsam ihre Funktion wieder aufnahmen und ein scharfes Bild zeigten, erkannte ich Tristen. "Arrrgghhh!", schrie ich entsetzt und begann mit meinen Händen zu fuchteln. Der Saft rollte irgendwo in die Ecke. Entsetzt sprang Tristan auf schaute mich an, wie ein Reh im Scheinwerferlicht.




    Doch eine Erklärung musste warten. Ich ließ die beiden Jungs allein und lief mit hochrotem Kopf aus der Küche. Wieso passiert mir immer so etwas Peinliches? Wieso muss ausgerechnet an dem Morgen, an dem ich ungekämmt und ungewaschen und zudem noch in knapper Unterwäsche die Küche betrete, ein fremder Mann am Tisch sitzen?




    Ich holte meine Sachen aus dem Zimmer, schlich vorsichtig um die Ecke, um sicher zu gehen, dass Tristan mich nicht doch aus der Küche heraus sehen konnte, und verschwand im Badezimmer. Nach einer ausgiebigen Dusche und einiger Zeit vor dem Spiegel, war ich so weit, dass ich mich unter fremde Menschen wagen konnte. Allerdings wollte ich das Bad nur ungern verlassen, schließlich war Tristan immer noch im Haus und mein Auftritt von eben war einfach zu peinlich.




    Vorsichtig öffnete ich die Tür einen Spalt weit und lugte hinaus. Auch das noch! Roland und Tristan saßen beide auf dem Sofa und schauten fern und für mich gab es keinen Weg an den beiden vorbei. Als lief ich einfach hastig in Richtung Haustür. Ich versuchte mich so gut es ging, hinter meiner Hand zu verstecken, was mir ein breites Grinsen von Roland einbrachte. Wenigstens schaute Tristan nicht in meine Richtung.





    Da stand ich nun, allein vor meinem Haus. Rein konnte ich jetzt auf keinen Fall mehr, also schlenderte ich in Richtung Stadtzentrum. Allerdings war um diese Uhrzeit noch nicht viel los hier. Als ich mich gelangweilt im Saloon umsah, entdeckte ich eine Tafel mit Billardtricks und da ich ohnehin nichts Besseres zu tun hatte und zudem auch noch ohne Zuschauer war, schnappte ich mir das beiliegende Xylophon und versuchte eine Kugel darauf landen zu lassen. Nach dem fünften Versuch hob wenigstens die Kugel vom Tisch ab und beim vierzehnten erklang das Xylophon zu ersten Mal.




    "Gut gemacht", erklang eine tiefe Männerstimme aus einer dunklen Ecke des Raums. Überrascht sah ich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war und entdeckte Gerdas Mann Albert. Bis zu diesem Moment wusste ich nicht, dass er auch hier war. Und zum zweiten Mal an diesem Morgen lief ich rot an.




    "Oxana, nicht wahr?", fragte er mich lächelnd. "Hast du etwas dagegen, wenn ich mitspiele?". Ich schüttelte mit dem Kopf und Albert trat zu mir an den Tisch. "Dann lass uns doch eine richtige Partie gegeneinander spielen. Welche Kugeln?". "Die Halben", antwortete ich und Albert bereitete den Tisch vor. Und gleich mit dem ersten Stoß versenkte er zwei Kugeln.




    Wir spielten so lange, bis mein Magen sich zu Wort meldete. Immerhin hatte ich an diesem Tag noch nichts gegessen und es kam mir sehr gelegen, dass Albert mich zu einem Mandarinentörtchen einlud. Wir unterhielten uns lange über das Leben als Farmer in der Sierra Simlone. Ein hartes Leben, aber auch ein sehr aufregendes, wie ich fand.

  • Kapitel 14: Schmetterling im Bauch




    Es war noch spät geworden, am gestrigen Abend. Als ich nach Hause kam, war Roland schon im Bett und wecken wollte ich ihn auch nicht. Am Morgen empfing er mich dann auch schon grinsend und wartete auf eine Erklärung. "Ich hätte im Boden versinken können", begann ich zu erzählen. "Erst sieht Tristan mich halb nackt und dann laufe ich auch noch weg, wie ein kleines dreizehnjähriges Mädchen." Ich musste selber darüber lachen, wie blöd ich mich doch benommen hatte.




    Und Roland erging es nicht anders. "Tristan ging es da so wie dir", berichtete er lachend. "Erst war er kreidebleich wegen deines Geschreis und dann ist er so rot angelaufen, dass ich dachte, sein Kopf platzt gleich. Jedes mal, wenn eine leicht bekleidete Frau im Fernsehen zu sehen war, hat er beschämt auf den Boden gestarrt. Das war zu witzig. Aber das nächste mal warne ich dich vor, wenn jemand zum Frühstück hier ist."





    Gerade als ich das Auto der Fahrgemeinschaft verließ, klingelte mein Handy. "Hi Oxana", meldete sich Benny. "Ich würde heute Abend gerne etwas mit dir unternehmen. Allein. Hast du Lust?". Natürlich hatte ich Lust ihn zu sehen. Seine Stimme klang auf einmal so erleichtert. "Dann hole ich dich so gegen acht Uhr ab. Bis später dann."




    Hatte ich etwa gerade ein Date ausgemacht? Ich glaube schon. Ich hatte noch etwas Zeit um mich aufzustylen. An meiner Figur gab es jetzt nichts mehr zu meckern und das neue Kleid war auch angemessen für dieses Treffen. Trotzdem stand ich sehr aufgeregt vor dem Spiegel und war doch nicht wirklich zufrieden. "Hast du heute Abend noch etwas vor?", fragte mich Roland, der mein Zimmer betreten hatte. Ich erzählte ihm von meiner Verabredung, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ihn diese Nachricht traurig stimmte. Wahrscheinlich war er bekümmert, weil es zwischen ihm und Brandi nicht so richtig lief. Ich glaube, ich musste in dieser Hinsicht unbedingt mal etwas unternehmen.




    Wie versprochen holte Benny mich ab und gemeinsam schlenderten wir zum Nachtclub im Stadtzentrum. Nicht nur ich hatte mich chic gemacht, auch Benny hatte sein Outfit verändert. Er sah wirklich gut aus, in diesen Shorts und dem hellen Pullover.




    Im Club war nicht viel los, aber was erwartet man auch mitten in der Woche? Dafür gehörte die Tanzfläche ganz alleine uns.




    Und im Gegensatz zu unserem letzten Besuch hier im Club fand Benny den Mut, mich nah an sich heran zu ziehen, wann immer die Musik es erlaubte. Ich konnte gar nicht genug davon kriegen in seine wunderschönen blauen Augen zu blicken.




    "Lass uns nach oben zur Bar gehen", schlug er vor und führte mich von der Tanzfläche herunter in Richtung der Treppe. Er bestellte auf Anhieb meinen Lieblingscocktail, aber er kannte mich schließlich.




    Und dann berührte er ganz vorsichtig meine Hand, die auf dem Tresen lag. Und als er ganz sicher war, dass ich sie nicht wegziehen würde, begann er sie sanft zu streicheln und lächelt mich mit seinem wundervollen Lächeln an. Und ich lächelte zurück. "Ich bin gleich wieder zurück", versprach er mir, als er einen Moment später aufstand, und ich hoffte inständig, dass er schnell wieder zurückkehrte.




    Benny verließ gerade wieder die Toilette, als ein Typ sich vor in drängte. "Ach nee, wen haben wir denn hier?", fragte er hämisch. "Benjamin unser Dorfpinocchio! Du solltest zurück in den Kuhstahl verschwinden, aus dem du gekrochen bist und nicht so ein hübsches Ding wie die Kleine an der Bar da belästigen!"




    Benjamin wollte etwas erwidern, aber Kasimirs finsterer Blick schüchterte ihn vollkommen ein. "Du wirst jetzt auf der Stell verschwinden, sonst....." Kasimir ließ die Drohung unausgesprochen, schlug aber seine geballte Faust in seine andere Handfläche. "Zisch ab, Kuhjunge, ab hier übernehme ich." Benjamin wollte nicht gehen, aber er kannte Kasimir gut genug um sich nicht mit ihm anzulegen und verließ mit gesenktem Kopf das Lokal.




    Die Minuten verstrichen, aber von Benjamin war nichts zu sehen. "Wo bleibt er bloß?", fragte ich mich besorgt, als sich jemand auf den Platz neben mich setzte. "Tut mir leid, aber hier sitzt schon jemand", erklärte ich dem gutaussehenden Mann. "Ich weiß", entgegnete er, "Benjamin lässt sich entschuldigen. Ihm ging es nicht so gut und ich soll ihn jetzt vertreten."




    Skeptisch schaute ich in die Richtung, in die Benny verschwunden war, aber von ihm war nichts zu sehen. "Ich heiße Kasimir", stellte der Typ sich vor, "Und du musst dann Oxana sein. Wie kommt es, dass eine Schönheit wie du mir bis jetzt nicht aufgefallen ist?". Ich wusste, dass das eine total plumpe Anmache war, aber meine Wangen röteten sich trotzdem und ich senkte verlegen meinen Blick. Kasimirs Charme konnte ich einfach nicht entfliehen.




    Er bot mir noch einen weiteren Drink an, doch ich lehnte ab. Ohne Benny wollte ich auch nicht mehr im Club bleiben. Also verabschiedete ich mich flüchtig und ging die Treppe hinunter. Doch Kasimir folgte mir. "Willst du wirklich schon gehen?", fragte er mich in einem solchen Tonfall, dass ich erneut errötete. Was war bloß los mit mir? "Komm, bleib doch noch bei mir. Der Abend ist doch noch viel zu jung. Ich bitte dich."




    Wie hätte ich da nein sagen können. Kasimir ließ uns zu einem Tisch bringen. "Bestell was immer du möchtest", bot er mir an. "Ich lade dich ein. Du sollst diesen Abend einfach nur genießen." Und das tat ich dann auch. Kasimir beobachtete angeregt, wie ich jeden Bissen meines Mandarinentörtchens sanft mit meinen Lippen umschloss und ein angenehmes Kribbeln breitete sich in mir aus bei dem Gedanken, von ihm beobachtet zu werden.




    Dann führte er mich auf die Tanzfläche. Ja, Tanzen war jetzt gut. Das war mein Element und dann würde ich es endlich wieder schaffen, einen klareren Kopf zu bekommen. Doch gerade als ich loslegen wollte, ergriff Kasimir meine Hand und zog mich ganz nach zu sich heran.




    Die Musik wurde langsamer und wir begannen uns im Kreis zu drehen. Kasimir schaute mir tief in die Augen und sein Blick wich nicht eine Sekunde von mir. Ich konnte spüren, wie seine Hände sanft meinen Rücken streichelten. Und dann rückte er sein Gesicht noch näher zu meinem und berührte mit seiner Nasenspitze zärtlich meine. Diese Berührung war einfach elektrisierend.




    Ich konnte nicht anders, als meinen Kopf auf seine starken Schultern zu senken. Er roch so gut und in diesem Moment wollte ich ihn nie wieder los lassen. Und er hielt mich einfach fest und tanzte mit mir.




    Es wurde spät. Kasimir begleitete mich zu meinem Haus. Er bestand darauf mich so spät nachts nicht mehr alleine gehen lassen. Und es war eine wundervolle Nacht. Die Sterne funkelten und der Mond war das einzige Licht auf dem Weg vom Stadtzentrum zu meinem grünen Haus. Ich genoss den Spaziergang mit ihm an meiner Seite.




    Er folgte mir bis zur Veranda. Ich drehte mich zu ihm hin und verabschiedete mich. Kasimir wirkte plötzlich überrascht und enttäuscht. Als ich die Tür aufschloss wurde mir auch bewusst wieso. Er hat mich den ganzen Abend lang umworben und da will ich ihn einfach so nach Hause schicken. Als drehte ich mich noch einmal um und ging auf ihn zu. Und ich konnte den Glanz in seinen Augen sehen, als meine Lippen sich seinen nährten.




    Ich konnte die Leidenschaft in seinem Kuss spüren und es fiel mir schwer, mich von ihm zu lösen. Doch ich tat es. "Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder", flüsterte ich ihm zu, küsste ihn noch einmal flüchtig und verschwand im Haus. Durch das Fenster konnte ich beobachten, wie er noch einige Minuten mit verblüfftem Gesichtsausdruck vor meiner Tür verweilte.


  • Kapitel 15: Streit




    Als ich am nächsten Tag aus dem Labor kam, erwartete mich ein wunderschöner Strauß roter Tulpen auf der Veranda. Die Blumen waren ganz sicher für mich, denn für Roland würden sie ja wohl kaum bestimmt sein.




    Ich war absolut überrascht und super glücklich. Ich habe es noch nie erlebt, dass ein Mann mir Blumen nach einer Verabredung schenkte. Während einer Verabredung schon, aber noch nie danach. Ich roch an einer der Blüten und atmete den herrlichen Duft ein und mit dem Strauß in der Hand spazierte ich ins Haus. "Von wem sind den die Blumen?", fragte Roland, als er mich hereinkommen sah.




    Das war die Frage, die auch mich interessierte. Aber eigentlich konnte ich mir denken, von wem sie waren. Ich stellte die Blumen auf den Küchentisch und suchte nach einer Karte, die ich auch gleich darauf fand. "Als Dankeschön für den gestrigen Abend. Kasimir", las ich laut vor und strahlte über das ganze Gesicht. Dieser Mann war einfach wunderbar.




    "Kasimir? Was für ein Kasimir denn?", fragte Roland Stirn runzelnd. "Ich dachte, du wärst gestern mit Benny aus gewesen?". "War ich ja auch, aber Benny musste früh gehen und dann habe ich Kasimir kennengelernt", begann ich zu erzählen. "Er ist so ein toller Mann, dass kannst du dir kaum vorstellen." Ich war so froh, dass ich Roland endlich von meiner Bekanntschaft vorschwärmen konnte. Darauf hatte ich schon den ganzen Tag gewartet.




    "Kasimir?!" Roland sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. "Kasimir wer?". "T irgendetwas", antwortete ich, wobei ich etwas verwirrt über Rolands Reaktion war. "So ein kräftig gebauter Typ, etwa Mitte zwanzig", beschrieb ich ihn. "Markantes Gesicht, herrlich blaue Augen und längeres rotes Haar". "Doch nicht etwa Kasimir Tellermann?!", platzte es aus Roland heraus. "Oxana, wie konntest du dich bloß mit diesem Typen einlassen?!"




    Ich wich erschrocken zurück, doch Roland ließ sich davon nicht zurückschrecken. "Dieser Typ ist doch das Allerletzte. Seit ich hier in Sierra Simlone Stadt bin, schubsen er und seine Kumpels mich herum. Ich hab ihm mehr als einen blauen Fleck zu verdanken. Und ausgerechnet mit ihm lässt du dich ein? Wie kannst du mir das bloß antun?!"




    "Ich fass es einfach nicht, dass du auf diesen schmierigen Typen hereinfällst. Der gräbt doch alles an, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Er macht den Frauen schöne Augen, vergnügt sich mit ihnen und lässt sie dann fallen wie eine heiße Kartoffel. Willst du wirklich das nächste Flittchen auf seiner Liste sein?"




    Das war jetzt aber zu viel. "Flittchen? Niemand nennt mich so, auch du nicht! Wenn du ein Problem mit Kasimir hast, dann ist das deine Sache. Und wie hätte ich ahnen können, dass er dir Schwierigkeiten macht? Hast du jemals mit mir darüber geredet? Hast Du? Nein, also mach mir jetzt auch keine Vorwürfe! Kasimir ist zu mir äußerst nett und zuvorkommend gewesen und ich lass nicht zu, dass du grundlos über ihn herziehst. Mich wird er nicht fallen lassen wie eine heiße Kartoffel!"




    Mehr hatte ich ihm nicht zu sagen. Noch im Vorbeigehen warf ich ihm einen finsteren Blick zu, den Roland mit der gleichen Intensität erwiderte, und lies ihn allein in der Küche zurück. Ich war so sauer auf diesen blöden Kerl.





    Noch am selben Nachmittag klingelte es an der Tür und Kasimir stand vor mir. Kein Wunder, schließlich bin ich eine tolle Frau. Außerdem hab ich ihn angerufen, sicher ist sicher. Aber er hat keine Minute gezögert, um zu mir zu kommen. Als Roland ihn allerdings erblickte, lief er purpurrot an und ging auf mich los: "Wie kannst du nur!? Wie kannst du bloß diesen ***** in unser Haus lassen?! Du bist wirklich das Allerletzte!"




    Kasimir blieb absolut ruhig und warf Roland nur einen bemitleidenden Blick zu. Mein Blick zeigte eher Verachtung. Diese Situation bewies doch eindeutig, dass an Rolands Geschichte nichts dran war. Wenn Kasimir so ein A****loch wäre, wie er ihn beschrieben hatte, dann hätte es jetzt sicher gekracht, aber Kasimir blieb die Ruhe selbst, während Roland nicht aufhörte mich zu beschimpfen.




    Und auch ich wurde immer wütender. Doch Kasimir ging auf mich zu und nahm mich beruhigend in den Arm. "Komm Oxana, lass uns gehen", überzeugte er mich liebevoll. "Dieser Clown ist den ganzen Ärger hier doch nicht wert." Recht hatte er. Und dann schmiegte ich mich noch enger an seinen Körper, im vollen Bewusstsein, dass Roland mir zusah. Ich war wirklich sauer auf ihn und ihm erging es da nicht anders.


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  • Kapitel 16: Rendezvous mit Schrecken




    Hand in Hand schlenderte ich mit Kasimir zum neu angelegten Golfplatz. Wir wollten zwar nicht Golf spielen, aber hier gab es einen Teich und Rasen. Etwas, was sonst sehr selten war, hier in der Sierra Simlone.




    Wir setzten uns auf den weichen Rasen und genossen die Abendsonne, die langsam hinter dem Horizont verschwand und beobachteten dann den aufgehenden Mond. Es war wunderschön. Ich freute mich schon darauf, einmal meinen Kindern zu erzählen, dass ich das zweite Date mit ihrem Vater hier am Loch 4 des Golfplatzes von Sierra Simlone Stadt gehabt hatte.




    Als plötzlich die Sprenkelanlage des Platzes losging, sprangen wir laut lachend auf und flüchteten uns zu einer Bank, die im Trockenen stand und ließen uns darauf fallen. "Ich bin so glücklich, dass ich dich getroffen habe", flüsterte ich Kasimir zu, legte meinen Arm um ihn und begann vorsichtig seine Lippen zu küssen.




    Wir saßen einfach schweigend da. Ich hielt seine Hand und genoss es, in seinem starken Arm zu liegen.




    Verträumt blickte ich auf den Teich vor uns, in dem sich das Mondlicht spiegelte, als ich Kasimirs Hand bemerkte, die sich langsam in Richtung meines Busens schob. Ich war wie erstarrt und mein Herz begann zu rasen. So hatte mich noch kein Mann berührt. Seine Finger glitten unter den Stoff meines Kleides und er begann meine Brust zu massieren. Plötzlich bekam ich Angst. Das ging mir alles zu schnell. Doch ich konnte nicht nein sagen. Dazu waren seine Brührungen einfach zu schön.




    Er beugte sich zu mir vor und begann meinen Hals zu küssen und jeder Kuss jagte mir einen Schauer über den Rücken. In dieser Position musste er die Hand von meiner Brust nehmen und ich atmete erleichtert auf. Doch bevor ich seine Küsse richtig genießen konnte, spürte ich seine andere Hand, die unter mein Kleid glitt und sich langsam aber sicher an meinem nackten Oberschenkel hochschob. "Bitte Kasimir, hör auch", flüsterte ich mit bebender Stimme. "Bitte. Hier könnte doch gleich jemand vorbeikommen."




    "Bei mir würden uns drei weiter Jungs über die Schulter schauen und ich hab keinen Bock, bei dir Roland noch mal über den Weg zu laufen", erklärte Kasimir, hörte aber keineswegs auf mich zu küssen und zu berühren. "Es wird schon keiner vorbeikommen." Dann fühlte ich nur, wie er meinen Slip herunterzog und den Reißverschluss seiner Hose öffnete. Entsetzt riss ich meine Augen auf. Er sollte aufhören!




    Irgendwie schaffte ich es ihn wegzustoßen. Mein ganzer Körper zitterte und ich schaute Kasimir ungläubig an. Ich konnte einfach nicht fassen, dass er das gemacht hatte. Das er mich einfach...gegen meinen Willen...ich hatte doch nein gesagt! Ich konnte kaum klar denken.




    Ich wollte nur noch weg. Nach Hause, so schnell wie es ging. Hastig richtete ich mich auf und wollte gehen, doch Kasimir packte mich am Arm und riss mich zu sich rum. "Wo willst du hin?", schrie er mich an. "Erst machst du mich heiß und dann lässt du mich nicht ran. So eine bist du also." "Wir kennen uns doch kaum", konnte ich gerade so flüstern.




    "Was glaubst du, warum ich dich gestern eingeladen habe?", brüllte er mich an. "Meinst du, ich gebe mein Geld einfach so für dich aus? Und dann lässt du mich nicht mal ran, sondern speist mich mit einem billigen Abschiedskuss ab. Und heute genau das gleiche Spiel? Nicht mit mir!". Er hob wütend seine Hand und ich zuckte nur hilflos zusammen, schloss meine Augen und wartete auf den Schlag.




    "Nein, nicht mal das bist du wert!", schnaubte er verächtlich und ging. Ich blieb wie angewurzelt stehen und zitterte immer noch am ganzen Körper. Es dauerte eine Weile, bis ich mich beruhigte Und plötzlich kam ich mir so dumm vor. So unheimlich dumm. Wie hatte ich nur so naiv sein können.




    Ich setzte mich auf die Bank und wartete. Ich konnte sehen, dass er immer noch auf den Golfplatz war. Aber er drehte sich nicht um und ging direkt zum Ausgang. Trotzdem wollte ich sicher gehen, dass er weg war, bevor ich mich auf den Weg machte. Ich hatte einfach Angst, ihm noch einmal zu begegnen.

  • Kapitel 17: Kleiner Giftzwerg




    Die wenigen hundert Meter vom Golfplatz bis zu meinem Haus kamen mir wie eine Ewigkeit vor. Ich lief sofort ins Bad und stieg unter die Dusche. Ich konnte seinen Geruch überall an meinem Körper riechen und musste ihn abwaschen. Anders hätte ich es nicht ausgehalten. Ich weiß nicht, wie lange ich unter der Dusche blieb, aber es muss lange gewesen sein.




    Und dann schlüpfte ich in meinen Schlafanzug, wie jeden Abend. Doch anstatt mich ins Bett zu legen, hockte ich mich in eine Ecke und hielt meinen Teddy fest umschlossen. Ich starte in die Dunkelheit und dachte an gar nichts.




    Die nächsten Tage tat ich so, als ob nichts geschehen wäre. Ich ging zur Arbeit, aß, schlief und kümmerte mich um den Garten. Ich wollte mit niemandem reden. Und selbst wenn, wem hätte ich mich anvertrauen sollen?




    Plötzlich wurde ich von hinten unsanft geschubst. Ich strauchelte nach vorne und ließ die Gießkanne dabei fallen. Als ich mich erschrocken umdrehte, stand ein etwa 13 jähriges Mädchen vor mir, das mich böse musterte. "Lass gefälligst deine Finger von meinem Vater, du Schlampe", schrie sich mich an.




    Ich war entsetzt. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Wer war dieses Mädchen überhaupt? Und wer war ihr Vater? Etwa Kasimir? Wenn dem so war, dann bräuchte sie sich keine Sorgen zu machen. Mit diesem Mann würde ich mich nie wieder einlassen.




    "Ich hab euch beide genau beobachte", schrie sie weiter. "Ich habe gesehen, wie ihr euch in der Stadt getroffen habt. Ihr ward zusammen Essen und du hast meinem Vater die ganze Zeit über schöne Augen gemacht. Aber ich werde nicht zulassen, dass du die Ehe meiner Eltern ruinierst. Nicht du dreckiges Großstadtflittchen!"




    "Aber ich weiß noch nicht einmal, wer dein Vater ist", stammelte ich, doch die Kleine ließ sich davon nicht beirren. "Ich bitte dich, jetzt gib es doch wenigstens zu. Jeder in der Stadt hat euch gesehen. Du konntest gar nicht genug von meinem Vater kriegen. Und erzähl mir jetzt nicht, dass du dich aus reiner Neugier mit einem Farmer aus einem kleinen Kaff wie Sierra Simlone Stadt unterhältst. Dieses hurenhafte Getue durchschaut mein Vater vielleicht nicht, aber mich kannst du nicht verarschen!"




    "Sie meint Albert", schoss es mir durch den Kopf. "Das muss seine Tochter sein!". Aber wie konnte sie glauben, dass ich etwas von ihrem Vater wollte? Doch sie hörte nicht auf damit, mich zu beschimpfen und ihre Beleidigungen wurden immer schlimmer. Und schließlich reichte es mir. "Halt dein vorlautes Mundwerk und verschwinde von meinem Grundstück!", schrie ich sie an und die Kleine zuckte sichtlich zusammen. "Sofort!" Ich hoffte, dass ich diesen kleinen Giftzwerg nicht wieder sehen musste.




    Was war bloß los? Erst fällt Roland mich grundlos an, dann entpuppt sich Kasimir als das *****, das Roland mir beschrieben hatte und nun fiel auch noch die Tochter von Albert und Gerda über mich her und warf mir eine Affäre mit ihrem Vater vor. Gerade mir! Ich hatte doch am eigenen Leib erfahren, wie es ist, wenn ein Elternteil den anderen betrügt. Wie könnte ich da eine Affäre mit einem verheirateten Mann eingehen?




    Ich brauchte jemanden, bei dem ich mich ausweinen konnte. Und ich wollte, dass dieser jemand Roland war. Ich wollte mich bei ihm entschuldigen, ihn um Verzeihung bitten, aber als ich seinen bösen Blick sah, wusste ich, dass eine Entschuldigung nichts bringen würde.




    "Geh mir einfach aus dem Weg", zischte er mich an und verschwand gleich wieder in seinem Zimmer, aus dem er gerade erst herausgekommen war. Ich schlug die Hände über meinem Gesicht zusammen und begann zu schluchzen. Wieso war er nur so böse auch mich?


  • Kapitel 18: Ein Freund hilft



    Ich musste mit jemandem sprechen. Ich musste jemandem erzählen, was passiert war. Mit Roland, mit Kasimir, mit der kleinen Kappe. Aber Benny reagierte nicht auf meine Anrufe und mit Gerda konnte ich darüber nicht sprechen. Also rief ich Tristan an.




    Er war überrascht von meinem Anruf. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir nur über Roland etwas miteinander zu tun gehabt. Aber Tristan kannte Roland besser als jeder andere, wahrscheinlich sogar besser als ich ihn kannte und deshalb war er der richtige Ansprechpartner für mich.




    Tristan machte ganz schön große Augen, als ich ihm erzählte, was sich vorletzte Nacht auf dem Golfplatz abgespielt hatte. "Ich habe gehört, was für ein Typ dieser Kasimir sein soll, aber das hätte ich nicht erwartet. Geht es dir wirklich gut?", fragte er besorgt. Es tat gut, sich endlich alles von der Seele zu reden. Das hätte ich schon früher gebraucht.




    "Die Sache mit Kasimir überstehe ich schon. Zum Glück ist ja nichts passiert. Das hätte aber auch anders ausgehen können". Für einen Augenblick wurde ich sehr nachdenklich, doch dieser Moment verflog schnell wieder. Es war ja noch mal alles gut gegangen. Der Streit mit Roland belastete mich dagegen viel mehr. "Ich kann nicht verstehen, warum Roland so wütend auf mich ist. Kasimir mag ein Schwein sein und nicht nur mich, sondern auch ihn schlecht behandelt haben. Aber warum ist er dann böse auf mich?"




    Es irritierte mich, dass Tristan plötzlich grinsen musste. "Roland ist nicht wirklich sauer auf dich, er ist vielmehr enttäuscht", begann er zu erklären. "Hast du es denn nicht bemerkt?", fragte er, als er meinen verwirrten Blick bemerkte. "Hast du nicht bemerkt, wie er über dich spricht? Hast du seine Blicke nicht bemerkt? Ich wünschte, er würde mich so ansehen, aber er schaut nur dich so an, Oxana. Er liebt dich."




    Diese Worte trafen mich wie der Blitz. Roland liebte mich? War ich wirklich so blind gewesen und habe es all die Monate nicht bemerkt. "Es stimmt Oxana, glaub mir ruhig", bekräftigte Tristan. "Er liebt dich und kann es deshalb nicht ertragen, dass du mit einem anderen Mann zusammen bist. Das war schon so, als du mit Benny anbandeltest, aber Kasimir, war einfach zu viel für ihn."




    Diese Nachricht musste ich erst einmal verdauen. Ich hatte es wirklich nicht bemerkt, aber es würde Rolands Verhalten erklären. "Rede mit ihm, Oxana. Sag ihm, was du fühlst oder auch nicht fühlst. Mit der Zeit wird sich dann alles wieder einrenken." Ich hoffte, dass Tristan Recht behalten würde. Ich hoffte es wirklich sehr.




    Ich wartete auf dem Sofa, während Tristan mit Roland sprach. Schließlich kamen sie gemeinsam ins Wohnzimmer. "Ich verabschiede mich dann mal", erklärte Tristan. "Ihr beiden solltet euch in Ruhe aussprechen."




    Als die Tür ins Schloss fiel, war es Mucksmäuschen still im Raum. Roland sah immer noch nicht sehr glücklich aus, aber immerhin hatte Tristan es erreicht, dass er sich zu mir setzte. "Du hattest vollkommen Recht mit Kasimir. Er ist ein Schwein, und er hat mir wehgetan. Ich hätte dir sofort vertrauen sollen." Rolands Mine entspannte sich sichtlich bei meinen Worten, aber er schwieg immer noch.




    "Ich habe nicht verstanden, warum du so wütend auf mich warst, bis ich mit Tristan gesprochen habe. Er hat gesagt, du liebst mich. Ist das wahr?" Roland brauchte nicht zu antworten. Der Blick in seinen Augen genügte vollkommen. Tristan hatte Recht gehabt und ich hab es nicht bemerkt. Ich musste tief durchatmen, bevor ich weiter sprach. "Roland, du weißt, dass du mein bester Freund bist. Aber mehr ist da nicht. Ich liebe dich nicht, zumindest nicht so, wie du mich liebst. Es tut mir leid."




    Es tat mir weh, Roland so traurig zu sehen, aber ich konnte es nicht ändern. Ich liebte ihn nun einmal nicht. "Das hatte ich mir eigentlich schon gedacht", brach er endlich sein Schweigen. "Aber ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben." Jetzt war ich diejenige, die schwieg.




    Roland stand auf und wollte sich wieder in sein Zimmer verkriechen, aber so konnte ich ihn nicht gehen lassen. "Roland, warte. Bitte sag mir, dass zwischen uns wieder alles in Ordnung ist. Oder dass es zumindest bald wieder so sein wird. Ich möchte dich nicht als Freund verlieren. Roland, bitte!"




    Rolands steinerner Gesichtsausdruck wandelte sich ganz allmählich in ein vorsichtiges Lächeln. "Ich will dich doch auch nicht als Freundin verlieren. Aber lass mir Zeit, ja?" Ich nickte und lächelte dankbar. Doch, mit ein bisschen Arbeit konnten wir unsere Freundschaft wieder aufbauen, da war ich mir sicher.


  • Kapitel 19: Alles nur Schein




    Bekümmert quälte ich mich aus dem stickigen VW Golf. "Tschüß Inga", verabschiedete ich mich bei der Fahrerin. "Vielleicht sieht man sich irgendwann einmal wieder". Inga lächelte mir ermutigend zu und fuhr los. Morgen würde sie nicht wieder vor meinem Haus erscheinen. Ich wurde entlassen.




    Aber daran war ich auch selbst schuld. Betrug zahlt sich eben nicht aus. Ich hatte geglaubt, dass es niemandem auffallen würde, dass ich die Ergebnisse eines Mitarbeiters als meine eigenen ausgegeben hatte. Es hätte ja auch fast geklappt. Aber eben nur fast. Mein Chef war so enttäuscht, dass er mich gleich rausschmiss. Eine Diebin und Lügnerin könne er nicht gebrauchen und so war ich wieder ohne Arbeit, wie vor vier Monaten, als ich hier in Sierra Simlone Stadt ankam.




    Das Heulen einer Sirene riss mich aus meinen Gedanken. Ein Feuerwehrwagen raste die Straße entlang, doch anstatt an meinem Haus vorbeizufahren hielt er und ein Feuerwehrmann sprang heraus.




    Da gegenüber von uns kein Haus stand, musste er zu uns wollen. Hektisch drehte ich mich um und durch die Fenster im Eingangsbereich konnte ich bereits die Flammen sehen. Oh mein Gott, mein Haus stand in Flammen. So schnell ich konnte rannte ich hinein.




    Als ich in die Küche hineinstürmte konnte ich Roland erkennen, der panisch versuchte, die Flammen mit einem Küchentuch zu ersticken. Doch das Tuch ging einfach in Flammen auf. Wenigstens warf er den brennenden Stoff zurück in das Feuer und nicht sonst wo hin. Die Hitze wurde unerträglich und wir mussten vor den um sich schlagenden Flammen zurückweichen.




    Plötzlich hastete der Feuerwehrmann an uns vorbei und richtete einen Feuerlöscher direkt auf den Brandherd und erleichtert konnten wir beobachten, wie das Feuer zu schrumpfen begann. Erst jetzt nahm ich das schrille Piepen des Feuermelders wahr.




    Schließlich war der Brand endgültig gelöscht und der Feuerwehrmann vergewisserte sich, dass tatsächlich nirgends mehr die Flammen loderten. Als Brandursache entpuppte sich eine Bratpfanne, deren Öl wohl irgendwie Feuer gefangen haben musste. "Sie haben Riesenglück, dass ihr Brandmelder mit der Zentrale verbunden ist", erklärte der Feuerwehrmann. "Wäre ich nur ein paar Minuten später eingetroffen, dann wäre das Feuer in die Holzkonstruktion des Hauses eingedrungen und dann hätten wir nicht mehr viel ausrichten können. Seien sie das nächste Mal also unbedingt vorsichtiger." Diese Standpauke wäre aber gar nicht nötig gewesen. Roland machte sich ohnehin schon schlimme Vorwürfe, weil er fast unser Haus abgebrannt hätte.




    Ich habe kurz versucht ihn aufzuheitern, doch erfolglos. Um ehrlich zu sein, war ich selber auch nicht sehr gut drauf. Ich verzog mich dann also in mein Zimmer und Roland in die Badewanne. Richtig entspannen konnten wir aber beide nicht.




    Schließlich wurde mir gerade gekündigt und beinahe wäre mein Haus in Flammen aufgegangen. Mir fehlte einfach die Kraft Roland besser zu trösten. Ich hatte nur noch den Wunsch mich in mein Bett zu verkriechen und zu schlafen und am liebsten nie wieder heraus zu kommen.




    Als ich aufwachte, war die Sonne schon längst untergegangen. Ein Blick auf meinen Wecker zeigte mir, dass es bereits nach 22 Uhr war. Doch ich war ausgeschlafen und damit stieg meine Laune merklich. Ich zog mich an, und lauschte an Rolands Zimmertür und als ich nichts hörte, schaute ich vorsichtig hinein. Doch mein Mitbewohner schlief tief und fest. Eigentlich wollte ich ihm von der Kündigung erzählen und mich richtig über meinen Chef auslassen, doch so entschied ich mich lieber dazu, still und heimlich sein Zimmer wieder zu verlassen.




    Stattdessen nahm ich mein Handy und wählte Bennys Nummer. Seit den Treffen mit Kasimir vor einer Woche habe ich nichts mehr von ihm gehört. Er ließ sich nicht mehr in der Stadt blicken und antwortete nicht auf meine Anrufe. Sogar die Mailbox hatte er ausgestellt, nachdem ich ihm mindestens zwanzig Nachrichten hinterlassen hatte. Und auch heute blieb das Telefon stumm. Wie sollte ich mich denn entschuldigen, wenn er nicht mit mir redete?




    Nach einer halben Stunde Dauerklingeln gab ich es dann auf. Mit Benny hatte ich es mir wohl endgültig verscherzt. Aber vielleicht ließ sich ja jobmäßig etwas machen. Ich setzte mich an den PC und durchsuchte die Angebote in Sierra Simlone Stadt und Umgebung, doch leider fand sich dort nichts Brauchbares. Die Ölfirmen suchten junge, qualifizierte Ingenieure und keine jungen Mädchen ohne Ausbildung.




    Den Rest der Nacht verbrachte ich dann damit, die Brandspuren von Herd und Wänden zu entfernen. Und mit ordentlich Scheuermilch ging es ganz gut voran. Der Herd hatte kaum Schaden genommen, weil er uralt und deshalb noch vollständig aus Metall gefertigt war. Hätte er Kunststoffteile besäßen, hätten wir einen neuen kaufen müssen.




    Kaum war die Küche wieder in Ordnung gebracht, legte ich mich im Garten auf die Lauer und wartete auf den Zeitungsjungen. Er war ein wenig verwirrt, als ich im die Zeitung förmlich aus den Händen riss und mich gleich auf den Anzeigenteil stürzte. Doch auch hier war nichts für mich zu finden. Gesucht wurden Saisonarbeiter für die Farmen und Männer für die Bohrtürme. Für mich war wieder nichts dabei.




    Wenigstens hellte mein Tag sich ein wenig auf, als Roland abends von der Arbeit kam und wir es uns vor dem Fernseher gemütlich machen konnten. Wir konnten uns einfach über die schlechten Schauspielleistungen der Soap-Darsteller auslassen und über die missglückte Frisur der Nachrichtensprecherin ablästern. Jobsorgen fanden da keinen Platz.




    Und als endlich der Spielfilm anfing, machte ich es mir richtig bequem und lehnte mich gegen Roland, so wie ich es früher oft gemacht habe. Und weil mir diese Geste so vertraut war, achtete ich nicht darauf, dass Roland sich immer stärker versteifte.




    Und plötzlich schob er mich von sich weg. Verwirrt sah ich ihn an, denn scheinbar hatte er nicht vor aufzustehen, um sich etwas zu Essen zu holen oder zur Toilette zu gehen. Nein, er hat mich aus einem anderen Grund von sich weg geschoben und diesen Grund verstand ich nicht.




    "Es tut mir leid, Oxana, aber ich kann das nicht", begann er lanmgsam zu erklären. "Ich kann nicht mehr mit dir herumalbern und rumkuscheln. Ich kann nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren, dafür tut es zu sehr weh, verstehst du? Wenn du mir so nahe kommst, dann reicht es mir nicht mehr, nur gute Freunde zu sein. Und wenn du nicht mehr als Freundschaft willst, dann solltest du besser auf Distanz bleiben." Ich konnte sehen, dass ihm jedes einzelne Wort schwer fiel, doch das machte es auch nicht einfacher für mich. Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals, doch ich schluckte ihn herunter und nickte nur.




    Plötzlich war alles anders. Kein Lachen mehr, keine ausgelassene Stimmung. Wir saßen still auf dem Sofa und starten auf den Bildschirm des Fernsehers. Doch der Film interessierte mich nicht. Ich war einfach zu tief in Gedanken versunken und ich vermute, dass es Roland nicht anders erging. Ich schaute mehr als einmal zu ihm herüber, doch sein Blick blieb stur nach vorne gerichtet.




    Schließlich stand er auf und verließ den Raum, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Mein Blick folgte ihm bis zu der Tür seines Zimmers und als ich das Geräusch der sich schließenden Tür hörte, wusste ich, dass er heute Abend nicht mehr heraus kommen würde.



    Und dann brach es aus mir heraus. Ich konnte die Tränen nicht mehr unterdrücken, die sich in der letzten halben Stunde in mir angestaut hatten. Ich hatte gehofft, dass zwischen Roland und mir alles wieder gut werden würde. Nach unserer Aussprache war es doch schon fast wie früher gewesen. Aber das war nur Schein. Es würde nie mehr werden wie früher, das wurde mir jetzt klar. Wenn ich doch nur das gleiche für ihn empfinden könnte, wie er für mich, dann wäre alles so viel leichter. Aber das Leben war nicht leicht, dass hatte ich schon oft genug erfahren.

  • Kapitel 20: Longhorn Saloon




    In dieser Nacht konnte ich kaum ein Auge zu tun. Ich musste ständig an Roland denken. Er war nun mal mein bester Freund und wenn ich es richtig betrachte, auch mein einziger wirklicher Freund. Klar kannte ich andere Leute hier in Sierra Simlone Stadt, aber das waren alles eher oberflächliche Bekanntschaften. Leute mit denen ich Billard spielen konnte, denen ich mich aber nie anvertrauen würde. Bei Benny hätte sich das fast geändert, doch mit ihm hatte ich es mir verscherzt und jetzt habe ich auch noch Roland vergrault. Es hatte keinen Sinn länger im Bett zu bleiben, als stand ich auf und machte mich betrübt auf den Weg in das Stadtzentrum.




    So früh morgens war kaum etwas los. Im Lebensmittelladen war ich die einzige Kundin. Die Einwohnerzahl meines neuen Heimatortes hatte sich in den letzten Wochen mehr als versechsfacht, daran konnte es also nicht liegen. Nur hatten die meisten Einwohner dieser Stadt eine Arbeit, der sie nachgehen mussten. Frustriert stopfte ich die billigsten Fischstäbchen in meinen Einkaufskorb und machte mich auf den Weg zur Kasse, als mein Blick auf das Infobrett fiel.




    Das Infobrett! Warum hatte ich bloß nicht früher daran gedacht. An diesem Brett befanden sich doch alle wichtigen Anzeigen, die Sierra Simlone Stadt betrafen. An diesem Brett habe ich meinen Mitbewohner gefunden, vielleicht würde sich da auch ein neuer Job finden. Und tatsächlich: "Longhorn Saloon sucht kompetente Bedienung". Das war vielleicht kein Traumjob, aber besser, als wenn mir zu Hause die Decke auf den Kopf fiel.




    Bei meinem ersten Anruf teilte mir die nette Bandansage mit, dass ich erst gegen Abend noch einmal anrufen sollte, also schlenderte ich nach Hause und stellte die Einkäufe ab und sortierte aus Langeweile alle Lebensmittel in der Küche nach Nährgehalt in absteigender Reihenfolge. Als Roland nach Hause kam, begrüßte er mich nur knapp und verschwand wieder in seinem Zimmer und da mir diese angespannte Atmosphäre überhaupt nicht gut tat, beschloss ich lieber wieder in die Stadt zu gehen. Und als ich dann erneut bei meinem potenziellen Arbeitgeber anrief, meldete sich auch jemand. "Ja, die Stelle ist noch frei", erklärte mir der Besitzer, Herr Longhorn. "Kommen sie am besten morgen Abend vorbei. Ich sage meinem Barchef Aron bescheid, der wird sie dann einweisen."







    Ich war zwar enttäuscht, dass ich erst morgen anfangen konnte, aber immerhin hatte ich nun etwas, auf das ich mich freuen konnte. Gleich nach Sonnenuntergang machte ich mich auf dem Weg zum neuen "Longhorn Saloon", der erst vor einem Monat geöffnet hatte und den alten, aber nun völlig überlasteten Saloon, ergänzte. Je näher ich dem Eingang kam, desto schneller wurde mein Puls, schließlich habe ich noch nie als Kellnerin gearbeitet. Aber das konnte auch nicht schwerer sein, als ein Forschungsteam zu leiten.




    Ich entdeckte sofort den blonden jungen Mann an der Bar und schloss aus Herrn Longhorns Beschreibung, dass dies Aron sein musste. "Hi, ich bin Oxana", stellte ich mich vor und setzte mich auf den Hocker direkt vor ihm. "Ich soll hier als Bedienung anfangen. Herr Longhorn sagte, du wüstes dann bescheid. Du bist doch Aron?", fragte ich verunsichert als er mich die ganze Zeit über nur stumm anstarte. Schließlich begann Aron zu lachen und nickte. "Ja, der bin ich. Dann werde ich dir erst einmal alles zeigen."




    Er führte mich zu einer Tür hinter dem Barbereich und wir betraten einen kleinen Raum, der sich als Büro entpuppte. "Hier kannst du deine Sachen lassen und dich umziehen". Aron zeigte auf einen Stapel Kleider, die in einer Kiste neben dem Schreibtisch lagen. "Such dir was Passendes heraus. Und wenn du fertig bist, dann komm wieder in den Gastraum und ich zeige dir die Bar und erkläre dir deine Aufgaben."







    "...die Whisky-Gläser sind in dem Schrank hier unten und die für den Brandy gleich daneben. Alle Getränke befinden sich hinten im Lagerhaus und sollte doch etwas fehlen, dann rufe ich gleich Herrn Longhorn an". Ich wiederholte fleißig alles, was Aron mir in einer knappen Stunde erklärt hatte. Und das scheinbar zu seiner Zufriedenheit, denn er nickte immerzu. "Dann weißt du ja bescheid. Ich lass dich dann hier allein, aber wenn etwas sein sollte, dann findest du mich hinten im Büro."




    Ich war wirklich erleichtert, dass Aron mit mir zufrieden war. Aber so schwer war es nicht. Und mir würde schon keiner den Kopf abreißen, wenn ich den Whisky im Brandyglas serviere. Schließlich kam es auf den Inhalt an. Und solange keine Kunden in Sicht waren, konnte ich das gleichmäßige befüllen der Gläser üben. Wenn ich schon das falsche Glas nahm, dann sollte es wenigstens gekonnt befüllt werden.




    Der Laden füllte sich allmählich immer mehr. Allerdings beschäftigten sich die Gäste eher mit Pokerspielen und dem Billardtisch, anstatt etwas zu trinken. Es war schon gemein, den anderen dabei zuzusehen, wie sie Spaß hatten und selber nur rumzustehen und nichts zu tun.




    Doch dann bekam ich endlich meine Kundschaft. Zwei Typen setzten sich an die Bar und bestellten beide einen Scotch. Eine einfache Bestellung ohne Extrawünsche. Genau das richtige zum Einstieg.




    Ich überflog die Alkoholika nach der richtigen Flasche und machte mich dann auf die Suche nach den entsprechenden Gläsern. Alles kein Problem, doch irgendwie verunsicherte mich plötzlich das offensichtliche Grinsen des blonden Typen, der mich dabei auch noch ständig musterte. Er tuschelte seinem Nachbarn etwas ins Ohr und dann begann auch der zu grinsen, auch wenn er sich bemühte mich dabei nicht so offensichtlich anzustarren, was ihm aber nicht sonderlich gut gelang.




    Hatte ich etwa irgendetwas im Gesicht kleben? Oder hatte ich aus versehen meine Arbeitskleidung verkehrt herum angezogen? Ich versuchte diese Gedanken abzuschütteln und den beiden einfach freundlich lächelnd ihre Drinks zu servieren. Danach konnte ich immer noch schnell auf der Toilette verschwinden und mein Aussehen überprüfen. Und als ich gerade dem blonden Kerl seinen Scotch brachte zwinkerte er mir zu und schob mir breit grinsend das Geld für den Drink, ein ordentliches Trinkgeld und einen Zettel mit seiner Nummer zu. "Ruf mich an, Kleines. Ich bin immer für dich bereit". Dann leerte er sein Glas mit einem Zug und verschwand mit seinem Kumpel, noch ehe ich mich gefasst hatte um darauf zu reagieren.




    Glücklicherweise blieb mir nicht viel Zeit darüber nachzudenken. Der Saloon war jeden Abend voller Gäste und die wollten bedient werden. Also eilte ich ständig zwischen den Pokertischen und der Bar hin und her, leitete die Bestellung an Aron weiter und brachte sie den Gästen an den Tisch. Und so war dieser unsägliche Vorfall schnell vergessen und die Nummer des unverschämten Typen landete noch am selben Abend im Müll.




    Und die Arbeit im Saloon gefiel mir sogar. Ich mochte es mich mit den verschiedensten Gästen zu unterhalten. Ich fand, dass ich meine Arbeit gut machte und Aron war auch super nett zu mir. Er brachte mir sogar bei, mit Gläsern zu jonglieren. "Das beeindruckt die Gäste immer ganz besonders", erklärte er mir lachend.