Blood on the Ice "Mein Baby" Forumspiel

  • Ich führe hiermit die Geschichte der Familie aus dem letzten beiden Forenspielen fort, deshalb bitte ich den kurzen Ausflug in die Vergangenheit zu entschuldigen, ich möchte versuchen die Handlung auch für frühere Leser plausibel erscheinen zu lassen. Wer wissen, will worum es ging findet die Geschichten hier und hier.
    Politisches, Geschichtliches sowie diverse Institutionen sind authentisch, ich nehme mir jedoch die Freiheit meine Figuren so reinzubiegen, wie es grad passt (;


    Hallo liebe „Unser Baby“ - Zuschauer!
    Wir freuen uns sehr, mal wieder ein paar bekannte Gesichter zu sehen - und auch so viele neue!



    Einige von euch kennen uns vielleicht noch aus Forenspielen wie „Liebesgeschichte“ und „Alleinerziehend“. Wer sich noch erinnern kann, weiß, daß wir schwere Zeiten durchgemacht haben und einige Schicksalsschläge verkraften mussten. An manchen Tagen bin ich mir selbst wie in einer Seifenoper vorgekommen und habe mich gefragt, was die Puppenspieler denn heute wieder grausiges für uns vorbereitet haben. Doch das soll diesmal anders sein, denn wir haben uns ein neues Leben aufgebaut.



    Wir sind zum Beispiel in dieses wunderbare Haus gezogen. Ein absoluter Traum moderner Architektur, direkt am Meer und umgeben von Vulkanfelsen. Links im Bild sieht man den Bungalow unserer Tochter Ashanti. Bungalow ist vielleicht übertrieben, es handelt sich um 2 mit einer Treppe verbundene Zimmer. Manche Bekannte sagen, das wäre zu viel des Guten für einen Teenager – ich bin froh um den Abstand. Ashanti ist nicht unbedingt die umgänglichste Person, und es gibt erheblich weniger Reibereien, wenn wir uns öfter aus dem Weg sind. Außerdem hat sie so mehr Platz für ihre Malerei und kann auch mit Ölfarben malen, ohne das Haus damit zu verpesten. Man kann sich darüber streiten, wie sinnvoll das als Erziehungsmaßnahme ist – unserem Hausfrieden ist es sehr zuträglich.


    Da, seht, sie liegt sogar grade am Pool.



    Wahrscheinlich nicht mehr sonderlich lange, denn für gewöhnlich kommt Ranjid, mein Mann, nachmittags nach Hause und versucht darauf zu achten, daß ihre Schularbeiten erledigt werden. Daß ich heute da bin, hat sie wahrscheinlich nicht mitbekommen, denn normalerweise verlasse ich das Haus schon bevor die beiden aufgestanden sind und komme erst spät abends nach Hause.



    Er jedoch arbeitet stundenweise in einem Tanzstudio ganz in der Nähe und ist, anders als ich, relativ viel für sie da. Zumindest wäre er es, wenn sie ihn lassen würde. Meist jedoch ist der Dank für seine Mühe beißender Spott.



    Ashanti macht ihrem Vater immer noch große Vorwürfe dafür, daß sie die meiste Zeit ihrer Kindheit ohne ihn auskommen musste. Als sie vier war, wurde er als ATF-Agent im Zuge des Kampfs gegen den Opiumkrieg einer Untergrundorganisation von Vang Pao nach Laos beordert. Ashanti und ich dachten jahrelang, wir würden ihn nie wieder sehen. Diese Zeit war sehr, sehr hart und hat uns alle drei auf unterschiedlichste Weise geprägt und traumatisiert.


    Ranjid hatte lange Zeit große Probleme, die Schrecken der asiatischen Drogenkriege zu verarbeiten.



    Nicht nur die brutale Gewalt, auch die soziale Problematik der Opiumbauern und letztentlich die völlige Desillusionierung durch die Entdeckung, daß Vang Pao durch die CIA protegiert wurde.
    Psychotherapie und verschiedenste Heilmethoden versickerten immer wieder wirkungslos im Schlick seiner Hoffungs- und Hilflosigkeit, bis er durch Zufall auf eine Tanztherapie stieß. Tanzen war das einzige, was ihm half, das Unaussprechliche auszudrücken, sich davon frei zu machen und dadurch wieder zu sich selbst zu finden und auch uns wieder Zugang zu gewähren.


    Es blieb nicht bei einer einfachen Tanztherapie, er entwickelte einen unglaublichen Ehrgeiz. Das neu gewonnene Lebensgefühl sowie die tiefsitzende Disziplin aus ATF-Zeiten ließen ihn schnell zu einem außergewöhnlichen Talent mit vielen Erfolgen werden.



    Hier sieht man ihn mit „Marissa“ arbeiten, die mit dem Titelsong zum kommenden Sims7 DER Shootingstar des Jahres werden soll, zumindest plant das ihre Plattenfirma.
    Er gehört heute zum Kreis der begehrtesten und besten Trainer, vorallem da er sich immer noch weigert, mehr als eine begrenzte Zahl an Trainingseinheiten zu geben.
    „Ich tanze, weil ich es kann und weil ich dadurch ein enormes Plus an Lebensqualität erfahre. Aber ich werde nie wieder einen Beruf so ausüben, als daß er mir mein Leben und meine Familie entreißen könnte. Tanzen ist ein großartiger Teil meines Lebens, aber es ist noch viel großartiger, wenn ich meine Kinder aufwachsen sehe.“


    Und das ist auch der Grund, warum wir jetzt hier sind.
    Denn nach all diesen Wirrungen möchten wir noch einmal ein Kind bekommen und diesmal zusammen erleben, wie es aufwächst. Als Teil unseres neuen Lebens.
    Wir haben uns diese Entscheidung lange und reichlich überlegt, und ja, man könnte sich fragen, ob das die richtige war. Ich bin nicht mehr die jüngste, unsere Tochter ist nicht einfach, und vor allem haben wir schon genug Schreckliches gesehen, das uns davon abhalten könnte, noch ein Kind in diese Welt zu setzen. Wir könnten sagen „gut, wir haben uns das angesehen. Und festgestellt, daß es schlimmer sein kann, als man sich vorstellt. Also lassen wir es, leben wir in dem Rahmen weiter und vergessen, wovon wir mal geträumt haben“. Aber einfach aufgeben? Die „Bösen“ im Endeffekt gewinnen lassen, uns vom Schicksal bestimmen lassen, und das, was wir uns vom Leben gewünscht haben, für den Rest des selbigen runterschlucken?
    Niemals. Denn wir haben es uns verdammt nochmal verdient.


    So meine Lieben, und jetzt entschuldigt uns bitte. Wir haben noch etwas nachzuholen....




    Hier gehts weiter:
    Aufgabe 2
    Aufgabe 3


    Referenzlinks:
    Forumspiel Liebesgeschichte - Forumspiel Alleinerziehend


    Tanztherapie
    http://www.btd-tanztherapie.de/Arbeitsfelder.html
    http://www.dgt-tanztherapie.de/index_fr.htm
    http://de.wikipedia.org/wiki/Tanztherapie


    Vang Pao
    http://www.sueddeutsche.de/politik/372/357199/text/


    Drogenkriege Laos / Vietnam
    http://www.kriegsreisende.de/relikte/apocalypse.htm
    http://www.eve-rave.net/abfahr…/eve-rave/politics113.pdf[


    ATF
    http://www.atf.gov/


    Sims 7
    http://www.simsforum.de/vbulletin/941034-post24.html


    Nachdem es Missverständnisse gab: Haus und Sims sind selbst gebastelt (bzw. im Fall der Tochter eben Nachkommen).

  • Was bisher geschah: Aufgabe 1


    Hallo liebe „Unser Baby“-Zuschauer! Schön, euch wieder begrüßen zu dürfen! Bei uns war am Wochenende einiges los, aber seht selbst!


    Mein Vater war am Samstag Vormittag vorbeigekommen, um mit mir über ein neues Überwachungssystem in den Wildcat-Filialen zu sprechen, mit dem er meine Firma beauftragen wollte. Ich arbeite im Vorstand einer Sicherheitsfirma, wir machen so ziemlich alles von Personenschutz über Gebäudeüberwachung bis hin zu diversen Detektivarbeiten, die ein Außenbüro verrichtete. Er erläuterte mir, was er sich so für sein Tattoo– und Piercing-Imperium vorstellte, während er die aufgewärmten Reste unseres Abendessens vom Vortag in sich hineinspachtelte und ich die Berge liegengebliebenen Geschirrs abspülte.


    „Also, Sandy, ich muss dir schon sagen, ich bin zwar ausgehungert, nachdem deine Mutter jetzt in Merkwürdighausen ihre alten Bridge-Freunde besucht, aber das hier, das würde ich nicht mal meiner Katze vorsetzen. Was ist das, Gewölle vom Uhu mit Rattenschnitzel?!“



    Ich schrubbte verbissen die eingetrockneten Reste einer Lasagne vom Mittwoch von einem Teller.
    „Das, Pete, ist vom Vietnamesen-Lieferservice in der Stadt. Und zumindest mein Mann und Ashanti haben es gestern Abend ohne Gemaule gegessen.“


    „Ja, kein Wunder.... wahrscheinlich waren sie froh, daß du überhaupt was essbares hergebracht hast.“ Er schob mit Todesverachtung den Teller von sich und schüttelte sich.


    Ich drückte mit der Spülbürste fester auf, erhöhte gestresst die Schrubb-Frequenz, um diesen verdammten Lasagneresten beizukommen und grummelte:
    „Du hast leicht reden, deine Frau hat nichts besseres zu tun, als dich zu bedienen und den Tag mit ausgefallenen Menüs zu verbringen, während ich bis um neun in der Firma war!“


    „Wenn du dein Leben nur noch bei Security Systems verbringst, musst du dich nicht wundern wenn's hier den Bach runtergeht – hast du überhaupt bemerkt, daß die Erdbeeren hier in der Schale nen Pelzmantel tragen? Und was schrubbst du da überhaupt so hysterisch? Sind das etwa die Lasagnereste von Mittwoch?! Also, wenn deine Mutter das wüsste...“ Er kicherte auf seine übliche, provokative Art in sich hinein.


    Ich warf zornig die Spülbürste und den Teller in die Spüle, woraufhin dieser zerbrach, und drehte mich wütend zu ihm um: „Ok, ok, ok!!! Dann geh doch bitte nach Hause! Nerv jemand anderen! Ruf doch Paul Boots an und kritisiere dessen Haushaltsführung! Ich hab's satt, daß sich hier jeder nur hinsetzt und rummeckert und blöd daherredet, aber keinen Handgriff tut! Leckt mich doch alle mal ganz gepflegt am *****! Mir reichts!“ Ich warf das Handtuch zu den Scherben in die Spüle und stapfte wütend aus der Küche. Soviel zum Thema Samstagvormittag zu Hause....


    Den Nachmittag verbrachte ich in meinem Arbeitszimmer am PC. Ashanti und ihre Freundin hatten die Erlaubnis bekommen, den Glastisch im vorderen Teil für die Arbeit an irgend einem Projekt zu nutzen, solange sie dabei leise waren.



    Während ich mich in die Zahlen für das erste Quartal des Jahres einarbeitete und versuchte, das Kichern hinter mir auszublenden, kam Ranjid in den Raum und versuchte Wochenend-Stimmung zu verbreiten:
    „Hey Schatz! Na, was hast du dich schon wieder in deiner Arbeit vergraben? Ich hab grad das Chaos in der Küche beseitigt – ist dir eigentlich aufgefallen, daß die Erdbeeren schimmelig waren?“


    „Grmpfh.“ Ich gab unverständliche Grunzlaute von mir und versuchte, meinen Verstand wieder auf die Excel-Tabelle vor mir zu lenken und somit die roten Wolken von heißer Wut aus meinem Kopf zu verdrängen.


    „Das darfst du nicht mehr machen, das ist schlecht für die Gesundheit, wenn die da so lang rumstehen.“
    Die Wolke zog sich dicht vor der Zahlentabelle zusammen und begann kleine Blitze zu schleudern.


    „Jedenfalls bin ich jetzt fertig und dachte mir, wir könnten mit den zwei Mädels auf den Jahrmarkt in die Stadt fahren und alle zusammen ein Eis essen! Du brauchst doch auch mal etwas Entspannung!“


    Die Zahlentabelle war nicht mehr zu sehen, nur noch ein leuchtendes Rot aus rasender Wut. Ich sprang auf.



    „Ich brauche also Entspannung?! Sehr schön Ranjid, super kombiniert! Dann pack dir doch bitte die Mädels und fahr mit ihnen auf deinen tollen Rummelplatz! Du hast es dir ja wirklich verdient, wenn du's schon mal geschafft hast, einmal einen gottverdammten Teller abzuspülen! Und nimm die zwei Kichererbsen bloß mit, denn außer Tratschen und mein Büro in ein Chaos zu verwandeln tun die ja sowieso nix! Dann kann ich vielleicht endlich, endlich in Ruhe arbeiten! Denn vielleicht ist es dir ja entgangen, aber einer von uns beiden muss das tun! Falls du es noch nicht bemerkt hast, in dieser Familie bin ich es, die das Geld mit heimbringt! Bei mir ist es nicht damit getan, ein bisschen mit dem Hintern zu wackeln und dann zu sagen: Oh nein, ich verbring lieber mehr Zeit mit meiner Familie – wenn ich heute aufhöre, Security Systems über Wasser zu halten, kannst du dir dein beschissenes Strandhaus und deine verzogene Tochter gleich abschminken!“


    Und zum zweiten Mal an diesem Tag warf ich meinen Stift hin und lief wütend aus dem Zimmer.


    Den Rest des angebrochenen Tages verbrachte ich auf der Dachterasse, ein Ort, wo mich keiner so schnell aufspüren würde. Doch weder mein Tee noch mein Buch konnten mich irgendwie ablenken oder beruhigen.



    Ich wusste ganz genau, daß ich überreagiert hatte und heute so ziemlich allen unrecht und weh getan hatte. Was ich nicht wusste, war, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte, in der ich mich jetzt befand, und von der keiner wusste.


    Als die Sonne am untergehen war, kam Ranjid zu mir hoch und setzte sich neben mich. „Na, wieder abgekühlt?“ „Mhm.“ „Sandy, was ist los? Dein Vater hat mir von deinem Auftritt heute morgen erzählt. Ich kenn dich lang genug, um zu wissen, daß hinter solchen bissigen Ausfällen meist irgendwas ganz anderes steht, was dich fertig macht.“ Er legte den Arm um mich, und ich kuschelte mich in seine Armbeuge.



    „Weißt du, ich hab mich schon seit Tagen irgendwie komisch gefühlt, und dann hab ich festgestellt, daß meine Regel eine Woche überfällig ist. Ich hab's erst auf den Stress geschoben, aber als ich heute morgen brechen musste...“


    Ich erzählte ihm die Vorgeschichte des heutigen Tages. Nachdem ich gebrochen hatte, wühlte ich hinter dem Handtuchregal einen Schwangerschaftstest vor, der neben einer Packung Xanax dort versteckt lag. Während ich auf das Testergebniss wartete, saß ich vor der Badewanne, ließ langsam meine Xanax unter der Zunge zergehen und betrachtete das Chaos um mich rum. Was war nur aus meinem wunderschönen schwarzweißen Callas-Bad geworden?



    Handtücher lagen neben schmutzigen Klamotten auf dem Boden, Ashantis Wäschekorb hatte es wieder nicht in die Waschküche geschafft und sie hatte mal wieder ihre Partyschuhe im Bad stehen lassen, obwohl sie wusste, wie sehr ich Schuhe im Bad hasste. Und das alles würde so bleiben, bis ich es aufräumen würde, keiner würde sich damit die Finger schmutzig machen. Weder meine Tochter, die ihre Wut auf meine Abwesenheit neuerdings mit einem fragwürdigen Freundeskreis zum Ausdruck brachte, noch mein Mann, der viel zu sehr damit beschäftigt war der Star in seiner Tanz-Szene zu sein.


    Als ich das positive Ergebnis des Tests in der Hand hielt, konnte ich nicht anders, als haltlos zu weinen. Wie sollte ich mich neben all dem noch um ein Baby kümmern können? Wie konnten wir nur so dumm sein – oder besser ich. Ich hatte die Verantwortung für schlichtweg alles in diesem Haus und auch noch in der Firma und brach unter der Last fast zusammen. Heiße Tränen strömten ungehindert über Gesicht, Hals und durchtränkten mein Schlafanzugoberteil, daran konnte auch das Xanax nichts ändern.



    „Und deshalb weiß ich einfach nicht mehr weiter. Verstehst du mich?“ schloss ich meine Erzählung.
    Als ich fertig war, fühlte ich mich unendlich erleichtert und befreit.
    Und dann begann Ranjid, mir zu erklären, wie sehr er sich freute. Wie sehr sie sich um mich kümmern würden, wie wunderbar alles werden könnte, daß mir schon lange eine Assistentin bei Security Systems zustehen würde, daß Ashanti öfter zu ihren Großeltern könnte und sowieso bald nicht mehr im Haus wäre, daß wir eine Putzhilfe für 3 Tage die Woche anstellen könnten und er Vollzeit arbeiten würde, was alles ausgleichen könnte....



    Er sprach lange, und irgendwann konnte ich es ihm sogar glauben. Und dann war schon viel weniger schlimm.


    Aufgabe 3

  • Entschuldigt bitte die lange Pause zwischen den Teilen. Ich habe im Moment ziemlich viel Arbeit und es dauert immer ewig bis mal was fertig fotografiert und geschrieben ist.


    Aufgabe 1
    Aufgabe 2


    Die Wildcats - Teil 3
    Hallo liebe Zuschauer! Schön euch auch heute wieder begrüßen zu dürfen. Bei uns war die vergangenen Tage sehr viel los und es gab einige Turbulenzen. Ich hoffe, euch gefällt die neue Episode. Also, dann lasst mich mal erzählen...



    Ich hatte gerade im Arbeitszimmer noch einige Unterlage zusammengesucht und wollte durch den Garten zum Auto und damit in die Firma, als mir Ashanti entgegenlief, wild drauf los plapperte und mich mit beängstigendem Enthusiasmus an der Hand wieder in Richtung Haus zerrte. „Mama, du musst unbedingt schnell mit ins Wohnzimmer kommen! Schau, ich weiß daß es zwischen uns in letzter Zeit nicht gut lief....“



    Ich versuchte mich los zu machen und sie zu bremsen „Ja Schatz, ist ja gut! Mir tut das ja auch leid aber ich hab grad so gar keine Zeit, ich muss mein Meeting für morgen...“ sie unterbrach mich wieder und sprudelte weiter: „Nein das ist echt wichtig hör mir doch mal zu, also es lief echt scheiße mit uns weil du doch eigentlich doch die meiste Zeit die Nummer von der total überarbeiteten und neurotischen Zicke abziehst“ „oha“, dachte ich mir da und runzelte die Stirn, „mein Kind weiß was neurotisch bedeutet... und das hört sich alles irgendwie so gar nicht mehr nach Sorry an“ „....und da dachte ich mir, ich mache dir eine Überrschung und - “ mit diesen Worten stieß sie die Tür auf. „ÜBERRASCHUNG!!! BABYPARTY!!!“


    Ich riss ungläubig die Augen auf – das konnte nicht ihr Ernst sein.



    Ich sollte auf dem Weg ins Büro sein um eine extrem wichtige Präsentation vor einem unserer größten Kunden fertig zu stellen und stand hier in meinem ehemals wunderschön modernen, jetzt kitschig-rosa dekorierten Wohnzimmer und sah der erwartungsvollen Menge meiner Verwandten ins Gesicht. Der Großteil bestand aus aus den Frauen aus Ranjids Familie. Da war seine Mutter und seine schon fast biblisch alte Großmutter, die mich lange Zeit leidenschaftlich gehasst hatten und erst in den letzten Jahren es geschafft hatten sich einigermaßen mit mir zu arrangieren oder es zumindest nicht mehr so offensichtlich zu zeigen. Ranjids Cousine Kajol, die erst Mitte Zwanzig war, einen ganzen Stall voll Kinder bekommen hatte - welche gerade mit klebrigem Wassereis meinen Teppich volltropften – und die fast so traditionsbewusst und verknöchert war wie die Oma. Es machte mir jedes mal Angst – als ich Ranjid kennengelernt hatte war sie gerade so alt wie meine Tochter heute ist und genauso modern und trotzig.


    Zu dieser drehte ich mich jetzt langsam um, doch sie schenkte mir nur ein teuflisches Grinsen und hüpfte fröhlich die Stufen runter zu dem Auto, das vor der Tür parkte und in dem offensichtlich einige ihrer neuen, weniger vertrauenserweckenden Freunde warteten. „Viel Spaß Mama! Ich hoffe du genießt deine Feier. Ich bin dann weg!“


    Ich wollte noch etwas erwidern, doch schon hatte mich meine eigene Mutter, die wie immer ein Hauch Chanel umschwebte, in den Raum gezogen. „Komm Schatz, amüsier' dich! Schau mal, wir haben Lauchpastetchen und Krabben! Und... komisch Indisches Essen. Sieht scharf aus.“
    Sie verzog den perfekt geschminkten Mund und rückte ihre klassiche YLS-Kostümjacke zurecht.


    Elaine war in ihrem Element. Als höhrere Tochter von Industriellen waren Krabben-Lauchpastetchen, Countryclubs, Bridgepartieen und solche Partys das, worin sie ihre Erfüllung fand, und das leider nur allzu selten, nachdem sie dem tätowierenden Pete vor 30 Jahren nach Merkwürdighausen gefolgt war.


    „Ja, ja, gleich! Ich muss in die Arbeit! Ich muss wenigstens anrufen daß jemand anders meinen Job erledigt!“ Ich riss mich los, unendlich genervt, und zog das Handy aus der Aktentasche und drückte die Kurzwahltaste für meinen Kollegen Phil.
    Doch ich hatte gerade zwei Sätze gesprochen, als mir Kajol das Handy aus der Hand riss, in den Weiten ihres Sahris versteckte und rief „Jetzt hör doch endlich mal auf dich so wichtig aufzuführen!“



    „Wir spielen jetzt das Namens-Spiel! Komm, setzt dich hin und zieh einen Zettel! Wir haben alles gut vorbereitet, das Kind soll ja diesmal endlich einen schönen traditionellen Namen erhalten!“ sie drehte sich um und schrie ihrer missratenen Brut in Ton, der unangenehm an eine Metallkreissäge erinnerte zu: „Kevin-Apporva, hör endlich auf Chudamani-Justin und Britta-Juha mit Lauchpasteten zu bewerfen!“


    „Ja, klar. Schöne, traditionelle Namen. Britta-Juha. Justin und Kevin. Noch ne Erinnerung an deine Teenagerzeit, in der die einzige Tradition die du kannstest das Rummgefummel zu Backstreetboys und N'Sync-Schnulzen auf dem Rücksitz deiner Typen war, und Ranjid und ich dein Alibi waren. Schönen Dank auch.“ grummelte ich düster in mich hinein.


    Ich fummelte unauffällig an meinem Blackberry, um Phil doch noch eine vollständige, nicht von durchgeknallten Indern beeinflusste Nachricht zukommen zu lassen, als ich hörte wie Ranjids Großmutter fröhlich verkündete, mein Kind würde entweder Ravi heißen oder – falls ich wieder eine unselige Tochter hervorbringen sollte – Padma.


    Während Ranjids Familie zustimmend jubelte, wurde es jetzt meinen Eltern zu bunt und sie begannen lautstark zu protestieren ,daß ihrem Enkel wieder so ein „komischer, orientalischer“ Name zuteil werden sollte und doch lieber die „anständigen Traditionen“ gewahrt werden sollten, immerhin wäre Elains Familie in Belladonnabucht sehr angesehen und würde dort schon lange die Geschäfte und Gesellschaft bestimmen.


    Meine seit Tagen andauernden Magenschmerzen erklommen ungeahnte Höhen. Warum konnte Ranjid nicht endlich auftauchen? Warum konnte ich nicht einfach alle umbringen??!!



    In diesem Moment spürte ich, wie Ranjids Schwester, Kajols Mutter ihre kühle Hand auf meine Schulter legte und mich langsam auf die Terrasse schob. Anders als ihre Tochter war sie die einzige, die sich von dieser Familie wirklich emanzipiert hatte. Sie war immer noch ohne Mann und das glücklich, hatte eine exklusive Boutique und war immer so herrlich gestylt, was ihre Familie jedesmal zur Weißglut brachte.


    Sie reichte mir eine Weißweinschorle und lächelte mir zu. „Da, ich glaub, das kannst du dir schon leisten. Ich dachte grad, dir explodiert entweder der Kopf oder du holst eine Kalaschnikov aus deiner Kostümjacke. Lass mich raten – machmal wünscht du dir sicher, sie würden dich wieder hassen, oder?“ Sie schwang sich in den gepolsterten Korbsessel und streckte die Füße in die laue Abendluft.


    Ich atmete tief durch und versuchte den beruhigenden Geruch, eine Mischung aus Meer, warmer Erde und dem schweren Duft der Blumen neben mir auf mich wirken zu lassen.


    „Weißt du, wenn ich mir das so genau überlege, bin ich mir da nicht sicher ob das alles nicht geheime Foltermethoden sind. Sie und meine Eltern – die tödliche Kombination“



    „Nein, ich glaube, sie mögen dich sehr. Und deine Eltern, die lieben dich wirklich.“


    Gerade als ich entgegnen wollte, daß bisher bei jedem Forumspiel nach der Beteuerung eines meiner Elternteile würde mich wirklich lieben immer irgend etwas schlimmes passiert war, kam ein Aufschrei aus dem Wohnzimmer, der sich verdächtig nach der steinalten Großmutter anhörte.


    Ich sprang auf und lief noch mit dem Glas in der Hand schnell ins Wohnzimmer zurück, und stand meiner Tochter gegenüber. Zumindest müsste sie das nach Alter, Größe und Gesichtsmerkmalen sein, denn ansonsten konnte ich nichts ähnliches mehr an dem einst weichen, lieblichen Mädchen ausmachen.


    „Hey Mum, das läuft hier ja ganz prima. Na, wie wird denn mein Brüderchen heißen? Vishnu oder gleich Luzifer? Ach übrigens, ich find die Farbe genial, du auch? “ Und fuhr sich spielerisch durch die Mähne, die sich von pechschwarz zu knallpink gewandelt hatte. Von ihrem Dominaoutfit will ich gar nicht erst anfangen.


    Ich holte Luft, auch um die Magenschmerzen zu verdrängen, aber der Raum wurde so luftleer. Es brannte wie Feuer, vom Magen bis in meine Kehle und in meinem Mund sammelte sich langsam mehr Speichel, als sich schlucken konnte. Ich hatte den Eindruck, als würde ein hell loderndes Feuer mich direkt in der Mitte teilen und auseinander brechen. Ich versuchte mich zu sammeln, holte tief Luft um den Schmerz wegzuschieben, wollte etwas sagen, doch die Nana kam mir dazwischen.



    Sie zeigte mir ihrem knochigen, braunen Finger auf mich und kreischte: „Trinkst du etwa Alkohol?! Du bist so verdorben! Du willst meinem Urenkel schaden, nachdem du schon das erste Kind durch deinen Einfluss zu einer Hure gemacht hast! Genauso wie du eine bist, mit den Tätowierungen und deiner Arbeit! Immer deine Arbeit, wer weiß was du da alles treibst! Kein Wunder, daß Ranjid nicht hier ist!“


    „Ich BIN hier!“ donnerte es aus Richtung der Tür. „Und jetzt raus hier, ALLE! AUGENBLICKLICH! Ashanti, auf dein Zimmer, SOFORT! Mutter, Nana – IHR ALLE – lasst euch hier nicht mehr blicken!
    Und nur damit das klar ist, unser Kind wird nach Sandys verstorbenen Bruder heißen.“


    Er hatte mir unter die Arme gegriffen um mich zu stützen und ich wollte ihm sagen, daß ich so froh war ihn endlich zu sehen, endlich jemand der dem Alptraum ein Ende bereiten würde, doch der Boden kam plötzlich immer näher.



    Der saure Geschmack wurde stärker und metallischer, das Zimmer noch heißer und ich übergab mich. Ich sah noch eine große, blutige Pfütze vor mir, bis alles schwarz wurde.


  • Hallo liebe Mein-Baby Zuschauer! Schön daß ihr immer noch dabei seit! Wir haben die letzten Wochen damit zugebracht unser Kinderzimmer herzurichten und unsere ältere Tochter zu bändigen.... aber, seht selbst!


    Die Nachmittagssonne tauchte unser ehemaliges Gästezimmer ein ein warmes, einladendes Licht und ließ die sonnengelbe Tapete zum letzten Mal strahlen, während ich eben jene mit Tapetenlöser einkleisterte.



    Ich hatte mich am Morgen in meine Arbeits-Latzhose geworfen und war mit dem festen Vorsatz meine schlechte Laune mit Renovieren zu vertreiben in das künftige Kinderzimmer gestiefelt. Kurz vorher hatte ich einen Anruf von Ashantis Klassenlehrerin erhalten. Sie war heute zum wiederholten Male nicht in der Schule aufgetaucht, was laut ihrer Lehrerin immer damit begründete ich wäre mit einer komplizierten Schwangerschaft überfordert und würde sie zwingen bei mir zu bleiben und Hausarbeit zu erledigen. „Naja“ grummelte ich in meine Farbrolle „dazu müsste ich Madame ja überhaupt erstmal wieder zu Gesicht bekommen. Das einzige was man von ihr sieht, sind die bunten Flecken die ihre nächtlichen Haarfärbeaktionen in der Acrylbadewanne hinterlassen.“


    Eine Stimme kam aus dem Flur und unterbrach mein Gemurmel „Na, schöne Frau, fleißig am werkeln? Glaubst du, daß ich dich so mitnehme?“
    „Ranjid!!“ Ich fiel ihn um den Hals und strahlte ihn an. „Du hast es also nicht vergessen?!“



    Er lachte. „Nein, natürlich nicht. Immerhin erinnerst du mich seit Wochen jeden Tag daran. Dusch mich schnell und zieh mich um, dann können wir fahren. Du kannst ja so bleiben.“
    Meine Augenbrauen zogen sich zusammen wie zwei kleine, haarige Raupen. „Ja, klar. Ich renne in meinem Spielanzug durch Möbelhäuser. Ich bin die letzten Monate nicht in Lumpen rumgelaufen und werde es jetzt mit Sicherheit nicht damit anfangen.“ Er grinste mich an. „Ja, sowas dachte ich mir schon. Aber es macht immer wieder Spaß dich damit aufzuziehen.“ Sein Blick wanderte von mir zu der Wand vor der ich stand. „Wann hast du eigentlich vor, unserer nervtötenden Familie zu stecken daß es doch kein Junge wird“ „Och, ich dachte, sie werden die subtilen Hinweise schon verstehen“ entgegnete ich und zeigte mit einem Nicken auf die rosa Hello Kitty Tapete hinter mir.


    Eine Stunde später hatte ich Ranjid in einen kleinen, versteckten Laden in der Altstadt geführt. Il piccolo Troppolino war ein sehr speziell und liebevoll gestaltetes Geschäft mit einem nicht besonders großen, aber sehr gut ausgesuchten Sortiment. Es gab so ziemlich alles rund ums Baby und Kleinkind. Ich war bereits vor einigen Monaten durch Zufall auf den Laden gestoßen und war jetzt dabei verschiedene Strampelanzüge, Schnuller, Spielzeug und was sich sonst noch so auf meiner Liste befand mit Ranjid ausgiebig zu beurteilen und danach mit wachsender Begeisterung vor der Kasse aufzustapeln.



    „Schau mal, diese Socken hier, sind die nicht toll? Die haben diese Gumminoppen unten. Und Enten sind da auch drauf!“ Er wedelte freudig mit den Socken unter meiner Nase rum. „Ja, die sind toll, vorallem wegen dem Boden! Aber ich glaube nicht daß das Enten sind, mir sieht das eher nach Mützen aus.“ „Oh, wir brauchen auch noch solche kleinen Mützen. Schau mal, schau mal!“ Ich deutete auf einen Stapel davon. „Da sind auch solche Enten drauf!“


    So ging es einige Zeit und irgendwann fragte ich Ranjid, warum wir bei unserem ersten Kind nie so viel Spaß und Freude am Einkaufen gehabt hatten. Er grinste. „Lass mich mal nachdenken. Du hast mich an einem Samstag Nachmittag durch einen völlig überfüllten IKEA geschleift in dem fast nur schwangere Frauen ihre willenlosen Zombimänner und Rotzbalgen am schreien waren und dazwischen immer wieder laut geschimpft daß es jetzt wohl zu spät wäre sich das mit dem Kind nochmal zu überlegen. Ja, ich glaube, das könnte der Grund sein, weshalb es einen Tick weniger harmonisch zuging als jetzt.“



    Ich rollte mit den Augen. „Ja, schon recht, ich war unausstehlich und grauenvoll. Komm jetzt, pack den Kindersitz noch mit ein und dann lass uns noch zu dem Möbelladen rüber fahren, es wird langsam spät.“


    Im Möbelhaus wurden wir nicht so schnell fündig wie in dem Laden zuvor. Es waren verschiedene Muster-Kinderzimmer aufgebaut, die durch halbhohe Wände voneinander getrennt waren. Wir hatten bereits einige Möbel zu Hause, jedoch fehlte uns unter anderem noch das Wichtigste: Ein Kinderbett. Wir streiften ziellos durch die Abteilung.



    „Schau mal das hier an, das ist ja schlimm. Wie kann man ein Kinderzimmer nur so lieblos gestalten? Und nur Lernspielzeug und keine einzige warme Farbe.“ Ranjid nickte zustimmend und deutete auf das daneben. „Das hier sieht nett aus, aber irgendwie ist das schon etwas sehr viel rosa.“ „Ja, und etwas sehr viel Prinzessin. Und davon haben wir jetzt schon eine zuviel.“ Wir schlenderten weiter, vorbei an einem Babyzimmer das mit seinem Bettsofa besonders erwachsen sein wollte und gerade, als ich darüber meinen Kommentar verlieren wollte, sah ich es. Ich lief aufgeregt darauf zu und rief zu Ranjid



    „Schau mal! Schau doch mal! Das hier ist fast genau das selbe wie Ashanti hatte. Oh Schatz, ich hab das Bett damals schon geliebt. Das ist es!“
    „Du hast Recht, es ist wirklich hübsch. Und es passt zu der Komode, die dir dein Vater bemalt hat. Komm, suchen wir uns einen Verkäufer.“


    Eine Woche später war es so weit: Das Gästezimmer hatte sich endgültig in das neue Kinderzimmer gewandelt. Die Grastapete war angebracht und am Wochenende hatten Ranjid und ein Arbeitskollege die neuen Möbel hochgetragen. Ich verbrachte den Tag damit Familienbilder aufzuhängen und meine Einkäufe der Vorwoche in die verschiedenen Schubladen zu deponieren.



    Ich war sehr zufrieden mit dem Ergebniss und so glücklich und voller Vorfreude, daß mich selbst die laute Musik, die aus Ashantis Bungalow kam, nicht stören konnte. Immerhin war sie zu Hause und hielt sich, wenn auch trotzig, an ihren Hausarrest.


    Ich kam gerade mit einem neuen Mobile aus der Garage, das der Paketdienst 2 Tage zuvor abgegeben hatte, als ich es sah. Auf dem Korbsofa saß Ashantis altes Lieblingsstofftier, ihr Hase Duni. Sie hatte ihn als Kind abgöttisch geliebt und nach Ranjids Weggang kaum mehr losgelassen. Die letzten Jahre saß der Hase immer auf einem Regalbrett neben ihrem Bett. Über dem Hasen hing ein neues Ölbild, unter dem Ashantis Name stand. Das erklärte also den Farbgeruch....



    Ich nahm den Hasen in die Hand und betrachtete das Bild. Und hoffte, daß der Frieden beständig war.


  • Aufgabe 5


    Ranjid stand im Obergeschoss von Ashantis Bungalow und seufzte. Es war natürlich einfach gewesen Sandy vollmundig und großartig Unterstützung zuzusichern. Und ja, sie hatten sich auch etwas am Riemen gerissen, aber jetzt.... Sandy war nicht mehr, wie in der letzten Folge, zu Hause.


    Stattdessen lag sie seit bereits 10 Tagen im Krankenhaus.



    Es hatte Komplikationen gegeben, die Fruchtblase war zu früh geplatzt und jetzt verbrachte seine Frau die letzten verbleibenden Tage bis zur Niederkunft im Krankenbett, während er und seine Tochter sich zu Hause alleine durchschlagen mussten. Er seufze noch ein mal, diesmal lauter und begann schmutzige Girly-Shirts in den Wäschekorb zu stopfen. Ashanti hatte die letzten Tage ein Praktikum in einer Galerie in der Stadt gemacht und stapfte jetzt die Treppe in ihr Schlafzimmer hoch, nach dem sie nach Hause gekommen war.


    "Kind! Wenn du das mit dieser Wäsche nicht bald auf die Reihe bekommst, werde ich wahnsinnig! Wie das deine Mutter bisher ausgehalten hat, ist mir schleierhaft! Wie wars in der Galerie?“



    „Toll, genauso wie letzte Woche auch. Papa, ich hab heute länger mit meiner Chefin gesprochen, und wir haben uns mal so drüber unterhalten, was ich eigentlich nach der Schule machen will.... Jedenfalls, mir hat die Arbeit da echt Spaß gemacht, weißt du, also nicht die Galerie an sich sondern halt alles drum rum...“ Ja, das kann ich mir vorstellen, immerhin malst du ja selbst schon so lange und hast keinen mit dem du dich austauschen kannst, außer deinem Großvater.“


    „Ja, und deshalb sind wir auf die Idee gekommen, daß ich doch auf diese Kunsthochschule gehen könnte. Da hat man echt Chancen, da malt man nicht nur sondern lernt auch echt sonst noch viel, lauter nützliches Zeug und so...“


    Sie blinzelte Ranjid schief von unten an und bohrte die spitze ihres Pumps in eine Fuge zwischen zwei Parkettbrettern. Ihm war klar, was der Blick zu bedeuten hatte.


    „Ashanti, schau mal, es reicht nicht nur mal zwei Wochen in einer Galerie zu jobben und mal ein nettes Kostüm zu tragen und sich die Haare zurückzustecken. Da muss mehr kommen, nach den letzten Monaten, wir können einfach nicht....“


    Das Klingeln des Telefons unterbrach ihn.
    „Ja, hallo? Oh Schatz! Rate mal wer grade vor mir steht und mich zum Besuch der Kunstakatdemie überreden will. Was? Ja, sie sieht ganz ordentlich aus, sogar Rock und Bluse und sowas.“
    Ashanti rollte genervt mit den Augen, so wie es nur Teenager vor ihren Eltern können.


    „Hmm nein, ihre Haare sind immer noch in einem weniger natürlichem Bonbonrosa. Aber es sieht nett aus, ja. Ich kann dir ja.... Schatz? Schatz?! Sandy??! Bist du noch dran??!!“ Er lauschte angestrengt in den Hörer, bis die hektischen Stimmen im Hintergrund von dem Amtszeichen abgelöst wurden.



    Alamiert klappte er das Telefon wieder zu. „Ashanti, komm, wir fahren sofort ins Krankenhaus. Irgendwas stimmt da ganz und gar nicht! Das hat sich schlecht angehört. Wir sprechen auf der Fahrt weiter.“


    Die beiden liefen so schnell wie möglich zum Auto und brausten in Richtung Innenstadt.


    Ranjid war furchtbar aufgewühlt und trotz der vorherigen Aussage absolut nicht mehr in der Stimmung irgendwelche Gespräche über Ashantis Wunsch weiterzuführen. Als sie nach einigen Minuten Schweigen im Wagen damit anfing, um die Stille zu vertreiben, drehte er sich gereizt zu ihr um und sah sie direkt an. „Himmel, kann das nicht warten? Hör doch endlich mit deiner Egozen...“ weiter kam er nicht. „PAPA!!! PASS AUF!!!“



    Doch Ashantis Rufe wurde von dem Geräusch von berstendem Glas und schreiendem Metall verschluckt.


    Er hatte den auf der falschen Seite heran nahenden Wagen erst viel zu spät gesehen.


    Ashanti starrte auf eine Tür.
    Seit mehr als drei Stunden bereits. Sie konnte genau sagen, welche Schrauben wo angebracht und welche Metallbolzen wo griffen. Die Tür war in den letzten Stunden zu ihrer größten Feindin geworden. Denn die Tür blieb geschlossen – für sie. Die Tür trennte sie von allem, was ihr lieb und teuer war. Diese Tür war der einzige Fixpunkt. Wann sie sich öffnete, wann sie sich schloss und was sie zu Tage beförderte.



    Tick. Tick. Tick. Tack.
    Das Geräusch des Sekundenzeigers; die Uhr gegenüber, die ein grausiges Eigenleben führte. Im einen Moment rannte sie, als würde alles vorgespult werden und Ashanti wünschte sich nichts mehr als daß sie endlich stehen bleiben würde. Im nächsten Moment blieb die Zeit stehen, die Sekunden troffen zäh und dickflüssig in Minuten und verklebte alle Gedanken und Gefühle.


    Und mit jeder Minute zog sich ihr Herz mehr zusammen, als würde ein Gummiband die Einsamkeit hineinschnüren. Sie fühlte sich unendlich verlassen und alleine.


    Die Santitäter hatten sie zum Krankenhaus mitgenommen, dort jedoch ohne weitere Informationen oder Anweisungen abgesetzt. Sie selbst war unverletzt, aber ihren Vater hatten sie auf eine Trage geschnallt und mitgenommen und dann in diese Maschinerie von Krankenhaus gesteckt, wo man nie wusste wo, wann und wie er wieder rauskommen würde oder was geschah. Wie ihre Mutter. „Haben Sie Geduld.“ „Warten sie doch bitte.“ „Wir können ihnen im Augenblick leider nicht helfen.“


    Nachdem sie einige Zeit verwirrt und verängstigt durch das Krankenhaus geirrt war, immer pendelnt zwischen der Notaufnahme und der Gynäkologie, hatte sie eine Schwester aufgelesen, in eine ruhigere Wartezone gesetzt und ihr versprochen sie auf dem laufenden zu halten.



    „Frau Wildcat? Ashanti?“ sprach eine leise Frauenstimme.
    Anscheinend war sie kurz eingenickt. Sie öffnete die klebrigen Augen, und sah das Stoffbündel, das die Schwester im Arm hielt. „Schauen Sie doch mal. Sie können leider noch nicht zu Ihren Eltern, aber ich glaube, ich habe noch ein Familienmitglied für Sie.“



    Die Schwester legte das Baby behutsam in ihren Arm.
    Es war ganz unglaublich. So erstaunlich winzig und weich und lebendig.



    „So, da bist du also. Scheint so, als wären wir übrig geblieben. Ich glaub, wir müssen gut aufeinander aufpassen.“

  • Es war das Wochenende vor Heiligabend. Draußen war es noch dunkel und es schneite bereits seit Stunden vor sich hin. Ich stand in der Küche und bereitete die letzten Kuchen für Weihnachten vor. Wie damals schon, waren die frühen Morgenstunden immer noch meine Zeit. Doch heute war ich nicht alleine. Ashanti war am Vorabend nach Hause gekommen um die Weihnachtsfeiertage mit uns zu verbringen.
    Sie stand neben mir mit einer großen Tasse Kaffee und erzählte mir das neueste von der Kunsthochschule.


    „Hast du meinem Vater eigentlich schon die großen Neuigkeiten erzählt?“
    „Nein.“ Ich schmunzelte. „Ich glaube, das erzählst du ihm lieber selbst. Du wirst Gegenargumente brauchen, wenn er diesen Pulli sieht.“


    „Haha, ja, schon recht. Er sollte sich lieber mal freuen....“ sie schlürfte weiter aus ihrem Kaffe.


    „Worüber freuen?“ Ranjid kam die Treppe aus dem Obergeschoss, Anna auf dem Arm. Er setzte sie auf dem Boden ab und umarmte Ashanti. „Also, erzählt, worüber soll ich mich freuen?“



    „Deine Tochter ist auch dieses Jahr die Beste im Jahrgang, darüber“ „Meine Tochter?“ er grinste und sah Anna an, die dabei war auf ihr Bobbycar zu klettern. „ICH, nicht sie. Tssst!“


    Ranjid begann sie wie üblich spöttisch zu mustern. Ashanti hatte ihren exzentrischen Kleidungstil sowie die Farbe für weniger natürliche Haarfarben behalten. Doch sie machte sich ganz gut damit. Im Augenblick fielen ihr die Haare in einem glänzend Violetten Vorhang über die Schultern, die in einem doch sehr zerfetzten Pullover steckten. Dazu gabs Röhrenjeans und offene Springerstiefel.


    „Daß sie dich überhaupt aufs Gelände lassen wundert mich ja jedes mal“ er lachte und duckte sich, als Ashanti ihn spielerisch boxte.


    Ihr Geplänkel wurde vom markerschütternden Schrei unterbrochen, wie ihn nur eine Katze von sich geben kann, der gerade eine 3 Jährige mit dem Bobbycar über den Schwanz gefahren war.



    „Ach Anna! Wie oft haben wir dir schon gesagt du sollst die Katzen nicht durchs Wohnzimmer jagen! Das sind Tiere und kein Spielzeug!“ Ich seufzte. Was hat Ranjid sie auch direkt neben das Ding gesetzt.... Ich zog die Katze zu mir um sie genauer zu untersuchen und hob Anna vom Roller, worauf hin sie natürlich sofort zu kreischen und weinen begann und wild um sich schlug.


    „Hey!“ kam es von Ashanti. „Wieso ist meine kleine Schwester so ungezogen? Das letzte Mal als ich hier war, warst du noch mein kleines Mädchen!“


    „Tja,“ antwortete ich trocken, verkniff mir aber ein Schmunzeln„Ich weiß auch nicht woher das kommt. Das letzte ist erst mit 14 so aufsässig geworden.“


    „Ach Mama, du wirst mir das noch ewig unter die Nase reiben, oder?“
    „Ja Schatz, ewig. Dafür sind Kinder ja da.“



    Ashanti ging in die Hocke und begann mit Anna zu spielen, wie immer wenn sie da war.



    Als wir am Nachmittag zu viert einen Spaziergang im Schnee unternahmen, waren beide wieder ein Herz und eine Seele, wie seit dem ersten Tag, an dem Ashanti Anna im Krankenhaus im Arm hatte. Ich glaube, es gibt nicht viele Geschwister, die sich so innig lieben. Ich beobachtete wie Anna Schnee auf Ashanti warf, drehte mich zu Ranjid, hackte mich unter, legte den Kopf auf seine Schulter und sagte:



    „Ich glaube, wenn es eine einzige Sache in unserem Leben gibt, die wir richtig gemacht haben, dann ist es das.“