Hallo ihr Lieben! Heute geht es weiter mit einer etwas längeren Fs, aber zuerst ein dickes Danke an Santine, Laurent, Thiara, donnibärchen, Wildkatze und keira!!
Caroline schleppt sich müde den Hügel hinauf. Er kommt ihr heute so hoch und steil vor wie der Mount Everest, und der Beutel mit den Ballettsachen ist so schwer, als wäre er mit Blei gefüllt, obwohl nur Ballettschuhe, ein Trikot und ein Handtuch darin sind.
Am liebsten würde ich mich zusammenringeln und auf der Stelle einschlafen, denkt Caroline. Wenn ich nicht noch diesen blöden französischen Aufsatz zu schreiben hätte! Ob Chrissy wohl zu Hause ist?
Wenn ich mich doch bloß einfach auf mein Bett legen könnte und keine Angst zu haben bräuchte, dass Chrissy hereinplatzt, mit den Türen knallt und ihr übliches Geschrei veranstaltet, denkt Caroline sehnsüchtig. Chrissy hat in den letzten zwei Wochen zwar nichts Schlimmes mehr angestellt, aber so ziemlich alles, was sie tut, geht Caroline furchtbar auf die Nerven. Vielleicht bin ich nur von der Tanzerei so gestresst und brauche jemanden, an dem ich mich abreagieren kann, denkt sie. Jetzt dauert es nicht mehr lange, bis sie zum allerersten Mal auf einer großen Bühne und vor zahlendem Publikum tanzen wird. In der Ballettschule schwirrt sogar das Gerücht herum, dass irgendein wichtiger Mensch vom San-Francisco-Ballett bei der Vorstellung nach jungen Talenten Ausschau halten will.
So, wie ich heute getanzt habe, übersieht er mich glatt, denkt Caroline trübe, und genau das hat ihre Ballettlehrerin ihr vor einer knappen Stunde klar gemacht.
„Du bist nicht richtig bei der Sache, Caroline“, hat sie ihr vor der ganzen Klasse erklärt. „Du tanzt dauernd aus der Reihe und bringst alles durcheinander.“ Nach dem Unterricht hat sie sich Caroline dann noch einmal allein vorgeknöpft. „Ich dachte, du schaffst es“, hat sie mit ihrer spitzen Stimme gesagt. „Aber jetzt bin ich nicht mehr so sicher. Du machst zu viele Fehler, Caroline. Du bist nicht mit dem Herzen dabei. Denk dran, ich habe eine Menge Schüler, die nur darauf warten, dass ein Platz in der Vorführtruppe frei wird!“
Was werden meine Eltern sagen, wenn sie mich rausschmeißt? denkt Caroline. Was soll ich meinen Freunden in der Schule erzählen? Sie haben mir schon alle versprochen, dass sie zur Aufführung kommen. Madame meint, ich nähme die Tänzerei nicht ernst genug. Dabei habe ich so hart gearbeitet!
Fünf Minuten Ruhe und Frieden sind alles, was ich brauche, denkt Caroline, als sie die Wohnungstür aufschließt.
Nur fünf Minuten…
Sie hat die Tür noch nicht zugemacht, als es schon durch den Flur schallt: „Caroline! Du musst mir unbedingt helfen!“
Caroline stößt einen ergebenen Seufzer aus. „Was ist denn, Chrissy?“
Chrissy hockt vor dem Schreibtisch, der unter dem Chaos von Büchern und Arbeitsheften und Blocks verschwindet. „Algebra!“ jammert sie. „Ich muss das hier morgen abliefern und hab nicht mal die Hälfte davon kapiert. So was haben wir zu Hause nie durchgenommen. Ich weiß echt nicht, wie ich das heute abend schaffen soll, ich wollte noch weg.“
„Schon wieder?“
„Ja, ins Kino.“
„Chrissy, du warst diese Woche schon dreimal im Kino“, stellt Caroline fest. „Wenn du so weiter machst, hast du bis Ende Oktober dein Taschengeld für das ganze Jahr verpulvert.“
Chrissy grinst matt. „Weiß ich – aber ich finde das alles so aufregend. Zu Hause in Danbury wechseln sie die Filme nur einmal im Monat, und meistens spielen sie ‚Bambi’ oder ‚Schneewittchen’ und so. Diese Woche habe ich drei brandneue Filme gesehen! Wenn ich das nach Hause schreibe, werden meine Brüder grün vor Neid.“
Chrissy hat sich so in Begeisterung geredet, dass Caroline sich plötzlich wie eine strenge alte Gouvernante vorkommt. Sie will gerade sagen, dass Algebra nicht leichter wird, wenn Chrissy jeden Abend ausgeht, aber sie schluckt ihre Bemerkung hinunter und zwingt sich zu einem Lächeln.
„Freut mich, dass du hier so viel Spaß hast. Weißt du noch, wie viel Angst du zuerst hattest, du würdest nicht hierher passen?“
Chrissy nickt. „Und dabei habe ich schon so viele neue Freunde gefunden. Und alle sind so nett zu mir“, schwärmt sie.
„Schön für dich, Chrissy“, meint Caroline halbherzig. Sie setzt sich aufs Couch und schließt einen Moment lang die Augen.
„Sag mal, stimmt was nicht?“ erkundigt sich Chrissy besorgt.
Caroline seufzt. „Nein, alles in Ordnung. Aber ich muss für morgen noch einen langen Aufsatz auf Französisch schreiben, außerdem noch Vokabeln lernen, und meine Ballettlehrerin hat mir gedroht, mich aus der Vorführtruppe raus zu werfen, weil ich zuwenig übe und so viele Fehler mache. Blöd, dass der Tag nur 24 Stunden hat.“
Chrissy senkt den Kopf. „Tut mir leid“, murmelt sie. „Da kann ich dich natürlich auch nicht mit meinem Problem belästigen. Naja, vielleicht kann Tracy mit bei Algebra helfen, oder George. Er ist ein As in Mathe, oder?“
Caroline nickt geistesabwesend. „Ach, da fällt mir noch was ein: Wir sollen uns die Spaghetti Bolognese in der Mikrowelle aufwärmen. Meine Eltern kommen erst spät vom Konzert zurück.“
„Oh, um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen“, meint Chrissy vergnügt. „Nach dem Kino wollen wir alle noch Pizza essen gehen.“