Beiträge von Nikita


    „Tony…“
    „Was?“
    Sie wandte ihr Gesicht in seine Richtung, wo sein Gesicht bald scharf, bald verschwommen vor ihren Augen auftauchte. „Das darf nie wieder passieren. Du musst mir dein Wort geben, dass es nie wieder geschieht.“



    „Bestimmt nicht“, versicherte er ihr und versuchte, ihre Hand zu fassen.
    „Du musst es versprechen.“ Chris fragte sich, warum sie darauf beharrte? Wie oft hatte Tony seine Versprechen schon gebrochen? Warum sollte es dieses Mal anders sein?
    „Ich verspreche es“, sagte er leichthin. „Du wirst schon sehen, Chris. Alles wird gut, Chris, solange ich nur sicher bin, dass du mich liebst.“



    Solange ich nur sicher bin, dass du mich liebst. Die Worte schlugen auf ihr Gehirn wie eine Reihe von Hammerschlägen, viel härter als die Fäuste ihres Mannes. Chris schrie auf und täuschte eine weitere Wehe vor. Lieber Gott, dachte sie, schloss die Augen, als tatsächlich eine kam, und versuchte, sich auf die nächste Schmerzattacke einzustellen, ihr nachzugeben und sich in ihrer hypnotischen Kraft zu verlieren. Bald würde sie Mutter dreier Kinder sein. Was hatte sie sich vorhin bloß überlegt? Wohin genau hatte sie vorgehabt zu gehen?



    Alles wird gut, versuchte sie sich einzureden, während Tony durch die Straßen von Mariemont raste. Das musste es auch. Denn ihr waren alle Möglichkeiten ausgegangen.


    Ich bin gespannt auf eure Kommentare :einschenk
    Liebste Grüße
    Eure Nikita


    „Oh Gott“, sagte Chris. „Mir wird schlecht.“ Sie drängte sich aus Tonys Umarmung, fiel vor der Toilette auf die Knie und übergab sich in die Schüssel. „Oh Gott“, stöhnte sie, als sie spürte, wie irgendetwas in ihr riss und ein Wasserschwall zwischen ihre Beine strömte. Nicht jetzt. Lieber Gott, nicht jetzt.
    „Was ist los? Was machst du, verdammt noch mal?“
    „Meine Fruchtblase ist geplatzt.“ Chris presste ihr Gesicht an die Kloschüssel, während ihr Körper von einer Reihe schmerzhafter Krämpfe geschüttelt wurde. Das konnte nicht wahr sein.



    „Das Baby ist erst in einem Monat fällig“, sagte Tony, als wollte er sie verbessern und sie warnen, keine Spielchen mit ihm zu spielen.
    „Es kommt aber jetzt“, heulte Chris und wünschte, sie wäre tot. Früher waren Frauen häufig bei der Geburt gestorben, dachte sie, als ihr Mann sie auf die Füße zog.
    „Halt durch, Chris. Keine Panik. Wir werden dich auf jeden Fall rechtzeitig ins Krankenhaus bringen.“
    „Ich kann mich nicht bewegen.“



    „Das sind bloß die Wehen, Baby. Darin bist du doch ein alter Profi.“ Er führte sie durchs Schlafzimmer zur Treppe. „Ein Schritt nach dem anderen, Liebling. Immer schön langsam.“
    „Ich kann das nicht“, schrie sie. „Ich kann nicht. Ich kann nicht.“
    „Natürlich kannst du. Natürlich kannst du. Nur immer schön langsam. Ich bin bei jedem Schritt des Weges bei dir.“
    „Oh Gott.“



    Irgendwie schaffte Tony es, sie die Treppe hinunter und auf die Straße zu führen. „Der Wagen steht gleich um die nächste Ecke“, sagte er, als wollte er andeuten, dass das Vehikel irgendwie von selbst dorthin gelangt war und nicht, weil er es absichtlich außer Sichtweite geparkt hatte, damit sie dachte, er sei weggefahren.
    Chris betrachtete die Vorderseite ihres mit Blut und Erbrochenem verdreckten Pullis, feuchte Haarsträhnen klebten schweißnass an ihrer Stirn, die Hosenbeine an ihren feuchten Schenkeln. Ich möchte sterben, dachte sie. „Ich schaffe es nicht“, sagte sie.
    „Das lasse ich nicht zu, Baby.“



    Als sie den Wagen erreicht hatten, krümmte Chris sich vor Würgekrämpfen. Bitte lass mich einfach sterben, dachte sie, während Tony sie vorsichtig auf den Beifahrersitz bugsierte.
    „Was wirst du denen im Krankenhaus erzählen?“, fragte er, sprang auf den Sitz neben ihr und ließ den Motor an. „Wenn sie wegen der Platzwunden und Blutergüsse fragen?“ Er fuhr an. „Ich denke, du kannst sagen, du wärst ausgerutscht, als du Wyatt gebadet hast, und mit dem Kinn auf den Wannenrand geschlagen. Dabei ist deine Lippe aufgeplatzt, und du kommst dir wirklich blöd vor. Irgendwas in der Richtung. Deine Wehen haben eingesetzt, die werden bestimmt nicht lange diskutieren.“


    Noch eine kurze und dann habt ihr es geschafft..


    „Er hat dich persönlich dorthin begleitet“, korrigierte Tony sie. „Er hat deinen Arm gefasst.“
    „Er wollte bloß nett sein.“
    „Vielleicht ein bisschen arg vertraulich, meinst du nicht?“
    „Es ist rein gar nichts passiert. Das hast du gesehen.“
    „Ich habe einen Mann gesehen, der einen Arm um meine Frau gelegt hat.“
    „Er hat bestenfalls meinen Ellbogen berührt.“ Chris hielt inne. Das war verrückt. Tony war dort gewesen. Er wusste genau, was passiert war. Warum verteidigte sie sich?
    „Was hat er zu dir gesagt, Chris? Was für Pläne habt ihr beide geschmiedet?“



    „Wir haben gar keine Pläne gemacht. Das ist doch albern.“
    „Hast du ihm deine Nummer zugesteckt? Hast du ihm erzählt, dass dein Mann geschäftlich außerhalb der Stadt zu tun hat?“
    Chris schüttelte wortlos den Kopf. Tony wollte keine Antworten, er wollte sie nur terrorisieren.
    „Ich hätte dem armen Kerl sagen sollen, dass er keine Chance hat“, fuhr Tony fort. „Nicht solange die Barbie-Puppe in der Nähe ist.“



    „Ich weiß nicht, wovon du redest.“ Chris versuchte, sich an Tony vorbei ins Schlafzimmer zu drängen, doch er streckte den Arm aus und versperrte ihr den Weg.
    „Wohin willst du, Chris? Hast du ein heißes Date?“
    Chris schüttelte den Kopf und spürte ein Pochen. „Ich habe Mrs. McGuinty versprochen, dass ich Wyatt um zwei Uhr abhole.“
    Panik flackerte in Tonys Gesicht auf. „Möchtest du dich nicht vorher frisch machen? Ich meine, du willst doch nicht, dass dich irgendjemand sieht, wenn du aussiehst, als wärst du gerade von einem Laster überfahren worden.“ Seine dunklen Augen verengten sich argwöhnisch. „Oder doch? Ist das Teil des Plans?“
    „Es gibt keinen Plan“, sagte Chris und fühlte mit der Zunge einen wackeligen Zahn.



    „Bist du da ganz sicher? Keine Anweisungen von einer deiner Freundinnen? Von der kleinen Vicki-Schlampe vielleicht? Ich habe gehört, wie du sie angerufen hast, Chris. Ich habe gehört, wie du gesagt hast, du müsstest sie dringend sprechen. Was sollte das denn?“
    „Ich wollte ihr bloß von Barbara berichten“, erklärte Chris und spürte ein Brennen auf ihrer geschwollenen Wange.
    „Ich habe aber nicht gehört, dass du irgendwas von der Barbie-Puppe gesagt hast. Ich habe nur gehört, wie du etwas über Möglichkeiten gesagt hast.“
    „Nein.“



    „Über was für Möglichkeiten wolltest du denn sprechen, Liebling?“
    „Ich weiß es nicht“, antwortete Chris wahrheitsgemäß. Welche Möglichkeiten konnte sie gemeint haben? Was für Möglichkeiten hatte sie schon?
    „Du würdest doch nicht darüber nachdenken, mich zu verlassen, oder?“
    Tränen schossen in Chris’ Augen, kullerten ihre Wangen hinab und vermischten sich auf den Lippen mit ihrem Blut.
    „Weil ich es, glaube ich, nicht ertragen könnte, wenn du mich verlassen würdest, Chris. Ohne dich würde ich verrückt werden. Ich würde nicht mehr leben wollen.“
    Chris schmeckte das Salz ihrer Tränen in dem getrockneten Blut um ihren Mund.



    Tony tastete sich zentimeterweise vor. „Ich liebe dich, Chrissy. Bitte sag mir, dass du das weißt.“
    „Das weiß ich“, flüsterte Chris.
    „Du weißt doch, dass ich dir niemals wehtun wollte.“
    Chris nickte wortlos.
    „Es ist der ganze Druck, unter dem ich stehe, neue Kunden aufzutreiben und gleichzeitig den Kopf über Wasser zu halten. Die Bank hat den Darlehensantrag abgelehnt.“
    „Was?“



    „Ich habe es dir nicht erzählt, weil ich dich nicht beunruhigen wollte.“
    „Sie haben den Darlehensantrag abgelehnt?“
    „Ich wollte nicht, dass du dir deswegen Sorgen machst, Chris. Das wird schon wieder. Alles wird gut, solange wir beide zusammen sind, solange ich weiß, dass du bei mir bist, dass ich auf dich zählen kann. Es ist nur, dass du mich manchmal verrückt machen kannst. Ich will dir vertrauen, aber ich kann es nicht. Weil du mich nicht lässt. Und das macht mich verrückt, weil ich dich so sehr liebe.“



    Er streckte die Arme aus, zog sie in einer erdrückenden Umarmung an sich und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. „Sag mir, dass du mich liebst, Chris. Sag mir, dass du mich genauso sehr liebst wie ich dich.“
    „Tony, bitte…“
    „Ich muss die Worte hören, Chris. Ich muss hören, wie du sie sagst.“
    „Ich…“ Chris versuchte die Worte hervorzupressen, doch sie klebten störrisch an einem kleinen Klumpen getrockneten Blutes und wollten einfach nicht fallen.
    „Lass mich nicht darum betteln, Chris. Bitte lass mich nicht darum betteln.“ Er betatschte sie von hinten und leckte mit der Zunge über ihr Ohrläppchen.


    Die nächste Fs kommt .... jetzt


    „Waren wir uns nicht einig, dass du nicht mit Barbara ins Krankenhaus gehst?“, fragte Tony, der die Sache offenbar nicht auf sich beruhen lassen konnte. „Hattest du das nicht entschieden?“
    „Du hast es entschieden.“
    „Und du warst einverstanden. Oder nicht?“
    „Ja.“ Welchen Zweck hatte es, etwas anderes zu sagen?
    „Aber du hast gelogen.“
    „Ich habe nicht…“ Chris hielt inne. „Es war keine Absicht.“
    „Du tust nie etwas mit Absicht“, sagte Tony kopfschüttelnd.
    „Du hast auch gelogen“, hörte Chris sich sagen, die Worte waren aus ihrem Mund, bevor sie sie zurückhalten konnte.
    „Was?“



    „Du hast gesagt, du wärst geschäftlich unterwegs. Warum hast du das getan?“ Chris merkte, dass sie ernsthaft neugierig war.
    Tony lehnte sich an den Türrahmen und versperrte den Durchgang zwischen Bad und Schlafzimmer. „Ich hatte so einen Verdacht. Ich dachte, ich überprüfe das besser mal.“
    „Was für einen Verdacht?“
    „Was glaubst du wohl?“
    „Über mich? Warum? Was habe ich getan, dich misstrauisch zu machen?“
    „Oh, ich weiß nicht. Wie wär’s damit, dass du deine Kinder vernachlässigst, um dich mit deinen Freundinnen herumzutreiben?“



    „Ich vernachlässige meine Kinder nicht. Montana ist in der Schule“, sagte Chris in dem Versuch, ein bisschen Logik in die Verhandlung zu bringen, „und ich habe Wyatt nur ein paar Stunden bei Mrs. McGuinty gelassen, damit ich bei Barbara im Krankenhaus sein konnte. Das würde ich wohl kaum Herumtreiben nennen. Warte.“ Chris hielt inne und versuchte, den Gesprächsverlauf zu rekonstruieren. „Woher wusstest du, dass ich im Krankenhaus war?“
    „Was?“



    „Du hast gesagt, ich hätte wegen meines Besuches im Krankenhaus gelogen. Woher wusstest du, dass ich dort war?“
    Ein Lächeln huschte über Tonys Gesicht und nistete sich um seine Augen und seinen Mund ein, doch er sagte nichts.
    „Du bist mir gefolgt?“, fragte Chris, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
    „Ich habe gesehen, wie du mit der Barbie-Puppe in ein Taxi gestiegen bist und dem Taxifahrer schöne Augen gemacht hast. Ein Schwarzer, stimmt’s? Die sollen ja angeblich sehr gut ausgestattet sein…“



    „Tony, Herrgott noch mal.“ Chris spürte in der Magengrube, wie Tonys Wut wieder aufflammte. Das war das Muster, nach dem diese Szenen jedes Mal abliefen. Wut. Gewalt. Reue. Aus liebevollen Worten wurden falsche Anschuldigungen, bis plötzlich alles ihre Schuld war. Ihre Schuld, dass sie in seine Faust gerannt, über seine Füße gestolpert und mit Blutergüssen übersät war.
    „Es ist wieder dieselbe alte Geschichte“, sagte Tony. „Deine Freundinnen sind dir wichtiger als deine Familie. Susan und Vicki bedeuten dir mehr als deine Kinder. Und diese Barbara ist die Schlimmste. Sie braucht nur anzurufen, und schon springst du. Was läuft da eigentlich zwischen euch beiden? Irgendwas, was du mir vielleicht erzählen willst?“
    „Sie hatte Angst, Tony. Angst vor der Operation. Angst davor, dass sie keine Kinder mehr haben kann.“



    „Und da hast du angeboten, ihr eins von deinen zu geben.“
    Chris stockte der Atem, und sie taumelte gegen das Waschbecken, als die Worte sie mit derselben Wucht trafen wie zuvor seine Faust. Ihr Instinkt war also doch richtig gewesen. Er war im selben Flur mit ihnen gewesen, direkt vor ihren Augen. Sie versuchte, sich das Bild des geschäftigen Krankenhausflures vor Augen zu rufen, sah zielstrebig auf und ab laufende Menschen, Patienten mit Infusionsständern, sich beratende Ärzte, vorbeieilende Schwestern, ein Pfleger, der sich über eine Reihe von Krankenblättern beugte, einen Mann, der am Ende des Flures den Boden wischte, einen anderen Mann, der sich inter einer alten Zeitschrift verbarg, Besucher, die die Patientenzimmer betraten und wieder verließen. Welcher von ihnen war er gewesen? Wie lange hatte er sie beobachtet?



    „So ist es, Chrissy“, sagte Tony, als hätte er sie gehört. „Ich war da. Ich habe jedes Wort gehört, das du gesagt hast. Ich habe gehört, wie du angeboten hast, ihr dein Baby zu schenken.“
    „Das war nur ein Witz“, flüsterte Chris und spürte, wie ihre Hände zitterten.
    „Ja, du hast dich prächtig amüsiert, was, Baby? Hast mit der Barbie-Puppe gescherzt und gelacht. Und was ist mit dem gut aussehenden Arzt, mit dem ich dich habe schmusen sehen?“
    „Was?“



    „Du hast doch nicht gedacht, dass ich das nicht mitgekriegt hätte, oder? Ich habe euch beide gesehen, ihr habt ja im Flur ein richtiges kleines Schauspiel aufgeführt.“
    Chris versuchte angestrengt sich zu erinnern, wovon ihr Mann sprach. Mit welchem Arzt hatte sie geschmust? „Ich weiß nicht –“
    „Komm schon, Chris. Ein nett aussehender Bursche. Sehr groß, so wie du es magst.“
    Der junge Arzt fiel ihr wieder ein. „Tony, er hat mir bloß den Weg zur Toilette gezeigt.“


    Es geht immer noch weiter ;-)


    „Es ist okay, Baby“, sagte Tony mit einem leeren Glas in der Hand. „Jetzt wird alles gut. Alles wird gut. Du hattest bloß einen kleinen Unfall.“
    „Einen Unfall?“
    „Du weißt, dass ich das nicht wollte, Liebling. Du weißt, dass ich nie etwas tun würde, was dir oder dem Baby wehtun könnte.“
    Seine Hände waren auf ihrem ganzen Körper. Auf ihrem Gesicht. In ihren Haaren. Auf ihrem Bauch.
    Chris versuchte die Hände wegzuschieben, doch sie kamen immer wieder zurück, als ob sie blind in ein Spinnennetz gestolpert wäre. „Rühr mich nicht an.“



    „Oh bitte, Baby. Sei doch nicht so. Ich will dir bloß helfen, Liebling. Du weißt doch, dass ich dir nicht wehtun wollte.“
    „Du hast mich geschlagen, Tony.“ Chris rappelte sich auf die Füße und stand auf schwankenden Beinen. „Du hast mich bewusstlos geschlagen.“
    „Es war ein Unfall. Das weißt du.“



    Chris taumelte ins Bad und starrte ihr zerschundenes Gesicht im Spiegel über dem Waschbecken an. Tony war direkt hinter ihr, sein Gesicht schwebte in dem Glas über ihrem. Wer bist du?, fragte Chris die ängstliche Frau, die ihr entgegenstarrte. Wer ist diese arme verlorene Seele?



    Du kommst mir vage bekannt vor, rief ein Augenpaar dem anderen über einem aufgeschürften, verfärbten Kiefer und aufgeplatzten, geschwollenen Lippen zu, von denen Blut auf den Kragen ihres Pullovers tropfte, wie das Wasser aus ihren Haaren, das Tony ihr über den Kopf geschüttet hatte. Was ist mit dir passiert? Was ist mit dem kleinen lebhaften Mädchen geschehen, das ihren großen Bruder durchs Haus gejagt, ihn regelmäßig erwischt und zu Boden gerungen hat? Wohin war es verschwunden? „Oh Gott. Wie konntest du das tun? Du hast mir versprochen, dass es nie wieder passieren würde.“



    „Wie oft muss ich dir noch sagen, dass es ein Unfall war?“ Die Sorge in Tonys Stimme schlug unvermittelt in neue Wut um. „Wenn du mich nicht angelogen hättest, wäre es nie passiert.“
    „Dich angelogen?“, fragte Chris ungläubig zurück. Wovon redete Tony? „Wann habe ich dich angelogen?“
    „Über deinen Besuch im Krankenhaus.“
    „Ich habe dich nie belogen.“



    „Du hast gesagt, du würdest nicht gehen.“
    „Du hast gesagt, du hättest außerhalb zu tun.“
    „Welchen Unterschied macht das?
    „Du warst nicht hier“, argumentierte Chris und versuchte, sich umzudrehen und dem beengten Badezimmer zu entkommen. „Ich wusste nicht, was dagegen spricht.“



    „Du wusstest nicht, was dagegen spricht?“ Er drehte sie grob wieder zum Spiegel und zwang sie, ihr geschwollenes Gesicht zu betrachten. „Sieh dich an! Weißt du es jetzt? Weißt du es?“
    „Tony, bitte“, wimmerte Chris. „Beim letzten Mal hast du versprochen, dass du mich nicht mehr schlagen würdest.“



    Sofort ließ Tony seine Hände sinken und begann, vor der Badezimmertür auf und ab zu laufen. „Warum treibst du mich dazu, so etwas zu tun? Du weißt doch, dass ich dir nicht wehtun will. Warum kannst du es nicht einfach gut sein lassen?“
    Chris sagte nichts, sondern ließ kaltes Wasser laufen, drückte einen feuchten Waschlappen auf ihre Lippen und versuchte, Blutspuren aus den Poren ihrer Haut zu entfernen.


    Die nächste Fs folgt sogleich :-)

    Hallo ihr alle,
    erstmal Sorry, dass ich nicht früher weiter gemacht habe! Aber letzte Woche haben die Ferien angefangen und da war ich die meiste Zeit unterwegs. Dafür gehts heute mit einer superlangen Fortsetzung weiter ;-)
    Ein riesengroßes Danke noch an Timoha, Simplayer_w, Thiara, DawnAngel, Smeagol und Moorvampana und dann erfahrt ihr wie es Chris geht:



    Irgendjemand lachte.
    Vielleicht brüllte er auch. Ihren Namen. Chris versuchte, den Kopf zu wenden, doch ein stechender Schmerz warnte sie vor jeder weiteren Bewegung. Sie öffnete den Mund, versuchte zu sprechen, hörte jedoch nur ein leises, abgerissenes Wimmern. Irgendjemand hat fürchterliche Probleme, dachte sie und fragte sich, warum sie nicht erkennen konnte, wer es war. „Chris!“, hörte sie aus der Ferne rufen, während jemand an ihren Armen zerrte, als wäre sie eine Stoffpuppe. „Chris, mach die Augen auf. Ich weiß, dass du mich hören kannst. Bitte, Baby. Es tut mir so Leid. Du weißt, dass ich das nicht wollte. Bitte, Chris, mach die Augen auf. Hör mit den Spielchen auf.“



    Hör mit den Spielchen auf?, wiederholte sie stumm, während fremde Hände an ihr herumzupften, ihre Schultern richteten und sanft ihre Wangen tätschelten. Was machte sie? Was für Spielchen spielte sie? Warum tat ihr Kopf weh? Warum sah sie nichts?
    „Bitte, Chrissy, mach die Augen auf“, flehte die Stimme.
    Sie klang zusehends verzweifelter, und Chris wollte ihr auch gehorchen, doch ihre Augen verweigerten jede Kooperation. Chris sah nur Dunkelheit. Es musste ihr Bruder sein. Er hatte sie wieder in der alten Truhe eingeschlossen, saß triumphierend auf den Deckel und wollte sie nicht herauslassen. Lass mich hier raus!, brüllte Chris, doch kein Laut drang zwischen ihren geschwollenen Lippen hervor.



    Was ist hier los?, fragte Chris sich, tastete behutsam über ihren Mund und spürte etwas Klebriges an ihren Fingern.
    Gerry, lass mich sofort hier raus!, brüllte sie und schlug in die Luft. Wenn ich hier rauskomme, wird es dir Leid tun. Es wird dir sehr Leid tun.
    „Es tut mir Leid, Chris“, sagte irgendjemand. „Es tut mir so Leid.“



    Was war los? Warum konnte sie ihre Augen nicht öffnen? Warum tat ihre Schulter weh und warum pochte ihr Kiefer? Hatte sie einen Unfall gehabt? War sie gefallen und hatte sich den Kopf aufgeschlagen? War sie angefahren worden? Denk nach!, sagte sie sich und versuchte die Gedanken zu bündeln, die wie wild durch ihren Kopf schossen. Versuche zu rekonstruieren, was passiert ist. Versuche, es zusammenzusetzen, wiederholte sie. Ihr Kopf rollte zur Seite, ihre Augen öffneten sich blinzelnd, sahen nichts und verdrehten sich wieder nach innen.
    „Werd mir nicht wieder ohnmächtig, Chris“, flehte die Stimme panisch.



    Sie spürte einen heftigen Tritt in ihrem Bauch und gleich einen weiteren. Von innen, wie sie mit wachsendem Entsetzen erkannte. Irgendwie war irgendjemand in ihren Körper eingedrungen und prügelte von innen auf sie ein. Chris versuchte, sich aufzurappeln, wegzulaufen, zu entkommen, doch ihre Knöchel zuckten nur kurz, und ihre Beine gingen nirgendwohin.
    Helft mir!, rief sie einer Gruppe von Frauen zu, die sie aus dem Schatten beobachteten. Tut irgendetwas. Holt mich hier raus. Sagt mir, was los ist.



    Die größte der schattenhaften Gestalten trat vor. Er verfolgt deine Periode?, fragte Susan, und ihr rundes Gesicht tauchte aus dem Dunkel.
    Barbara war sofort an ihrer Seite. Vielleicht solltest du besser nach Hause gehen. Man wird mich jeden Moment hereinrufen. Es gibt keinen Grund, dass du bleibst.
    Du hast mich angerufen?, fragte Vicki und drängte sich vor die anderen beiden.
    Ja, ich habe angerufen, antwortete Chris im Kopf und versuchte angestrengt sich zu erinnern, warum.



    Sie war im Krankenhaus gewesen. Mit Barbara. Ohne Tony. Oh Gott. Barbara hatte irgendeine Operation gehabt, und sie war zur moralischen Unterstützung mitgekommen. Tony geschäftlich unterwegs. Oh Gott. Die Tritte des Babys. Unwohlsein. Nach Hause kommen. Tony geschäftlich unterwegs. Oh Gott. Kein Wagen in der Einfahrt. Montana in der Schule. Wyatt bei Mrs. McGuinty. Das Haus leer. Der Anruf bei Vicki. Ich muss meine Möglichkeiten kennen. Tonys Spiegelbild in der Fensterscheibe. Oh Gott. Leg den Hörer auf, Chris. Oh Gott. Was ist los, Chris? Freust du dich nicht, deinen Mann zu sehen?
    Oh Gott. Oh Gott. Oh Gott.



    „Wach auf, Chris. Bitte, Liebling, mach die Augen auf. Verdammt noch mal, Chris!“
    Chris sah Tonys Faust auf sich zufliegen und wappnete sich gegen den Aufschlag der Fingerknöchel auf ihrem Kiefer, sodass sie überrascht war, als sie stattdessen kaltes Wasser auf ihrer Haut spürte, das in ihre Nasenlöcher und ihren Mund sickerte. Sie riss die Augen auf und tauchte ganz an die Oberfläche. „Was ist los?“, rief sie und spürte, wie das Baby in ihr versuchte, sie zum Aufstehen zu bewegen.


    Fortsetzung kommt sofort...


    Paul ließ den Kopf auf seine breite Brust sinken, als wäre er von einem Schuss getroffen worden, und verharrte etliche Minuten so, während Vicki das abgerissene Auf und Ab seiner Schultern beobachtete, um sich zu vergewissern, dass er noch atmete. Schließlich drehte er sich ohne ein weiteres Wort oder auch nur einen Blick in ihre Richtung auf dem Absatz um und marschierte aus dem Zimmer.



    „Alles in Ordnung?“, fragte Michelle ängstlich von der Tür, als er gegangen war.
    „Rufen Sie Adrienne Sellers an und verbinden Sie mich mit ihr“, wies Vicki ihre Sekretärin an, ohne auf ihre Frage einzugehen. „Oh, und hatten Sie inzwischen bei Chris Erfolg?“
    „Immer noch besetzt.“



    Michelle ging wieder hinaus, und Vicki sah ihr kopfschüttelnd nach. Mit wem konnte Chris denn die ganze Zeit quatschen, verdammt noch mal?
    „Ich habe Adrienne Sellers auf Leitung eins für Sie“, informierte Michelle sie kurz darauf.



    „Adrienne“, sagte Vicki, straffte in einem plötzlichen Adrenalinschub die Schultern und reckte den Kopf. „Ich glaube, dass ich möglicherweise gute Nachrichten für dich habe. Sieht so aus, als würden wir uns vielleicht doch außergerichtlich einigen.“ Dann atmete sie tief ein, schloss die Augen und lachte laut.


    So, das wars für heute!
    Beim nächsten Mal erfahrt ihr dann wie es Chris geht!
    Liebe Grüße
    Eure Nikita :kiss


    „Mach deiner Schwester ein Angebot, Paul. Lass diesen Fall nicht vor Gericht gehen.“
    „Was willst du mir damit sagen? Dass du die geheimnisvolle Geliebte aus Dayton gefunden oder die Phantombabysitterin aufgetrieben hast?“ Er lachte, doch es klang gezwungen, hohl und ängstlich.
    „Besprich die Sache mit deiner Frau“, riet Vicki ihm kryptisch. „Und setz dich dann wieder mit mir in Verbindung.“ Sie senkte den Blick, als wollte sie andeuten, dass das Gespräch beendet war.



    „Was soll das heißen, ich soll die Sache mit meiner Frau besprechen? Sie hat rein gar nichts damit zu tun.“
    „Joanne hat eine ganze Menge damit zu tun“, sagte Vicki gemessen und sah Paul Moore direkt an. „Wenn die Sache vor Gericht geht, muss ich sie in den Zeugenstand rufen.“
    „Wovon redest du überhaupt? Welche Lügen hat Adrienne dir über meine Frau erzählt? Sag mir nicht, dass sie meinen Vater beschuldigt hat, Joanne belästigt zu haben!“
    „Nein“, sagte Vicki. „Ich glaube nicht, dass Adrienne eine Ahnung davon hat, was zwischen deinem Vater und Joanne geschehen ist.“



    Für einen Moment erschien Vicki die Luft so schwer und still, dass sie glaubte, unter Wasser zu stehen. Nichts rührte sich, man hörte keinen Laut, keinen Atem. Dann sprang Paul unvermittelt auf, und der Raum um sie schien sich taumelnd zu drehen, als ob jemand einen Stecker gezogen hätte und sie in einen gigantischen Strudel gerissen würde. Vicki packte mit beiden Händen die Tischplatte und hielt sich fest, damit die wütenden Blitze, die aus seinen Augen zuckten, sie nicht davonfegten.



    „Mein Vater und Joanne! Was für ein kranker Witz soll das werden?“
    „Es ist vor sehr langer Zeit passiert, kurz nach eurer Hochzeit. Offenbar hatte dein Vater dich in einer geschäftlichen Angelegenheit aus der Stadt beordert.“
    „Ist in meiner Abwesenheit irgendetwas vorgefallen?“
    „Dein Vater ist in eurer Wohnung aufgekreuzt und hat versucht, sich deiner Frau gewaltsam aufzudrängen. Sie konnte ihn abwehren, aber nur knapp und mit größter Mühe. Dass sie nach dem Zwischenfall ziemlich erschüttert war, versteht sich wohl von selbst.“
    „Du lügst.“
    „Ich lüge nicht.“
    „Und all das weißt du, weil…?“
    „… Joanne es mir erzählt hat.“



    Paul Moore wurde schlagartig aschfahl, als ob eine Hauptschlagader durchtrennt worden wäre und er unter rapidem Blutverlust litte. Er ließ die Arme sinken, und seine Knie zitterten sichtlich unter dem Stoff seiner Hose. Er musste sich auf der Lehne des Sessels abstützen, um nicht einzuknicken. Einen Moment lang fürchtete Vicki, er könnte ohnmächtig werden. „Meine Frau hat es dir erzählt?“, wiederholte er mühsam und mit schwerer Zunge.



    „Ja“, erwiderte Vicki, ängstlich, noch mehr zu sagen.
    „Wann?“
    „Kurz nachdem es passiert ist. Sie musste mit irgendwem reden; ich war zufällig da. Sie hat mich strikte Vertraulichkeit schwören lassen. Sie sagte, sie wollte der Familie keine Probleme bereiten. Vor allem wollte sie deiner Mutter nicht wehtun.“
    Paul schüttelte den Kopf. „Ich glaube dir nicht“, meinte er, obwohl die Tränen in seinen Augen etwas anderes sagten.
    „Regele die Sache außergerichtlich, Paul.“



    „Das würdest du wirklich benutzen? Etwas, was meine Frau dir vor fast acht Jahren unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut hat? Etwas, das kein anderer Anwalt je wissen könnte? Das kann nicht moralisch sein.“
    „Es ist absolut moralisch. Wie ich meine Informationen bekomme, ist irrelevant.“ Wieder dieses Wort.
    „Genauso irrelevant ist es, was mein Vater sich möglicherweise hat zu Schulden kommen lassen oder auch nicht. Er hatte jedes Recht, meine Schwester aus seinem Testament zu streichen.“



    „Ein Richter könnte da anderer Meinung sein“, erklärte Vicki Paul schlicht. „Es ist natürlich eine Lotterie. Ein Urteil könnte so oder so ausfallen. Aber möchtest du wirklich, dass all das ans Licht kommt? Willst du, dass es öffentlich vor Gericht erörtert wird? Ring dich zu einem Vergleich durch, Paul, bevor es noch weitere Kreise zieht, bevor noch mehr Menschen verletzt werden.“


    Noch ein einziger Teil....


    Warum möchtest du ausgerechnet Anwältin werden?, hatte ihr Mann sie gefragt, als sie noch mit seinem Sohn ausging. Es ist so viel Arbeit, und das meiste so trocken und langweilig.
    Nur so trocken und langweilig wie die jeweilige Anwältin
    , hatte Vicki erwidert.
    Das war der Moment, in dem er sich in sie verliebt hatte, hatte Jeremy ihr später gestanden.
    „Adrienne ist verrückt, und das weißt du auch“, sagte Paul Moore, sein Plädoyer wieder aufnehmend.
    „Adrienne ist eine sehr unglückliche Frau. Sie möchte genauso wenig vor Gericht gehen wie du.“



    „Und warum klagt sie dann?“
    „Sie klagt ihren Anteil am Erbe ihres Vaters ein. Ich bin sicher, sie würde sich einer außergerichtlichen Einigung nicht verschließen.“
    „Das glaube ich gerne.“
    „Dann könntest du vielleicht mit deiner Mutter und deinem Bruder reden und uns dann über euren Anwalt ein Angebot unterbreiten.“
    „Kommt nicht in Frage“, sagte Paul wütend.



    „Dann sehe ich keine andere Möglichkeit.“ Möglichkeiten, wiederholte Vicki still, dachte an Chris und blickte zum Telefon.
    „Willst du das wirklich tun?“ Paul Moore begann vor Vickis Schreibtisch auf und ab zu laufen, wodurch er den Dampf aus den unangerührten Kaffeebechern aufwirbelte, der wie Rauchkringel zur Decke stieg. „Willst du meine Familie wirklich durch den Schlamm ziehen? Willst du meine Schwester in den Zeugenstand rufen, damit sie das Blaue vom Himmel herunterlügen kann?“



    „Ich würde es nie zulassen, dass deine Schwester im Zeugenstand lügt.“
    Paul Moore blieb wie angewurzelt stehen. „Was willst du damit sagen? Dass du den Scheiß, den sie dir erzählt, glaubst?“
    „Du weißt genau, dass ich dir nichts über unsere Gespräche sagen kann.“


    „Das brauchst du auch gar nicht. Ich weiß genau, was sie gesagt hat. Ich höre den Mist schon mein ganzes Leben lang: Mein Vater hat sie nie geliebt; nichts, was sie getan hat, war je gut genug für ihn; er hat sie immer ‚Dummerchen’ genannt, weil sie nicht so intelligent war wie ich und mein Bruder; er hat sie nicht ernst genommen und wollte sie nicht in das Familienunternehmen lassen. Lassen wir die Tatsache außer Acht, dass sie sich geweigert hat, aufs College zu gehen, und nie das geringste Interesse an der Firma gezeigt hat. Das tut nichts zur Sache. Das ist irrelevant, wie du sagen würdest. Nicht zu vergessen, dass er ihre Kleidung, ihre Freunde und Ehemänner missbillig hat. Dass er Recht hatte, tut nichts zur Sache, dass sie rumgelaufen ist wie eine Nutte, dass ihre Freunde ein Haufen erbärmlicher Versager waren, dass mein Vater ihre Scheidungen bezahlt hat. Wahrscheinlich hat sie vergessen, diese Kleinigkeit zu erwähnen. Genauso wie sie garantiert und bequemerweise vergessen hat, was meine Eltern durchgemacht haben, solange sie noch zu Hause gewohnt hat, all die gemeinen Lügen, deretwegen sie schließlich rausgeflogen ist.“
    „Was für Lügen?“



    „Oh, lass mich mal überlegen. Wo soll ich anfangen, wo soll ich anfangen?“ Paul Moore ließ sich wieder in den wartenden Sessel fallen und führte den Becher an die Lippen. „Einmal kurz nach Adriennes sechzehntem Geburtstag hat mein Vater sie mit irgendeinem Penner im Fahrstuhl eines Hotels erwischt, unterwegs zum Zimmer dieses Typen.“ Paul schüttelte den Kopf, und seine Augen flackerten ungläubig. „Und zeigt sie sich ein bisschen zerknirscht oder reuevoll? Nein. Wie reagiert die kleine Adrienne darauf, dass man sie quasi in flagranti mit einem schmuddeligen Dealer im Aufzug eines entlegenen Hotels erwischt? Sie beschuldigt meinen Vater, das Hotel selbst mit einer Geliebten aufgesucht zu haben, vor meiner Mutter, ohne sich einen Dreck darum zu kümmern, wem sie damit wehtut. Dass mein Vater geschäftlich in dem Hotel zu tun hatte, dass die Frau eine Kundin war, die in der Stadt übernachtet hat, war ihr egal. All das spielt keine Rolle. Und was macht sie, nachdem sie zur Strafe einen Monat Hausarrest bekommen hat? Sie schleicht sich nachts aus dem Haus, stiehlt den Wagen und fährt in den Zaun des Nachbarn. Sie sitzt eine Weile im Jugendknast, kommt nach Hause, schmeißt die Schule, sitzt rum, trinkt, nimmt Drogen und erzählt Lügen.“



    „Zum Beispiel?“
    „Zum Beispiel, dass ihr Vater sie nicht etwa hasst, weil sie ihr Leben vergeudet, Drogen konsumiert oder undankbar ist, sondern weil sie ihn durchschaut hat und alles über sein geheimes Doppelleben weiß. Über seine Frauen. Sie hat ihn beim Telefonieren belauscht und gehört, wie er heimliche Rendezvous verabredet hat. Sie weiß von seiner Geliebten in Dayton, seiner Affäre mit ihrer ehemaligen Babysitterin und den Freizügigkeiten, die er sich gegenüber einer ihrer Freundinnen herausgenommen hat. Lügen, Lügen und noch mehr Lügen. Überraschend ist nicht, dass er sie aus seinem Testament gestrichen hat, überraschend ist vielmehr, dass er sie nicht viel früher, als er es getan hat, aus seinem Leben gestrichen hat.“



    Vicki wählte ihre nächsten Worte mit Bedacht. „Ich denke, du solltest dir lange gründlich überlegen, ob du diese Sache nicht außergerichtlich regeln willst.“
    Paul Moore stellte seinen Kaffeebecher wieder auf den Tisch, ohne einen Schluck getrunken zu haben. „Und warum sollte ich das tun?“
    „Ein Prozess ist teuer, Paul. Das weißt du. Teuer und unschön. Ich glaube, dass es sehr, sehr hässlich werden könnte. Ich möchte deine Mutter genauso wenig verletzen wie du.“
    „Unsinn!“


    Sofort kommt die nächste....


    „Mein Anwalt kann mich mal!“
    Vicki unterdrückte ein unpassendes Lächeln. Mich hat er mal, dachte sie und sah den schlaksigen Advokaten mit dem sandfarbenen Haar vor sich, der Paul Moores Familie vertrat. Ein Zwischenspiel, das eine Woche gedauert hatte, eine angenehme Art, sich die Zeit zu vertreiben, während ihr Mann in Kalifornien gewesen war. Sie biss sich auf die Unterlippe und verdrängte das Bild des attraktiven Kollegen. „Das darfst du nicht persönlich nehmen, Paul.“



    „Nicht persönlich nehmen?“, wiederholte Paul Moore ungläubig. „Wie soll ich es denn sonst nehmen? Du zerreißt meine Familie, Himmel noch mal!“
    „Es liegt nicht in meiner Absicht, deiner Familie wehzutun.“
    „Und was glaubst du mit dieser Klage sonst zu erreichen?“
    „Deine Schwester hat mich engagiert, um für sie das Testament eures Vaters anzufechten. Sie hat das Gefühl, dass sie vorsätzlich und ungerechterweise übergangen –„



    „Ich kenne ihre Gefühle!“ Paul Moore war wieder aufgesprungen und fuchtelte wütend mit den Händen in der Luft herum. „Die ganze Welt kennt ihre Gefühle. Und weißt du warum? Weil sie sie ständig jedem erzählt! Weil meine Schwester bekloppt ist! Weil sie schon immer bekloppt war! Und das weißt du auch. Du kennst sie schließlich, seit du vier bist.“



    „Deswegen konnte ich ihr ja, als sie mich im vergangenen Monat aufgesucht hat, schlecht die Tür weisen.“
    „Du hättest ihr erklären können, dass du dich in einem Interessenkonflikt befindest. Mein Gott, Vicki. Wie lange waren wir Nachbarn und Klassenkameraden? Meine Mutter war immer für dich da, vor allem nachdem deine Mutter weg war.“



    Jetzt war auch Vicki auf den Beinen und zerrte ihren Rock Richtung Knie. „Nichts von all dem ist relevant“, sagte sie ungeduldig, während sie sich vorstellte, wie ihre Mutter an einem Strand in Spanien, immer noch so jung und schön wie an dem Tag vor beinahe drei Jahrzehnten, an dem sie ihre Familie verlassen hatte, mit einem Mann namens Eduardo Valasquez turtelte.
    „Das ist nicht richtig“, murmelte Paul Moore. „Es ist unfair. Wie kannst du meine Mutter so verletzen?“



    „Ich versuche nicht, irgendwen zu verletzen, ich versuche lediglich meinen Job zu machen.“ Vicki war selbst überrascht über die Kälte in ihrer Stimme. Sie und Paul waren seit ihrer Kindheit befreundet. Sie war mit seiner Frau befreundet. Doch das gab ihm noch lange nicht das Recht, die Vergangenheit hervorzuzerren und gegen sie zu verwenden, als ob sie eine Art Faustpfand wäre. Welches Recht hatte er, eine persönliche Sache daraus zu machen und von Gerechtigkeit zu reden? Es ging um das Gesetz, Herrgott noch mal. Mit Fairness hatte das nichts zu tun.



    Es klopfte leise, und Vickis Sekretärin betrat mit hochgezogenen Schultern und gesenktem Kopf den Raum. Ihr dünnes Haar fiel ihr ins Gesicht, als sie die beiden Becher Kaffee auf den Schreibtisch stellte und das Zimmer eilig wieder verließ.



    „Lass uns nur fünf Minuten innehalten“, sagte Vicki, während ihr Blick ihrer Sekretärin aus dem Büro folgte. „Das kann doch keinem von uns Spaß machen.“ Sie hoffte, dass ihre Stimme ihre Worte nicht Lügen strafte, denn in Wahrheit amüsierte sie sich königlich. Szenen wie diese waren der Grund, warum sie überhaupt eine juristische Karriere angestrebt hatte. Knallende Türen, wütend erhobene Stimmen, blank liegende Nerven und großes Drama; das reine glorreiche und unabgesprochene Chaos.


    Sofort kommt die Fs...

    Hallo ihr Lieben,
    wie immer am Sonntag geht's heute wieder mit einer etwas längeren Fortsetzung weiter. Ich danke allen, die meine FS lesen!
    Hotaru + Timoha - Dankeschön euch beiden :-)
    Kayleen - Das Auto hab ich von modthesims2. Danke für das Lob!
    @Federwolke - *lach* Oh doch, das geht, wie du gesehen hast ;-) Das geht sogar sehr gut. Aber jetzt geht's ja weiter *smile*
    Thiara - Oh du Arme! Ich hoffe doch, dass dein Stress bald nachlässt und du wieder mal zur Ruhe kommst!!
    ina - *gg* Du hast es erfasst. Wie kann man auch durchkommen, wenn der Hörer einfach nur so rumbaumelt ;-)
    @Sunnysim - Das mit dem Trennen, das dauert wenn dann schon noch ne ganze Weile! Und ob sie es überhaupt tut, das ist eine andere Frage ;-)
    @Smeagol - Nein, leider hat Chris es nicht geschafft, zu Vicki zu kommen. Dafür jemand anderes *zwinker*
    DawnAngel - Ui, das dauert auch noch nen ganzes Stück bis man weiteres über Vickis Mutter erfährt. Dafür erfahrt ihr in der nächsten Fs wie es Chris geht ;-)
    Simplayer_w - Nein, das hat sie leider nicht! Danke für deinen Commi :-)
    Lionimaus - Tröste dich, jetzt geht es ja weiter und diesmal höre ich auch nicht mitten drin auf ;-)
    @DancingQueen - Ui, mit deinem Kommentar hast du dir aber viel Mühe gegeben, Danke!! Ich finde auch, dass Chris schwach ist. Aber wenn man jahrelang so untergebuttert wird wie sie, dann verliert man nun mal jegliches Selbstvertrauen. Und dann sind nun mal eben auch noch ihre Kinder da. Das macht die Sache nicht einfacher. Aber nochmal Danke für deinen Commi :-)


    Und jetzt geht es weiter:



    Im nächsten Moment flog ihre Bürotür auf, und ein großer muskulöser Mann mit wildem, wütendem Blick stürmte auf ihren Schreibtisch zu. In der rechten Hand hielt er ein zerknülltes Stück Papier, das er schwenkte, als wäre es eine Pistole. „Was ist das, verdammte Scheiße?“, brüllte er.



    „Ich fürchte, ich muss Sie zurückrufen“, erklärte Vicki Bill Pickering, bevor sie seelenruhig den Hörer auflegte und ihr Haar hinter die Ohren strich.
    „Verzeihung, Vicki“, erklärte ihre sichtlich nervöse Sekretärin. „Ich konnte ihn nicht aufhalten. Soll ich den Sicherheitsdienst rufen?“



    Vicki starrte den beeindruckend gut aussehenden Mann an, der bebend vor Wut mit gereckter Faust vor ihrem Schreibtisch stand. An seinem entschlossenen Kind und den gestrafften Schultern konnte man noch den College-Footballhelden erkennen, der er einmal gewesen war. „Ich glaube nicht, dass das nötig sein wird. Was meinst du, Paul?“, fragte sie ihn.
    „Was geht hier vor, Vicki?“, wollte der Mann wissen.



    „Warum setzt du dich nicht?“ Vicki wies auf den Sessel vor ihrem Schreibtisch und ließ sich wieder in ihren sinken, bemerkte, dass dabei ihr kurzer Rock nach oben rutschte, und entschied bewusst, ihn nicht wieder herunterzuziehen. „Michelle, vielleicht wären Sie so gut und bringen uns eine Tasse Kaffee.“



    „Ich will keinen verdammten Kaffee.“ Der Mann knallte den Brief in seiner Hand auf Vickis Schreibtisch, wodurch die anderen Papiere ins Rutschen gerieten und einige sogar langsam zu Boden trudelten. „Ich will wissen, was zum Teufel das hier soll.“
    „Setz dich, Paul“, wies Vicki ihn an, während ihre Sekretärin immer noch auf der Schwelle verharrte. „Alles in Ordnung“, erklärte sie der jungen Frau, deren Blicke nach einem sicheren Versteck zu suchen schienen. „Mr. Moore hat jetzt zu Ende gebrüllt. Oder nicht, Paul?“



    Paul Moore trat wortlos gegen den Sessel vor Vickis Schreibtisch und ließ sich dann geräuschvoll auf das Lederpolster fallen. In diesem Augenblick sah er genauso aus wie der kleine Junge, neben dem Vicki von der zweiten bis zur sechsten Klasse in der Western Elementary School gesessen hatte.
    „Zwei Kaffee“, erklärte Vicki ihrer Sekretärin. „Einen schwarz, einen mit extra viel Sahne, aber ohne Zucker. Ich glaube, so trinkt Mr. Moore ihn. Habe ich Recht?“
    „Hast du irgendwann einmal nicht Recht?“, gab Paul Moore zurück.



    Vicki lächelte und wartete, bis ihre Sekretärin das Zimmer verlassen hatte, bevor sie fort fuhr. „Ich nehme an, du warst mein geheimnisvoller Anrufer“, stellte sie, kein bisschen überrascht von seinem Besuch, fest. Sie hatte seit Tagen damit gerechnet.
    „Willst du mir erzählen, was zum Teufel eigentlich los ist?“, verlangte Paul Moore ein weiteres Mal, von seinem eigenen Benehmen offenbar ebenso aus der Fassung gebracht wie von dem eigentlichen Anlass seines Besuches.



    „Offenbar hat deine Schwester dich informiert.“
    „Offenbar hat meine Schwester mich informiert“, äffte Paul Moore sie nach, zerknüllte den Brief und warf ihn quer durch das Zimmer, wo er gegen das Fenster prallte und lautlos zu Boden fiel. „Offenbar hat mich meine Schwester informiert. Offenbar hat mich meine Schwester informiert“, wiederholte er, wie eine hängen gebliebene Platte, bis der Satz mit jeder Wiederholung ominöser wurde. „Wie konntest du das tun?“
    „Deine Schwester hat mich engagiert, um sie zu vertreten.“
    „Du verklagst meine Mutter, Herrgott noch mal!“ Er knallte seine Faust auf Vickis Schreibtisch.
    „Paul, dieses Benehmen wird uns beiden nicht weiterhelfen. Du solltest im Grunde eigentlich gar nicht hier sein. Ich bin sicher, dein Anwalt würde dir raten –"


    Fs folgt sofort...


    Das Telefon klingelte. Vicki nahm ab, bevor ihre Sekretärin drangehen konnte. „Chris?“, fragte sie atemlos.
    „Mrs. Latimer?“, fragte eine männliche Stimme zurück.
    Vicki schaltete sofort gedanklich um. „Wer ist da?“
    „Bill Pickering.“
    Vicki blickte besorgt zu der geschlossenen Tür ihres Büros und senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. „Haben Sie etwas gefunden?“
    „Wir haben vielleicht eine Spur auf Menorca.“
    „Menorca?“
    „Es ist eine kleine Insel vor der spanischen Küste.“



    „Ich weiß, wo Menorca liegt, Mr. Pickering“, sagte Vicki ungeduldig. „Es geht um meine Mutter. Ich versuche, sie zu finden. Ist sie dort?“ Vicki blickte erneut zur Tür.
    „Eine Frau, auf die alle Angaben zutreffen, lebt dort seit einem halben Jahr unter dem Namen Estella Greenaway.“
    „Allein?“
    „Nein. Mit einem Mann namens Eduardo Valasquez, einem einheimischen Künstler.“
    „Haben Sie mit ihr gesprochen?“
    „Noch nicht. Wir –„
    Ein plötzlicher Aufruhr vor ihrem Büro ließ Vicki zusammenzucken.


    Ich weiß, es ist furchtbar gemein von mir, an dieser Stelle aufzuhören, aber ein bisschen Spannung muss auch mal sein ;)
    Ich freu mich schon auf eure Kommentare.
    Liebe Grüße :häppy
    Eure Nikita


    „Meinst du, dass du heute Abend bei ihr zu Hause bleiben musst?“
    „Ich bin sicher, es ist nichts, womit nicht auch Rosie klarkommt. Mach die keine Sorgen“, beruhigte Vicki ihren Mann. „Ich werde heute Abend im vollen Ornat bei diesem Dinner auflaufen.“
    „Darling“, sagte Jeremy lachend, bevor er auflegte, „ich liebe es, wenn du im vollen Ornat aufläufst.“



    Vicki rief zu Hause an und vernahm mit Erleichterung, dass ihre Tochter schlief. Nun musste sie also doch keine kostbare Zeit mit dem Versuch vergeuden, sich intelligent mit einer Siebenjährigen zu unterhalten. Sie warf einen Blick auf das Foto ihrer beiden Kinder in dem silbernen Rahmen, auf dem Kirsten ihren sommersprossigen Arm schützend um ihren jüngeren Bruder gelegt hatte und beide Kinder in die Kamera lächelten, wobei Joshs Lächeln angespannt und zögerlich wirkte, während Kirsten von einem Ohr zum anderen grinste, den Mund zu einem riesigen „Aah“ aufgerissen, als wollte sie den Fotografen mit Haut und Haaren verschlingen. Ihre Schneidezähne fehlten. „Ja! Und wo liegt das Problem?“, schienen die Augen des Kindes fröhlich herausfordernd zu fragen.



    Was habe ich eigentlich mit den Zähnen gemacht?, fragte Vicki sich abwesend und erinnerte sich, dass Barbara ihr ein kleines silbernes Zahndöschen geschenkt hatte, um sie darin aufzubewahren. Sie hatte immer vorgehabt, die Entwicklung der Kinder in einem Notizbuch festzuhalten, war jedoch nie dazu gekommen. Jetzt war es zu spät. Die Milchzähne waren für immer verloren, die rotgoldenen Locken weggefegt, die ersten Worte längst vergessen. Nicht, dass sie keine gute Mutter wäre, versicherte sie sich selbst. Sie würde bloß eine noch bessere Mutter sein, wenn ihre Kinder älter und interessanter waren.



    „Was ist mit der Nummer, die ich Ihnen gegeben habe?“, fragte Vicki bei ihrer Sekretärin nach.
    „Immer noch besetzt. Aber ich habe die Nummer der Universitätsklinik, nach der Sie gefragt haben.“
    „Danke.“ Vicki notierte sie. „Versuchen Sie es weiter bei Mrs. Malarek.“



    In einem kurzen Telefonat mit dem Krankenhaus erfuhr Vicki, dass Barbara die OP hinter sich und den Aufwachraum bereits verlassen hatte und nur noch darauf wartete, von ihrem Mann abgeholt zu werden, der sich offenbar verspätet hatte.



    „Es geht ihr wieder gut“, berichtete Vicki ihrem leeren Büro und legte den Hörer wieder auf die Gabel, bevor sie ihn erneut abhob und selbst versuchte, Chris zu erreichen, jedoch wieder nur dasselbe ärgerliche Besetztzeichen bekam.



    Mit wem redete Chris bloß so lange, verdammt noch mal? Sonst dauerten ihre Telefonate nie länger als ein paar Sekunden, weil Tony scheinbar ständig hinter ihr stand, sie unterbrach oder rief. Sie hatte keine Zeit für ein normales Gespräch mehr. Sie hatte keine Zeit mehr für ihre Freundinnen. Sie hatte keine Zeit mehr für irgendwas. Aber wer brauchte auch Zeit, wenn er kein Leben hatte? Und Chris hatte weiß Gott kein Leben. Hatte sie deswegen angerufen? Waren das die Möglichkeiten, von denen sie gesprochen hatte? Die Möglichkeiten, ihr Leben zurückzubekommen?


    Noch eine winzige Fs...


    („Lass mir bloß fünf Minuten mit diesem armen Mädchen“, hatte Barbara einmal erklärt.)
    „Versuchen Sie weiter, diese Nummer zu erreichen.“ Vicki kritzelte Chris’ Telefonnummer auf einen Notizzettel und hielt ihn ihrer Sekretärin hin. „Sagen Sie mir Bescheid, sobald Sie durchkommen. Oh, und dann geben Sie mir noch die Nummer der Universitätsklinik in Clifton.“
    „Wird erledigt.“



    Vicki sah ihrer davontrottenden Sekretärin nach. („Du musst dich stolz halten, Kind“, hörte sie Barbara hinter ihr herrufen. „Kopf hoch, Schultern nach hinten, Bauch einziehen.“) Sie fragte sich erneut, ob Chris’ Anruf etwas mit Barbaras Operation zu tun hatte. Eine Bauchspiegelung war im Grunde eine recht simple Prozedur, aber eine Vollnarkose barg trotzdem allerlei Risiken, und die Gerichte waren überlastet mit Kunstfehlerprozessen, von denen Vicki einige selbst angestrengt hatte. Doch Chris hatte Barbara mit keinem Wort erwähnt, sondern nur etwas von Möglichkeiten gesagt, die sie kennen müsse, was immer das zu bedeuten hatte.



    „Okay, was als Erstes?“, murmelte Vicki, während ihr Blick nervös über ihren Schreibtisch huschte. Sie verzog ihre Lippen, während sie den Stapel durchging. „Du solltest deine Tochter anrufen“, sagte sie laut, entschied sich jedoch stattdessen, zunächst zu versuchen, ihren Mann zu erreichen, und tippte seine private Büronummer ein.



    „Du redest schon wieder mit dir selbst“, stellte sie mit einem resignierten Lachen fest. Vicki führte regelmäßig Selbstgespräche. Es half ihr, sich zu konzentrieren, und ließ ihre Gedanken gehaltvoller erscheinen und sogar das, was sie einfach so vor sich hin sinnierte, bedeutsam klingen. Außerdem hatte sie den Klang ihrer eigenen Stimme schon immer gemocht.



    „Hey, Darling“, sagte ihr Mann wenige Augenblicke später. Jeremy Latimer war in Ohio geboren und aufgewachsen, hatte jedoch fast ein Jahrzehnt in Atlanta gelebt, bevor er nach Cincinnati zurückgekehrt war, sodass in manchen Worten und Redewendungen hin und wieder der Nachhall eines trägen Südstaatenakzents mitschwang. Vicki wusste, dass er den honigtriefenden Singsang auch auf Kommando einschalten konnte, genau wie den Pseudo-Südstaaten-Gentleman-Charme, für den er zunehmend berühmt wurde.



    „Hey, selber Darling. Wie läuft’s?“ Mühelos verfiel Vicki in denselben trägen Sprachduktus, ein mythisches Land, in dem verflixte Substantive und Verben nach Belieben verschwanden und Endungen gerne vernuschelt wurden.
    „Ich schlag mich so durch“, erklärte er.



    Vicki stellte sich vor, wie er mit einer Hand langsam durch sein Haar fuhr. Gott sei Dank war er nicht wie so viele andere Männer mit fünfzig kahl geworden. Und er hatte auch darauf geachtet, dass sein Bauchumfang mit den Exzessen und Unvermeidlichkeiten des fortschreitenden Alters nicht ausladend geworden war. Nein, Jeremy Latimer war mit vollem Haupthaar gesegnet und arbeitete hart daran, seine von Natur aus schlanke Statur zu behalten, indem er gesund aß und regelmäßig Sport trieb. Das schrieb Vicki sich gern selbst zugute, denn möglicherweise hatte die Tatsache, dass er mit einer ein Vierteljahrhundert jüngeren Frau verheiratet war, ihren Mann besonders motiviert, sich eine jugendliche Erscheinung zu bewahren.



    „Rose hat angerufen“, sagte Jeremy und meinte das Kindermädchen ihrer beiden kleinen Kinder. „Offenbar hat man Kirsten wegen eines leichten Fiebers aus der Schule nach Hause geschickt.“
    „Ja, Kirsten hat ein paar Mal hier angerufen. Die arme Kleine. Ich ruf sie an und frag sie, wie’s ihr geht.“


    Sofort geht's weiter...

    Hallo ihr Lieben,
    tut mir schrecklich Leid, dass es nicht früher weiter gegangen ist. Aber das Wetter war einfach zu schön um vor dem Comp zu hocken. Ich hoffe, das versteht ihr ;-) Aber wie gesagt, jetzt geht es weiter mit Vicki
    Zuerst noch ein ganz großes Dankeschön, an alle die meine Story lesen und/oder kommentieren.
    @Sunnysim - Ich hoffe, du hast es überlebt *g* Zwar erfährst du in dieser Fortsetzung nicht, wie es mit Chris weitergeht, aber immerhin hast du ein bisschen Lesestoff *lol*
    ina + DawnAngel - In der übernächsten FS erfahrt ihr, warum Tony nicht zu diesem "geschäftlichen Termin" gefahren ist
    @Federwolke - Ui, schön, dass ich auch ein paar stille Leser hab *freu* Ich freu mich wirklich riesig darüber, dass du einen Kommentar zu der Story gemacht hast - Danke!
    @Smeagol, Simplayer_w und Wildkatze - Genau derselben Meinung bin ich auch ;-) Ihr habt meine vollste Zustimmung!
    @Timoha - Dankeschön für deinen Commi :-)



    „Was haben Sie gesagt, wann sie angerufen hat?“
    „Es ist höchstens zwei Minuten her. Direkt bevor Sie reingekommen sind.“
    „Und sie hat gesagt, es wäre wichtig?“
    „Sie hat gesagt, sie müsse Sie sofort sprechen.“
    Vicki zog ihre Brauen an der Nasenwurzel zusammen und fragte sich, ob mit Barbaras Operation irgendwas schief gelaufen war. „Hat sie aus dem Krankenhaus angerufen?“



    „Das hat sie nicht gesagt.“
    „Was genau hat sie denn gesagt?“
    „Nur, dass sie eine Freundin von Ihnen ist und dass sie Sie unbedingt sprechen müsse.“
    „Sie hat nicht angedeutet worüber?“
    „Sie hat etwas davon gesagt, dass sie ihre Möglichkeiten kennen müsse“, antwortete die Sekretärin.



    Welche Möglichkeiten?, fragte Vicki sich auf dem Weg zu ihrem unordentlichen Schreibtisch, wo sie sofort Chris’ Nummer ins Telefon tippte und dem folgenden Besetztzeichen lauschte. Welche Möglichkeiten konnte Chris gemeint haben? Sie wählte die Nummer sofort noch einmal, bekam dasselbe Zeichen und knallte den Hörer auf die Gabel.



    Vicki nahm Besetztzeichen persönlich. Sie fühlte sich auf eine Art davon gekränkt, die nichts mit Logik oder gesundem Menschenverstand zu tun hatte und die sie auch selbst als komplett irrational erkannte. Trotzdem vermutete sie jedes Mal unwillkürlich vorsätzliche Bösartigkeit auf Seiten der Person, die sie zu erreichen suchte, wenn ihr Anschluss besetzt war. Besetztzeichen hielten sie auf, waren im Weg und wiesen ihr einen Platz in der Menge zu. Zieh dir eine Nummer, stell dich an und warte, bis du dran bist. Vicki seufzte und starrte das Telefon wütend an. „Nun, offenbar bespricht sie ihre Möglichkeiten mit jemand anderem.“



    Vicki versuchte ihren Ärger mit einer ungeduldigen Handbewegung abzuschütteln, sodass ihr großer Diamantring durch die Luft blitzte, als sie um den Schreibtisch herumging und sich in den Sessel fallen ließ.
    „Sonst noch irgendwelche Anrufe?“



    „Ihr Mann lässt Sie erinnern, dass das Dinner um Punkt sieben im Restaurant des Cincinnatian Hotel beginnt und dass Sie sich auf mindestens eine Stunde Reden einstellen sollen.“
    Vicki stöhnte. Ein weiteres langweiliges Abendessen zu Ehren ihres Mannes. Nicht dass er die zahllosen Hosiannas, die fortwährend auf ihn angestimmt wurden, nicht verdient hätte, aber sie hatte langsam die Nase voll von Partys, bei denen sie die einzig Anwesende war, die keine Rente bezog.



    „Und Ihre Tochter hat zweimal angerufen. Offenbar geht es ihr nicht gut, und man hat sie aus der Schule nach Hause geschickt.“ Vickis Sekretärin wies mit dem Kopf auf einen Packen Memos. „Und natürlich die da. Ich habe allen gesagt, dass sie mehr oder weniger den ganzen Tag in Besprechungen wären und wohl nicht vor morgen zurückrufen könnten.“
    „Danke.“



    Die junge Frau wandte sich zum Gehen. „Oh, irgendein Mann hat auch noch mindestens dreimal angerufen. Er wollte seinen Namen nicht nennen, doch er klang ziemlich unglücklich.“
    Vicki runzelte die Stirn. Sie hatte eine ziemlich genaue Ahnung, wer der unglückliche Anrufer sein könnte. „Wenn er noch mal anruft, sagen Sie ihm, dass ich wahrscheinlich für den Rest der Woche schwer im Büro zu erreichen bin. Und Michelle…“
    Michelle sah Vicki erwartungsvoll an, ihre wässrigen Augen wirkten verloren unter dem schlaffen dünnen Pony.


    Fortsetzung kommt sofort...

    Oho - ich sehe Böses auf Blaze & Co zukommen. Also ich möchte nicht mit so einem bösartigen Teenager zusammenleben *lach*
    Die Fortsetzung hast du wieder großartig hinbekommen!
    Ich freu mich wenn es wieder weitergeht!
    Bis dahin liebe Grüße
    Nikita

    Was? Schon zu Ende? Damit hab ich jetzt ja überhaupt nicht gerechnet.
    Die Story war einfach nur klasse! Vor allem diese ganzen Geheimnisse und dieser "mysteriöse Touch" haben die Geschichte einzigartig gemacht.
    Das Ende war, wie Santine schon sagte, wunderschön. Und ich habe die Hoffnung, dass Madeleine und Constantin zusammenkommen :romeo
    Ich würde mich auch riesig freuen, wenn du wieder eine neue Geschichte machen würdest. Also überlegs dir nochmal ;)
    Liebe Grüße von deinem Fan
    Nikita

    Hm, also ich kann Jai auch ein bisschen mehr leiden, nachdem man etwas über seine Kindheit erfahren hat. Zum Glück hat Sir Josh Jai nicht totgeprügelt. Das wäre echt nicht zu verzeihen gewesen.
    Ich denke auch, dass Oli den Druck nicht mehr lang standhalten kann. Merkt man schon daran, dass diese ganzen Gefühle jetzt in ihren Träumen zum Ausdruck kommen.
    War wieder eine super-super-super-schöne Fortsetzung gewesen und ich freu mich auf die nächste!
    Liebe Grüße
    Nikita