Nach ein paar Tagen normalen Arbeitsleben am Hofe fürchtete sich Lina nicht mehr vor den Konsequenzen ihrer beiden Treffen, aber ein ungutes Gefühl blieb. Sie rechnete fast jeden Tag damit, dass einer der beiden entweder der Fürst oder der Priester sie zu sich rufen würde und dann würde sie Rede und Antwort stehen müssen. Respekt ja, aber richtig Angst hatte sie keine. Sie war sich keiner Schuld bewusst und das der verrückte Priester herausfinden könnte, dass sie eine Hexe ist, daran glaubte sie nicht. Sie hatte sich durch nichts verraten und sie würde das auch nicht tun. Und so stand sie wieder einmal vor dem großen Wäscheberg und schrubbte sich die Finger wund.
Später an diesem Tag, nach der großen Wäsche, durfte sie mit Marie oben in den Gängen Staub wischen. Lina hatte der vorderen Teil der Gänge zugeteilt gekriegt und Marie nahm sich den hinteren Teil vor. Natürlich war der vordere Teil der größere, aber das störte Lina nicht im geringsten. Sie hatte im Gegensatz zu Marie nichts gegen harte Arbeit. Adera hatte sie ja auch immer gescheucht und darum war sie es gewohnt zu arbeiten. Eine kleine Melodie pfeifend schwang Lina ihren Besen, als sie aus der Bibliothek Stimmen hörte. Sie spitzte die Ohren, denn schließlich war sie ja nicht hier um zu putzen, sondern um zu spionieren.
"Ich bin so froh, dass Ihr mir verziehen habt, Mylady." Lina kannte die Stimme, sie verfolgte sie nachts in ihre Träume zusammen mit seinen eisblauen Augen.
Eine weitere Stimme erklang und sie hörte sich genauso kalt an, wie die Augen von Elias. "Noch habe ich dir nicht verziehen, maße dir nicht an mir Worte in den Mund zu legen." Die Sprecherin machte eine kleine Kunstpause. "Aber ich gebe dir die Chance dich zu erklären. Also, was hast du zu sagen."
"Ich danke Euch, meine Fürstin. Wie ich Euch schon an dem Tag sagen wollte, ich hatte eine Begegnung mit einer Mag. Wartet, lasst mich ausreden. Diese Magd ist neu hier und ich wollte nur im Zuge unser Hexenjagd herausfinden, wer sie ist. Es war also Arbeit, Arbeit die Ihr wolltet, dass ich sie mache, die mich von Euch abgehalten hat. Nichts anderes hätte das sonst gekonnt, ich schwöre."
Linas Herz machte einen kleinen Sprung, über sie war die Rede. Die Angst, die sie so erfolgreich versucht hatte sich aus zu reden, war auf einen Schlag wieder da und ihr Herz hämmerte wie verrückt, aber sie versuchte sich weiter auf das Gespräch zu konzentrieren.
"So so, Arbeit also. Also das hättest du doch gleich sagen können, mein Lieber." Die Stimme der Frau triefte vor Freundlichkeit, anders konnte Lina das nicht nennen.
"Aber..."
"Shh, kein 'Aber' mein Liebster, es ist ja alles wieder gut."
Die Stimme verklang leise, schmeichelnd und es herrschte wieder Stille im Flur. Lina sah sich kurz um, aber sie war immer noch alleine im Flur. Dann schlich sie auf die einen Spalt offene Tür zu. Sie konnte nicht anders, sie brauchte Gewissheit, wer die Unbekannte war mit der der Priester dort so vertraulich war. Sie konnte sich zwar denken, wer die Frau war, aber sie musste es mit eigenen Augen sehen. Es war wie ein Zwang. Sie spähte durch den kleinen Spalt, aber sie konnte nichts erkennen. Lina überlegte einen Moment und dann schob sie die Tür noch etwas weiter auf und dann sah sie, was sie fast erwartet hatte: Die Fürstin und der Priester in inniger Umarmung, versunken in einen nicht enden wollenden Kuss.
Leise versuchte Lina die Tür wieder in ihren Ausgangspunkt zurück zu ziehen, aber gerade jetzt mussten die Angeln quietschen. Linas Herz rauschte in ihren Ohren und sie sprang erschrocken zurück. In fieberhafter Eile schnappte sie sich ihren Besen und verschwand so schnell wie möglich von dem Ort. Keuchend, als hätte sie gerade Dauerlauf gemacht, stand sie wenig später in der Wäschekammer. Sie hoffte, dass niemand sie gesehen hatte und für einen Moment dachte sie an Marie. Was wäre, wenn sie gerade in dem Moment um die Ecke gekommen wäre? Dann würde der Priester annehmen, dass Marie gelauscht hatte. Auch wenn sie ihre Kollegin nicht sonderlich mochte, dass wünschte sie ihr nicht.
Lina war sich so sicher, dass sie nicht gesehen worden war, aber so ganz stimmte das nicht. Jemand hatte sie gesehen. Lady Morgenröte musste einfach wissen, ob die Fürstin dort Erfolg hatte wo sie selbst versagt hatte. Also hielt sie sich auch in der Nähe der Bibliothek auf, aber so dass man sie nicht vom Flur aus sehen konnte. Sie hatte ja schließlich einen Ruf zu verlieren. Und so hatte sie mitbekommen, wie Lina dem Paar hinterher geschnüffelt hatte. Als sie Lina von der Tür weglaufen hatte sehen und kurz danach die Tür auf flog und Elias heraus schaute, sah sie die Fürstin für einen Moment, aber der genügte ihr als Beweis. Sie lächelte in sich hinein, aber es war kein nettes Lächeln.
Abends hatte sich Lina schon wieder beruhigt und sie lag erschöpft von der Arbeit und der Aufregung auf ihrem Bett. Noch war sie alleine in dem Zimmer, Marie war kurz da und verschwand dann gleich wieder zu ihrem neuen Liebsten. Lina genoss die Ruhe und nutzte die Stille zum Nachdenken. Nun wurde ihr langsam klar, dass der Priester nicht unbedingt auf Befehl des Fürsten handelte. Viel eher bekam er seine Anordnungen von der Fürstin, was aber nicht hieß, dass es ohne die Erlaubnis vom Fürsten geschah. Das galt es noch herauszufinden in wie weit der Fürst wirklich die Erlaubnis gegeben hatte.
Ein leises Klopfen an der Tür riss Lina aus ihren Grübeleien und sie stand auf, um die Tür zu öffnen.
*geht gleich weiter*