Kapitel 17: Im Dorf
Gegen Abend erreichten die Vier den Weg, der zum Dorf führte. Nach einer kurzen, hitzigen Diskussion darüber, ob sie noch weitergingen und im völlig Dunkeln ankamen oder ob sie noch warten und erst morgens dort sein wollten, entschieden sie sich, noch eine Nacht im Wald zu verbringen. Es würde wesentlich weniger Verdacht erwecken, wenn Lina ganz normal auf den Markt geht und einkauft, als wenn sie erst spät am Abend in das hiesige Wirtshaus geht.
Also machten sie etwas vom Wegrand ein Feuer und versuchten aus ein paar Wurzeln und etwas Grünzeug was genießbares zu machen. Erst als der Eintopf fast fertig war, fiel Lina ein, dass sie ja noch etwas von dem Hühnerfleisch hatte. Natürlich steuerte sich das bisschen zum Eintopf dazu und so hatten alle Vier genug um satt zu werden.
Es wurde nicht viel geredet an dem Abend. Alle waren in ihren eigenen Gedanken versunken und nur Jacob summte vor sich hin. Aber selbst das schien keinen zu stören. Viel früher als sonst drehte sich Lina vom Feuer weg und legte sich zum schlafen hin. Normalerweise mochte sie es nicht, als Erste zu schlafen, weil sie den Männern nicht wirklich traute, aber an dem Abend war sie einfach viel zu aufgewühlt um sich darüber noch Gedanken zu machen. Außerdem wollte sie einfach nur, dass ihr Besuch im Dorf schnell vorbei war und je schneller der nächste Tag da war, umso schneller war alles erledigt.
Aber Lina konnte nicht einschlafen. Sie versuchte sich nur auf das Knistern der Flammen zu konzentrieren, aber auch das half nichts. Ihre Gedanken kreisten immer nur darüber, was wohl im Dorf passieren würde. Auch nachdem die drei Männer schon lange vor sich hin schnarchten lag sie immer noch wach und schaute ins verglühende Feuer. Es ging schon fast auf den Morgen zu als sie endlich einschlief. Vielleicht war gerade deshalb ihr Schlaf schwer und traumlos. Als sie morgens erwachte fühlte sie sich, als hätte sie gar nicht geruht und brauchte eine Weile bis sie völlig wach war.
Selbst den Männern schien es nicht anders zu gehen. Jacob gähnte mehrmals und war ausnahmsweise mal nicht am plappern. Richard und Henry sahen ebenfalls aus, als hätten sie in der Nacht kein Auge zu gekriegt. Beide grummelten während sie das Lager abbrachen irgendwelche Worte vor sich hin, die Lina nicht verstehen konnte. Nicht das sie versucht hätte zuzuhören, dazu war sie zu viel mit sich selbst und ihren Gedanken beschäftigt.
Kurze Zeit später war Lina auf dem Weg zum Dorf und die drei Männer gingen neben der Straße im Wald. Zwar so, dass Lina sie immer noch sehen konnte, aber sie fühlte sich trotzdem allein gelassen. Sie wunderte sich kurz darüber, dass sie schon nach so kurzer Zeit das Gefühl hatte alleine zu sein. So lange kannte sie die Drei ja noch nicht, aber wahrscheinlich brauchte sie einfach jemanden um sich herum, der ihr sagte, was sie zu tun hatte. Schließlich hatte Adera ihr immer gesagt oder gezeigt, was sie tun sollte und nun merkte sie, dass ihr das am Meisten fehlte seit Aderas Tod. Sie war es einfach nicht gewohnt auf eigenen Beinen zu stehen und für sich selbst zu entscheiden. Sie seufzte und war den Männern auf einmal so dankbar, dass sie sich ihrer annahmen.
Lina war so in Gedanken versunken, dass sie gar nicht richtig mitkriegte, dass die ersten Häuser schon in Sichtweite waren. Erst als Richard sie zu sich rief, schaute sie auf und bekam eine leichte Panik. Sie war so froh, dass sie gerade alleine auf der Straße war und niemand sehen konnte, dass sie in den Wald abbog. Jacob lächelte sie an, aber Richard und Henry sahen ernst aus. Lina wurde noch unsicherer, als sie es eh schon war.
„Tja, da wären wir also,“ meinte Richard betont locker. „Lina, du weißt was du zu tun hast? Geh einfach nur ein bisschen im Dorf spazieren und hör auf das, was die Leute sagen. Wenn du was interessantes hörst, misch dich erst mal noch nicht ins Gespräch ein, sondern warte noch etwas ab. Such dir, wenn dann jemanden gezielt raus, mit dem du dich unterhalten kannst. Das ist erfolgreicher, als wenn du mit vielen verschiedenen Leuten redest. Und unauffälliger sollte das auch sein. Und keine Sorge, wir sind in der Nähe, solltest du in Schwierigkeiten geraten.“ Er lächelte sie leicht an, aber Lina merkte seine Anspannung und mit einem Mal fragte sie sich besorgt, was die Drei denn angestellt hatten, dass sie im Wald landeten.
Und dann war es endlich soweit, mit einem letzten Blick auf die Männer wandte sich Lina wieder der Straße zu und war nach ein paar hundert Metern endlich im Dorf. Es war noch ziemlich ruhig und erst wenige Bewohner waren unterwegs, aber Lina war trotzdem vorsichtig und sah sich erst mal um. Eigentlich bestand das Dorf nur aus ein paar einfachen Holzhütten und sah nicht nach viel aus. Aber als Lina in die Mitte des Dorfes kam, fand sie einen größeren Platz, wo ein Brunnen stand. Um den Brunnen herum tummelten sich ein paar der Bewohner und an einigen Häusern sah Lina ein paar Verkaufsstände.
*geht gleich weiter*