Kapitel 5
Robin hörte eine Tür ins Schloss fallen, dann hastige Schritte, die Treppe hinauf.
Er sah, wie sich die Klinke der Badzimmertür nach unten drückte, aber die Tür ging nicht auf, weil er abgesperrt hatte.
Er erwartete, dass Jemand fragen würde, wie lange er noch braucht, aber stattdessen entfernten sich die Schritte und eine andere Tür wurde geöffnet und geschlossen.
Er nahm an, dass es sich bei diesem Jemand um Carrie handelte.
Sie war als Einzige von ihnen Vier heute Abend weggegangen und konnte infolgedessen auch die einzige von ihnen sein, die jetzt nach hause kam.
Eilig wusch er sich die Hände und ging aus dem Badezimmer zu Carries Zimmertür.
Er wollte unbedingt erfahren, wie ihr Date gelaufen war.
Auf sein Klopfen reagierte sie nicht und so machte er einfach die Tür auf.
Eigentlich war das nicht seine Art und auch nicht die von irgendeinem anderen hier im Haus, deswegen hatte auch keiner von ihnen einen Zimmerschlüssel.
Aber diesmal machte er eine Ausnahme, weil er seine Neugier einfach nicht bezähmen konnte.
Und auch seine Eifersucht nicht.
Als er eintrat fielen ihm als erstes die Klamotten auf, die verstreut auf dem Boden lagen.
„Carrie?“ fragte er, den Blick immer noch auf die Wäsche gerichtet.
„Lass mich in Ruhe.“ kam es hinter ihrem Bett.
„Was ist denn los? Wie war es mit dem Typen?“ fragte er und stellte sich vor Carries Versteck.
„Lass mich in Ruhe.“ wiederholte sie, diesmal etwas schwächer.
Kurzerhand zwang er sie aufzustehen.
Ihr Anblick traf ihn wie ein Schlag in den Magen.
Sie war vollkommen zerkratzt .
An manchen Stellen ihres Gesichts hingen Blutstropfen.
„Geh weg!“ schluchzte sie. „Geh weg! Verschwinde!“
„Was ist passiert?“ fragte er und sank auf die Knie, weil seine Beine unter ihm nachgaben.
„Nichts! Lass mich in Ruhe! Hau ab! Ich will dich nicht sehen!“
Und in diesem Moment sah er das Blut auf ihren Schenkeln.
Unglaublicher Hass explodierte in ihm und er stand wieder auf.
„Was hat er mit dir gemacht?“
„Nichts. Er hat nichts gemacht. Er...“
„Was hat dieser gottverdammte H****sohn mit dir gemacht?“ schrie er.
Ihr Körper wurde von einem erneuten Schluchzen geschüttelt und seine Wut wurde schwächer.
Die Schmerzen wegen ihren Schmerzen überwogen in diesem Moment .
Hielt sie so lange, bis sie nicht mehr weinte und nicht mehr schluchzte.
„Was hat er gemacht?“ fragte er wieder, aber diesmal sanft.
„Ich wollte das nicht...“ flüsterte sie und sah ihn aus großen Augen flehend an.
Es schien ihr unglaublich viel daran zu liegen, dass er ihr glaubte.
Robin nickte und sagte: „Ich weiß.“
„Er...Er hat gesagt, dass ich es machen muss.
Ich kann nicht so einen Rock anziehen und behaupten, ich hätte nicht vorgehabt, ihn anzumachen und...
Es ist meine Schuld, hat er gesagt.
Ich hatte Angst. Ich hatte solche Angst.
Ich wollte doch nicht, dass er mir etwas tut!
Ich hatte doch nur Angst...“, sie begann wieder zu schluchzen.
„Ganz ruhig.“ murmelte er und umarmte sie.
„Es hat weh getan...Und ich wollte schreien aber ich konnte nicht. Ich konnte es einfach nicht.
Ich wollte sagen, dass er aufhören soll aber mein Hals war...Er war zu.
Ich hab geglaubt, dass ich keine Luft mehr kriege.
Ich dachte, ich ersticke und ich habe sie gesehen...Ich habe sie wieder gesehen und ich habe mir gesagt, dass es meine Strafe ist.
Weil ich mich so benommen habe und weil ich diese Sachen angezogen habe...“
„Wen hast du gesehen?“ fragte er, so sanft wie vorhin.
Carrie hob den Kopf, sah ihn mit leeren Augen an und sagte:
„Die Langoliers. Ich habe die Langoliers gesehen. Sie sind nicht weg. Sie sind da. Sie waren die ganze Zeit da.
Sie haben mich damals bluten lassen.
Und jetzt haben sie mich wieder da unten bluten lassen.
Weil ich bestraft werden musste.
Weil ich mich nicht so verhalten dürfte.
Ich wusste das, aber ich dachte sie wären weg.
Ich dachte doch, dass sie weg wären!“
Den letzten Satz sprach sie voller Verzweiflung aus.
„Die Langoliers...“ wiederholte er langsam und merkte, dass ihm eine Gänsehaut über den Rücken lief.
Carrie hatte schon so lange nicht mehr über sie gesprochen, dass er sie schon ganz vergessen hatte.
Er hatte gedacht, dass es vorbei wäre. Dass es die Monster ihrer Kindheit gewesen wären. Aber jetzt waren sie wieder da.
Und er wusste, was das bedeutete. Er wusste besser als jeder andere, was dieser H****sohn ihr angetan hatte.
[geht noch weiter]