Ehe auf Widerruf (neue Fs)

Wie gesagt, Katrin ging zur Tür, um zu öffnen.

Nachdem sich Dina darüber Gedanken machte, wer sie zu später Stunde noch aufsuchen würde... Doch da erschien auch schon wieder die Gestalt der guten Katrin an der Tür. Ein abgrundtiefer Seufzer ging Katrins Worten vorraus. >>Nanu, Katrin?<< fragte Dina besorgt. >>Da soll man nicht seufzen. Den Spaziergang an der Isar können Sie sich jetzt an den Hut stecken. Ach, Verzeihung!<< Katrin schlug sich mit der Hand auf den Mund. >>Aber das ist mir eben so herausgerutscht. Ich wollte natürlich sagen...<< Lächelnd, doch mit leichtem Unmut unterbrach Dina ihre treue Katrin. >>Du wolltest mir natürlich sagen, wer da eben gekommen ist.<< >>Ja, freilich. Der Herr Jan wünscht Sie zu sprechen.<< >>Was? Hättest Du doch gesagt, daß ich nicht zu Hause bin, Katrin.<<

>>Das hätte ich nicht geglaubt, holde Base Dina.<< Ein Männergesicht tauchte hinter der Wirtschaftlerin auf, zwei Arme schoben sie einfach zur Seite. >>Erstens habe ich Deinen tollen Wagen gesehen, zweitens hätte ich Katrin an der Nasenspitze abgelesen, daß sie lügt, drittens, warum willst Du dich vor mir verleugnen?<<

Jan Dahlmanns geschmeidige, mittelgroße Gestalt hatte sich schon an Katrin vorbeigedrängt. Jetzt stand er vor Dina. >>Bin ich Dir so unwillkommen?<< >>Bitte, nimm Platz. Vielleicht da vorn auf der Veranda. Ich bin eben erst nach Hause gekommen.<< Dina hatte die Fragen Ihres Vetters überhört, sie wies auf das halbrunde Verandazimmer, zu dem eine Tür aus dem Eßraum führte. >>Ja, da draußen wird es herrlich sein.<< Jans Blicke glitten durch die breite und hohe Fensterfront zu der Terrasse. Gepflegter englischer Rasen; eine Blumenpracht ohnegleichen breitete sich vor ihr aus.

Dina hatte sich nahe dem Fenster in einem bequemen Sessel niedergelassen.

Jan tat es Ihr nun nach. Weit streckte er die Beine von sich, ganz so, als wäre er hier zu Hause. >>Also, ich muß immer wieder sagen, Geschmack hat unsere schrullige Tante Julie schon gehabt.<< >>Sie war nicht schrullig, wie oft soll ich Dir das noch sagen?<< >>In Deinen Augen sicher nicht, meine Liebe. Dafür bringe ich auch vollstes Verständnis auf. Aber ich bin da anderer Meinung, und das solltest Du akzeptieren. Waren das vielleicht keine Schrullen, daß sie mich zeitlebens benachteiligt und dieses verrückte Testament hinterlassen hat?<< >>Da sind wir ja wohl schon mitten im Thema.<< Dina verdrehte die Augen. >>Ich bin Dir sehr dankbar, daß Du mir so entgegenkommst. Ja, Dina, ich wollte mit Dir noch einmal sprechen.<< >>Das ist allerhand, nachdem Du lange Zeit mit mir nur über Deinen Anwalt verkehrt hast.<< >>Was sollte ich anderes tun? Du warst ja für diese Geschichte nicht zu sprechen. Und ich mußte das Testament anfechten. Das hättest Du an meiner Stelle auch getan, wenn Du mit so einer Lappalie abgefunden worden wärest wie ich.<< >>Erstens sind vierzigtausend Mark keine Lappalie, zweitens hätte ich niemals ein Testament Tante Julies angefochten. Dazu habe ich Sie viel zu sehr respektiert.<<

>>Was einen derart enormen Eindruck auf Sie hinterlassen hat, daß Du gleich die Erbin der ganzen Fabrik geworden bist, dieser herrlichen Villa und einiger weiterer Kleinigkeiten.<<
>>Vergiß bitte nicht, daß das Erbteil meiner Mutter in der Fabrik steckt, daß ich dazu erzogen worden bin, den Betrieb zu übernehmen und daß Du und Deine Familie von Tante Julie schon weit mehr zu ihren Lebzeiten erhalten habt, als euch jemals zustand.<<
>>Du führst eine harte Sprache, Dina.<< Jan war tiefe Röte ins Gesicht gestiegen. >>Eine klare Sprache, Jan und die ist zwischen uns leider sehr nötig. Was möchtest Du heute von mir?<< >>Dich noch einmal darauf aufmerksam machen, daß ich auch jetzt noch nicht bereit bin, mich einfach zur Seite schieben zu lassen. Darf ich Dich übrigens fragen, wie es mit der Erfüllung der Verpflichtung aussieht? Du tust so, als seiest Du bereits auf Lebzeiten die rechtmäßige Erbin. Dabei erinnere ich mich noch genau daran, daß Du in dem Betrieb nur eine leitende Stelle behalten darfst, wenn Du nicht binnen Jahresfrist heiratest. Es bleiben nur noch wenige Tage Zeit, meine Liebe.<<

>>Meinst Du, das hätte ich vergessen?<< Dinas Augen blitzten ihn kampfbereit an. >>Und wo bleibt der Mann, der die Ehre hat, Dich bald seine Frau zu nennen?<< >>Ist das nicht allein meine Sache, Jan? Konntest Du die paar Tage nicht mehr abwarten?<< >>Nein, das konnte ich eben nicht.<< Erregt sprang Jan Dahlmann auf. >>Meinst Du, ich wüßte nicht, was für ein Dickkopf Du bist? Du bringst es fertig und heiratest irgend jemanden von der Strasse weg, nur um weiter Chefin der Dahlmann-Werke und Besitzerin dieser Villa bleiben zu können.<< >>Gut, das Du mich nicht unterschätzt, Jan. Aber was erwartest Du? Selbst wenn ich Tante Julies Bedingung nicht erfüllen würde, hättest Du nichts davon. Dir fiele nichts mehr zu. Du weißt, das in diesem Fall eine Stiftung aus Tante Julies Erbe würde.<<

>>Ja, ja, ich weiß. Und deshalb bin ich auch hier. Dina, es geht doch nicht an, daß wir beide nichts mehr von all dem Reichtum habe, den Tante Julie so im Laufe der Jahre zusammengescheffelt hat. Was soll das?- Eine Stiftung! Gibt es denn nicht einen Weg, der uns beiden einen Heimatrecht hier sichert?<< Jan stand jetzt hinter seiner Base. >>Wir beide könnten heiraten, Dina, dann hätten wir die beste Lösung gefunden!<< Platzte er heraus.

Über Dinas Gesicht lief sekundenlang ein ungläubiges Staunen, dann lachte sie laut heraus. >>Wir beide, Jan? Das hast Du dir aber fein ausgedacht. Das ist doch wohl nicht Dein Ernst?<< >>Und ob das mein Ernst ist! Ganz genau habe ich mir alles zurechtgelegt. Es gigt einfach keine geschicktere Lösung. Ich werde Dein Mann, damit erfüllst du deine Verpflichtung. Ich lasse Dich schalten und walten, wie Du willst, ich rede Dir gewiß in nichts hinein.<< >>Das könntest Du wohl auch kaum. Aber sage einmal, Jan, hälst Du mich wirklich für so naiv, daß ich deinen Plan nicht durchschaue? Ich finde ihn albern und vor allem sehr gemein. Ein Mann in deinen Jahren könnte wohl etwas besseres tun, als Erbschleicher zu werden. Nichts anderes ist es doch, was Du da vorhast. Zu deinem ohnehin schon Geerbten möchtest Du nun auch noch den Rest einheimsen.<<

>>Rest ist gut, Dina.<<
>>Und mich würdest Du eben so in Kauf nehmen. Bisher hatte ich noch keine Gelegenheit, eine besondere Vorliebe für mich bei dir feststellen zu können. Auf einmal besinnst du dich.<< >>Das liegt aber vorallem an Dir, Dina. Du bist ja stets so abweisend gewesen. Hättest Du dich anders verhalten, wärest du mit deinen 24 Jahren längst verheiratet. Manchmal glaube ich, Du bist garkeine richtige Frau.<< >>Und mit so etwas möchtest Du verheiratet sein? Nein nein, Jan, laß uns bitte dieses Gespräch abbrechen. Es führt zu nichts. Jeden anderen Mann würde ich eher heiraten als Dich.<< >>Jetzt werde ich um mein Erbe kämpfen. Ich lasse mich nicht so einfach abspeisen. Wenn Du schon meinst, auf mich herabsehen zu können, weil ich verstehe ein wirkliches Leben zu leben, so solltest Du doch nicht vergessen, was in deiner Familie so alles los war. Wo ist denn Dein Vater, Dina? Gib mir doch Antwort. Er hat sich rechtzeitig aus dem Staub gemacht, er hat es vorgezogen, mit einem jungen Mädchen in die Welt hinauszugehen, statt bei dir und deiner Mutter zu bleiben. Warscheinlich, weil sie genauso ein wesenloses Nichts war wie du.<< Jan Dahlmann kannte sich nicht mehr.

>>Bitte geh jetzt!<< Dina blickte ihrem Vetter hinterher, als dieser sich ohne ein weiteres Wort von Ihr abwandte und Richtung Tür verschwand.

Tief seufzte Dina. Nun saß sie da und dachte an die Worte Jans. Sie verdrehte die Augen. Als draußen alles ruhig geworden war, ging Dina in Ihr Arbeitszimmer und holte ein kleines Kästchen auf die Veranda.