Es war ein seltsames Gefühl durch den Hund geführt durch die kalte Einöde zu wandern. Bis zum Horizont erstreckte sich in alle Richtungen das Schneefeld, durch den andauernden Niederschlag war zusätzlich die Sicht getrübt und es gab keinerlei Unterschiede in der Landschaft, egal in welche Richtung man auch blickte. Kein verdorrtes Skelett von einem Baum, kein schneeüberzogener Stein... nur glattes, unberührtes Weiß.
Hätten sie keine sichtbaren Fußstapfen hinterlassen, nach denen sich Miranda oft umdrehte, hätte das Mädchen nicht gewusst ob sie sich überhaupt fortbewegten.
Der eisige Wind brannte auf ihrer Haut, zum Glück war dies ihr einziger unbedeckter Körperteil. Die Kleider, welche sie von den Feen bekommen hatten, schirmten wirklich perfekt die Kälte ab.
Dann gab es endlich eine Veränderung in der Landschaft, am Horizont erschienen spitze Felsformationen, die in den Himmel ragten und an umgedrehte Eiszapfen erinnerten. Der Hund wurde schneller und rannte schließlich freudig auf seine Herrin zu, welche am Fuß der Eiszapfen bereits wartete.
"Na, hast du mir Besuch gebracht?" wandte diese sich an das Tier und streichelte es zunächst, ohne die Mädchen zu beachten.
Dann hob die Frau mit der weißen Haut den Kopf und Miranda lief ein spürbarer Schauer über den Rücken, als die Augen der Herrscherin sie musterten.
"Mädchen, welches selbstmöderische Vorhaben führt euch in mein Reich? Bis hierher mögt ihr es geschafft haben, aber hinaus schafft ihr es nicht. Meine Kälte wird euch vorher alles Leben stehlen."
"Wir kommen wegen dem Teil des Stabes, dass ihr besitzt." antwortete Miranda, was schwer fiel mit halb eingefrorenen Gesichtsmuskeln, ohne auf den Teil mit baldigen Tod durch Erfrieren einzugehen.
"Albion, Gäste mit seltsamen Wünschen bringst du mir da." wandte sich die Weißhaarige an eine Person neben Miranda. Es handelte sich dabei um den Diener welchem die Mädchen schon zuvor begegnet waren und welcher allem Anschein nach aus dem Nichts erschienen war.
"Ich hatte sie nicht danach gefragt, Majestät." gestand dieser sogleich schuldbewusst ein und blieb auf halben Weg stehen.
"Meine Güte, der Typ beschützt seine Königin aber mächtig übertrieben." hörte Miranda es plötzlich leise hinter sich und bemerkte bei einem Blick nach hinten, dass Laurel ebenso unbemerkt erschienen war.
"Wo kommst du denn her?" fragte sie überrascht und bekam einen verwunderten Blick zugeworfen.
"Ähm... aus der gleichen Richtung wie ihr? Wir sind zusammen hergekommen, wenn du das vergessen haben solltest. Der Spinner da wollte mich zuerst nicht mitgehen lassen, weil ich männlich bin. Seh ich wirklich so durchtrieben aus? Oder lüstern?"
Miranda wollte gerade eine Antwort geben, da ergriff Asura flüsternd das Wort.
"Wo ist Kyra?"
"Die jagt dort hinten Schneeflocken, wenn ihr die Pfoten beginnen abzufrieren wird sie schon wieder herkommen."
"Stoppt vor mir zu flüstern! Und Albion, komm und führ den Hund weg." donnerte plötzlich die gewaltige Stimme der Herrscherin des Eises schneidend durch die Luft, der Wind frischte sogleich etwas auf.
Sofort schwieg die kleine Reisegruppe und nachdem der Diener ihr Haustier weggeführt hatte, machte die Eisherrin einige Schritte nach vorn.
"Wieso könnt ihr noch so aufrecht vor mir stehen? Seid ihr immun gegen meine Kälte?" fragte sie fast schon neugierig und Miranda schüttelte leicht den Kopf.
"Nein, es sind die Kleider. Die Feen haben sie uns gegeben, sie schützen uns."
"Ah, die Kleider... und bei dir ist es wohl das gute, gefütterte Leder?" Der Blick aus eisblauen Augen ging an Miranda vorbei zu Laurel und dieser nickte kurz.
"Das bedeutet ihr habt der Herrin der Lüfte also schon einen Besuch abgestattet? Und dieser scheint erfolgreich verlaufen zu sein." schlussfolgerte die Frau vor Miranda und ihre Annahme wurde durch ein Kopfnicken bestätigt.
"Jetzt glaubt aber nicht, nur weil meine kleine Schwester euch vertraut, steht meine Entscheidung euch zu helfen sogleich fest. Sie ist recht naiv und leicht zu täuschen, anders als ich. Dass sie beschlossen hat euch zu helfen ist nicht einmal ansatzweise überzeugend für mich."
Damit war eine von Mirandas Hoffnungen zerstört. Sie hatte gedacht die Elementarherrscher würden sich gegenseitig mehr vertrauen und mit jedem gewonnen Stück wird die Üerzeugung einfacher werden. Aber das war anscheinend leider nicht der Fall.
"Aber es ist leicht mich zur Hilfe zu bewegen, zumindest für die mit reinem Herzen. Gib mir einfach deine Hand und ich werde sehen, ob du es wert bist mein Stück des Stabes zu empfangen."
"Meine... Hand?" wiederholte Miranda unsicher.
"Ja, leg einfach deine Hand in meine und ich werde sehen, ob ich dir trauen kann."
Die Braunhaarige nickte, als Zeichen dass sie verstanden hatte und betrachtete die weiße, ausgestreckte Hand vor sich. Hatte sie etwas zu befürchten? Tat sie das alles aus den falschen Gründen?
Sie wollte helfen Sisar zu besiegen, dieser war abgrundtief böse. Indem sie gegen das Böse kämpfte, vollführte sie doch eine gute Tat. Sisar hatte immerhin ihre Eltern getötet und ihren Onkel angegriffen... er hatte es verdient!
Miranda steckte die Hand ebenfalls aus, zögerte jedoc noch. Tat sie es aus Rache? Wie wichtig waren ihr die Leben, die sie retten konnte? Wichtiger als die Leben, bei denen sie es nicht geschafft hatte?
Wollte sie eigentlich helfen... oder lediglich Rache nehmen?
Das Mädchen atmete tief durch und führte die Bewegung ihres Arms fort. Nicht, weil sie sich absolut sicher war, dass sie alles aus den Gründen eines reinen Herzens tat. Sondern weil sie selbst ihren Grund wissen wollte.
Plötzlich wurde ihre Hand gestoppt. Verwundert sah Miranda den Arm hinauf, der ihr Handgelenk festhielt.
"Laurel, was soll das?"
"Was das soll? Das wollte ich dich eigentlich gerade fragen. Wie kannst du ihr so einfach vertrauen? Wenn du sie berührst kann es passieren, dass sie dir innerhalb deines nächsten Atemzugs sämtliches Blut in den Adern gefrieren lässt!" gab der Junge aufgebracht zurück.
"Wieso sollte sie sowas tun, einfach so? Wenn, dann hätte ich es wohl verdient."
"Verdient? Auf dein Wieso gibt es noch einfachere Antworten. Langeweile, ein perverses Vergnügen. Woher willst du wissen, das sowas nicht ihre Gründe für so eine Tat sein könnten?"
"Ich weiß nicht... ich kann es mir einfach nicht vorstellen. So ein edles Geschöpf wie sie mordet doch nicht einfach so aus Spaß." entgegnete Miranda mit einem Lächeln, obwohl sie sich selbst nicht mehr so ganz sicher war.
"Mädchen, denk von mir was du willst, aber bevor ich mir nicht über deine Gesinnung klar bin, werde ich dir nichts geben." stellte die Eisherrin klar.
"Es ist mir sowieso neu, dass die Elementarherren durch die Hände ins Herz schauen können." zischte Laurel misstrauisch.
"Eine Gabe, die wir sehr geheim halten und trotzdem dringen hier und dort Gerüchte davon nach außen. Egal was man von uns hört oder nicht, man kann sie nie sicher sein, dass es stimmt. Es sei denn man hat die Information von uns." entgegnete die weiße Frau mit einem kühlen Lächeln. Darauf wusste der Junge nichts mehr zu sagen, sodass sich das 'edle Geschöpf' und wieder an Miranda wandte.
"Du kannst dir nicht sicher sein, dass mein Wort stimmt wie ich es dir sage, da hat der junge Herr mit dem ausgeprägten Beschützerinstinkt schon Recht. Du kannst also ohne dein Ziel erreicht zu haben gehen oder dich an meine Bedingung halten. Also Mädchen, was ist deine Entscheidung?"
~geht noch weiter~