Die heutige FS ist ziemlich lang, aber ich wollte sie einfach nicht auseinander reißen!!! Ich hoffe, ihr haltet alle durch mit dem Lesen! 
18.
Es war bereits dunkel, als Eileen nach Hause kam und ihren kleinen Wagen vor dem Haus parkte. Sie stieg aus und fuhr sich müde über die Stirn. Im Büro hatte sich durch ihre lange Abwesenheit viel Arbeit angehäuft und sie fühlte sich von den Aktenbergen, die sich immer noch auf ihrem Schreibtisch türmten, wirklich überfordert. Normalerweise hatte sie keine Probleme mit reichlich Arbeit, aber über den ganzen Tag hatte sie gemerkt, wie überaus anstrengend es war, sich zu konzentrieren und nicht ablenken zu lassen.

Manche Dinge hatte sie vier- oder fünfmal neu beginnen müssen, da sie durcheinander gekommen war.
Dazu war sie so schlapp und müde wie selten zuvor in ihrem Leben. Irgendwann gegen Nachmittag hatte es eine Phase gegeben, wo sie all ihre Kraft dafür hatte aufwenden müssen, nicht vornüber auf die Schreibtischplatte zu kippen und einzuschlafen.
Dazu war ihr den ganzen Tag schon übel und ihr Magen krampfte – was aber kein Wunder angesichts der Tatsache war, dass sie mal wieder fast nichts zu sich genommen hatte.
Die frische Luft tat ihr wohl und sie atmete tief ein.
Ihr Magen gab ein wütendes Knurrgeräusch von sich.
Ein Blick auf die Uhr verriet ihr jedoch, dass sie keine Zeit mehr hatte, um sich zu stärken – es war bereits kurz vor sechs und Marcel würde jeden Moment eintreffen.
Sie schloss das Auto ab und ging über den knirschenden Kies zur Haustür. Seufzend realisierte sie, dass es dringend Zeit war, die Blätter der Bäume zu entfernen. Eigentlich hatte das meist Marcel übernommen.

Einen Moment dachte sie daran, dass sie ihn ja trotzdem darum bitten könnte. Schließlich war das auch immer noch sein Haus – wieso sollte sie nun alle Pflichten alleine übernehmen müssen?
Aber dann schob sie den Gedanken beiseite. Es gab wohl wirklich wichtigeres zu besprechen als das welke Laub auf dem Boden.
Sie öffnete die Haustüre, schälte sich aus ihrem Mantel und widerstand nur mühsam dem Wunsch, sich wenigsten für ein oder zwei Minuten auf der Couch auszustrecken.

Zielstrebig nahm sie sich stattdessen ihr Notizbuch und setzte sich vorsorglich im Schneidersitz auf den Boden – sie wollte auf keinen Fall in die Versuchung geraten, doch noch einzudösen. Und auf der Couch wäre dies vermutlich passiert, bevor sie auch nur darüber hätte nachdenken können.
Rasch schrieb sie stichpunktartig auf, welche Dinge heute Abend dringend geklärt werden mussten.
Nach einigen Minuten war sie fertig und ging ihre Liste noch einmal durch. Dann stand sie auf und warf noch einmal einen Blick in den Kühlschrank, denn der Hunger ließ ihren Magen noch immer knurren. Während sie erneut feststellte, dass sich nichts Anziehendes darin befand, schweiften ihre Gedanken zurück zu den Notizen, die sie sich eben gemacht hatte.

Eigentlich hätte sie als obersten Punkt am liebsten dick und fett eingetragen: „Warum?!“ und „Was ist nur geschehen?“.
Wenn sie es sich recht überlegte, begriff sie das immer noch nicht. Und wie sollte sie mit allem fertig werden, wenn sie überhaupt nicht wusste, was geschehen war. Wie und wo und unter welchen Umständen? Wie lange hatte Marcel sie schon zum Narren gehalten?
Ihr schoss mit einemmal ein Gedanke durch den Kopf, der ihr den Magen zusammenschnürte: Was, wenn das ganze nicht erst ein paar Wochen nach dem Verlust ihres Kindes, sondern viel mehr sogar schon DAVOR begonnen hatte?
Ihr wurde speiübel bei dem Gedanken, dass Marcel vielleicht schon mit dieser anderen im Bett gelegen hatte, während in ihrem Bauch das gemeinsame Kind heranwuchs.
Was, wenn es wirklich so gewesen wäre? Sie malte sich aus, wie sie gefühlt hätte, wenn sie es währenddessen erfahren hätte. Sie konnte sich vorstellen, dass sie das Kind dann abgelehnt, vielleicht sogar gehasst hätte. Ein Kind von einem Mann, der zur selben Zeit mit einer anderen schläft.
Auf der anderen Seite – hätte das Kind denn etwas dafür gekonnt? Nein.
Verwirrt lehnte sich Eileen gegen den Kühlschrank und starrte auf die ordentlich über die Couch drapierte Decke im Wohnzimmer, während sie versuchte, ihre Gedanken wieder zu bündeln.

Wichtiger als die Klärung der emotionalen Dinge waren erst einmal die ganz irdischen.
Müde stieß sie sich vom Schrank ab und wanderte eine Weile ziellos durch die Küche, bis sie ihre schmerzenden Füße ins Wohnzimmer trieben, wo sie am Esstisch platz nahm. Sie dachte daran, wie hektisch sie noch vor wenigen Tagen durchs Haus gehastet war, als sie auf Marcel wartete. Wie sie alles aufgeräumt hatte, sich selbst herausgeputzt. Heute wollte sie nicht einmal einen Blick in den Spiegel werfen. Sie wusste, dass der lange Tag ihre Spuren an ihr hinterlassen hatte, aber es war ihr egal.
Inzwischen schien sich ein Teil ihres Herzens verschlossen zu haben – nein, sie hielt es nicht mehr für denkbar, dass Marcel und sie noch einmal zueinander fänden.
Für einen Augenblick blieb sie verblüfft stehen, als sie diesen Gedanken in seiner ganzen Aussagekraft begriff. Dann setzte sie ihren stillen Spaziergang durch das Wohnzimmer fort.
Es stimmte. Sie konnte sich nicht mehr vorstellen, dass es noch eine Chance gäbe.
Und wenn sie ehrlich zu sich war, so war sie sich auch alles andere als sicher, ob sie diese denn noch wollte.

Ihre Augen weiteten sich, als sie Schritte auf der Vortreppe hörte. Gleich darauf klingelte es – wieder fuhr ihr durch den Kopf, wie albern das eigentlich war, wo dies doch immer noch Marcels Zuhause war.
Im selben Moment dachte sie daran, dass sie es mehr als angebracht empfand, dass er nicht seinen Schlüssel benutzte und einfach hier eintrat, als könne er noch tun und lassen, was er wolle. Um sich zu versichern, warf sie einen raschen Blick aus dem Fenster und sah Marcel draußen stehen, während hinter ihm der Regen in Fäden vom Himmel rannte und auf dem Vordach ein trommelndes Geräusch machte.

Sie ging raschen Schrittes zur Tür und öffnete.
Eine halbe Minute später standen sie sich gegenüber, wortlos.
„Hallo“, sagte Marcel schlicht und starrte auf seine Fußspitzen.
„Hallo“, erwiderte Eileen ebenso nüchtern.

„Wollen wir uns setzen?“ Eileen öffnete die Tür zum Wohnzimmer und deutete absichtlich auf die Ess-Ecke, da sie eine Unterhaltung auf der Couch nicht für angebracht angesichts der Situation hielt.
Marcel schien ähnlich zu empfinden und nahm zielstrebig auf einem der Stühle Platz.
Eileen wählte den Stuhl, der den größten Abstand zu ihm aufwies und nahm ebenfalls Platz. Für einen Moment saßen beide stillschweigend und starrten ins Leere.

Eileen ging für einen Augenblick der Gedanke durch den Kopf, dass es vielleicht höflich wäre, Marcel etwas zu trinken anzubieten. Aber ihr stand der Sinn gerade nicht nach Höflichkeiten und sie war zu müde und schlapp, um sich dazu aufzuraffen, in die Küche zu gehen und Kaffee aufzusetzen.
Für einen Moment verlor sie sich erneut in Vergangenem, dachte daran, wie sehr Marcel es geliebt hatte, wenn sie ihn im Urlaub oder am Wochenende mit dem Duft frischen Kaffees weckte. Er war ein Kaffee-Liebhaber, wie er im Buche stand.
Als sie vor einigen Jahren eine zweiwöchige Reise durch Italien gemacht hatten, war Marcel danach in den Schilderungen der Reise oftmals mehr ins Schwärmen über die vielen köstlichen Espresso-Spezialitäten verfallen als in begeisterte Beschreibungen von Land und Leuten, dem Meer oder den idyllischen kleinen Städtchen, die sie besucht hatten.
Eileens Herz wurde schwer, als sie an diese glücklichen Zeiten zurück dachte. Es kam ihr vor, als sie dies alles in einem anderen Leben geschehen. Das ganze fühlte sich wie ein seltsamer Traum an, den sie irgendwann einmal geträumt hatte – der aber nicht zur Realität zu gehören schien. Und doch waren die Erinnerungen intensiver und näher als je zuvor, fast so, als könne sie danach greifen und sich in jene Zeit zurück katapultieren.
Wie zerbrechlich Glück doch war.
Sie musterte Marcel, der immer noch stillschweigend da saß und seinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ.
War dies immer noch derselbe Mann wie jener, mit dem sie damals lachend und glücklich am Strand gelegen hatte?
Was war es gewesen, dass ihn so verändert hatte? War es der Lauf der Zeit? War sie es gewesen? Oder er selbst?
Eileen wusste es nicht und fragte sich, ob Marcel während seine Augen durch das Zimmer streiften und alles musterten, als sähe er es zum ersten Mal, wohl ebenfalls irgendwelchen Erinnerungen nach hing.
Und wenn ja, ob diese wohl glücklich waren? Oder versuchte er sich alle schlechten Augenblicke ins Gedächtnis zu rufen, um es sich leichter zu machen? Um sein Verhalten und seine Entscheidungen zu rechtfertigen?
Sie wusste es nicht. Mühsam unterdrückte sie einen Seufzer und hob den Kopf nach oben.
„Marcel“, sagte sie dann mit möglichst fester Stimme. „Ich denke, wir haben einiges zu besprechen.“

Marcel sah sie einen Augenblick lang fest an und für den Hauch einer Sekunde schien es wieder wie früher zu sein. Seine Augen und ihre Augen versanken ineinander und Eileen fühlte in sich eine Wärme aufsteigen, die sich wie Nach-Hause-Kommen anfühlte.
Doch der Augenblick war schnell wieder vorbei. Marcel richtete den Blick wieder auf die gläserne Tischplatte und sagte mit nüchterner Stimme: „Du hast recht.“
Eileen schluckte und hatte das Gefühl, auf etwas furchtbar bitteres gebissen zu haben.
„Gut“, sagte sie dann, ohne sich etwas anmerken zu lassen. „Bevor wir irgendetwas Genaueres besprechen, würde ich gerne von dir hören, wie es deiner Meinung nach weitergehen soll?“
Marcel blickte erneut auf und sagte dann langsam: „Eileen, ich habe dir doch schon gesagt, dass … ich… mit uns ist es…“
„Das meine ich nicht“, erwiderte Eileen und sah ihn hart an. „Dass es mit uns beiden aus ist, brauchst du mir nicht sagen. Es ist aus – egal, was du sagen würdest.“
Sie spürte ein Gefühl von Triumph in sich aufsteigen, als sich Marcels Augen auf ihre Aussage hin für einen Moment weiteten und er unbequem schluckten musste.

„Vielmehr möchte ich wissen, wie du dir vorgestellt hast weiterzumachen, was unsere gemeinschaftlichen Verpflichtungen angeht. Ziehst du zu deiner… äh, wie hieß sie doch gleich… nun ja, ist ja auch nicht so wichtig… ich gehe mal davon aus, dass du bereits dort eine neue Bleibe gefunden hast“, sagte sie möglichst gelassen und genoss es dabei zu beobachten, wie Marcels Gesichtszüge immer länger wurden. „Von daher gehe ich davon aus, dass du möglichst rasch vollständig aus diesem Haus ausziehen kannst. Du hast jedoch noch recht viele Sachen hier und einiges gehört natürlich uns beiden. Wir haben also jede Menge Klärungsbedarf - oder sehe ich das falsch?“
Marcel schluckte hart, fasste sich dann jedoch wieder und sagte: „Ja – ja, du hast natürlich recht.“
Eileen nickte und lächelte dabei höflich. „Gut, dann sind wir uns wenigstens in diesem Punkt ja einig. Ich hätte gerne, dass du am Samstag zwischen neun und zwei Uhr mittags herkommst und deine Sachen holst. In dieser Zeit werde ich bei meinen Eltern zum Frühstück sein.“
Sie sprach ruhig und so, als sei alles schon lange von ihr geplant – aber jetzt, wo sie zu sprechen angefangen hatte, schien alles von alleine zu laufen.
„Wir werden außerdem eine Vereinbarung treffen müssen, welche Verbindlichkeiten du bezüglich der Hausraten noch übernehmen wirst.“

„Ich… darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht“, stammelte Marcel.
Eileen zog die Augenbrauen hoch. „Nun, dann solltest du das wohl tun“, erwiderte sie dann leichthin. „Natürlich werde ich den Großteil der Rate weiter abbezahlen, schließlich nutze ich das Haus auch noch.“
Marcel schien einen Moment heftig nachzudenken und sagte dann: „Aber… wenn ich das Haus nicht mehr nutze, möchte ich auch nicht mehr dafür zahlen.“
„Ich denke, dass das nicht so einfach sein wird“, erwiderte Eileen und lächelte ihn scheinbar freundlich an. „Du hast die Finanzierung gemeinsam mit mir aufgenommen und das nicht von Nutzungsrechten abhängig gemacht. Natürlich steht dir frei, das ganze mit einem Anwalt zu besprechen. Grundlegend kannst Du natürlich auch hier wohnen bleiben, wir müssten dann eben zwei verschiedene Wohnbereiche schaffen.“
Sie sah ihn offen an. Er starrte sie derweil an und machte den Eindruck, als habe er sie noch nie gesehen. Wie gut, dass er nicht wusste, dass ihr Herz in ihrer Brust so schnell schlug, dass sie fürchtete, es würde jeden Moment aus ihr herausspringen oder er müsse es selbst von außen sehen können.

Sie hatte sich nicht viele Gedanken im Vorfeld darüber gemacht, was sie sagen wollte oder welche genauen Vereinbarungen zu treffen waren. Doch nun schien sie Oberhand zu gewinnen und ihr wurde klar, was sie wollte und was sie zu fordern hatte, ohne dass sie vorher darüber nachdenken musste. In ihr machte sich ein wohltuendes Gefühl breit, dass sie wohl am ehesten als eine Art Rachegelüst definieren konnte.
Ein anderer Teil in ihr, gegen den ihr Inneres mit aller Kraft ankämpfte, wäre am liebsten aufgesprungen und hätte Marcel umarmt und ihn um Verzeihung gebeten – und gleichzeitig gehofft, dass er nun – wo er zu spüren bekam, dass all das nicht so einfach ablief wie er sich das vielleicht vorgestellt hatte – doch zu ihr zurück käme und den Unsinn mit dieser anderen Frau beendete.
Doch davon ließ sie nichts nach außen dringen. Sie blieb ruhig sitzen und wartete darauf, dass er etwas erwiderte.
„Ich… ich denke nicht, dass ich wieder einziehen werde“, sagte er schließlich. „Es… das würde doch keinen Sinn machen. Wegen dem Geld… darüber muss ich nachdenken.“

„Gut, dann tu das, aber tu es bald“, sagte sie dann fest. „Du ziehst dann am Samstag aus, ja?“
Marcel nickte langsam. „Ja… ich werde wohl noch einiges organisieren müssen, aber… ich denke, das wird machbar sein.“
„In Ordnung. Ich würde dir vorschlagen, dass du sämtliche Möbel aus dem Arbeitszimmer mitnimmst, inklusive des Computers. Im Gegenzug würde ich gerne das Laptop behalten. Die Küche muss natürlich komplett hier bleiben, aber wenn du dir irgendwelche Küchengegenstände mitnehmen möchtest…“
„Nein“, erwiderte er langsam und starrte sie wieder verständnislos an. „Bettina ist voll ausgerüstet.“
„Ah, Bettina ist also ihr Name. Ich dachte, sie heißt Sabrina“, sagte Eileen und versuchte die Bitterkeit in ihrer Stimme zu unterdrücken. „Nett.“
Es entstand einen Moment lang Schweigen und Marcel begann sich aufzurichten. Eileen wurde klar, dass sie weitersprechen und zu ihrer Gelassenheit zurück finden musste, wenn sie nicht alles, was sie sich eben an Oberwasser erarbeitet hatte, verlieren wollte.
„Also gut – was möchtest du aus dem Wohnzimmer mitnehmen? Die Couch oder den Tisch oder…?“

„Nichts – vorerst“, erwiderte Marcel. „Dafür habe ich keinen Platz. Ich werde meine Bücher, meine CDs und den ganzen Kleinkram mitnehmen und das Arbeitszimmer, so wie du gesagt hast. Außerdem meine Werkzeuge und diesen ganzen Kram eben. Den Rest… lassen wir erstmal hier, bis… wir mehr entschieden haben.“
„Gut“, erwiderte Eileen. „Dann haben wir das ja geklärt. Zu den Finanzen – ich habe heute Morgen ein eigenes Konto eingerichtet.“
Wieder sah Marcel sie an, als sei sie vom guten Geist verlassen. Eileen gab dies nur noch mehr Kraft und sie sagte: „Ich denke, dass auch du dir nun ein eigenes Konto einrichten solltest und wir unser gemeinsames auflösen sollten. Was wir mit unserem Ersparten machen, können wir später noch sehen.“
Sie stockte einen Moment. „Wir… sollten uns vielleicht erst eine Weile Zeit geben, diese Trennung zu verdauen und uns neue Strukturen aufzubauen und dann entscheiden, wie es weitergeht.“
„Was meinst du?“, wollte Marcel wissen.
„Ich spreche von Scheidung.“

Marcel sprang auf und begann unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen. Eileen begann nun auch sich unwohl in ihrer Haut zu fühlen und stand ebenfalls auf.
„Eileen… findest du es nicht… etwas zu früh, sich darüber Gedanken zu machen?“, stieß Marcel dann hervor.
Eileen zuckte mit den Achseln.
„Ich weiß nicht“, sagte sie dann. „Was denkst du denn?“
„Ich… ich weiß nicht, ich dachte… ich meine…“
Er unterbrach seine Wanderung und blieb vor ihrem Hochzeitsbild stehen, dass er eine Weile versunken betrachtete.
Dann versuchte er sich zu fassen und erwiderte: „Ich denke, dass eine Scheidung sehr teuer und aufwendig ist.“
„Das ist richtig. Darum sagte ich ja, dass wir uns erst einmal an alles gewöhnen sollten. So lange sollten wir unser Erspartes unberührt lassen.“

Marcel nickte langsam. „In Ordnung. Das halte ich auch für vernünftig.“
Er ging wieder im Zimmer auf und ab. Eileen blieb still stehen. Nach einigen Minuten des Schweigens sagte sie: „Bleiben noch die Autos… ich wäre dir dankbar, wenn du das große übernehmen würdest. Die Halterrechte können wir ja erst einmal so lassen wie sie sind.“
Marcel starrte sie wieder irritiert an und nickte dann langsam. „Ja. Gut. Machen wir es so.“

Eileen holte tief Luft und warf einen Blick auf die Uhr.
„Es ist schon nach sieben“, sagte sie. „Ich bin ziemlich müde. Hatte einen langen Tag.“
Marcel sah sie an und sagte plötzlich mit sehr viel weicherer Stimme als zuvor: „Dir geht es nicht gut… oder?“
Nun starrte Eileen ihn an. Was sollte das denn nun?
„Nun… ich bin einfach müde“, sagte sie schnell und versuchte, möglichst gefasst zu klingen. „Und wir haben ja nun auch alles besprochen, nicht wahr. Also machen wir es so – du holst am Samstag deine Sachen und ich werde mich in dieser Zeit vom Haus fernhalten. Wir sollten nächste Woche noch einmal telefonieren, wenn du dir etwas wegen der Hausraten überlegt hast.“

Marcel schluckte und sah Eileen irritiert an, die nun langsam zur Haustür ging, um anzudeuten, dass er nun gehen könne.
Langsam folgte er ihr. Er trat hinaus in die frische kühle Luft. Es hatte wieder zu regnen begonnen.
„Also dann…“, setzte er an.
„Ja, bis dann“, erwiderte Eileen und wollte schon die Tür schließen, da hielt er sie zurück.
„Was?“ Sie sah ihn irritiert an.
„Eileen… ich…“, er strich sich verwirrt durchs Haar. „Willst… du denn gar nicht wissen, was geschehen ist … warum und…“

Eileen unterbrach ihn forsch. „Nein – nicht jetzt. Nicht heute.“
Sie starrte auf den Boden und sagte dann: „Vielleicht ist es dazu einfach zu spät, Marcel.“
Er schluckte, rieb sich die Arme, drehte sich um und ging die Treppen hinunter.
„Bis bald, Eileen“, sagte er langsam mit warmer Stimme und einem sanften Lächeln, als er sich noch einmal zu ihr umdrehte.

„Bis bald, Marcel“, sagte sie mit dünner Stimme und schloss die Türe hinter ihm.
Atemlos lauschte sie seinen Schritten auf dem Kies, der Autotür und schließlich dem leiser werdenden Motorengeräusch und schien dabei zur Salzsäule erstarrt.

Erst als kein Laut mehr zu hören war, sackte sie zusammen und begann laut zu schluchzen und zu schluchzen, bis keine Träne mehr in ihr zu sein schien.

FS folgt.