Beiträge von Innad

    Sie ließ sich kraftlos auf den gepolsterten Sessel vor dem Schreibtisch sinken und wartete darauf, dass die Ärztin ihr sagte, wie es weiterginge.
    Während diese weiterhin vor sich hinschrieb, gingen Eileen ihre Worte durch den Kopf – Überweisungsschein für die Klinik? Vielleicht war dann noch nicht alles verloren, vielleicht könnte man ihr dort helfen, ihr Baby noch retten?
    Im selben Augenblick wusste Eileen bereits, dass dieser Gedanke abstrus und hoffnungslos war. Es war vorbei.
    Sie spürte, wie sich die Tränen in ihre Augen bahnten. Doch sie wollte nicht weinen – nicht jetzt und nicht hier, also schluckte sie tapfer gegen die Tränen an, wenn auch nicht ganz erfolgreich.




    In diesem Moment drehte sich die Ärztin zu ihr und schob ihr ein Papier zu.
    „Bitte fahren Sie sofort in die Klinik, ich werde dort anrufen, damit man Bescheid weiß. Je schneller Sie es hinter sich bringen, desto besser.“
    Eileen nahm die Überweisung in die Hand und las rasch die Worte, die oben im Betreff eingedruckt waren – „spontaner Abort – Abrasio erforderl.“.
    „Was... was wird in der Klinik gemacht?“ stammelte sie nach einer kurzen Weile des Schweigens.
    „Eine Ausschabung“, antwortete die Ärztin knapp. „Es muss sein, auch wenn es sich schrecklich für Sie anhören mag. Der Fötus ist glücklicherweise noch klein genug dazu.“
    Eileen schauderte bei dem Gedanken, sich ihr Baby auf einem OP-Tisch aus dem Leib kratzen zu lassen.
    „Gibt... es denn keine andere Möglichkeit?“ fragte sie mit dünner Stimme.



    „Nein, auf keinen Fall. Sie spielen doch nicht etwa mit dem Gedanken, auf die Ausschabung zu verzichten?“
    Eileen schluckte. Sie wusste nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Wie sollte sie so eine Entscheidung in diesem Moment treffen? Sie hatte ja noch nicht einmal begriffen, dass das Leben in ihrem Bauch verwirkt war – wieso musste sie so rasch entscheiden, was sie mit diesem kleinen, winzigkleinen Körper in ihr tun sollte und was nicht?
    Irgendwo in ihrem Hinterkopf erinnerte sie sich, Berichte im Internet gelesen zu haben, in denen Frauen, denen es wie ihr ergangen war, davon berichtet hatten, auf eine Ausschabung verzichtet zu haben, aber sie wusste nicht mehr, wieso und unter welchen Umständen.
    Ihre Ärztin runzelte die Stirn, denn sie deutete Eileens Zögern als Antwort auf ihre Frage.
    „Es kommt gar nicht in Frage, die Kürretage nicht vorzunehmen“, sagte sie barsch und dann etwas sanfter weiter: „Die Blutungen wären zu stark und es kann viel zu viel schief gehen. Ich gehe davon aus, dass der Fötus schon seit einigen Tagen abgestorben ist, die Abstoßungsreaktion hat bereits begonnen, was man an Ihren Blutungen sieht. Sie müssen so schnell es geht in die Klinik, um Komplikationen zu vermeiden. Ich werde dafür sorgen, dass Sie noch heute behandelt werden.“


    Eileen wusste nicht mehr, was sie denken oder fühlen sollte und nickte betäubt. Was sollte sie schon anderes sagen?
    “Wie lange muss ich in der Klinik bleiben?“
    “Es kann sein, dass man Sie über Nacht behält, das kommt darauf an, wie die Ausschabung verläuft“, erwiderte die Ärztin knapp. „Es wäre also gut, wenn Sie jemanden organisieren könnten, der Ihnen einige Sachen vorbeibringt.“
    „Ich... kann ich nicht selbst noch nach Hause fahren?“
    „Ich sagte bereits, Sie sollten sofort in die Klinik fahren.“
    Eileen nickte ergeben. „In Ordnung, ich mache mich direkt auf den Weg.“
    „Eine vernünftige Entscheidung“, sagte die Ärztin zufrieden. „Es tut mir wirklich leid.“



    Eileen sah sie an und spürte, dass es gelogen war. Für sie waren sie und ihr Baby nur ein Fall, ein weiterer Punkt auf der Tagesordnung, vielleicht nicht der schönste des Tages, aber auch nicht der schlimmste. Für sie ging das Leben normal weiter – doch für Eileen schien es an diesem Tag zu enden.
    Eileen ging langsam aus dem Sprechzimmer heraus und zur Praxistür. Hinter ihr hörte sie die Ärztin in ihrem gewohnt freundlich-heiteren Ton „Die nächste bitte!“ rufen und als sie die Klinke der Praxistür in die Hand nahm, drehte sie sich noch einmal um und sah, wie ihre Frauenärztin fröhlich einer hochschwangeren Frau die Hand schüttelte.



    Eileen trat mit einem schnellen Schritt hinaus auf den Parkplatz und begann leise zu weinen, während sie sich auf den Weg in die Klinik machte.



    FS folgt.

    „Ich mag heute nichts essen“, sagte Eileen schnell. „Ich bin spät dran.“
    Irritiert sah er sie an. „Wie, nichts essen? Ich dachte, dein Salamibrot am Morgen ist die letzte Rettung?“



    „Nein, heute nicht“, lachte Eileen. „Ich muss los, soll ich dich heute Mittag anrufen?“
    „Ich werde heute nicht erreichbar sein, sprich mir einfach auf die Mailbox, falls was ist“, sagte Marcel. „Der Termin in Nürnberg ist wichtig und da werde ich das private Handy lieber ausschalten. Wenn etwas ist, sprich mir einfach auf die Mailbox.2
    „Was soll schon sein!“ lachte sie. „Ich werde es schon aushalten, ein paar Stunden nicht mit dir zu telefonieren, mein Schatz. Bis heute Abend!“
    Sie gab ihm einen Kuss und verließ dann fröhlich pfeifend das Haus.



    All diese Szenen ging Eileen durch den Kopf, als sie den Druck des Ultraschallkopfes auf ihrem Bauch spürte. Sie zitterte merklich und die Ärztin sah sie einen Moment sanft an und sagte: „Tief durchatmen, gleich wissen wir mehr.“


    Eileen versuchte, diesen Rat zu befolgen, doch es nutzte nicht viel. Ihre Augen suchten hektisch die auf dem Bildschirm erscheinenden Schatten ab. Das kleine Menschlein war mit etwas Übung sogar für ihre Laienaugen schon zu erkennen. Doch diesmal schien irgendetwas anders zu sein als sonst.
    Die Ärztin fuhr mit dem Ultraschallkopf mehrmals auf dem Bauch hin und her, ohne etwas zu sagen.
    Eileen kam es vor, als würde sich diese Zeit ewig hinziehen. Irgendwann erhob die Ärztin ihre Stimme und fragte: „Seit wann haben Sie diese Blutungen, Frau Berger?“
    Eileen schluckte. Eigentlich hatte sie ihr diese Frage schon zweimal beantwortet, aber wenn es irgendetwas helfen konnte, wollte sie das gerne noch einmal tun.



    „Es muss irgendwann heute Morgen zwischen acht und zehn angefangen haben“, wiederholte sie darum langsam. „Ich habe sofort angerufen.“
    Es war jetzt drei Uhr mittags. Eileen hatte gekämpft wie eine Löwin, um so schnell wie möglich einen Termin bei der Ärztin zu bekommen. Wie so oft hatte sie sich mit den übellaunigen Sprechstundenhilfen herumschlagen müssen.
    Ihr stieg selbst jetzt noch die Empörungsröte ins Gesicht, wenn sie daran dachte, dass eine dieser Damen ihr tatsächlich vorgeschlagen hatte, am kommenden Dienstag – heute war Freitag! – vorbeizuschauen, vorher sei keine Zeit und alle Termine vergeben.
    „Ich bin schwanger und blute seit heute Morgen, gute Frau!“ hatte sie mit zitternder Stimme in den Hörer gebrüllt. „Am Dienstag kann es schon zu spät sein, verstehen Sie das?“
    Normalerweise hätte Eileen ihrer Ärztin zu diesem Vorfall ordentlich die Meinung gesagt, doch heute fehlte ihr dazu jede Kraft.
    Marlene hatte ihr im Büro die Hand gehalten und sie mit vielen, aufmunternden Sätzen zu beruhigen versucht – das Blut konnte so viele verschiedene Ursachen haben, geplatzte Äderchen an der Gebärmutter beispielsweise. Das wusste Eileen selbst, sie hatte bereits in der achten Schwangerschaftswoche leichte Blutspuren im Slip gefunden und war ebenso aufgelöst zur Ärztin gekommen, die sie beruhigt hatte.



    Doch diesmal waren es keine Tröpfchen, die sie entdeckt hatte, es war frisches, rotes Blut – und nicht wenig davon. Bevor sie in die Praxis gefahren war, hatte Eileen zu Hause noch einmal ihre Unterwäsche wechseln und sich eine Einlage in den Slip legen müssen, um nicht ihre ganzen Hosen zu beschmutzen.
    Das konnten keine geplatzten Äderchen sein – ihr Baby war in Gefahr und tief in sich wusste Eileen, was die grausame Wahrheit war.
    Die Ärztin drehte sich zu ihr und ihr Gesicht sagte mehr als tausend Worte. Dennoch klammerte sich irgendetwas in Eileen an den letzten Funken Hoffnung, sie könne sich doch irren.
    "Es tut mir wirklich leid, Ihnen das sagen zu müssen...“



    Eileen wollte sich die Ohren zuhalten, weg ignorieren, was nun kommen würde, doch sie lag wie versteinert auf der kalten Liege und zitterte wie Espenlaub, während die Worte der Ärztin langsam, wie schwer tropfender Teer in ihr Bewusstsein sickerten: „Das Herzchen schlägt nicht mehr – der Fötus lebt nicht mehr, es tut mir wirklich leid. Sie wissen ja, dass bis zur 12. Schwangerschaftswoche das Risiko eines Aborts nicht gering ist. Trotzdem ist es bestimmt ein Schock für Sie, ich kann das gut verstehen.“
    Die Ärztin sah sie mitfühlend an. Eileens Augen waren weitaufgerissen und ihr Mund trocken. Sie wusste nicht, was sie erwidern sollte.
    Bilder schossen durch ihren Kopf. Ihr Baby – sie sollte es in wenigen Monaten in den Armen halten. Ihr Baby. Das konnte nicht sein…



    Die Ärztin zupfte einige Papiertücher aus dem neben der Liege stehenden Spender und befreite Eileens Bauch vorsichtig vom Ultraschallgel.
    „Ich werde Ihnen sofort einen Überweisungsschein zur Klinik schreiben. Möchten Sie vielleicht Ihren Mann anrufen?“
    Eileen war immer noch damit beschäftigt zu verarbeiten, was sie gerade von der Ärztin gesagt bekommen hatte. Wie in Trance sah sie diese an und schüttelte langsam den Kopf.
    „Nein – nein... er ist nicht da. Er ist nicht erreichbar.“
    Verflucht, Marcel! Wieso ausgerechnet heute?
    Sie hatte bereits vorhin mehrmals versucht, ihn zu erreichen, aber wie er prophezeit hatte, meldete sich jedes Mal nur die Mailbox. Und diese abzuhören, schien er keine Zeit gehabt zu haben.
    „Sie können sich wieder anziehen.“



    Wie mechanisch stand Eileen auf. Ihre Beine fühlten sich ungewohnt schwer und träge an, ihr Herz klopfte schnell und jeder Atemzug schien ihr weh zu tun. Doch ohne ihre Miene zu verändern ging sie hinter die Schutzwand und schlüpfte wieder in ihre Wäsche.
    Fast schlafwandlerisch betrat sie das Sprechzimmer, wo ihre Frauenärztin bereits einige Zeilen auf einen Zettel kritzelte.

    5.


    Eileen spürte, wie ihr Mund trocken wurde, als die Ärztin die Stirn in besorgte Falten legte und ihr mit einer Handbewegung bedeutete, sich auf die Liege zum Ultraschall zu legen.


    Tausende von Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf. Sie wollte fragen: „Was ist los? Geht es meinem Baby gut?“ doch sie wagte es nicht, die Stimme zu erheben. Stattdessen hangelte sie sich nur zittrig vom dem monströsen Untersuchungsstuhl und tappte auf ihren eiskalten nackten Füßen über die sterilen Fliesen hinüber zu der ledernen Untersuchungsliege, die unter ihrem Gewicht empört zu knirschen begann.
    Sie spürte, wie die Ärztin ihr wortlos das kalte Gel auf den Bauch drückte, wie bisher immer. Normalerweise war sie in freudiger Erwartung, das wachsende Leben in ihrem Bauch mit eigenen Augen auf dem Bildschirm betrachten zu können – auch wenn es sich eigentlich nur um einige Schatten handelte, die sie anfangs nur mit Müh und Not als Menschlein hatte ausmachen können.
    Aber heute war alles anders. Sie schluckte hart gegen die aufkommenden Tränen an, ihr Hals schmerzte von diesem fast nutzlosen Versuch, stark zu sein.



    Es war Mitte Februar. Der Tag hatte für Eileen wie jeder andere begonnen, der Wecker hatte sie gegen sieben Uhr aus dem Schlaf gerissen, sie hatte sich brummelnd auf die Seite gedreht, einen sachten Kuss von Marcel auf ihrer Wange gespürt und seine obligatorischen Worte vernommen. „Steh auf, Prinzessin, ein wunderschöner neuer Tag wartet auf dich.“
    Marcel versuchte jeden Morgen, sie aus dem Bett zu locken – meistens erfolglos. Eileen war und blieb ein Morgenmuffel und hasste nichts so sehr, als in der Dunkelheit die schützende Wärme des weichen Bettes verlassen und unter die kalte Dusche springen zu müssen.
    Und seit sie schwanger war, hatte sie die Müdigkeit so fest im Griff, dass ihr das Aufstehen noch viel schwerer fiel.
    Doch an diesem Morgen war im Vergleich zu den vorhergegangenen tatsächlich etwas anders gewesen – seit Wochen weckte Eileen eine unschöne Übelkeit, nicht selten war ihr erster Gang der zur Toilette, um sich würgend zu übergeben. Nach einem Zwieback und einer Tasse Tee, die dank Marcel meist schon direkt nachdem sie aus dem Bad kam bereit stand, kam sie aber glücklicherweise meist schnell wieder auf die Beine.
    Doch diesen Morgen war etwas anders. Eileen richtete sich schlaftrunken auf, während Marcel schon auf dem Weg in die Küche war, um den obligatorischen Tee aufzugießen. Sie rieb sich müde die Augen und gähnte herzhaft. Dann stutzte sie. Ihr war nicht übel, kein bisschen. Nicht einmal Schwindel verspürte sie.



    Nun ja – sie war jetzt ja immerhin schon fast in der zwölften Woche und man sagte ja, dann verginge die Übelkeit zumeist. Erleichtert seufzte sie auf, der Tag fing somit schon einmal gut an, denn die morgendlichen Übelkeitsatttacken hatte sie langsam wirklich recht lästig gefunden.
    Langsam stand sie aus dem Bett auf und tapste hinüber ins Badezimmer, wo sie unter die Dusche sprang. Als sie frisch angezogen vor dem Toilettenspiegel stand, um sich zu schminken, betrat Marcel verwundert das Badezimmer. „Was ist denn mit dir heute los? Seit wann umarmst du morgens nicht als erstes die Toilettenschüssel?“


    Sie lächelte und umarmte stattdessen ihn heftig. „Vielleicht hab ich mich entschieden, dass es bessere Möglichkeiten gibt“, lachte sie dabei und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. Er war noch nicht rasiert und seine zahlreichen, kleinen Barthaare piekten sie gehässig, doch das störte sie nicht.
    „Hey“, lachte Marcel. „Was ist los? Ist dir nicht schlecht?“
    „Nein, stell dir vor – kein bisschen“, lachte Eileen.
    „Ist das gut?“ fragte er nach einer Weile, in der er Eileen beobachtet hatte.



    Sie sah auf. „Wieso sollte das nicht gut sein? Irgendwann musste es ja aufhören. Ich hatte schon die Befürchtung, ich wäre eine dieser armen Frauen, denen es die kompletten neun Monate übel ist. Aber anscheinend hab ich noch mal Glück gehabt.“
    Marcel schien nicht sonderlich überzeugt. „Nun schau nicht so“, sagte Eileen noch mal und ging auf ihn zu. „Ich bin fast in der zwölften Woche, da ist es normal, dass die Morgenübelkeit nicht mehr so häufig ist. Ich bin jedenfalls froh drum. Du etwa nicht?“
    „Natürlich bin ich das“, sagte er schnell. „Ich mach mir eben nur Gedanken um unseren kleinen Maxemann.“ Und liebevoll tätschelte er ihren schon leicht nach vorne gewölbten Bauch.
    „Maxemann? Wie kommst du denn darauf? Wir wissen doch noch gar nicht, was es ist“, lachte Eileen und zauste ihrem Mann durch das braune, wuschelige Haar. Er zog sie in seine Arme und der Geruch nach verschlafenem Mann lullte sie ein und ließ sie die Luft genießerisch einziehen.


    „Ist doch egal, irgendwie muss ich es ja nennen“, sagte Marcel und küsste seine Frau auf die Stirn. „Und nun geh ich duschen. Und du solltest dich beeilen, du bist auch spät dran.“
    Eileen verdrehte die Augen. „Ja, Papa.“
    Als sie angekleidet war, begann sie sich zu schminken, während Marcel ein Lied vor sich hinträllernd – wie jeden Morgen – unter der Dusche stand.
    „Was magst du heute Abend essen?“ fragte sie mit lauter Stimme, um das Geprassel des Duschwassers zu übertönen.
    „Weiß nicht, koch irgendwas schönes. Es kann sein, dass es später wird. Wir sind heute den ganzen Tag auf Kundenbesuch in Nürnberg.“



    Eileen verzog das Gesicht, sie hatte es nicht gerne, wenn Marcel abends viel später nach Hause kam als sie selbst und sie alleine in der Küche stehen musste.
    „Mal sehen, wie fit ich heute Abend bin“, wich sie darum aus.
    „Ich geb mich auch mit einer Scheibe Brot zufrieden“, sagte Marcel in seiner unkomplizierten Art und Weise und drückte mit Wucht auf die Flasche mit dem Duschgel, um die letzten Reste heraus zu quetschen, was diese mit seltsamen Geräuschen kommentierte.
    Eileen nahm derweil letzte Handgriffe an ihrer Frisur vor und sah sich dann zufrieden im Spiegel an.


    „Schauen wir mal“, sagte sie in Richtung Dusche und ging hinüber ins Schlafzimmer, um das Bett zu machen und Ordnung zu schaffen. Bis sie fertig war, hatte sich auch Marcel angezogen und war in die Küche gegangen. Dort richtete er das Frühstück her.

    Danke für alle eure Kommentare!!!


    Da es schon arg spät ist, beantworte ich heute mal nicht einzeln und setze lieber noch die FS rein!! :) VIEL SPASS DAMIT!

    Hallo Nerychan,


    das war ja wieder sehr, sehr spannend. Ich bin sehr froh, dass Du das alles nochmal in Angriff genommen hast. Die Kulissen sehen einfach atemberaubend aus und auch die Geschichte an sich ist wahnsinnig mitreißend, nach wie vor.


    Es war also Stanley, der die beiden in die Falle hat laufen lassen. Aber wie genau sie aussah, habe ich auch immer noch ganz begriffen. Ich bin also weiterhin wahnsinnig gespannt!!! :applaus

    Liebe Rivendell,


    endlich komme ich auch mal wieder zum kommentieren!


    Und noch einmal alles Gute auch für Dich und Deinen Nachwuchs! :) Bin gespannt, was es wird...!


    Zu den FS, sie waren wie immer toll.
    Ich bin sehr gespannt, ob sie es John erzählen wird!!! Natürlich war es nicht richtig, das Tagebuch zu lesen, aber es war ein dummer zufall und weiterzulesen war einfach menschlich...


    Ich weiß nicht, was ich an ihrer Stelle tun würde!


    Was mir übrigens mal wieder sehr gefallen hat, war Deine Szenerie. Die Grillparty-Stimmung hat so richtig Lust auf den beginnenden Sommer gemacht (und das mir, ich bin ja auch nicht der Sommer Liebhaber!).
    Auch Johns und ROberts Fachsimpelei über Grillfleisch fand ich äußerst bezeichnend. :rollauge Wer kennt das nicht!


    Ich freue mich schon auf die nächste FS!!!

    Eileen nickte langsam und dachte an jenen fast abstrakten Moment vor 2 Wochen, als Marcel ins Auto gestiegen war und einfach davon gebraust. Und sie selbst hatte nur dabei gestanden und zugesehen, fassungslos ob dem, was da gerade geschah. Zuerst hatte sie noch gedacht, er würde sicher bald wiederkommen – am nächsten Morgen, vielleicht schon in der Nacht. Aus den Stunden waren Tage geworden. Aus den Tagen inzwischen Wochen.



    Die beiden saßen noch eine Weile mehr oder minder schweigend nebeneinander auf der Couch, bis Marlene sich schweren Herzens erhob und sagte. „Es tut mir leid, Eileen, aber ich muss dann langsam los. Dirk wird mich schon suchen. Wenn du aber willst, dass ich bleibe, dann rufe ich ihn an.“
    Eileen jedoch schüttelte den Kopf. „Nein, Lene, es ist schon in Ordnung. Danke, dass du da warst. Ich – ich möchte jetzt auch ganz gerne alleine sein, um ein bisschen nachdenken zu können.“
    Marlene sah Eileen prüfend an und nickte dann. „Ich ruf dich morgen früh an, ja? Versprich mir, dass du was isst und mach keine Dummheiten … hörst du?“
    Eileen nickte. „Versprochen.“
    Sie schlurfte hinter Marlene her, bis beide gemeinsam vor der Haustüre stehen blieben.
    „Lene – es tut mir leid, dass ich nicht angerufen habe“, sagte sie leise, als Marlene nach draußen getreten war. „Aber ich hab mich so geschämt.“
    „Geschämt?“ sagte Marlene verblüfft. Eileen nickte betreten.



    Marlene strich ihr über die Schulter. „Mensch, Eileen. Dafür braucht man sich doch nicht zu schämen. Du kannst nichts dafür, hörst du. Hör auf, dir die Schuld zu geben, verstanden?“
    Eileen nickte, wenn auch nur wenig überzeugend. „Bis dann, Lene.“



    Die beiden umarmten sich, dann ging Eileen langsam zurück ins Haus und schloss die Tür.
    Marlene seufzte auf und ging schweren Herzens zurück zu ihrem Auto. An diesem Abend wusste sie es mit einemmal mehr als je zuvor zu schätzen, dass sie zu Hause jemand erwartete und in die Arme schließen würde.





    Fortsetzung folgt.

    4.


    Marlene streichelte noch einmal sanft über Eileens Rücken, als diese sich wieder auf die Couch hatte sinken lassen. Dann setzte sie sich neben sie, schwieg einen Moment und sagte dann unsicher: „Weißt du, wer sie ist?“
    Eileen schüttelte den Kopf. „Ich kenne sie nicht. Sie heißt Sabrina, ist dreiundzwanzig – mehr weiß ich auch nicht.“



    „Und Marcel – ich meine – er muss sich doch noch einmal bei dir gemeldet haben?“
    Wieder schüttelte Eileen den Kopf und starrte mit trüben Augen zum Fenster hinaus, als könne sie dort ungeahnte Antworten entdecken. „Nachdem er mir an diesem Abend alles gestanden hatte, bin ich völlig ausgerastet. Ich habe geflucht und geschrien…“
    „Wer hätte das nicht!“ unterbrach Marlene sie aufgebracht und schwieg dann wieder, um Eileen weiter zuzuhören.
    „Ich habe viele böse Dinge gesagt…“ Eileen schluckte. „Wenn ich nicht so ausgerastet wäre, dann…“
    „Nun hör aber auf, Eileen! Wenn jemanden die wenigste Schuld trifft, dann dich!“
    Eileen seufzte. „Das sagst du so einfach. Aber ich mache mir Vorwürfe. Vielleicht hätte ich Marcel noch halten können. Vielleicht wäre zwischen uns wieder alles gut geworden…“
    Doch Marlene schüttelte den Kopf. „Mal ganz abgesehen davon, dass ich persönlich niemals solch einen Fehltritt verzeihen könnte – wenn Marcel vorgehabt hätte, euch eine Chance zu geben, dann wäre er nicht gegangen. Oder zumindest zurückgekommen.“
    Eileen zuckte ratlos mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, Lene. Wir haben uns viele böse Worte an den Kopf geworfen und am Ende hat Marcel ein paar Sachen zusammengepackt und mir gesagt, dass er ausziehen wird – zu ihr.“



    Die letzten beiden Worte waren mühsam und gepresst aus ihrem Mund gedrungen.
    Marlene schüttelte fassungslos den Kopf.
    „Aber – ich meine … so einfach geht das doch alles gar nicht. Immerhin seid ihr verheiratet. Er hat dir gegenüber gewisse Pflichten.“
    Eileen lachte bitter auf. „Ich glaube, das ist momentan das kleinste Problem.“
    Sie sah Marlene traurig an und in ihren Augen schwammen erneut Tränen. „Das Problem ist, dass er mir so furchtbar fehlt, Lene. Ich vermisse ihn so sehr.“


    Marlene schnaubte. „Nach allem, was getan hat, vermisst du ihn immer noch? Ich würde für ihn nur noch Wut oder Hass empfinden!“
    Doch Eileen schüttelte heftig den Kopf. „Das sagst du so einfach. Ich hätte vermutlich früher ganz genau dasselbe gesagt. Aber Liebe lässt sich nicht abstellen, wie ein Radio oder ein Fernseher. Und wenn man so viel Jahre gemeinsam verbracht hat, sich so geliebt hat wie wir beiden uns…“, sie stockte „oder zumindest ich ihn… dann kann man nicht einfach umschalten. Natürlich bin ich sauer, ich bin wütend und unendlich enttäuscht. Aber ich würde alles dafür geben, Marcel wieder bei mir zu haben. Ich würde ihm verzeihen, wenn er mir versprechen würde, mit dieser Sabrina Schluss zu machen.“
    Marlene biss sich nervös auf der Unterlippe herum. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.


    Zum einen konnte sie nicht nachvollziehen, wie Eileen so nachsichtig gegenüber Marcel sein konnte, zum anderen verstand sie durchaus, dass Eileen nicht von heute auf morgen aufhören konnte, ihren Mann zu lieben, sich nach ihm zu sehnen… sie hätte das bei Dirk wohl genauso wenig gekonnt. Und Eileen war soviel sensibler und zarter als sie – schon immer.
    „Und du weißt nicht, wo er nun ist?“
    „Diese Sabrina muss irgendwo hier in der Stadt wohnen, aber die genaue Adresse wollte er mir nicht geben. Er sagte, er wird sich melden, wenn ein wenig Gras über alles gewachsen ist und ich mich wieder beruhigt habe.“
    „Er lässt sich ordentlich Zeit damit, muss ich sagen“, grummelte Marlene. „Es ist schon fast zwei Wochen her.“



    „Ich begreife es einfach nicht“, sagte Eileen leise. „Wie konnte er mir das nur antun, Lene? Wir haben uns geschworen, uns nie zu betrügen. Ich war mir seiner Treue und Liebe immer so sicher. An was soll ich in dieser Welt noch glauben, wenn er fort ist? Wenn er mir nicht mehr seine Liebe schenkt?“
    Sie starrte gedankenverloren auf ihre Fußspitzen. „Ich mache mir solche Vorwürfe.“
    „Vorwürfe? Weil du ihn angeschrien hast?“
    „Nein“, sagte Eileen leise. „Wenn ich ihm damals gegeben hätte, was er sich gewünscht hat, dann wäre er bei mir geblieben.“
    Marlene sog hörbar die Luft ein, doch bevor sie losposaunen konnte, hob Eileen die Hand und sagte schnell: „Ich war nicht fair zu ihm, Lene. Ich habe ihn ausgeschlossen aus meiner Trauer, das weiß ich heute. Ich habe es schon vor Wochen erkannt – aber das war offenbar zu spät.“
    Sie sah Marlene traurig an. „Wir haben seit Monaten fast gar nicht mehr miteinander geschlafen. Ich hatte Angst, Angst erneut schwanger zu werden, wieder einen solchen Verlust ertragen zu müssen wie im Februar. Ich habe meinen Körper gehasst dafür, dass er es nicht geschafft hat, meinem Kind das zu geben, was es brauchte… und ich habe Marcel die Schuld gegeben, auch wenn er gar nichts dafür konnte. Nur – ich brauchte jemanden, der schuld war.“
    Marlene schwieg betroffen. Sie hatte mit einemmal ein schlechtes Gewissen, dass sie sich in den letzten Monaten so wenig um Eileen gekümmert hatte.



    Und doch war sie nicht ganz einverstanden mit dem, was diese ihr gerade gesagt hatte.
    „Das mag ja alles sein, Eileen. Aber das gibt ihm trotzdem nicht das Recht, dich zu betrügen – und das auch noch über so einen langen Zeitraum, mit solch einer Konsequenz – und so kurz nachdem es geschehen ist. Gerade dann hätte er seine Loyalität zu dir beweisen müssen…“
    Sie schwieg, denn sie begriff, dass ihre Worte Eileens Schmerz nur noch größer machten.
    Eileen wischte sich die Tränen, die schon wieder unaufhörlich flossen, aus dem Gesicht. „Ich weiß nicht, was ich nun machen soll. Wie soll ich denn ohne Marcel leben? Er ist meine große Liebe. Ich will ihn nicht aufgeben.“
    Marlene seufzte. Sie wusste nicht genau, was sie Eileen sagen sollte.
    „Hast du probiert, Marcel anzurufen?“



    Eileen nickte. „Mehrmals. Aber er geht nicht an sein Handy. Du hast doch selbst gesagt, dass du ihn nicht erreicht hast. Vermutlich dachte er, du rufst wegen mir an. Und bei Dirk wird es nicht anders gewesen sein.“
    Marlene schluckte. An Dirk hatte sie noch gar nicht recht gedacht. Er und Marcel waren eigentlich sehr gut befreundet, auch wenn sie sich nur über die Frauen kennengelernt hatten. Ob Dirk etwa von der Affäre gewusst hatte…? Sie schüttelte energisch den Kopf. Nein, das konnte sie sich nicht vorstellen.
    Andererseits waren heute einige ihrer Glaubenssätze völlig über Bord geworfen worden und sie wusste selbst nicht recht, was noch sicher war oder nicht.
    Vor einigen Stunden hätte sie auch noch die Hand dafür ins Feuer gelegt, dass Marcel und Eileen das perfekte Paar waren, die ganz sicher noch als alte und klapprige Senioren zusammen in ihren Lehnstühlen sitzen, mit den Köpfen wackeln und über die guten alten Zeiten reden würden.



    „Kennst du den Nachnamen von dieser Sabrina?“
    Wieder schüttelte Eileen den Kopf. „Ich habe keinen Anhaltspunkt, wo Marcel ist.“
    Marlene seufzte. „Dann kannst du wohl nichts tun, als abzuwarten, dass er sich bei dir meldet.“

    @Shoshana: Ja, Winter in den Bergen muss toll sein. Eileen hätte wohl kaum das Problem, schwanger im Urlaub zu sein, sondern schon längst ein Baby zu haben. Das letzte Kapitel spielt ja kurz nach Silvester, darum auch die Weihnachtsdeko, die NOCH steht. Der Urlaub wäre also erst 11,5 Monate später... und somit wäre Eileen schon längst Mutter, darum sagte sie, dass sie nicht fahren kann :)


    Nikki: Vielen Dank für Deinen Kommi, freut mich, dass es Dir gefällt!


    Llynya: Schön, dass Du mit dabei bist :) :applausOb Marlene es schafft, Eileen genug aufzubauen, ist fraglich. Aber man weiß ja, wie Du selbst schreibst, auch noch nicht so viel von den Figuren. Diesmal wird es zumindest zu Beginn einige Zeitsprünge geben, damit man von hinten nach vorn auf die ganze Geschichte blicken kann, ja :)
    Vielen lieben dank auch für Deinen Kommi!




    Heute kommt Kapitel 4, viel Spaß damit.

    Hihi, der arme Dave, er macht aber auch einiges mit. Und seine arme Sekretärin, die dafür herhalten musste ;)


    Ich bin gespannt, was Hope noch so alles für ihren Ex auf Lager hat. Das war ja im Gegensatz zu dem Affen-Anfall fast noch ein Klacks ;)

    „Was denn? Ist was geschehen?“
    “Naja, kann man sehen, wie man will“, erwiderte Eileen. „Auf jeden Fall kannst du dir die Idee mit dem Winterurlaub aus dem Kopf schlagen. Wir können nicht.“




    Marlene verzog das Gesicht. „Ach mensch, Eileen, was soll das denn nun heißen ? Hast du mit Marcel gesprochen und der will nicht oder was?“
    “Jein.“ Eileen grinste übers ganze Gesicht. „Obwohl – das kommt schon hin. Ich hab mit ihm gesprochen und er will nicht, genau. Aber er hat einen sehr guten Grund dafür, denselben wie ich.“
    Da in Marlenes Gesicht immer noch tausend Fragezeichen geschrieben zu stehen schienen, beschloss Eileen, ihre Freundin nicht noch länger auf die Folter zu spannen.



    „Ich komme gerade von meiner Frauenärztin!“ quietschte sie. Marlenes Augen weiteten sich.
    „Nein!“ rief sie aus.



    „Doch! Doch!“ Eileen sprang vor Freude wie ein kleines Kind auf und ab. „Ich bin schwanger, Lene! In acht Monaten werden Marcel und ich Eltern! Ist das nicht wunderbar?“
    Marlene klatschte in die Hände und rief : „Halleluja! Aber ich werde Patentante, damit das gleich klar ist!“
    Und lachend fielen sich die beiden in die Arme.








    Fortsetzung folgt.

    3.


    „Ein frohes neues Jahr!“ posaunte Herr Kuhrmaier in den Raum.



    Marlene und Eileen standen auf und schüttelten ihrem Chef die Hand.
    „Ihnen auch, Herr Kuhrmaier“, sagte Eileen fröhlich. „Wie war es beim Skifahren? Wir haben uns schon gesorgt, dass sie mit gebrochenen Knochen zurück kämen.“
    Sie und Marlene kicherten. Auch ihr Chef lachte dröhnend mit und schüttelte dann den Kopf, während Eileen sich wieder zurück an ihren Schreibtisch begab. „Ich hab mich nicht auf diese Bretter gestellt, das war mir zu riskant“, sagte er dann zwinkernd. „Ich bin nur immer mit auf die Piste gefahren und während meine Frau und unsere Freunde ihre Runden gedreht haben, habe ich es mir in der Almhütte bei einem guten Gläschen gemütlich gemacht und viel gelesen. So einen entspannten Urlaub hatte ich schon seit Jahren nicht mehr!“



    Wieder lachten alle drei herzlich. „Sie sind schon ein Original“, meinte Marlene augenzwinkernd. „Sind sie denn dann wenigstens gut reingerutscht?“
    „Und ob! Das Feuerwerk in den Bergen ist schon etwas besonderes“, antwortete er begeistert. „Das kann ich Ihnen nur empfehlen – vielleicht können Sie und ihre Männer das nächstes Jahr mal in Betracht ziehen? Es ist wirklich herrlich und viel schöner als in der Stadt, das können Sie mir glauben.“
    Nachdem Herr Kuhrmaier noch ein wenig mit ihnen geplaudert hatte, schloss er die Tür wieder hinter sich und überließ die beiden ihrer Arbeit.
    Konzentriert machte Eileen sich an die Abrechnungen, während Marlene verträumt aus dem Fenster blickte. Nach einer Weile sah Eileen auf und lachte. „Mensch, Marlene, so toll ist die Aussicht auch wieder nicht.“



    Sie wies auf die graue Straße, die nur spärlich mit den gerade herab fallenden Schnee bedeckt war. Vermutlich würde es in wenigen Stunden zu schneien aufhören und alles, was von den Flocken übrig blieb, wären grau matschige Pfützen, die in trüben Rinnsalen dahin schmolzen.
    „Ach, ich dachte nur gerade, dass Herr Kuhrmaier gar nicht unrecht hat. Wieso sollten wir nicht einfach in die Berge fahren, du, Marcel, Dirk und ich? Nächstes Jahr zu Silvester, meine ich?“



    Eileen lachte glucksend. „Lene, wir schreiben heute gerade mal den 4. Januar! Und du willst schon wieder für nächstes Jahr planen?“
    „Dieses Jahr“, belehrte Marlene sie augenzwinkernd. „Mal ehrlich, Eileen, das wäre doch eine feine Sache. Nicht, dass mir unsere standardmäßigen Fondue- oder Racletteparties zuhause nicht gefallen würden, aber so ein Wochenende in den Bergen – wenn alles verschneit ist und man vor dem Hintergrund der Berge dann um Mitternacht die Feuerwerkraketen aufsteigen sieht.“
    „Du hörst dich an wie eine Werbetexterin für einen Reisekatalog“, grinste Eileen und widmete sich wieder dem Bildschirm, in dem Versuch, weiter zu arbeiten.
    „Nun sei nicht so streberhaft“, keifte Marlene. „Es ist ohnehin nicht viel los, die meisten Leute kommen gerade erst aus dem Urlaub. Das Telefon hat heute noch kein einziges Mal geklingelt.“



    Eileen ließ wieder von ihrer Arbeit ab und sah Marlene aufmerksam an. „Nun, was meinst du?“ drängte diese sie. „Würde dich das nicht auch reizen?“
    Eileen verdrehte die Augen. „Natürlich, es klingt nett, wirklich nett. Nur kann ich doch nicht heute schon planen, was ich Ende Dezember mache, oder?“
    „Warum denn nicht? Sei spontan!“
    Eileen lachte erneut. „Wenn du mich fragst, ist das genau das Gegenteil von Spontaneität! Aber ich kann Marcel ja mal fragen!“




    Marlene sprang auf und klatschte vergnügt in die Hände. „Hurra! Hurra! Wir fahren in die Berge!“
    Eileen sah sie amüsiert an. „Nun mach mal halblang, es ist noch ein ganzes Jahr Zeit und wir haben noch nicht unsere Männer gefragt!“
    “Egal, die sagen sowieso ja, wenn wir sie mit der Aussicht auf jede Menge Glühwein und Skifahren locken.“

    Eileen grinste. Wo Marlene recht hatte...
    Sie warf einen schnellen Blick auf die Uhr und sagte: „Ich werde heute etwas früher in die Mittagspause gehen, ich hab noch einen Termin.“
    Marlene sah neugierig auf. „Aha, wo denn, wenn ich fragen darf? Triffst du dich etwa mit deinem heimlichen Verehrer?“
    Eileen schnitt ihr eine Grimasse und sagte. „Ja klar, was denkst du denn. Nein, ich muss nur zum Arzt, nichts wildes. Also, wundere dich nicht, wenn ich etwas länger weg bin.“



    Marlene winkte ihr nach und machte sich dann wieder an ihre Arbeit, die trotz Urlaubspause nicht gerade wenig war. Zwischendurch konnte sie es sich natürlich nicht verkneifen, auch einmal im Internet nach Reiseangeboten in die Berge zu stöbern.
    Sie merkte gar nicht, wie die Zeit verging und war erstaunt, als sie registrierte, dass es bereits weit nach ein Uhr war, als Eileen zur Tür herein kam.
    „Nanu“, stieß Marlene hervor, ließ die Mappe, die sie gerade aus dem gegenüberliegenden Aktenschrank geholt hatte sinken und musterte Eileen mit skeptischem Blick. „Wie siehst du denn aus, du strahlst ja wie ein Honigkuchenpferd. Sicher, dass du dich in der Pause nicht doch mit deinem Verehrer getroffen hast?“



    Eileen grinste sie nur an und zeigte ihr einen Vogel. „Marcel und ich würden uns nie fremdgehen, das ist ja wohl klar. Aber ich muss dir sagen, dass ich eine echt schlechte Nachricht für dich habe.“

    @Shoshana: Grundlegend hast Du sicher recht. Aber so einfach ist es mit Liebe ja nicht - wer kann sie schon ein- und ausschalten? Vor allem nach vielen, vielen Jahren, wo man sich abgesehen davon auch einfach aneinander gewöhnt hat, das Leben zu zweit das einzig Denkbare ist und der Umbruch aus dem Nichts für einen kommt...


    PeeWee: Ja, stimmt - gehen wir mal davon aus, sie hat alle nur aufgerissen und dann festgestellt, dass sie keinen Hunger hat ;)
    Es stimmt, natürlich geht jeder anders mit dem Thema um. Ihr werdet in Zukunft mehr davon erfahren, wie die ganze SAche angefangen hat.

    Baoh diesmal ist es mir echt kalt den Rücken runtergelaufen. SO ein Bastard, dieser Elias! :hua:hua:hua
    Ich hoffe, dass ihn irgendetwas oder jemand schnell zur Räson bringt. Der ist ja eine echte Gefahr für die Menschheit.
    Lina scheint ja erstmal in Sicherheit zu sein, das ist auch gut so - zumindest vorerst.
    Ich bin gespannt, was der Gesandte des Fürsten herausfinden wird und wie das alles wietergeht!!

    Liebe Jane


    mich hat die Nähe zwischen Eric und Helga in dieser FS sehr berührt. Ich find, Du hast ihre Vertrautheit, das schlichte zwischen ihnen, das trotzdem so wertvoll ist, sehr gut rüber bringen können. Auch durch das alltägliche, die Falafeln, die CD (übrigens liebe ich Loreena auch! :D ) und den Film usw. sehr gut deutlich gemacht. DAs ist es, das ich an dieser Story so mag, sie erzählt aus dem Leben und greift auch Kleinigkeiten auf. Das sind Dinge, die mir in vielen Geschichten sehr oft fehlen, ich finde, die Menschen wirken plastischer, greifbarer, authentischer, wenn sie auch "menschliches" tun - essen, trinken, durchhängen, zur Toilette gehen ;) IN so vielen Geschichten wird nur der "Mainstream" erzählt und der Rest fällt untendurch.


    Ich bin gespannt, was Clemens jetzt zu Haus erwartet :)

    Uaaahh, das ist so spannend, so mystisch und geheimnisvoll. Und deine tollen Kulissen, die ich immer wieder bewundere. Ich bin so froh, dass Du Dir all die Mühe nochmal gemacht hast, das wieder aufzubauen...


    Ich bin sehr gespannt, wie sich dieser Fluch nun lösen lassen wird... und letztlich weiß man ja auch immer noch nicht genau, was damals im Detail geschehen ist, oder habe ich das überlesen?


    Auf jeden Fall bin ich nach wie vor von Deiner Geschichte begeistert und kann Deine FS echt nicht erwarten.

    Hallo Llyn,


    wie toll diese FS wieder waren! :applaus


    Klasse, wie der Herr Ex-Gatte sich aufgeführt hat. Ein wahrhaftiges Affentheater und seine Bettgesellin wird sich das sicher nicht öfters anschauen.


    Und jetzt bin ich echt gespannt, was Hope und die Zigeunerin sich wieder ausgedacht haben!


    Bin aber schon erstaunt, dass die Sekretärin sie so sang- und klanglos durchlies :misstrau die wäre vielleicht auch mal ein bißchen zu instruieren, dass sie ihren Job etwas genauer nimmt ;) Schließlich liegen in dem Büro sicher auch vertrauliche Firmendokumente. Hihi, für Hope wars so aber sicher ein guter Zufall.


    Deine Kulissen fand ich wie immer toll, auch wenn Du sagst, Du hast Dir nicht viel Mühe gemacht. Das Motel sieht beispielsweise klasse aus, oder auch der Wohnwagen der Zigeunerin ist ein Sahneschnittchen für die Augen!


    Bin sehr gespannt auf die nächste FS!

    Eileen sah, wie Marlene ein wenig die Stirn runzelte und sagte aufgebracht: „Du musst das verstehen, ich wollte alles glauben, nur nicht das, was wirklich der Grund war.“
    Sie atmete schwer und ihre Finger krallten sich in den samtenen Stoff ihres Oberteils. Als sie weitersprach, rollten ihr zwei Tränen die Wangen herab.
    „Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich hatte solche Angst, ihn darauf anzusprechen, Lene. Doch das ist mir erspart geblieben, denn natürlich hat er gemerkt, dass ich anders war als sonst und mich gefragt – da ist alles aus mir heraus geplatzt.“
    „Was hat er gesagt?“
    „Er war wütend, dass ich sein Handy benutzt habe“, lachte Eileen bitter. „Das war erst einmal alles. Aber ich habe weiter gebohrt – und na ja – nach einer Weile hat er zugegeben, dass er seit einem halben Jahr eine Affäre hat.“




    Marlene stieß einen verblüfften Laut aus. „Nein! Seit einem halben Jahr, das ist nicht dein Ernst... das... das bedeutet ja...“
    Eileen lachte bitter auf und nickte. „Ja, Lene, völlig richtig.“
    Ihr Blick wanderte zum Boden und sie schlug die Hände vors Gesicht. „Es war nur vier Wochen nachdem ich unser Baby verloren habe...“
    Eileen schluchzte verzweifelt auf.
    Marlene schluckte und eilte zu ihrer Freundin, zog sie in die Arme und wiegte sie wie ein kleines Kind. Sie fühlte ihren Schmerz am eigenen Körper und wusste, dass kein Wort, das sie sprach, Eileen würde trösten können.



    Also hielt sie die weinende Frau nur so fest sie konnte, bis ihr Schluchzen langsam leiser wurde und sich ihr Atem wieder beruhigte...






    Fortsetzung folgt.

    Langsam ging Eileen derweil nach oben ins Badezimmer und begann sich aus dem ihrem Schlafanzug zu schälen. Irgendwie bildete sie sich ein, er rieche noch nach Marcel, denn in ihrer letzten gemeinsamen Nacht hatte sie diesen Schlafanzug getragen. Sie hatte sich an Marcels Haut gekuschelt und war friedlich eingeschlafen. Wie sehr ihre Welt zu diesem Zeitpunkt doch noch in Ordnung gewesen war… ihr stiegen die Tränen erneut auf, bevor die Kleidung schließlich mit einem dumpfen, kaum wahrnehmbaren Schlag auf den Fliesenboden rutschte.



    Unter der Dusche vermischten sich die salzigen Tränen mit dem heißen Wasser, das sie sich minutenlang über Gesicht und Körper streifen ließ. Ihre Hände fuhren sachte über ihre Haut und ertasteten Zentimeter für Zentimeter ihres Körpers, als wäre er Neuland für sie.
    Marcel hatte ihren Körper geliebt, stundenlang hatte er sie oft nur gestreichelt oder bewundernd angesehen. An manchen Tagen war sie zu ihm unter die Dusche geschlüpft, sie hatten ihre Körper aneinandergepresst und das sanfte Plätschern des Wassers zu zweit genossen.
    Eileen öffnete die Augen und fühlte sich in der großen, runden Dusche mit einemmal unendlich einsam – so wie sie sich in den vergangenen Tagen jede Sekunde in diesem Haus gefühlt hatte.



    Aus der Küche hörte man das Klappern von Töpfen und das warme Gefühl, in diesem Moment nicht gänzlich alleine zu sein, erfüllte Eileens trauriges Herz.
    Sie schäumte sich kräftig ein und stellte die Dusche ab. In ein flauschiges Handtuch gehüllt verließ sie die Duschkabine und stellte fest, dass sie sich tatsächlich einen Tick besser fühlte als vor einigen Minuten.
    Sie widerstand der Versuchung, erneut in den geliebten Schlafanzug zu schlüpfen. Nachdem sie sich die Haare getrocknet hatte, huschte sie ins Schlafzimmer und hüllte sich zum ersten Mal seit Tagen wieder in einigermaßen normale Kleidung.
    In einen lockeren Jogginganzug gekleidet und deutlich frischer betrat sie kurz darauf das Wohnzimmer und staunte, denn Marlene hatte in Windeseile die gröbste Unordnung der letzten Tage entfernt, die stinkenden Essenreste waren verschwunden, die Getränkedosen waren alle in den Müll gewandert. Den Haufen aus Erinnerungen an bessere Zeiten hatte sie ein wenig zusammengeschoben, aber ansonsten unberührt gelassen.



    Aus der Küche drang der angenehme Duft von gebratenem Fleisch.
    Marlene stand am Herd und kochte Spaghetti. Als Eileen eintrat, sah sie kurz auf und rief: „Halleluja, nun erkenne ich dich zumindest ansatzweise wieder. Fühlst du dich etwas besser?“
    Eileen nickte zaghaft. „Ein wenig vielleicht schon“, erwiderte sie und ließ sich erschöpft auf den Küchenstuhl fallen. Sie fühlte sich wie nach einem 1000-Meter-Lauf, obwohl sie nur geduscht und sich angezogen hatte.
    „Das hab ich mir gedacht.“
    Marlene nahm die Schüssel mit Nudeln und brachte sie zum Esstisch. Eileen folgte ihr und nahm auf einem der weichen Stühle platz. Marlene hatte derweil zwei Teller aus dem Schrank geholt, schaufelte Spaghetti darauf und setzte sich dann Eileen gegenüber.



    „Das wird nun aber aufgegessen, klar. Sonst fällst du mir noch völlig vom Fleisch“, sagte sie streng. Eileen lächelte schwach. „Keine Angst, so schnell wird das nicht passieren“, erwiderte sie, begann aber brav zu essen.
    Erst jetzt merkte sie, wie hungrig sie gewesen war.
    Sie fragte sich, wo in aller Welt Marlene die Zutaten für das Essen herbekommen hatte. Ihr Kühlschrank war seit Tagen verwaist.
    Als habe sie ihre Gedanken erraten, sagte Marlene in diesem Moment: „Ich war noch einkaufen, bevor ich hergekommen bin, denn ich dachte mir, dass du nichts im Kühlschrank hast.“ Sie wies mit der Hand zum Küchenschrank. „Da oben habe ich dir Brot und Müsli reingetan, im Kühlschrank ist Milch, ein wenig Wurst und Käse und Eier, damit du erst mal versorgt bist.“
    Eileen schluckte und sagte gerührt: „Das ist echt lieb von dir, Marlene.“
    Marlene winkte ab. „Ach was, das ist ja wohl selbstverständlich.“



    Schweigend aßen sie weiter. Irgendwann sah Marlene auf und sagte. „Willst du mir erzählen, was geschehen ist?“
    Eileen atmete tief durch und legte das Besteck zur Seite. Sie sah unendlich hilflos und verloren aus, wie sie da so zusammengesunken auf ihrem Stuhl saß. Marlene musste schlucken und merkte, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen, als sie ihre Freundin so sah. Was hatte Marcel nur getan?
    „Sollen wir uns vielleicht auf die Couch setzen?“, versuchte sie die Stille zu überbrücken. Eileen nickte stumm.
    Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander auf der Couch, dann begann Eileen stockend zu sprechen.
    „Es gibt eigentlich nicht viel zu erzählen. Marcel hat mich verlassen.“



    „Ja, aber – warum denn nur?“ Marlene schüttelte ratlos den Kopf. „Ihr beiden ward immer wie Pech und Schwefel, das perfekte Paar. Wie kann es denn sein, dass er einfach so geht? Hat er denn keine Begründung genannt?“
    Eileen sah auf und ihre Miene war mit einemmal verbittert. „Oh doch, das hat er“, erwiderte sie mit zusammengebissenen Zähnen. „Er hat eine andere.“

    Marlene starrte sie ungläubig an. „Er hat was?“ rief sie aus. „Nein, das kann doch nicht sein!“



    Traurig erwiderte Eileen: „Doch, es ist leider so, Lene. Es war am Sonntag vor einer Woche, als ich es herausgefunden habe. Es war eigentlich ein Zufall – ich wollte meine Mutter anrufen und habe statt meinem sein Handy erwischt - und seine SMS gelesen.“ Wie entschuldigend fügte sie hinzu: „Ich dachte wirklich, es wäre mein Handy – wir hatten ähnliche Modelle und ich war in Gedanken, habe einfach daneben gegriffen. Warum er sein Handy so herumliegen lassen hat, wo er doch wusste, dass...“, sie schluckte „, dass IHRE Nachrichten darauf sind, weiß ich nicht. Jedenfalls habe ich diese SMS gelesen – sie war eindeutig, eindeutiger ging es nicht mehr.“




    Marlene sah sie immer noch entsetzt an. „Und dann? Hast du ihn zur Rede gestellt?“
    Eileen seufzte. „Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich war völlig außer mir, ich wollte es nicht glaube – Marcel ... mich betrügen! Es war völlig undenkbar, dass das passieren konnte. Ich dachte, es müsse ein Missverständnis sein. Eine fehlgeleitete Nachricht – eine Verehrerin, von der er mir nicht hatte erzählen wollen...“


    2.


    Marlene schlug die Autotür mit Wucht zu und ging entschlossenen Schrittes auf die dunkelrote Haustür zu.



    Der Kies knirschte unter den hohen Absätzen ihrer Stiefel und einige Regentropfen verfingen sich in ihrem Haar, doch sie beachtete sie nicht und drückte entschlossen ihren lackierten Fingernagel auf den bronzenen Klingelknopf, woraufhin ein deutliches „Ring!“ aus dem Hausinneren zu hören war.
    Marlene war nicht überrascht, dass sich im Haus nichts regte. Doch ein Blick zur Garagenvorfahrt verriet, dass jemand zu Hause war, außerdem fiel Licht aus einem der Zimmer in das matschige Blumenbeet des Vorgartens.
    Darum drückte Marlene erneut mehrmals auf die Klingel. Nach etwa fünf Minuten wurde ihre Ausdauer bezahlt.



    Inzwischen war das „Ring!“ zu einem unerträglichen Dauerton übergegangen, denn Marlene hatte den Finger nicht mehr vom Klingelknopf genommen.
    Zaghaft öffnete sich die Tür und eine junge Frau mit zerzaustem Haar, mit nichts als einem Pyjama bekleidet, blickte Marlene ins Gesicht.
    „Mein Gott, Eileen, du siehst ja furchtbar aus!“ rief Marlene erschrocken und machte einen großen Schritt in den Hausflur, um der Kälte und dem Regen endlich zu entkommen.



    Der Anblick ihrer Freundin schockierte sie mehr, als sie zugeben wollte. Jedwede Lebensfreude schien aus dem sonst so fröhlichen Gesicht Eileens entwichen zu sein.
    Ihre sonst so bezaubernden blauen Augen wirkten nicht nur farblos, sondern waren durch das viele Weinen angeschwollen und stark gerötet.
    Eileens braunes Haar hing ihr ungepflegt und zerzaust ins Gesicht und fiel glanzlos auf ihre Schultern. Unter den Augen hatten sich tiefe Schatten gebildet und ihre Wangen wirkten eingefallen. Ihre Lippen waren trocken, spröde und aufgerissen.



    Marlene erkannte sofort, dass Eileen in den letzten Tagen mehrere Kilo abgenommen haben musste. Die auch sonst recht schlanke Frau schien nur noch ein Schatten ihrer selbst zu sein.
    „Hallo Marlene“, sagte Eileen mit dünner Stimme. „Was gibt`s`?“
    Als ob sie einen Standardspruch abspulen würde, fuhr es Marlene durch den Kopf, denn am Telefon hatte Eileen genau dasselbe gesprochen.
    „Das fragst du noch“, erwiderte Marlene und schalt sich direkt für die Barschheit in ihrer Stimme, die Eileen zusammenzucken lassen hatte.



    Mit sanfterem Ton sprach sie weiter. „Mensch, Eileen, wieso hast du mich denn nur nicht angerufen? Ich wäre doch sofort gekommen.“
    Eileen zuckte mit den Schultern und schlurfte zurück ins Wohnzimmer. Marlene folgte ihr und runzelte die Stirn ob des Anblicks, der ihr sich bot.



    Das sonst so saubere und gemütliche Wohnzimmer glich heute einem Schlachtfeld – überall lagen Chipstüten verteilt, Coladosen standen auf Boden und Schränken, schmutziges Geschirr bedeckte fast jedwede Ablagefläche, es türmten sich Berge schmutziger Wäsche in kleinen Körben und überall auf dem Boden lagen ganze Haufen an Sammelsurien von allen erdenklichen Gegenständen verteilt, Bücher, Fotos … es sah aus, als habe eine Bombe eingeschlagen.
    Doch Marlene verkniff sich jeden Kommentar und legte Eileen, die hilflos vor der Couch stehen geblieben war, sanft die Hand auf die Schulter.
    „Hör zu, Süße. Wie wäre es, wenn du erst einmal unter die Dusche springst und dich ein wenig frisch machst und ich koch uns einen schönen Tee und mach uns etwas zu essen. Du hast sicher seit Tagen nichts Vernünftiges gegessen, hab ich recht?“



    Eileen dachte nach und versuchte sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal etwas zu sich genommen hatte, doch sie fand es nicht heraus. Einzig ihr schmerzender und knurrender Magen zeigte ihr, dass es schon zu lange her sein musste.
    Eigentlich wollte sie alleine sein, doch wenn sie ehrlich war, so musste sie zugeben, dass Marlenes Anwesenheit ihr gut zu tun schien, darum nickte sie stumm und sah Marlene nach, die schnellen Schrittes in die Küche ging, um Teewasser aufzusetzen. Dort bot sich ihr kein anderer Anblick als im Wohnzimmer – dreckiges Geschirr, Essenreste und Müll, so weit das Auge reichte. Um einen Teller mit verschimmelten alten Brotresten summten die letzten überlebenden Mücken des Sommers.