Beiträge von Nonuna

    Weil viele Themen bereits angesprochen wurden und deine Frage in einen dieser Threads gehört. Am besten benutzt du vorher die Suche und schaust, ob vielleicht schon mal jemand anderes die Frage gestellt hat bzw ob es nicht einen thematischen Thread gibt, in den deine Frage passen würde.

    Kapitel 13



    Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, so ist es der Glaube an die eigene Kraft.


    Marie von Ebner-Eschenbach, österreichische Schriftstellerin




    Mein Kiefer klappt unwillkürlich nach unten und ich schnappe nach Luft. „Sie wollen sagen, dass Gott kurzerhand beschlossen hat, mich zu töten?“ Tom winkt ab: „Gott tötet nicht, Gott schenkt das Leben und bestimmt, wann es Zeit für jeden ist, zu gehen.“ Ich kann es mir nicht verkneifen kurz aufzulachen, doch ich versuche, mich zu beherrschen. „Mein Körper hat Krebs, der bestimmt, dass ich sterbe!“




    „Und wer hat Ihnen den Krebs gegeben?“ fragt Tom unbeirrt. Ich schüttle den Kopf: „Glauben Sie allen Ernstes, dass es da einen Gott gibt, der Lepra, Cholera und Tuberkulose über uns bringt und Kinder qualvoll verhungern lässt weil es ihm eben mal so Spass macht?“ Tom lächelt jetzt nicht mehr. „Nein, aber Gott hat gesehen, dass irgendetwas in Ihnen, eine innere Wut vielleicht, Sie vom Glauben abhält. Daher hat er Ihnen den Krebs geschenkt.“




    Ich werde wütend, doch Tom redet unbeirrt weiter: „Gehen Sie in sich und finden Sie zum Glauben zurück, dann wird auch die Wut und der Krebs verschwinden!“ Ich stehe auf und schaue verächtlich auf Tom herab. „Die Metastasen sind in meinem ganzen Körper. Sie zerfressen meine Knochen und meine Organe. Ich habe unsägliche Schmerzen und werde bald ebenso qualvoll sterben. Ich habe ein Recht darauf, auf jemanden wütend zu sein, der mir sagt, dass das Gottes Wille ist!“




    Ich packe meine Briefe und lasse Tom stehen. Wütend knalle ich die Tür zu meiner Kabine zu und lasse mich aufs Bett fallen. Ich muss mich beherrschen um die Briefe in meiner Hand nicht zu zerknüllen. Was erdreistet der sich? Glaubt der in allem Ernst, ich hätte Krebs, weil ich nicht gläubig bin? Ich will die Briefe im Nachttischchen verstauen, öffne die Schublade und finde die Bibel darin liegen. Mir fällt ein, dass dieses Buch in jedem Hotelzimmer aufliegen muss.




    Abwesend blättere ich durch die Seiten. Es ist das neue Testament. Ich habe es auch gelesen, wie auch das Alte Testament, die Thora und den Koran. Ich sehe nicht ein, wieso man sein Leben einem einzigen Buch verschreiben, danach leben und nicht kritisch hinterfragen soll. Meine Mutter hat mir oft gesagt, dass wir uns an die zehn Gebote halten sollen, dann würde unser Leben lange und unbeschwert sein.




    Lange und unbeschwert. Wer hat nicht schon gelogen? Oder geflucht? Oder war eifersüchtig auf einen Nachbarn? Und darum beschert Gott uns Krankheit, Krieg, Katastrophen und Tod? Mit 25 habe ich dem Glauben abgeschworen. Ich bin aus der Kirche ausgetreten und bin Atheist geworden. Ich glaube an keinen Gott. Ich sehe nicht ein, wieso ich meinem Leben einer höheren Macht unterwerfen soll und seiner ganzen launischen Auswirkung.




    Gleichzeitig habe ich mir damit die Vorstellung genommen, dass nach dem Leben noch etwas kommt. Wie gerne würde ich an das Paradies glauben, einen Ort, wo man keine Schmerzen mehr hat und wo die Seele eine vollkommene Zufriedenheit empfindet. Aber meine Vernunft macht mir auch hier einen Strich durch die Rechnung. Wahrscheinlich werde ich dann einfach tot sein und nichts mehr mitbekommen. Schwärze nach dem hellen Licht, von dem so viele berichten.




    Ich versuche, mich abzulenken und breite die grosse Strassenkarte auf dem Tisch aus. Mit dem Finger fahre ich die Küste Norwegens hoch bis zu dem kleinen Fleckchen, wo der Ort liegen muss, wo meine Cousine wohnt. Er ist noch nicht mal auf der Landkarte verzeichnet. Rund herum nur Wald und im Westen die Küste. Ich freue mich auf das Meer und die Fjorde, von denen ich schon so viel gehört habe. Morgen würde die Fähre anlegen und meine Reise würde weitergehen.

    Mach mit deinen Eltern einen Kompromis. Du bist erst 12 und deine Eltern sind noch dafür verantwortlich, was du im Internet machst. Vereinbare mit ihnen eine fixe Zeit, die du im MSN verbringen darfst, und wo sie dich auch in Ruhe lassen. Lass sie jedoch vielleicht beim ersten Mal dabei sehen, damit sie sehen, dass das nichts gefährliches ist. Ich schätze, dass deine Eltern schlicht Angst um dich haben, denn gerade in Chats werden Kinder oft belästigt (glaub mir, ich spreche aus Erfahrung!).


    Mach mit ihnen aus, dass du zum Beispiel pro Tag eine Stunde nach den Hausaufgaben mit deinen Freunden chatten darfst. Sag ihnen, dass ihr euch über die Schule unterhaltet und gemeinsam diskutiert. Versprich ihnen auch, dass deine schulischen Leistungen nicht darunter leiden werden und verhandle eine Probezeit, in der du das auch wirklich beweist!


    Und lass das mit der Webcam, das ist nur Geld zum Fenster rausgeworfen! Deine Freunde wissen schliesslich, wie du aussiehst!
    Gib auch im MSN nie dein Passwort, deinen richtigen Namen, deine Adresse, deine Schule oder deine Telefonnummer bekannt!!!

    Hallöchen! Nun stelle ich mal das letzte Portrait online, dass ich fertig habe, danach muss ich wieder an neuen arbeiten und das Blaue ist mit dem Gelben Forum gleichauf.


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    Alex



    Heute ist es mir wieder passiert. „Sie scheint das Thema wohl überhaupt nicht zu interessieren, was?“ hat der Professor gebellt und meine werten Kommilitonen konnten sich ein Kichern nicht verkneifen. „Wohl zuviel Party gemacht letzte Nacht!“ Manoman, ich kann mir ja keinen Zettel an die Stirn kleben!



    Die meisten meiner Kollegen wissen es ohnehin. Zuerst dachten sie, dass das bloss so eine Macke von mir sei, dauernd zu pennen. Sie fanden es cool, meinten, dass es praktisch sein müsse, immer und überall schlafen zu können. Dabei haben sie leider übersehen, dass das nicht wirklich auf freiwilliger Basis passiert. Zum Glück erschrecken sie sich nicht mehr, wenn ich manchmal einfach zusammenklappe, wenn wir wieder einmal zusammen lachen.


    In der ersten Zeit habe ich versucht, nachts länger zu schlafen. Acht – zehn Stunden mindestens. Das hat nicht viel gebracht, ausser, dass ich mich am nächsten Tag wie gerädert gefühlt habe. Ich war auch in einer Apotheke und habe den Eisengehalt des Blutes testen lassen, weil man bei niedrigem Eisenwert müde wird. Das war alles in Ordnung.


    Wenn ich eine Semesterarbeit schreiben muss, so kaue ich Kaugummi. Das hilft manchmal ein wenig. Ansonsten schlafe ich alle halbe Stunde rasch für 10 Minuten. Dann bin ich wieder für eine halbe Stunde leistungsfähig.


    Autofahren darf ich nicht, auch nicht an schweren Maschinen arbeiten. Büroarbeit wäre der Horror, das würde ich ebenfalls nicht durchstehen. Daher habe ich Geologie gewählt, in der Hoffnung, ein wenig draussen zu sein und vor allem körperlich beschäftigt.


    Rausgefunden, was los ist, habe ich per Zufall. Ich war beim Arzt um eine Impfung aufzufrischen und habe ihm nebenbei erzählt, dass ich tagsüber oft grundlos einschlafe. Er hat mich daraufhin zu einem Neurologen und dieser mich in ein Schlaflabor geschickt. Nun habe ich Gewissheit.


    Aber für andere bin ich immer noch der faule Sack, der in Vorlesungen einschläft, der im Zug bei der Station, wo er aussteigen muss, immer geweckt werden muss... oder einfach jemand mit Narkolepsie, bei dem es wahnsinnig lustig ist, mit anzusehen, wie er über seinem Essen einschläft.



    Ich bin wie du
    Ich bin anders
    Ich bin Alex

    Ich bin Narkoleptiker


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    Infos zum Thema


    Narkolepsie, auch Schlafkrankheit genannt, entsteht durch eine neurologische Störung des Tag-Nacht-Rhythmus. In Deutschland kennt man jediglich etwas über 4000 diagnostizierte Fälle, man geht aber von der zehnfachen Zahl aus. Nebst dem über den Tag auftretenden Schlafzwang kann als ein weiters Symptom Kataplexie auftreten. Dabei verliert der Betroffene zumeist bei starken Emotionen (z.B beim Lachen) die Muskelspannung. Ein weiteres Symptom von Narkolepsie ist die sogenannte Schlaflähmung: In der Einschlaf- und Aufwachphase treten plötzliche Lämungen der Körpermuskeln auf. Dadurch kann der Betroffene nicht willentlich aufstehen.
    Narkolepsie lässt sich im Schlaflabor nachweisen, indem man ein sogenanntes Schlafprofil aufzeichnen lässt. Narkoleptiker fallen rasch nach dem Einschlafen in die REM-Phase, während "normale" Schläfer zuerst eine traumlose Schlafphase haben. Dieser verfrühte Traumschlaf kann dazu führen, dass Narkoleptiker beim Einschlafen Halluzinationen haben, da sie - vereinfacht ausgedrückt - dann bereits träumen.


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    Links zum Thema


    Deutsche Narkolepsie-Gesellschaft e.V
    Internet-Selbsthilfegruppe
    Information der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin


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    __Nicci__ + rehäuglein: Eine kleine Bitte: Könnt ihr bitte nicht all meine ellenlangen Beiträge zitieren? So gehen eure Kommentare fast ein wenig verloren darunter :)


    @Maiga: Ich weiss, was deine Mutter mit der "Ich-Grenze" meint, kenne den Begriff auch, aber irgendwie trifft es das nicht ganz. Nun, vielleicht werde ich mal die Gelegenheit haben, mit jemandem nur darüber zu reden, dann kann ich denjenigen ja fragen, ob das damit gemeint ist. :)

    Daher heisst es ja auch, dass der Test subjektiv ist... Es gibt kein "richtig" oder "falsch"! Du sollst ja ankreuzen, wie du denkst, dass sich diese Person fühlt. Wenn du glaubst, dass er Schuldgefühle hat, dann kreuzt du das eben an. So sind solche Tests. Kriegst ja keine Note dafür :)

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    Kapitel 12



    Denn nicht Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, wie es in der Bibel steht, sondern der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde.



    Ludwig Feuerbach, dt. Philosoph und Religionskritiker







    Also erzähle ich. Es fliesst einfach so aus mir raus, und ich kann nichts dagegen unternehmen. Vielleicht will ich das auch gar nicht. Tom scheint mir vertrauenswürdig und vielleicht ist es mal ganz gut, mit einer unbekannten, neutralen Person darüber zu reden. Ich erzähle ihm von der Diagnose von vor zwei Jahren, und er hört mir aufmerksam zu.




    Damals wurde ich vom Arzt in das örtliche Krankenhaus überwiesen. Die Gewebeproben waren eindeutig: Es war Krebs, und zwar die bösartige Form. Meine Welt brach von einem Tag auf den anderen völlig zusammen. Einige Tage lang lag ich nur im Bett und heulte vor mich hin. Ich glaubte, augenblicklich sterben zu müssen. Und dazu war ich noch nicht bereit.




    Meine Brust betrachtete ich voller Hass, als würde irgendwo da drin ein kleiner Kobold sitzen, der sich langsam in meine Eingeweide frass. So ähnlich wie jene Dämonen in meinem letzten Albtraum. Dämonen, die sich auch in meinem Kopf einnisteten und anfingen, meine Hoffnungen zu zerfleischen. Sehnlich erwartete ich den Termin im Krankenhaus, der endlich Gewissheit bringen sollte.




    Nach eingehenden Untersuchungen im Krankenhaus, sagte man mir, dass der Knoten entfernt werden muss, und dass sie auch einige Lymphknoten rausschneiden müssen. Meine Angst wuchs ins Unermessliche. Ich fragte mich, ob sie es schaffen würden, alles schädliche Gewebe zu entfernen. Mussten sie meine Brust abnehmen? Oder würden hässliche Narben bleiben? War überhaupt noch etwas zu machen?




    Die Operation verlief komplikationsfrei und ich war erst mal erleichtert. Die hässliche Narben würden auch verschwinden, meinte der behandelnde Arzt. Man sagte mir, dass man noch eine Untersuchung machen würde, die ausschliessen sollte, dass sich bereits Metastasen in den Knochen oder Organen gebildet haben. Dazu wurde ich gründlich geröntgt und ein Ultraschall von Leber und Nieren gemacht.




    Der Befund war erschrecken. „Wir fürchten, dass sich die entarteten Zellen bereits über ihr Blutsystem verbreiten konnten. Wir fanden kleine Metastasen in der Niere und an den Beckenknochen. Das Labor zeigte, dass Ihre Tumorart nicht auf eine Hormonbehandlung ansprechen würde. Wir schlagen daher eine Chemotherapie vor,“ informierte mich der Chefarzt.




    Ich weiss nicht mehr genau, was ich in dem Moment gedacht habe, bloss, dass ich in ein bodenloses Loch fiel und der Sturz gar nicht mehr aufhören wollte. Ich war davon überzeugt, dass Metastasen meinen sicheren Tod bedeuten würden. Ich machte mir keine Hoffnung auf Heilung. Ich fing an, meinen Körper zu verfluchen, der es zugelassen hatte, so krank zu werden.




    Ich hebe meinen Kopf und sehe, dass Tom immer noch mir gegenüber auf dem Sessel sitzt und mir schweigend zuhört. „Ich wusste damals noch nicht, dass ich wirklich sterben werde. Jedenfalls nicht so früh!“ Tom nickt und lächelt mich dann freundlich an. „Wollen Sie meine ehrliche Meinung dazu hören, Anna?“ fragt er mich und ich nicke. Er lächelt wieder. „In solchen Fällen sage ich immer: Es ist wohl Gottes Wille.“

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    Zitat von Maiga

    Als Außenstehende frage ich mich, warum du es nicht früher jemandem erzählt hast. -Woher hätte Sandra davon erfahren sollen?


    Hm... wie soll ich das erklären? Also, da sie schon sehr früh in der Geschichte angefangen hat mit Selbstmord zu drohen hatte ich kaum eine Chance, vorher irgendetwas zu unternehmen, bzw es jemandem zu erzählen. Wieso ich es nicht trotz den Drohungen getan habe? Nun, ich hatte eine solche horrende Angst davor, dass sie es irgendwie rausfinden würde (z.B weil jemand sie darauf anspricht, ihre Eltern anruft, ect) und ich dann die Konsequenzen (ihren Tod) zu verantworten hätte, dass ich es schlicht nicht gewagt habe. Ich wusste, dass das dann auch mein eigenes Todesurteil gewesen wäre, denn mit der Schuld hätte ich damals nicht leben wollen. Und mit dem Tod zu drohen ist zwar das perfideste, aber auch das wirkungsvollste Druckmittel!


    Zitat von Maiga

    Wieso soll das esoterisch oder so sein?


    Nun, ich bin - ich sage das jetzt mal so - Wissenschaftler. Ich brauche für alles eine Erklärung, die ich auf physiologischer Ebene (z.B eben durch die Neurologie ect) nachvollziehen kann. Wer hätte nicht gerne eine Gabe? Wer möchte nicht die Gedanken anderer lesen können? Wenn ich sage, dass ich fühlen kann, was andere fühlen, so klingt das genau so, als würde ich mir die Gabe vorhalten, in den "Seelen" der Menschen lesen zu können.
    Ich schätze aber, dass da irgend eine neurochemische Störung oder sowas dahintersteckt, die ich - keine Ahnung wie - selber ausgelöst habe.


    Zitat von Maiga

    Wahrscheinlich werde ich mich jetzt noch mit meiner Mutter, die Psychologin sit, darüber unterhalten...


    Oh, du sitzt ja an der Quelle ;)
    Mich würde interessieren, was sie zu der Sache sagt. Vielleicht hat sie ja einen besseren Ausdruck für die "Barrieren"? Wäre super, wenn du mir vielleicht eine Rückmeldung geben könntest... ohne dass ich das natürlich erwarte!


    Habe eure Zeit schon genug geklaut... :rolleyes

    Hja... ganz lustig finde ich auch die "Habe-ich-Borderline?"-Checklisten, die im Internet kursieren, und deren Punkte auf jeden halbwegs pubertären Teenager zutreffen. Kein Wunder, dass alle durch die Gegend rennen und schreien, sie hätten Borderline! Aber zum Arzt gehen tut keiner, weil vielleicht könnte der ja sagen, dass es nicht stimmt. Denn wirklich diagnostizieren kann das nur eine Fachperson, denn die Diagnose ist derart komplex und kompliziert, dass ein Schwarz-Weiss-Schema nun echt nicht ausreicht!
    Ich frage mich echt, was an der Diagnose so "cool" sein soll!
    Leute, wenn ihr schon Selbstdiagnosen stellt anhand solcher Pseudo-Psycho-Listen, dann geht danach wenigstens zum Arzt und äussert den Verdacht! Oder ist es bequem, sich auf der Selbstdiagnose auszuruhen? Ich denke eher nicht...



    (Boah... heute bin ich irgendwie bissig... sorry)

    Hallöchen!


    Vielen Dank für eure Fragen! Finde ich total gut, dass ihr euch traut, zu fragen, und ich gebe mir auch alle Mühe, alles befriedigend zu beantworten:


    Zitat von __Nicci__

    Könnte es nicht vielleicht doch sein, daß sie vergewaltigt wurde, sich geschähmt hat und desshalb behauptet hat, alles währe erfunden??


    Glaub mir, ich habe mich das sehr oft gefragt und tu' es zum Teil heute noch. Aber es gibt verschiedene Aspekte, die dagegen sprechen. 1.) meinte sie am Telefon, dass sie sich von einem Arzt hätte untersuchen lassen, wenn er gewollt hätte. 2.) War Sandra nach der ganzen Geschichte wieder relativ normal, mal abgesehen davon, dass sie stinksauer auf mich war. Klar, sie hat es dann nochmal versucht, aber irgendwann wurde es ihr wohl langweilig und sie hat es aufgegeben. Ich glaube nicht, dass man - sollte es wirklich passiert sein - sowas willentlich an- und ausschalten kann.


    Zitat von __Nicci__

    Was genau ist "Borderline"? Ich habs mit Wikipedia versucht aber ich versteh die Beschreibung nicht


    Ja, Tante Wiki hilft einem diesbezüglich nicht wirklich weiter, schon gar nicht, wenn man erst 13 ist. Ich habe bei "Anders" gerade ein Portrait über eine Borderlinerin online gestellt (guckst du hier). Vielleicht beantwortet das die Frage ein wenig, oder ansonsten gibt es da einen Link, der auf eine Seite führt, die das gut erklärt.


    Zitat von __Nicci__

    Was genau meinst du mit dieser "Barriere"? Dass du bestimmen kannst wann du sie hast und wann nicht?


    Hm... also ich habe das ja ganz zu Anfang schon ein wenig versucht zu erklären, aber ich werde das nochmal mit anderen Worten tun: Wenn dein Kollege sich in den Finger schneidet, so fühlst du mit ihm, du weisst, dass es weh tut. Aber du fühlst den Schmerz nicht selber. Dein Finger tut nicht weh. Das machen die "Barrieren" (ich nenne die so) in deinem Gehirn. Die sagen dem Gehirn, was "deins" ist und was nicht. Bei meiner Freundin habe ich diese Barriere irgendwie wegbekommen. Das heisst, alles, was sie mir erzählt hat, habe ich so gefühlt, als wäre es mir selber passiert. Glaub mir, das ist/war echt schrecklich! :(
    Man kann sich jetzt vorstellen, dass ich eine Zeit lang unfähig war, Zeitung zu lesen. Mord hier, Vergewaltigung da... je detaillierter beschrieben, desto schlimmer. Stellt euch z.B vor, ihr würdet all das, was in der Bild-Zeitung steht, an euch selber fühlen.
    Soweit dazu, was ich mit "Barriere" meine.
    Wie ich sie ausgeschalten habe weiss ich nicht, echt nicht. Ich glaube, ich habe mein Gehirn derart gezwungen, mich in Sandra hinein zu versetzen, dass es irgendwann nachgegeben hat. Wahrscheinlich könnte das jeder Mensch, aber glaubt mir, es zerstört einen! Und wenn sie einmal weg sind, dann sind sie verdammt schwer wieder aufzurichten.
    Ich habe neben meinem Schreibtisch einen Zettel hängen, darauf steht "Halt die Klappe, Gehirn!" :rollauge Den lese ich immer, wenn ich über Internet etwas Schlimmes mitbekomme und mein Gehirn die Informationen mit entsprechenden Bildern und Gefühlen (auch körperlichen) ergänzt. Oft sage ich mir auch laut "es ist nicht meins!" Das funktioniert manchmal, meistens aber nicht wirklich.
    Frag' mich jetzt aber bitte nicht, wie das biochemisch im Gehirn funktioniert, oder was neurologisch oder entwicklunsgpsychologisch dahintersteckt. Denn glaub mir, nichts möchte ich lieber wissen als das!
    Beantwortet das deine Frage ein Bisschen?


    Zitat von rehäuglein

    Haben dich manche Menschen denen du diese "Geschichte" erzählt hast ausgehschlossen? Ich meine dich nicht akzeptiert oder ignoriert ?


    Da ich die Geschichte nur einem ausgewählten Kreis von Freunden erzählt habe, habe ich quasi schon vorher ausgeschlossen, dass jemand negativ darauf reagiert. Einzig meine Familie hatte wirklich arg Mühe damit, weil vor allem mein Vater glaubt, dass alles mit Vernunft lösbar sei. Sie denken, dass das alles halb so schlimm ist, und verstehen nicht, dass sowas ein arges Trauma verursachen kann.
    Das mit den Barrieren weiss nur mein Partner, weil ich mir vorstellen kann, dass man das wirklich schlecht nachvollziehen kann. Es klingt dann schnell entweder esotherisch oder so, als wolle man sich wichtig machen. Aber glaubt mir, das ganze macht alles andere als Spass...


    Zitat von rehäuglein

    Hat diese "Geschichte" irgendetwas zu der Beziehung zu deiner Eltern verändert? Zum Guten oder zum Schlechten gewandelt?


    Ganz ehrlich, sie waren mit der Situation überfordert und ich nehme es ihnen nicht übel. Mit meine Mutter konnte ich darüber besser reden als mit meinem Vater. Mit meinem Vater macht es sowieso keinen Sinn, über Psychen-Kram zu reden. Er hat da ganz andere Ansichten als ich.
    Ich glaube, meine Eltern hatten Angst, dass ich ein "Schwächling" werde durch die Geschichte. Dass ich nicht wie geplant eine gute Ausbildung mache und vielleicht sogar abstürze. Aber ich bin eine Kämpfernatur und heute sind sie sehr stolz auf mich, denke ich, auch wenn sie das nicht offen sagen ;)


    Zitat von rehäuglein

    Wie erträgst du es ddiese "Geschichte" hier aufzuschreiben und noch einmal durchzuleben ?


    Es aufzuschreiben war hart. Am Anfang floss alles einfach über die Tastatur in den Bildschirm und es aufzuschreiben ging wunderbar. Die erste Nacht konnte ich nicht schlafen. All die Gefühle von damals waren wieder da. Ich habe lange geheult und versucht, dagegen anzukämpfen. Am zweiten Tag habe ich mit einer Kollegin, die die Geschichte kennt, darüber geredet. Sie meinte, dass ich mir sagen soll, dass es ok sei, wie ich fühle. Dann ging es wieder. Ich schrieb weiter, schlief eine weiter Nacht nicht, und nach dem dritten Tag schrieb ich so lange, bis alles zu Papier gebracht war. Dann war es morgens um drei und ich fiel ins Bett.
    Heute, 3 Tage später fühle ich mich noch immer niedergeschlagen und mich quälen diffuse Angstgefühle. Aber ich weiss, dass es besser werden wird. Und dann habe ich einen wichtigen Schritt geschafft, da bin ich mir sicher!
    Die Bilder zu machen war arg. Das ganze wie von aussen zu betrachten, sich selber zu beobachten und auch die kühle von Sandra so direkt darzustellen war heftig.


    Nun, jetzt weiss ich, dass ich es geschafft habe und kann mich wieder ein wenig erholen. Und danach mache ich vielleicht eine Flasche Sekt auf oder so ;) :applaus


    Die Idee dafür hatten auch Sexy_Lexy, Rosi512, Das_Tati, Killerkatzi86 und Ysabella


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    Marie



    Ich sitze vor dem Telefon und starre den Hörer an. Ich bin versucht, anzurufen und zu sagen, dass ich nicht zum Termin kommen kann. Dass ich krank sei, obwohl das gar nicht stimmt. Dabei habe ich mich wie jedes Mal beinahe darauf gefreut. Sie ist ein netter Mensch. Ich brauche sie. Sie ist die einzige, die mich versteht. Und doch, manchmal kommt sie mir mit ihren Fragen zu nahe. Obwohl ich weiss, dass mir das Antworten gut tut.



    Der Mann aus meiner letzten Beziehung hat mich auch verstanden. Jedenfalls sagte er das. Er nahm mir das Versprechen ab, dass ich mir nichts antun werde. Er hatte oft Angst um mich, wenn ich mich wieder einmal ganz zurückzog. Doch er ertrug meine Gefühlsausbrüche bis zuletzt. Ich wollte, dass er mich liebt. Dann wollte ich, dass er mich hasst. Ich selber durchlebte Zeiten, in denen ich in vergötterte, dann wieder abgrundtief hasste. In einer solchen letzten Phase habe ich ihn zu sehr verletzt. Ich nehme es ihm nicht übel, dass er gegangen ist.



    Es hat lange gedauert, bis ich mich zu einem Arzt getraut habe. Heutzutage scheint es doch geradezu „in“ zu sein, eine psychische Störung zu haben, gerade bei den Jungen. Sie haben zwar keine Ahnung, was eine Psychose ist, oder Schizophrenie, aber offenbar scheint es cool zu sein und man kriegt Aufmerksamkeit. Wenn sie auch nur einen kleinen Eindruck davon kriegen würde, wie es ist, wirklich krank zu sein, dann würden sie ganz schnell mit der Sch.eisse aufhören! Gleichzeitig wird mal als Irre abgestempelt, wenn man zu einem Psychiater geht. Die meisten sogenannten Freunde haben sich von mir abgewandt.



    Woher kommt dieser Schmerz? Manchmal versuche ich ihn durch einen anderen Schmerz zu betäuben. Einen, den ich kontrollieren kann. Die langsam verheilenden Narben auf meinen Oberschenkeln zeugen davon. Gleichzeitig schäme ich mich dafür. Heute benutze ich Eiswürfel, die ich langsam in der Hand zergehen lasse. Sie vermögen es, wenigstens ein bisschen den unerträglichen inneren Druck zu lösen.



    Ich habe mal ein bisschen im Internet gesurft. Ich war schockiert. Da gibt es Websites, auf denen sich Mädchen stolz ihre zerschnittenen Unterarme zeigen. Wenn ich daran denke, wie sehr ich mich darum bemüht habe, meine Narben zu verstecken. Und die machen einen Sport daraus. Manchmal könnte ich vor Wut heulen. Genau solche Hobbyritzer haben es geschafft, dass die Glaubwürdigkeit von Menschen, die wirklich Probleme haben extrem geschmälert wird. Wie oft habe ich schon den Vorwurf gehört, ich wolle doch nur Aufmerksamkeit.



    Als Teenager war ich auch unausgeglichen und impulsiv. Da war das doch normal. Man hat sich selbst gehasst und oft auch die Anderen. Damals habe ich mein Zimmer schwarz gestrichen und bin im Selbstschmerz versunken. Doch diese Zeit ging vorbei und ich führte ein normales Leben. Wie kommt es, dass ich mich heute plötzlich selber hasse und gleichzeitig liebe? Wie, dass ich Angst habe, alleine zu sein und gleichzeitig keine Nähe zulassen kann? Manchmal fühle ich mich wie ein Kind. Ich hoffe, dass bald alles wieder normal sein wird.



    Ich bin wie du
    Ich bin anders
    Ich bin Marie


    Ich bin Borderliner


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    Kommentar


    Ihr fragt euch jetzt vielleicht, was das Portrait mit Vorurteilen, Diskriminierung und Ausgrenzung zu tun hat. Hier die Erklärung: Es ist ein Vorurteil, dass Ritzen cool ist. Es ist ein Vorurteil, dass Ritzen = Borderline ist. Es ist ein Vorurteil, dass Menschen, die sich in Therapie begeben irre sind. Es ist ein Vorurteil, dass wirklich psychisch kranke Menschen Simulanten sind. Es ist ein Vorurteil, dass psychisch kranke Menschen schwach sind oder undiszipliniert. „Hobbyritzer“ diskriminieren Menschen, bei denen Selbstverletzung ein Symptom ihrer Krankheit ist. Die führt dazu, dass Betroffene nicht mehr ernst genommen werden und umso mehr zögern, sich Hilfe bei einer Fachperson zu holen.
    Es ist ebenfalls ein Vorurteil, dass Borderline einfach so selber diagnostiziert werden kann. Gerade bipolare Störungen sind äusserst komplex und nur durch Fachpersonen zu beurteilen. Bipolare Störungen gehören in Behandlung.
    Fall ihr glaubt, selber betroffen zu sein, dann wendet euch an einen Arzt eures Vertrauens, am besten an euren Hausarzt. Die meisten Ärzte besitzen die Kompetenz, euch an eine entsprechende Fachperson weiterzuleiten. Psychotherapien übernimmt im Normalfall die Krankenkasse.


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    Links zum Thema


    Borderline Selbsthilfe


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    So, dann will ich mal all eure Fragen beantworten und auch noch zu einigen Kommentaren Stellung beziehen. Auch das ist natürlich zur Diskussion freigegeben. Bin froh, mal offen darüber reden zu können!


    Warum wollte sie selbst nach der zweiten Vergewaltigung und der damit verbundenen Schwangerschaft immernoch mit niemandem reden?


    Weil es nie stattgefunden hat.


    Es werden jährlich viele Mädchen vergewaltig, aber die aller wenigsten bringen sich deshalb gleich um. Was war für sie daran so schlimm? Hing das damit zusammen, von wem sie vergewaltigt wurde?


    Um ehrlich zu sein, selbst wenn es wahr wäre hätte ich keine Ahnung, warum sie bis zum Suizid gegangen wäre, zumal ich ihr auch immer wieder gesagt habe, dass es Hilfe gibt. Manche Erlebnisse hinterlassen aber bei manchen Menschen derart grosse Wunden, dass sie sich wünschten, tot zu sein, weil sie daran glauben, dass danach alles besser sei. Vielleicht glauben sie an sowas wie das Paradies oder den Himmel, in dem man seinen Frieden findet. Nüchtern gesehen ist man schlicht tot. Ob das besser ist, ist jedem selber überlassen. Ich bin immer noch der Ansicht, dass man es zuvor mit dem Leben versuchen sollte.


    Hat sie sich wirklich umgebracht? Wenn ja, hat sie sich so umgebracht wie sie es in ihrem Buch "angedroht" hat?


    Nein, hat sie nicht. Ja, das Buch... Manoman, das war vielleicht heftig! Aber auch verdammt raffiniert irgendwie, oder?


    Hast du die Schmerzen deiner Freundin auch noch nach ihrem Tod gespürt?


    Ich habe sie auch nach der ganzen Geschichte gespürt und tu es zum Teil heute noch. Z.B heute Morgen. Ich weiss nicht, woher die kommen. Schätze, es sind eine Art Projektion. Aber woher mein Körper weiss, wie sich sowas anfühlt ist mir ein Rätsel!


    Du musst ja ein schreckliches Leben (gehabt?) haben, all die Dinge die dir passiert sind!


    Uhm... nein, mein Leben ist voll schön! Zumindest jetzt. Okey, damals war es... wie soll ich das sagen... wie in einem wirklich wirklich schlechten Film!


    Möglichkeit 1:
    Sandra ist wirklich sadistisch und hat sich alles ausgedacht. Das wäre natürlich total gemein und boshaft. Als der Arzt gekommen ist, ist die Geschichte aufgeflogen und sie hat versucht alles dir in die Schuhe zu schieben (oder war das geplant:mies?).


    Möglichkeit 2:
    Sandra will nach wie vor nicht, dass irgendjemand davon erfährt und versucht die Geschichte als deine Idee darzustellen, damit niemand sie noch an ihrem Selbstmordplänen hindern kann. Das wäre trotzdem gemein, aber für sie vielleicht der einzig sichtbare Ausweg?


    Beide Möglichkeiten hören sich für mich ein bisschen wie an den Haaren herbeigezogen an, aber bei einer so verrückten Geschichte ist das wahrscheinlich auch so.


    Möglichkeit 3: Krasse Form von Borderline.


    Ich tendiere ganz ehrlich zu Möglichkeit 1. Ich kann mir nicht helfen, aber die anderen Möglichkeiten machen für mich derart keinen Sinn, dass nur noch diese übrig bleibt.


    Du schreibst, ihr hattet eine eigene Art schwarzen Humor, der euch verband - ich stelle mir vor, dass von der Ecke die Idee zu diesem "Jux" kam. (So versuche ich mir, z.B., den Beginn des ganzen zu erklären)


    Hm... nein, so schwarz war der nicht. Wir waren eher frühreife Zyniker. Also sowas konnte nicht die Grundlage gebildet haben!


    Wußte sie von deiner Hypersensibilität/-sensualität (trifft´s das irgendwie?)- dann um so schlimmer- oder wurde die erst durch das Trauma ausgelöst? (Nein, ich denke, dadurch konnte sie dich ja so traumatisieren, oder?)


    Hm... Hypersensualität. Habe ich auch schon daran gedacht, aber der Begriff stammt leider eher aus dem Esotherik-Kreis und hilft daher wenig weiter. Das ganze ist während der ganzen Geschichte entstanden, dadurch, dass ich die Barrieren weggemacht habe. Wie ich das gemacht habe, weiss ich nicht genau, aber ich habe es irgendwie geschafft. Ich denke, das ist so geblieben. Wie ich sie wieder aufbauen kann ist mir schleierhaft.


    Und die, dass sie Borderline hat, ist mir zu platt. Was hat das bei ihr wohl ausgelöst? Ich suche nach einem Verständnisansatz...


    Ja, das ist mir auch irgendwie zu... hm... platt ist ein netter Ausdruck dafür, ja. Glaub mir, nichts ist für mich schwieriger, als das zu verstehen, was in ihr vorgegangen sein muss. Aber muss ich das eigentlich verstehen? Würde es mir etwas bringen, wenn sie eine Entschuldigung hätte? Ich glaube, eher nicht.


    Find ich auch von ihr ziemlich schlimm, dich einfach so mit zwei Sätzen abzuspeisen. Ein Entschuldigungsversuch kann das ja nicht gewesen sein.


    Nö, sie hat auch nie den Versuch gemacht, sich zu entschuldigen. Ich glaube, sie sieht keinen Grund dafür.

    Drei kleine lieb gemeinte Tipps nach kurzem Überfliegen:
    1.) Titelbild nicht so riesig machen! Es ist so grell, dass man glatt Kopfschmerzen von kriegt ;)
    2.) Darauf achten, dass der Kristall nicht im Bild zu sehen ist.
    3.) Sich einen Betaleser organisieren, der dich auf Rechtschreibfehler aufmerksam machen kann. Den Text vorher in Word abtippen und mal die Rechtschreibprüfung rüberlaufen lassen.




    Ich begann Biologie zu studieren und wurde in einem Selbsthilfechat für Menschen mit psychischen Problemen ehrenamtlich als Admin tätig. Dort sprach ich ab und zu darüber, wie es mir erging. Aber meistens hörte ich anderen zu. Dadurch lernte ich auch meinen jetzigen Partner kennen und lieben. Er litt unter chronischen Depressionen. Er riet mir, meine beratende Tätigkeit in dem Chat aufzugeben, weil er merkte, dass meine Belastungsgrenzen längst überschritten waren.




    Mein grösstes Problem war nämlich, dass diese „Barrieren“ unwiderruflich weg waren und ich sie nicht wieder errichten konnte. Zu Beginn des Studiums entwickelte ich eine ausgewachsene Psychose. Ich glaubte, die Gefühle wildfremder Menschen zu spüren. Heute weiss ich, dass mein Unterbewusstsein Beobachtungen interpretierte und mich mit den entsprechen verknüpften Gefühlen überschwemmte, zumal mein Gehirn auch die Grundlage dazu geschaffen hatte.




    In der Zeit nahm ich eine psychologische Beratung der Uni in Anspruch. Ich habe den Mann hier schon mal erwähnt. Er war der erste, der mein Barrieren-Problem erkannte. Leider gibt es dafür keinen Namen und es ist auch in dem Sinne nicht therapierbar. Es führte dazu, dass ich auch die Umwelt ungefiltert wahrnahm. Alles war laut, bunt und roch intensiv. Ich wurde schnell müde, verpasste Vorlesungen, schlief viel.




    Ich musste das zweite Studienjahr wiederholen. Das war ein Schock für mich und ich schob es auf meine mangelnde Fähigkeit, zu studieren. Heute weiss ich, dass ich eigentlich stolz sein kann, es in dem Zustand überhaupt bis ins zweite Jahr geschafft zu haben. Während dem Wiederholungsjahr hatte ich vermehrt Zeit für mich, und ich begann, selber an mir zu arbeiten.




    Heute geht es mir eigentlich gut. Ich habe immer noch ein wenig Probleme damit, mich ordentlich abzugrenzen. Doch mittlerweile kann ich grösstenteils selber bestimmen, wann ich die Barrieren weghaben will und wann nicht. Dadurch wurde zum Beispiel mein Projekt „Anders“ erst wirklich möglich. Ich machte meinen ersten universitären Abschluss und strebe einen Doktor in Zoologie an.




    Eine Kollegin meinte kürzlich, dass das, was Sandra abgezogen hatte, psychische Folter sei. Immer mehr Menschen, denen ich eine Idee dessen, was geschehen war gebe, glauben, dass sie es mit voller Absicht getan hat. Sandra selber hat sich zwei Jahre nach dem Gymnasium bei mir gemeldet und mir gesagt, dass sie Borderline hätte. Ausserdem liess sie mich noch mal wissen, dass sie alles nur erfunden hätte. Das waren die letzten zwei Sätze, die ich von ihr gehört hatte. Ich habe heute keinen Kontakt mehr zu ihr. Und das ist gut so!


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    Danksagung

    Es gibt viele Leute, denen ich an der Stelle danken möchte:
    - Meiner Familie, die meine Launen ertrug.
    - Meinem Verlobten Daniel, der mich unterstützt, mir Halt und Kraft gibt, und der spürt, wann ich eine starke Schulter und wann einen guten Rat brauche.
    - Meiner Freundin Linda, die Erste, der ich als Freundin wieder vertraue.
    - Marlis und Therese, jenen Kolleginnen aus dem Gymnasium, die auf meine Seite stehen und mit denen ich immer reden kann.
    - PurpurOzelot, die mich dazu ermutigt hat, diese FS zu machen.
    - Mirja und Killerkatzi86, die ausserhalb des Forums ihren Senf zu der Geschichte gegeben haben.

    - und natürlich euch allen, dass ich eure wertvolle Zeit in Anspruch nehmen durfte! Eure Kommentare haben mich sehr berührt und dazu beigetragen, dass ich hier vielleicht den letzten Schritt gegangen bin, um die Sache endlich für mich abschliessen zu können!

    Danke euch allen!!!

    Ich weiss, dass wahrscheinlich noch viele Fragen offen sind. Vielleicht habe ich das ganze auch etwas verwirrend erzählt. Ich kann es nicht wirklich beurteilen, weil ich so tief in der Sache drinn stecke, dass ich vielleicht manchmal den Blick fürs Wesentliche verliere. Aber ich werde auf jeden Fall versuchen, auf eure Fragen einzugehen, also bitte scheut euch nicht, sie zu stellen!
    Zum Teil wurde ja schon ganz am Anfang nachgefragt. Keine Bange, ich habe die Fragen gesammelt und werde dazu Stellung nehmen. Bitte seit mir nicht böse, wenn ich das in einem nächsten Posting mache. Denn jetzt bin ich erst mal ziemlich fertig...


    __Nicci__: Danke dir. Ja, irgendwie werde ich mir der Ausmasse des Ganzen auch erst richtig bewusst. Sollte ich Sandra jemals wiedersehen... ich weiss nicht, was ich dann tun würde...


    @Obstsalat: Ja, hat sie. Ich weiss, das ist absolut unbegreifflich! Ich verstehe es ja auch nicht...


    @bushidi65: Puh ja, das Ding mit den Schuldgefühlen. Selbst jetzt habe ich manchmal noch Zeiten, in denen ich glaube, dass ich selber schuld an dem ganzen bin. Dass ich dem früher hätte ein Ende setzen können. Doch, was geschehen ist, ist nun mal geschehen und lässt sich nicht mehr ändern.



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    Epilog





    Für Aussenstehende sieht es wahrscheinlich so aus, als hätte sich für mich alles zum Guten gewendet, und ich könnte mich wieder dem normalen Leben zuwenden. Schliesslich hat Sandra sich nicht umgebracht, ich brauchte keine Schuldgefühle zu haben, und die ganzen Sorgen hätten sich in Luft aufgelöst. Ich muss zugeben, dass die ersten zwei Monate nach der ganzen Geschichte auch relativ gut liefen.




    Doch wie es manchmal so ist bei schlimmen Erlebnissen, so kommt der grosse Zusammenbruch erst viel später. Im Zuge dieser FS konnte ich mich plötzlich daran erinnern, was der Auslöser dafür war. Ich erinnere mich, dass ich wie so oft im Herbst alleine in meinem Lieblingswald spazieren war, um meine Ruhe zu haben und neue Kräfte zu tanken. Ich begegnete einem Hundehalter, der mit seinem Border-Collie unterwegs war. Er fragte mich, ob ich ihn ein Stück begleiten wolle.




    Eigentlich bräuchte ich es wohl nicht speziell zu erwähnen, dass der Herr keine sauberen Absichten hatte. Ich habe keine Ahnung, wie ich mich befreien konnte, als er anfing, mich zu betatschen. Doch irgendwie schaffte ich es, los zu kommen und nachhause zu laufen. Dort kam dann der grosse Zusammenbruch. Alles war wieder da. Die Albträume, die Dauerangst, die Schmerzen. Ich entwickelte Angst vor fremden Männern, solchen, wie Sandra sie so detailliert beschrieben hatte, sträubte mich dagegen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Hinzu kam eine dauernd präsente, diffuse Angst, die manchmal in unkontrollierbare Panikattacken gipfelte.




    Ich bat meine Mutter, zum Arzt gehen zu dürfen. Ich war unübertrieben völlig fertig und meine Eltern am Ende ihrer Weisheit und auch am Ende der Geduld. Und so ging ich am nächsten Tag zu unserem Hausarzt, einem Freund meiner Eltern. Nochmals erzählte ich alles, und er war der Erste, der das ganze ein Trauma nannte. Leider konnte ein Kollege von ihm, ein Psychologe, der auf sowas spezialisiert war, mich nicht annehmen, weil er keinen Platz für mich hatte.




    Ich wurde einer Psychologin, die an das örtliche Krankenhaus angegliedert ist zugewiesen. Sie war – das sehe ich heute - überfordert mit dem Fall. Ich schätze, für sie wäre es einfacher gewesen, wenn ich Opfer sexueller Gewalt gewesen wäre, denn dann hätte sie kurz ihr Buch aufschlagen und die Diagnose „Posttraumatische Belastungsstörung“ stellen können. Statt dessen verschrieb sie mir erst mal ein Antidepressivum, das mir helfen sollte, mich eine Zeit lang über Wasser zu halten und konzentrierte sich auf das Symptom der Angst.




    Meine Familie betrachtete das ganze äusserst kritisch. Eine Tochter, die zu einem Psychiater musste, passte nicht in ihr Bild einer heilen Familie. Ich durfte gegen Aussen nichts davon erzählen, weil es sonst im Dorf schnell die runde gemacht hätte. Meine Eltern fanden, dass ich übertreiben würde mit der Trauma-Geschichte und dass es so schlimm doch nicht sein könne. Also liess ich sie aus der ganzen Sache raus, weil solche Gespräche immer nur in Streit gipfelte.




    In einem Jahr Therapie lehrte sie mich, wie ich mit Panikattacken umzugehen hatte. Es klappte nach langem Training und ich verlor die Angst vor Menschen nach und nach. Nach dem Gymnasium belegte ich sogar einen einmonatigen Sprachkurs in London, setzte die Medikamente ab und wurde aus der Therapie entlassen. Doch es gab Dinge, die ich nicht loswurde. Zu ihnen gehörten die Albträume, die immer neue Formen annahmen, und die so gefühlsecht waren, dass ich kaum mehr zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden vermochte. Solche Albträume habe ich noch heute, und werde sie wohl immer haben.

    Die Idee für das folgende Portrait hatten ~Leonie~ und Ysabella


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    Evelyn



    Ich liebe zeichnen. Ich glaube sogar, dass ich das voll gut kann. Am liebsten zeichne ich Portraits von Frauen. Männer kann ich nicht so gut, aber Mädchen gelingen mir voll gut. Aber meistens sind mir meine Vorlagen sowieso zu knochig. Oft nehme ich einfach einen Spiegel und male ein Selbstportrait.



    Meistens darf ich das Mittagessen kochen. Ich suche mir immer Sachen aus, die ich besonders mag. Aber ich muss trotzdem auf die Tabelle achten, die mir der Arzt gegeben hat. Manche Dinge darf ich nicht so oft essen, oder eben nicht so viel von.



    Der Arzt meint aber, dass das alles schon ganz gut klappen würde. Wenn ich mich im Spiegel ansehe, dann bin ich schon echt zufrieden mit mir. Zur Feier des Tages habe ich mir ausserdem ein total cooles neues T-Shirt gekauft.



    Da können die anderen lachen und spotten soviel sie wollen! Ihr glaubt gar nicht, was ich alles zu hören kriege. "Fettberg, Tönnchen, Jumbo..." alles sowas. Diese ganzen Magersuchtstussen haben ja sowieso keine Ahnung davon, wie das ist!



    Der Arzt meinte, bei mir sei das definitiv teilweise vererbt. Meine Mutter ist genauso. Hinzu kommt noch diese Schilddrüsen-Unterfunktion. Irgendwie arbeitet die nicht so, wie sie sollte. Dafür habe ich jetzt mehr Arbeit mit Sport und dem Ernährungsplan.



    Viele glauben, dass wir schlicht und einfach zuviel essen. Aber das stimmt so nicht! Klar, die meisten dicken Menschen sind wahrscheinlich zu einem grossen Teil selber schuld. Aber eben nicht ganz alle.



    Ich bin wie du
    Ich bin anders
    Ich bin Evelyn


    Ich habe Adipositas


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    Infos zum Thema


    Als Adipositas bezeichnet man die krankhafte Vermehrung von Körperfett. Erwachsene mit einem Bodymassindex (Gewicht in Kilogramm durch die quadrierte Körpergrösse in Metern) von über 30 gelten als adipositös. Nebst falscher Ernährung können auch genetische Faktoren, Nebenwirkungen von Medikamenten und eine Störung der Schilddrüsenfunktion oder des Kortisonhaushaltes sein. Aidpositas kann zu Diabetes, Schlaganfällen, hohem Blutdruck und erhöhtem Herzinfarktrisiko führen. Etwa 10% der Bevölkerung in Deutschland ist adipös, in den USA sind es gar dreimal so viel.
    Wichtig ist eine gesunde Ernährung und genügend Bewegung, eventuell können auch mit Hilfe eines Facharztes Pläne erstellt und Ziele formuliert werden, die unter Kontrolle erreicht werden sollen.


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    Links zum Thema

    Deutsche Adipositas-Gesellschaft
    Adipositas online


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