Oh weh, ist der Thread weit gesunken.... Na, dann will ich doch gleich mal ein neues Kapitel posten!
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Kapitel 15
Mille viae ducunt hominem per saecula Romam
Alle Wege führen nach Rom
Alanus ab Insulis, französischer Scholastiker und Zisterziensermönch
Was war ich froh, endlich wieder Land unter meinen Füssen zu spüren. Nachdem ich mein Auto von der Fähre gefahren habe, befinde ich mich wieder mal auf einer jener Landstrassen, die mich nach Norden führt. Ob ich meine Cousine wohl wiedererkennen würde? Zu lange haben wir uns nicht mehr gesehen.
Ich lasse mich von meinen Instinkten leiten. Ich habe keine Lust, mich dauernd an der Strassenkarte zu orientieren. Ausserdem ist sie sowieso schon viel zu alt um noch aktuell zu sein. Alle Wege führen nach Rom, wie man so schön sagt. Ich hoffe, dass ich den ganzen Weg noch durchhalten werde.
Die aufkeimenden Schmerzen von gestern geben mir noch immer zu denken. Wie oft habe ich gelesen, wie schnell es plötzlich bergab gehen kann. Am einen Tag fühlt man sich noch gesund, am anderen Tag liegt man im Krankenhaus und blickt dem Ende entgegen. Ich schaudere. Nein, soweit darf es bei mir noch nicht sein!
Ich lasse meine Gedanken treiben, während ich übers Land, durch kleine Dörfchen und an grösseren Städten vorbei fahre. Halt mache ich nur, um aufs Klo zu gehen, rasch ein Sandwich zu essen und den Koffeinbedarf mit ein paar Kaffees zu decken. Gegen Abend beschliesse ich, auf die Autobahn zu wechseln, da man im Dunkeln sowieso kaum etwas von der Landschaft hat.
Die Dämmerung bricht hinein und ich achte auf die Strasse, zumal die erhöhte Geschwindigkeit auch eine entsprechende Konzentration fordert. Die Fussgängerüberführungen irritieren mich anfangs, doch ich ignoriere sie und achte lieber darauf, ob irgendwo ein Motel auftaucht, in dem ich übernachten könnte.
Der Schrecken geht mir durch Mark und Bein als plötzlich ein Häufchen Etwas neben meinem Auto auf das Pflaster knallt. Ich trete die Bremse durch und komme einige Meter hinter der Stelle auf dem Pannenstreifen zu stehen. War da eben ein Mensch von der Brücke gesprungen?
Ich schalte die Warnblinkanlage ein und steige aus. Die Autobahn ist in diese Richtung wenig befahren und ich eile zu der Unfallstelle zurück. Schon von weiten kann ich im blassen Licht der Abenddämmerung erkennen, dass da jemand neben der Fahrbahn liegt. Da war doch tatsächlich jemand des Lebens müde von der Brücke neben mein Auto gesprungen.
Eilig krame ich in meiner Tasche nach meinem Handy und wähle den Notruf. Mein Herz rast, als ich den Verunglückten erreiche. Es ist ein junger Mann, mitten im Teenageralter.Er atmet noch, ist aber bewusstlos. Glücklicherweise ist er auf den Pannenstreifen gesprungen und nicht auf die Fahrbahn. Fieberhaft überlege ich, was zu tun ist. Wann kommt endlich der Krankenwagen?