Ich freue mich sehr über all eure Kommentare! Und ich finde es interessant, was eure Gedanken dazu sind. Dabei muss ich mir natürlich immer wieder sagen, dass ihr die ganze Geschichte ja zum ersten Mal lest. Bitte seit weiterhin ehrlich, ich danke euch schon jetzt dafür! Falls ihr Kritiken habt, dann versucht bitte auch nicht, mich zu schonen, denn das tue ich mit der Schilderung auch nicht.
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Teil 3

Da Sandra nicht darüber sprechen wollte, was ihr widerfahren war, versuchte ich mich so in sie hinein zu fühlen, dass ich jederzeit genau wusste, was sie brauchte. Ich stellte meine Bedürfnisse zurück, beobachtete sie genau und half ihr im Alltag, wo es ging. Ich machte ihre Hausaufgaben, wenn sie sie nicht gemacht hatte, ich meldete sie im Schwimmunterricht krank. Nachts nahm ich das Haustelefon zu mir ins Zimmer, damit sie mich jederzeit anrufen konnte, was sie jedoch nie tat.

Das lief so ein paar Wochen und ich perfektionierte mein Verhalten. Manchmal verschwand Sandra während der Pause und ich fand sie irgendwo zusammengekauert in einer dunklen Ecke sitzen. Sie fing an, Pulswärmer zu tragen, während wir unter anderen Menschen waren. Wenn wir unter uns waren, so nahm sie sie ab und ich sah die Schnittverletzungen, die sie sich zugefügt hatte. Ich versuchte, sie davon abzubringen, sich zu verletzen, doch sie ignorierte meine Worte.

Es verging keine Woche, in der ich sie nicht anflehte, sich Hilfe zu holen. Doch sie wehre jedes mal ab. Sie begann, Metaphern zu benutzen, wie „wer will schon ein kaputtes Fahrrad haben?“. Unsere Kollegen bemerkten die Veränderungen von Sandra auch und fragten mich danach. Ich benutzte dieselbe Ausrede wie sie damals: Sie hätte nur einen schlechten Tag. Ich wollte sie schützen.

Und dann kam der Tag, an dem sie mir während des Unterrichts einen Zettel zuschob. „Ich möchte reden,“ stand darauf, „aber nur so. Und du musst mir versprechen, dass du es niemandem erzählst! Nie! Nicht mal deinen Eltern, und schon gar nicht meinen! Wenn es jemand erfährt, so bringe ich mich um! Also sag’ es niemandem!“

Ein gemischtes Gefühl von Überforderung und Erleichterung machte sich in meiner Brust breit. Ich schlug ihr vorsichtig vor, es vielleicht besser jemandem zu erzählen, der sich damit auskennt. Doch sie schrieb zurück: „Ich will es nur dir erzählen. Also, versprichst du’s?“ In dem Moment war es mir komplett egal, was denn da kommen mag. Ich versprach ihr alles, wenn es ihr dadurch nur irgendwie besser ging.

Sie zog den Zettel zu sich und schrieb. Ich tat so, als würde ich dem Geschichtsunterricht folgen. Zweiter Weltkrieg. Das war das einzige, was ich mitbekam. Das einzig Wichtige für mich war, dass sie darüber reden wollte. Ich sah das als ein gutes Zeichen. Wenn man über schlimme Dinge redet, dann ist man nicht mehr so alleine und entledigt sich vielleicht ein wenig des Schmerzes, der auf einem lastet, dachte ich.

Es klingelte zur Pause und Sandra verschwand, nachdem sie mir den vollgeschriebenen Zettel zugeschoben hatte. Ich nahm ihn an mich, suchte ein ruhiges Plätzchen und las. Sandras Schilderungen fingen in ihrer Kindheit an, als sie 4 Jahre alt war. Ich überflog die Zeilen und mein Hals schnürte sich zu. Es ist schwierig, dieses Gefühl des Entsetzens zu beschreiben, das mich überkam. Und am Schluss stand wieder: "Sag es niemandem, sonst bringe ich mich um!"