Stacy kauert auf dem Boden, auf ihren Beinen ein Berg aus Tüll und weißem Stoff. „Jane, das ist unfair!“, bringt sie noch einmal hervor. Ihr Make-up hat dem plötzlichen Gefühlsausbruch nicht statt gehalten und schwarze Tropfen kullern von ihren Augen aus abwärts. In meiner Brust spüre ich ein Stechen. Bin ich zu weit gegangen? Hätte ich ihr mehr Zeit lassen sollen? Aber ich musste doch etwas tun! Ich schlucke, schaue Stacy an und warte. Noch immer starrt sie die weiße Masse vor sich an und sagt kein Wort. So sitzen wir da, eine gefühlte Ewigkeit, bis sie schließlich zaghaft anfängt „Jane, was soll das?“. In ihren Augen kann ich jetzt sehen, wie weh ich ihr getan habe, unsicher und verletzt sieht sie mich an.
Ich knie mich neben sie, streichle sie sanft am Oberarm. „Erinnerst du dich?“, frage ich, „Wir wollten heiraten. Und ich habe es ernst gemeint. Wirklich ernst.“ Wieder sprudelt ein Tränenschwall aus ihr heraus. „Jane, wie kannst du…“, ist alles, was sie hervorbringen kann und selbst das kann ich kaum verstehen. Eine Weile sitze ich nur da, halte sie. „Bitte, probier es wenigstens an“, hauche ich dann. Wieder ein fragender Blick. Ihr Kinn zittert, als würde sie jeden Moment wieder in Tränen ausbrechen, doch im letzten Moment schafft sie es, ihre Mimik unter Kontrolle zu bringen. „Sagst du mir dann endlich, was das Ganze soll?“ In meinem Magen regt sich ein ungutes Gefühl. Ich merke, dass ich sie schon wieder wie ein unmündiges Kind behandle. „Ja. Tut mir Leid, Stacy. Ich wollte unsere Beziehung mit der Aktion retten und jetzt habe ich das Gefühl, dass ich schon wieder alles vermassle… Aber bitte, zieh es erst an. Dann erkläre ich dir alles, versprochen.“
Als sie zurück kommt, kann ich nicht anders, als ein erstauntes „Wow“ auszustoßen. „Du siehst wunderschön aus“, bemerke ich und führe sie vor einen Spiegel. „Ja, wunderschön, mit verlaufener Schminke“, murmelt sie trocken. „Nein, wirklich, Stacy.“ Ich küsse sie auf die Wange. Kritisch mustert sie sich selbst im Spiegel. „Ich weiß, du solltest dir dein Hochzeitskleid selbst aussuchen“, beginne ich schnell, „das ist auch mehr ein Symbol. Wahrscheinlich hast du selbst ein wenig gezweifelt, dass ich jemals ernst mache und wir wirklich heiraten, “ - ihr Gesichtsausdruck verrät mir, dass ich richtig liege – „Und ganz ehrlich, das dachte ich auch. Am Anfang zumindest. Aber jetzt…“ Ich suche nach Worten. „Stacy, du hast mir so viel gegeben, ich weiß gar nicht, wie ich dir das alles zurück geben kann…“, seufze ich und blicke zu Boden.
„Jane, du weißt gar nicht, wie ich dich vermisst habe!“ Sie nimmt meinen Kopf in ihre Hände und lächelt mich an. Jetzt bin ich es, die erstaunt ist. „Jede Sekunde habe ich an dich gedacht. Nicht einmal wenn ich mit Jenny gespielt habe, konnte ich damit aufhören.“ Sie macht eine kurze Pause, ihr Lächeln erlischt. „Es ist nur so, du hast mich so sehr verletzt. Ich…ich habe das Gefühl ich muss mich selbst schützen. Ich muss mich vor dir schützen. Und jetzt bist du wieder da und, und…“ Erneut kämpft sie gegen die Tränen. „Ich würde es so gern noch einmal versuchen, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie gerne. Aber ich habe verdammt große Angst. Angst, dass ich mir bei dir nie wirklich sicher sein kann. Angst, dass du mir wieder weh tun wirst.“
Ich nehme sie in die Arme, drücke sie fest an mich. „Stacy, ich werde dich nie mehr verletzen. Ich verspreche es dir. Hör zu. Was hältst du davon: Wir lassen es ganz langsam angehen. Du ziehst erst mal in dieses Haus, richtest es dir ein, wie es dir gefällt. Wenn du möchtest, kann ich später auch zu dir ziehen – oder wir suchen uns gemeinsam ein größeres Haus. Du hattest Recht, mein jetziges Haus tut mir wirklich nicht gut. Und wenn es nicht klappt, behältst du das Haus und ich lasse dich in Ruhe.“ Ich halte sie noch immer in den Armen, spüre die Wärme ihres Körpers, der mir so vertraut ist. „Okay“, antwortet sie schließlich zaghaft, „Aber ich will nicht, dass wir so tun, als wäre nie etwas gewesen. Ich möchte zuerst darüber reden – über alles – und ich habe dir viel zu sagen.“
Nachdem sie sich wieder umgezogen hat, setzen wir uns auf den Boden. Einen Moment lang herrscht Stille, bevor Stacy den Anfang macht. „Weißt du, ich habe geahnt, dass irgendetwas nicht stimmt. Du hast dich von mir entfernt, hast mich nur mehr angesehen, wie eine Außerirdische. Als wärst du in deiner eigenen Welt hast du dich verhalten, so egoistisch. Ich war Luft für dich. Ich habe versucht, dich zu verstehen, dir wieder näher zu kommen…vergebens. Du hast gar nichts davon mitbekommen, so sehr warst du mit dir selbst beschäftigt. Nach und nach habe ich immer mehr Selbstvertrauen verloren, habe mir selbst daran die Schuld gegeben. Ich habe gedacht, ich bin es einfach nicht wert, von dir geliebt zu werden.“
„ Dann hab ich mich extra hübsch gemacht und mich sexy angezogen. Ich wollte alles tun, um deine Aufmerksamkeit zu erlange. Aber als wir miteinander geschlafen haben, habe ich mich so…so benutzt gefühlt. Du warst wie verändert, hast nur an dich gedacht.“ Ich erinnere mich zurück. Das ist also Stacies Sicht der Dinge. Vielleicht hätte ich es früher bemerkt, aber ich war wohl wirklich nur mit mir selbst beschäftigt. „Ich weiß nicht, was mich schließlich dazu bewegt hat, mir die Haare zu färben. Vermutlich war es ein weiterer verzweifelter Versuch, deine Aufmerksamkeit zu erlangen… und dann, als du mir die Wahrheit gesagt hast… das hat meine schlimmsten Vermutungen bestätigt. Ich wollte einfach nur noch weg. Dann war da Penelopé und sie hat mich wieder aufgebaut und mir gesagt, dass es nicht meine Schuld ist… Jane, ich möchte nie wieder so behandelt werden. Nie wieder, hörst du?“
Ich nicke. „Es tut mir leid. Aber Stacy, für mich war alles ganz anders. Du hast Recht, ich war wirklich nur mit mir beschäftigt. Als ich dir von dem Monster erzählt habe, hast du so merkwürdig reagiert. Als wäre ich komplett verrückt. Vielleicht bin ich das ja auch…aber es fühlt sich so real an! Ich kann einfach nicht glauben, dass ich mir das einbilde! In dem Moment habe ich mich so entfernt von der gefühlt. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich gelitten habe. Irgendwann war mir alles egal, vielleicht auch aus einer Art Selbstschutz. Erst dann kam Miranda. Es ging nie um sie, ich habe sie längst gefeuert, ich war nur so verletzt wegen deiner Reaktion. Ich weiß, das ist keine Entschuldigung, aber ich möchte dir auch sagen, wieso ich mich so verhalten habe.“
Stacy hält meine Hand. „Du hättest mit mir darüber reden sollen. Oh Gott, wenn ich daran denke, was ich alles vermutet habe…“, sie seufzt, lächelt kurz, dann wird sie wieder ernst. „Jane, ich würde dir so gern glauben. Wirklich. Ich möchte sagen können „Ja, ich glaube dir, dass dein Monster real ist. Du bildest dir das nicht ein.“ Aber dann würde ich lügen. Ich denke nicht, dass du verrückt bist. Es ist nur…du hattest eine schwere Kindheit. Vielleicht sind das sozusagen die Schatten davon – und es tut mir leid, wenn dir meine Reaktion komisch vorgekommen ist. Ich war einfach überfordert und wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte.“ Ich nicke. Stacy fährt fort „Ich verstehe, wie sehr du darunter leidest. Hör zu, wenn du in Zukunft dein Monster siehst, versuch mich anzurufen. Selbst, wenn es mitten in der Nacht ist. Okay?“ Ich nicke erneut.
Stacy umarmt mich. „Und in Zukunft reden wir darüber, wenn etwas nicht stimmt“, schließt sie. Ich drücke sie fest in meine Arme. „Du hast mir so gefehlt!“ ist alles, was ich heraus bringe, denn nun bin ich es, die gegen die Tränen kämpft. „Du weißt, dass das deine letzte Chance ist, oder?“, fragt sie und beinahe meine ich, einen neckischen Unterton daraus zu hören. „Ja“, antworte ich schnell, „ich verspreche dir, ich werde es nicht wieder vermasseln.“ „Ach ja, und noch etwas - Das Brautkleid gefällt mir. Ich will kein anderes.“