
Nicolas musste sich gar nicht erst umdrehen, er wusste auch so, wen er vorfinden würde. Es musste ja so kommen!
„Verdammt!“ fluchte er leise vor sich hin. Eben noch hatte er gedacht, dass sich dieser Abend nach dem furchtbaren Anfang doch noch recht gut entwickelt hatte, und das verdankte er zu nicht geringem Teil ihr, seiner wundervollen, sanften Celia. Was mochte jetzt in diesem Moment in ihr vorgehen? Er würde sich nicht wundern, wenn sie die Situation gründlich missverstanden hätte. Immerhin kannten sie sich nicht lange genug, als dass sie wirklich uneingeschränktes Vertrauen zu ihm hätte haben können. Doch sie stand ganz ruhig dort am Rand des Teiches und sah zu ihm herüber. Er konnte keinen Ärger in ihrem Gesicht entdecken, keinen Vorwurf, nur..... Verwirrung und eine Spur von Angst.
Er machte einen Schritt auf sie zu, als Caroline ihn zurückhielt.
„Warte Nicolas. Ganz gleich, was du jetzt sagen willst, es wird nichts nützen. Solche Dinge müssen wir Frauen schon unter uns ausmachen!“
[FONT="]„Caro! Das .......halte ich .....nicht gerade ......für eine gute Idee!“ würgte er heraus, doch zu spät.

[/FONT] Sie wartete seine Antwort nämlich gar nicht erst ab, sondern ging schnurstracks zu Celia hinüber, noch immer mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen.
„Miss Moreau, wie schön!“ rief sie in einem Ton, als habe sie tatsächlich nur auf ihr Erscheinen gewartet. „Ich finde, Sie kommen genau im richtigen Augenblick!“
„So? Finden Sie das?“
„Aber ja!“ rief sie laut genug, dass Nicolas sie hören konnte. „Wir haben gerade erst von Ihnen gesprochen?“
„Ah wirklich?“ Celia musterte ihr Gegenüber mit wachsamen Augen. Sie mochte ja nur noch wenig über die menschliche Natur wissen, aber diese Art aufdringlicher Freundlichkeit konnte nur falsch sein. Und da senkte Caroline auch schon die Stimme.
[FONT="]„Wenn Sie glauben, Sie hätten das Spiel bereits gewonnen, irren Sie sich gewaltig, meine Liebe!“ gurrte sie, dass es sich anhörte, als machte sie ihr ein Kompliment, während ihre Augen Blitze abzuschießen schienen. „Nicolas gehört mir, er wird mich nie verlassen. Sie, Miss sind nicht die erste und werden auch nicht die letzte sein, zu der er sich hingezogen führt. Das bringt sein Beruf so mit sich. Doch ich bin stark genug, um seine gelegentlichen ‚Ausrutscher’ hinzunehmen, denn er kommt ja doch immer wieder zu mir zurück.“

[/FONT] „Ich bin stärker als SIE glauben, MEINE LIEBE!“ äffte Celia ihren Tonfall nach. „Und ich halte eher Sie für den Ausrutscher.“
Caroline wurde blass. „Sie sind ein Niemand!“ zischte sie. „Sie werden niemals in unsere Kreise passen. Schon deshalb wird er Ihrer sehr bald überdrüssig werden. Er blamiert sich nicht gern, und Catherine ebenfalls nicht.“
„Ich glaube, seine Mutter sieht das ganz anders.“ Sie spürte, wie der Ärger in ihr hoch stieg, wie das Wasser in einer zu engen Röhre, höher und höher, und dabei jede Zelle ihres Körpers überflutete. Ihre Hände schlossen sich zu Fäusten und ihre Nägel krallten sich in ihr Fleisch, weil sie fürchtete, sie sonst dieser eingebildeten Ziege in die Wangen zu schlagen.
Caroline aber lachte lauthals, als würde sie sich unendlich amüsieren, beugte sich nach vorn und flüsterte: „Sie sollten sich nicht auf ihre Gunst verlassen! Catherine hat schon sehr oft den Launen ihres Sohnes nachgegeben, aber jetzt, wo sie ihren alten Familientitel zurückbekommen hat und es darum geht, wer einmal die berühmten Landsdown - Diamanten trägt, wird sie das letzte Wort sprechen, und nicht Nick. DER wird sich ihren Wünschen fügen, so wie er es immer getan hat. Man sieht es ja, er packt schon seine Sachen für England. Nein, Miss Moreau, Sie..... sind längst Geschichte. Genießen Sie diesen Abend, er kommt nicht wieder.“
[FONT="]Dann drehte sie sich um und ging mit einem überlegenen Lächeln, als wäre alles in schönster Ordnung zu Nicolas zurück.

[/FONT] Hinter sich ließ sie eine Celia, deren Blut zu kochen begann. Ganz gleich, was sie auch versuchte, es gelang ihr nicht, ihren Zorn länger im Zaum zu halten. Diese, ....diese.... sie fand einfach kein Wort, das ihr auch nur annähernd passend schien. Und Nick ging nach England? Wieso wusste diese entsetzliche Frau davon und sie nicht? Kein Wunder, dass sie sich so überlegen fühlte. Die Neuigkeit mochte vielleicht nicht ganz den Effekt haben, den die „Dame“ sich vorgestellt hatte, aber es schmerzte schon. Nur zeigen würde sie nicht, jedenfalls nicht dieser .... dieser.....
„Irgendwann werden Sie an ihrer eigenen Bosheit ersticken, Miss Vandermere!“ rief sie ihr nach und Nick hielt vor Schreck selbst die Luft an. Was um alles in der Welt hatte diese Verrückte ihr erzählt? Er wollte Caroline schon zur Rede stellen, da weiteten ihre Augen sich in grenzenlosem Entsetzen, ihre Hände griffen an ihre Kehle, sie röchelte.
Irritiert überlegte er einen Moment, ob sie ihm womöglich eine Komödie vorspielte, aber das Röcheln wurde immer stärker.
„Caro?“ fragte er noch immer zweifeln. „Was ist los?“
[FONT="]„Hiiich .....kriege.... keine ....Luft... mehr.“ ächzte sie. „Hiiiilf ….mir......Nick.“ Nein, das war kein Theater mehr. Erschrocken lief er zu ihr, blieb aber direkt vor ihr wie angewurzelt stehen und starrte zu Celia.

[/FONT] Die hatte sich inzwischen völlig verändert. Wie in einem Krampf gefangen stand sie da und fixierte mit ihren zusammengepressten Augen die nach Luft ringende Caroline. Ein gefährlich wirkendes Feuer glomm in ihren Pupillen auf, das sich langsam über ihr gesamtes Gesicht ausbreitete, bis es fast von selber leuchtete. Ihre Lippen waren nur noch als Strich erkennbar, so fest lagen sie aufeinander.
Was passierte hier? Was passierte mit ihr? War sie das? Sorgte sie dafür, dass Caroline nicht mehr atmen konnte? Es schien völlig unmöglich zu sein, und dennoch die einzige, wenn auch wenig logische Erklärung. Womöglich besaß sie tatsächlich eine Art psychokinetischer Kräfte, welche nun durch ihre fast schon körperlich greifbare, aufgestaute Wut offen zutage traten. Doch seltsamerweise fürchtete er sie deshalb nicht. Im Gegenteil!
[FONT="]Leise und beschwörend rief er ihren Namen, während er auf sie zuging, bat sie, Caroline gehen zu lassen, immer wieder und wieder. Und er legte alle Liebe, die er für sie empfand in seine Stimme in der Hoffnung, so zu ihr durchdringen zu können.

[/FONT] Und dann spürte er es selbst. Eine eiserne Faust spannte sich um seine Kehle, drückte sie zu, fester, immer fester.
„Celia!“ rief er in der entsetzten Erkenntnis, dass sich ihre Wut nunmehr auch gegen ihn richtete. Doch aus dem Schrei wurde nur mehr ein Gurgeln und dann ein Röcheln. Dennoch streckte er ihr die Hand entgegen und versuchte, sie zu berühren. „Hör ...auf, bitte,...du...musst...aufhören. Ich ....bin ....es. Das....willst.....du.....nicht......das......bist ....nicht.....du, Celia?“
Sie reagierte nicht. Neben sich hörte er Carolines letzte mühsame Atemzüge, sah aus den Augenwinkel, wie sie sich zusammenkrümmte und zu Boden sank, ein Schicksal, gegen das er verzweifelt alle Kräfte mobilisierte. Wenn er Celia doch nur erreichen könnte! Eine Berührung mochte schon genügen, dass sie wieder in die Realität zurückfand so hoffte er. Doch es war, als würde er gegen eine Wand laufen. Seine Beine gehorchten ihm nicht mehr, sein Körper beugte sich, seine Worte verhallten ungehört.
[FONT="]„Oh Gott, lass es nicht zu, lass es nicht zu.“ flehte er stumm, weil kein Laut mehr aus seiner Kehle drang. „Das darf einfach nicht sein. LIEBE DARF NICHT TÖTEN! ..........CELIA!“

[/FONT] Stille! Entsetzliche Stille hüllte sie ein. Obwohl ihre Augen weitgeöffnet waren, sah sie nichts als Schwärze vor sich, die sich nur langsam aufzuhellen begann. Sie fühlte sich, als würde sie aus einem Traum erwachen, einem Alptraum, wie man ihn sich schlimmer nicht vorstellen konnte. Und es war seine Stimme gewesen, die sie geweckt hatte, die ihr den Weg aus der Dunkelheit wies. ER hatte ihren Namen gerufen, und die Kälte, welche ihren Körper gefangen hielt, wich der Wärme, die seine Stimme in ihr erzeugte.
Doch nun war es still, beängstigend still. Nicht ein Laut drang mehr an ihre Ohren. Energisch befahl sie der Dunkelheit, zu weichen. Sie wollte sehen, ihn sehen. Und die Dunkelheit gehorchte und verschwand. Und sie .... sah.
„Nick? Nicolas?“ Aus dem angstvollen Flüstern wurde Panik. Sie beugte sich zu ihm hinunter, berührte scheu seine Stirn, seine Hand. „Nicolas, bitte, was hast du denn nur? Wach auf, bitte!“ Die nicht weit entfernt liegende Caroline beachtete sie gar nicht. Alles was sie sah, war sein gekrümmter Körper, für den es nur eine Erklärung geben konnte, doch ihr Herz weigerte sich, zu glauben, was ihr Verstand längst begriffen hatte.
[FONT="]„Er kann nicht mehr aufwachen!“ sagte eine sanfte Stimme direkt neben ihr, doch sie sah nicht auf. Immer wieder streichelte sie seine Wangen, in der Hoffnung, dass er die Augen aufschlagen würde. „Er wird sie nie wieder öffnen.“ fuhr die Stimme unbeirrt fort. „Er ist tot! Und DU .... hast ihn getötet.“

[/FONT] „NEIN!“ schrie sie und sprang auf. „Er ist nicht tot! Er ist nicht tot! Nein, NEEEEEEEEEEEEEEIIIIIIIIIIIIIIIIIIN!!“
Der Wind legte sich, kein Grashalm bewegte sich mehr. Vögel verharrten mitten im Flügelschlag, selbst Mond und Sterne hielten inne in ihrem Lauf. Die Zeit stand still und ein Schrei stieg zum Himmel hinauf, der die Welt in ihren Grundfesten erzittern ließ.
„Nein!“ wimmerte sie danach nur noch, als würde sie um Gnade betteln. „Nein, das ist nicht wahr. Das war ich nicht, das hab ich nicht getan. Nicht ihn, nicht ihn!“
„Es ist nicht deine Schuld. Du konntest nichts dagegen tun. Es war viel zu stark für dich!“ sagte die Stimme, doch sie fand keinen Trost in ihren Worten.
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