Beiträge von Innad

    *grins*


    Jaja, unser SAubermann Herr Hoffmann... wird der doch tatsächlich von Mondlicht und Altruinenzauber schwach und küsst Sophia zurück... :eek: Eieiei, so ein Tunichtgut.


    Mal ernsthaft, ich verstehe ihn nicht so ganz. Ich glaube nicht unbedingt, dass er was für Sophia empfindet, ich tippe viel mehr darauf, dass es einem mann in seinem Alter einfach ziemlich schmeichelt, wenn sich so ein junges und hübsches Ding auf ihn einlässt, an ihn ranschmeisst.


    klar, er hat er eine hübsche, sehr attraktive Frau, ja. Aber die ist sehr kühl und arrogant. Sophia ist blutjung, warm - so wie er ja auch selbst denkt - und ganz anders. Es ist ein Abenteuer, mehr nicht. Und ich denke nicht, dass er da jemals von selbst drauf gekommen wäre.


    Er verhält sich trotzdem ziemlich daneben, finde ich. Er hätte Sophia diese Flausen entschieden aus dem Kopf treiben und sein Ego nach hinten stellen müssen. Wie kann man nur so unvernünftig sein? Das ganze hat doch keinerlei Zukunft, und nichtmal wegen der beträchtlichen Jahre Altersunterschied. Nein, vielmehr, weil die beiden auf zwei ganz anderen Ebenen stehen und ich denke, es ist auch ein Unterschied, ob man 20 Jahre zwischen sich hat (was eh grundlegend schon schwierig ist) und man 18-38 schreibt oder 28-48 als Beispiel.


    Sophia ist noch viel zu jung, es ist nur eine irre Schwärmerei, die in dem Alter normal ist. Das müsste Herr Hoffmann doch erkennen und unterbinden. Ich versteh den Kerle nicht, dass er so viel riskiert dafür.


    Und schon ist´s ja passiert, bevor´s richtig angefangen hat, die beiden wurden gesehen.


    Bin ja gespannt, was da noch rauskommen wird.



    Die Bilder waren übrigens gigantisch gut! Das mit dem Mond hast Du toll hingekommen, auch die gesten!!! :applaus

    In ihrer Nase hatte sich der scharfe Geruch des Weihrauchs festgebissen, ihre Augen jedoch starrten auf das Gesicht, welches sie sich nur wenige Stunden zuvor noch so mühsam hatte einzuprägen versucht. Doch dies war nicht der Mensch, den sie gekannt hatte.



    Ihr Körper schien nicht mehr unter ihrer Kontrolle zu sein, als sich der Schock des unvorbereiteten Anblicks ihrer toten Großmutter in ihrem satinausgeschlagenen Sarg aus dunklem Eichenholz endlich löste und ein erstickter Schluchzer aus ihrem Mund drang.



    Ohne sich noch einmal umzusehen rannte Shylah aus dem Raum, aus der Kapelle, wie vom Teufel gejagt. Sie wusste nicht, was sie tat, sie wusste nur eines… sie musste weg.
    Weg, nur weg – von dem Grauen, das ihr begegnet war.



    Sie rannte und rannte, bis ihre Füße sie nicht mehr tragen wollten. Dann blieb sie stehen, schwer atmend, während ihr heiße Tränen über die Wangen liefen.
    Und ihrer Nase hing noch immer der benebelnde Geruch von schwerem Weihrauch. Ein Geruch, den sie für den Rest ihres Lebens niemals mehr würde riechen können, ohne an das Entsetzen, welches ihre Seele in diesem Moment erfüllt hatte, erinnert zu werden.






    Fortsetzung folgt.

    Alexandras Augen füllten sich mit Tränen, die ihr über die Wangen liefen, was Shylah erschrocken beobachtete. Sie beugte sich nach vorne und küsste die Schwester auf die Wange.
    „Gut, dass du da bist…“




    „Oh, Alexandra, ich wäre so gerne früher gekommen“, erwiderte Franziska leise. „Wie geht es Papa?“
    Alexandra zuckte mit den Schultern. „Er hält sich tapfer“, sagte sie langsam. „Aber es ist gut, dass du jetzt da bist. Das wird ihm gut tun.“



    Die beiden Frauen entfernten sich ein Stück und redeten leise murmelnd miteinander.
    „Wieso ist deine Tante damals so spät gekommen?“, fragte Alva langsam und sah Shylah mitfühlend an.
    „Sie wohnte in Peru, mit ihrem Mann, der dort geschäftlich stationiert war“, erwiderte Shylah langsam. „Ich hab Tante Franziska immer sehr gemocht, sie war so lieb und einfühlsam. Heute haben wir kaum noch Kontakt…“
    Alva nickte verständnisvoll.
    „Sprich weiter“, ermunterte sie Shylah dann sanft.



    Diese atmete tief durch und ließ die Erinnerungen erneut in sich aufsteigen.
    „Franziska“, sagte Shylahs Großvater gebrochen und umarmte seine Tochter, als er aus dem Raum kam. Auf seinen Wangen waren leichte Tränenspuren zu erkennen.



    „Nun lasst es uns gemeinsam ertragen“, sagte er dann ernst und wies zur Tür. Gemeinsam mit seinen beiden Töchtern schritt er über die Türschwelle, dann war ein erstickter Laut Alexandras zu hören. Rasch eilte Moritz in den Raum, um seine Frau zu stützen. Shylah derweil beobachtete all dies mit großen Augen und da sie nicht recht wusste, wohin mit sich, folgte sie den Erwachsenen in den kleinen Raum, der nur so von Weihrauch vollzuhängen schien.



    Ihr Großvater saß zwischen seinen beiden Töchtern auf einem Stuhl, Moritz neben seiner Frau, er hielt ihre Hand fest in der seinen. Alle starrten sie durch eine Scheibe vor sich. Shylah begriff zuerst gar nicht, was geschah. Etwas in ihr sagte ihr, dass sie für den Moment besser gehen sollte, doch etwas stärkeres zog ihren Blick magisch nach links, zu dem Fenster durch das alle wie gebannt starrten.
    Shylahs Augen weiteten sich vor unsagbarem Entsetzen.



    Sie begann zu zittern, doch kein Wort wollte aus ihrer Kehle dringen.
    Ihr Großvater bemerkte als erster und einziger, was vor sich ging.
    „Kind…“, setzte er mit brüchiger Stimme an. „Komm, setz dich zu mir, wir werden es gemeinsam ertragen.“



    Shylah konnte seine Stimme kaum hören.




    *geht noch weiter*

    Shylah nahm an ihrem Zeichentisch Platz, aber heute wollten die Farben nicht aufs Papier kommen. Also spielte sie lustlos mit den Bausteinen in der Mitte des Tischs, bis sich die Tür öffnete und ihre Mutter eintrat.



    „Mama!“ rief Shylah erfreut und flog dieser in die Arme.
    Alexandra drückte das Kind eine Weile fest an sich und strich ihr über das schwarze Haar.



    Dann versuchte sie ein Lächeln, was kläglich misslang. Shylah starrte ihrer Mutter ins Gesicht und versuchte, ihren Schrecken zu verbergen. Sie sah furchtbar schlecht aus.
    „Mama…“, sagte sie vorsichtig. „Geht’s dir wieder besser?“
    „Es geht, Shylah, es geht. Du musst dich jetzt umziehen für die Beerdigung. Ich leg dir Sachen raus.“
    Schweigend sah Shylah ihrer Mutter zu, wie diese verschiedene Kleidungsstücke aus dem Schrank im Zimmer holte.



    „Mama?“, fragte sie langsam.
    „Ja?“
    „Was ist mit Devin, Mama?“
    „Was soll mit dem sein, Shylah?“

    „Er… er ist gar nicht traurig wegen Oma, oder?“
    Alexandra fuhr herum und runzelte die Stirn. „Shylah! Wie kommst du denn darauf?“



    „Er weint gar nicht, Mama…“
    Alexandra kam auf Shylah zu und fuhr ihr über den Kopf, dann sagte sie langsam: „Jeder hat seine eigene Art zu trauern, Shylah, weißt du. Und Devin ist bestimmt sehr traurig, er kann es nur nicht so zeigen. Und jetzt zieh dich bitte um, ja? Wir müssen bald los.“
    „Mama?“, fragte Shylah noch einmal. „Warum kann Devin nicht weinen?“
    Alexandra atmete tief durch und rieb sich die Stirn. „Shylah… bitte geh mir jetzt nicht mit deinen Fragen auf die Nerven, ja? Wir haben dafür jetzt keine Zeit. Glaub mir einfach, dass Devin traurig ist. Das ist er wirklich.“
    Shylah nickte. „Ja, ich glaube dir ja. Und du, Mama? Was ist mit dir?“
    Alexandra fuhr herum. „Herrgott, Shylah… ich hab dafür jetzt keine Zeit! Bitte zieh dich um!“



    Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer. Shylah schluckte hart, weinte jedoch keine Träne. Sie fühlte sich leer und taub, als sie in die Kleider schlüpfte und langsam nach draußen ging.
    Die Familie wartete bereits im Flur, alle in schwarze Kleidung gehüllt. Alexandra zupfte mit kritischem Blick an Shylahs Haaren und Kleidern herum, was diese wortlos geschehen ließ. Ihr Vater warf ihr einen aufmunternden Blick zu, ging dann aber zu Alexandra und legte ihr sanft den Arm um die Schultern, dann verließen alle schweigend das Haus.



    Auf dem Weg zur Kirche sprachen sie nicht viel. Shylah saß eingeklemmt zwischen ihrem Bruder und ihrem Großvater und wusste nicht, was sie sagen oder denken sollte. Sie fühlte sich traurig, beklommen und ängstlich, aber sie wagte nicht, an irgendjemanden das Wort zu richten. Zu sehr schien jeder mit sich selbst beschäftigt zu sein.
    Moritz parkte den Wagen etwas vom Friedhof entfernt und schweigend ging die Familie die Straße hinab, bis sie vor der Friedhofskirche stehen blieben. Alexandra holte tief Luft und sagte dann leise zu ihrem Vater: „Bald haben wir es hinter uns, Papa.“



    Langsam betraten sie die Kirche. Die Luft darin roch nach Weihrauch und Shylah zog die Nase kraus.
    „Was machen wir jetzt?“, raunte sie ihrer Mutter zu, doch diese schien völlig geistesabwesend zu sein und murmelte nur schwach: „Frag nicht so viel, Shylah, bleib einfach bei uns.“
    Shylah folgte ihrer Familie durch die Kapelle, bis man vor der Tür zu einem kleinen Nebenraum stand. Devin biss sich auf die Lippen, murmelte etwas unverständliches und verschwand nach draußen. Keiner schien darauf zu reagieren.
    „Ich möchte ein oder zwei Minuten alleine haben“, bat Shylahs Großvater. Shylah verstand nicht recht, was er damit meinte und sah ihm nach, als er in dem kleinen Raum verschwand.



    „Hallo Shylah“, hörte sie da eine traurige Stimme hinter sich. Hinter ihr stand ihre Tante Franziska, die dem Mädchen sanft über den Kopf strich und dann Alexandra kurz umarmte..„Es tut mir leid, dass wir nicht früher da sein konnten“, sagte sie dann leise zu jener. „Wir haben den ersten Flug gebucht, der frei war. Wie geht’s dir?“



    *geht noch weiter*

    „Heute in einem Monat hätten wir unsere goldene Hochzeit gefeiert“, sagte er dann leise. „Und jetzt ist alles anders.“
    Moritz schwieg und nickte nur verständnisvoll. Devin derweil hatte sich ein frisches Brot auf den Teller gelegt und schlang dieses regelrecht hinunter, ohne ein Wort zu sagen.



    Shylah fühlte sich unbequemer denn je. Es war noch viel schlimmer als in diesem Momenten, in denen sie mit ihren Eltern in feinen Restaurants war und nie wusste, wohin mit ihren Händen, Armen und Beinen. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, was sie tun sollte und wie sie sich verhalten sollte. Alles erschien ihr falsch. Und sie sehnte sich nach ihrer Mutter.
    Langsam zogen die vergangenen vier Tage an ihrem inneren Auge vorüber. An jenem Tag, als Moritz ihr auf dem Nachhauseweg gestanden hatte, was geschehen war, hatte sie ihre Mutter nicht mehr zu Gesicht bekommen. Zu Hause hatte Moritz Shylah in ihr Zimmer gebracht und sie gebeten, sich ein wenig zu beschäftigen. Gegen Nachmittag war Christina noch einmal vorbeigekommen, offenbar um die Freundin abzulenken. Die beiden Mädchen hatten lange geredet und halbherzig ein wenig zu spielen versucht.
    Erst gegen Abend war Christina gegangen und lange hatte Shylah verlassen und ruhig in ihrem Zimmer gesessen, ohne recht zu wissen, was mit sich anfangen.




    Am Abend hatte man dann zusammen eine Pizza gegessen. Ihr Großvater war am Tisch gesessen ohne zu essen und hatte kein Wort gesagt. Er wirkte regelrecht in sich zusammen gefallen.
    Auf die Frage hin, wo ihre Mutter war, hatte Shylah die Antwort erhalten, der Doktor sei da gewesen und seitdem schlafe sie.




    Nach dem Essen hatte Moritz sich mit Shylah auf die Couch gesetzt und ihr gesagt, sie dürfe ihn nun ruhig alles fragen, was sie wissen wolle.
    Shylahs Kopf jedoch hatte sich wie leergefegt angefühlt. Erst nach einer Weile fragte sie: „Papa, was ist mit Oma gewesen? Woran ist sie gestorben?“
    Langsam und geduldig hatte Moritz ihr dann erklärt, was geschehen war.



    Er hatte erzählt, dass ihre Großmutter schon eine Weile immer wieder unter Bauchschmerzen gelitten habe und der Arzt sie darum vor wenigen Wochen untersucht habe und festgestellt, dass sie zu einem Spezialisten müsse. Von daher, so erklärte Moritz, war ihre Großmutter am Vortag von Alexandra ins Krankenhaus gefahren worden, wo man eine spezielle Untersuchung am Darm vornehmen wollte, bei der man den Darm von innen mit einer Art Kamera betrachtete. Shylah nickte, sie hatte sowas schon mal in der Schule gehört.
    Moritz erklärte weiter, dass diese Untersuchung nicht ganz unriskant sei, aber meistens gut verlaufe. Bei ihrer Großmutter jedoch sei es anders gewesen, es sei etwas schiefgegangen und darum sei der Darm bei der Untersuchung verletzt worden, so dass man zu einer Operation übergehen musste.
    Shylah schluckte. „Und das hat Oma dann nicht überlebt?“, fragte sie schockiert.



    Moritz jedoch schüttelte den Kopf. „Doch, das hat sie, aber sie hat laut der Ärzte viel Blut dabei verloren. Und zudem war sie nicht mehr ganz die jüngste, noch dazu hat man festgestellt, dass Oma wirklich etwas im Darm hatte, nämlich Krebs, Shylah. Das wurde bei der Operation direkt mitoperiert und darum musste man ganz viel davon entfernen. Danach wurde Oma auf die Intensivstation gebracht, aber sie war zu schwach, um das alles zu verkraften und am Morgen ist sie eingeschlafen.“
    Shylah schauderte zusammen, als sie an das Gespräch zurück dachte. Erst während sie später mit geschlossenen Augen in ihrem weichen Bett gelegen hatte, war ihr bewusst geworden, was dies alles bedeutete. Sie würde Oma nie wiedersehen. Nie wieder ihre guten Kuchen mit den dicken Schokostückchen drin essen. Nie wieder ruppig von ihr ermahnt werden, ja auch ein Tischgebet zu sprechen, bevor sie zu essen anfing.
    Und sie hatte sich nicht einmal von ihr verabschieden können! Shylah dachte an das letzte Mal, das sie einander gesehen hatten. Das war drei Tage zuvor gewesen, als ihre Mutter später von der Arbeit gekommen war und Oma sie stattdessen von der Schule abgeholt hatte. Sie hatten gemeinsam gegessen, Hausaufgaben gemacht und dann war Shylah von ihrer Mutter abgeholt worden und hatte ihrer Großmutter nur kurz zugewinkt, bevor sie ins Auto stieg.
    „Kind, du musst was essen“, hörte sie die besorgte Stimme ihres Großvaters an ihr Ohr dringen.



    Nur mühsam fand sie wieder ins Hier und Jetzt und biss lustlos, aber gehorsam in ihr Brot.
    Sie warf einen Blick auf die Uhr. Es war halb neun. Die anderen hatten jetzt Musikunterricht und Shylah sehnte sich danach, auch im Klassenraum sitzen zu können, zu singen und unbefangen zu sein, so wie sie es noch vor einer Woche gewesen war. Doch nun war alles anders.
    „Wann fahren wir los zum Friedhof?“, fragte Moritz in diesem Moment seinen Schwiegervater. „Du willst sicher noch einmal allein Abschied nehmen…“
    Dieser nickte. „Die Aufbahrung beginnt um elf Uhr, Moritz. Ich möchte dann direkt dort sein.“
    Moritz nickte. „Natürlich. Die Trauerfeier fängt um 12 Uhr an.“
    Shylah schauderte zusammen. Sie war noch nie auf einer Beerdigung gewesen, mal abgesehen von dem kleinen Spatz, der mal vor Jahren an die Scheibe geknallt und nach vielem Geweine ihrerseits von Moritz mit einer feierlichen Grabrede im Garten vergraben worden war. Aber das war wohl kaum vergleichbar, nicht einmal im Ansatz. Was würde sie dort erwarten?
    Ihr Großvater erhob sich und schlich mit hängenden Schultern ins Wohnzimmer, wo er sich auf die Couch setzte und abwesend in der Tageszeitung blätterte.
    Moritz schob seinen Teller von sich und sagte zu Shylah: „Shylah, bitte geh du zuerst ins Bad. Dann kann Opa gehen und dann Mama, ja? Sie kommt dann auch und gibt dir die Kleider, die du nachher tragen sollst.“



    Shylah nickte langsam und tapste ins Badezimmer, während die Männer sich erhoben und in gedämpftem Ton zu unterhalten begannen und Shylah nur Wortfetzen wie „starkes Beruhigungsmittel“ auffing.
    Vorsichtig drehte sie den Strahl der Dusche an und stieg dann in die gläserne Kabine, um sich abzubrausen. Dabei wusste sie irgendwann nicht mehr, ob ihr das warme Wasser oder ihre eigenen Tränen über die Wangen liefen, aber eigentlich war das auch gleich.



    Nach einer knappen Viertelstunde war sie fertig mit ihrer Morgentoilette, sie sagte ihrem Vater Bescheid und verschwand dann selbst wieder in ihrem Zimmer. Hier schien die Luft noch nicht ganz so trauergeschwängert, schwer und schwarz zu sein wie in den restlichen Räumen. Ihre Kuscheltiere lächelten ihr scheinbar freundlich zu.



    *geht noch weiter*

    Kapitel 9





    Shylah saß still auf dem Stuhl vor ihrem kleinen Schreibtisch. Draußen trommelte der Regen gegen die Fensterscheiben. Es war still im Haus, man hätte eine Stecknadel fallen hören können.



    Sie fühlte sich kalt und klamm, aber sie wagte kaum, sich zu bewegen. Ihre nackten Füße waren zu Eisklötzen geworden, aber sie spürt es kaum. Sie war mit ihren Gedanken weit, weit fort.
    Sie versuchte krampfhaft, sich an ein Gesicht zu erinnern. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten vor lauter Anstrengung, ihre Gedanken zu kontrollieren. Doch es wollte nicht gelingen. So sehr sie sich auch die verschiedensten Bilder und Ereignisse zurück in die Erinnerung zu rufen versuchte, desto weniger formte sich das gewünschte Gesicht vor ihrem inneren Auge. Alles, was sie zustande brachte, war eine seltsam-schemenhafte Form, einen Körper und sonst nichts.



    Wütend stand Shylah auf und trabte im Zimmer hin und her. „Konzentrier dich“, flüsterte sie sich selbst dabei zu, doch all das half nichts. In ihr blieb alles nur grau und stumm und das Gesicht ohne Konturen.



    Schließlich blieb Shylah resigniert stehen und gab ihre Bemühungen auf. Eine Träne stahl sich in ihre Augenwinkel und sie wischte sie ab. Sie hatte schon so viel geweint, es nutzte nichts, noch einmal anzufangen. Langsam krabbelte sie wieder auf ihren Schreibtischstuhl und starrte vor sich hin, für eine Weile ohne jeden Gedanken fassen zu können.


    Dann resignierte sie wieder, stand erneut auf und ging im Zimmer auf und ab, von seltsamer Unruhe erfasst. Ob der Rest der Familie noch schlief? Aber sie hatte vorhin das Badezimmerwasser gehört… also musste irgendjemand schon wach sein.
    Mit einemmal öffnete sich die Tür und ihr Vater streckte den Kopf ins Zimmer.
    „Shylah? Es gibt Frühstück, kommst du bitte…“



    Shylah hatte keinen rechten Appetit, doch sie nickte und folgte ihrem Vater langsam ins Esszimmer.
    Devin saß am Esstisch und knabberte an einem Stück Brot. Er wirkte blass und als habe er die letzte Nacht wenig geschlafen, aber ansonsten war er so wie immer.
    „Wo ist Mama?“, fragte Shylah und ihr Vater verzog besorgt das Gesicht.
    „Sie hat keinen Hunger“, erwiderte er langsam.
    Shylah kletterte auf den Stuhl und starrte ihr Brot an, ohne es anzurühren.



    Sie hob ihr Gesicht erst, als sie Schritt in den Raum kommen hörte und ihren Großvater erkannte. Er war noch im Schlafanzug, etwas, das Shylah kaum an ihm kannte.
    „Hallo Opa“, sagte sie und versuchte, heiter zu klingen, ohne recht zu wissen, ob das richtig oder falsch war.
    Ihr Großvater sah sie aus müden Augen an und kam dann auf sie zu, um sie zu umarmen.
    „Ach mein Schatz“, murmelte er. „Du bist jetzt alles, was ich noch habe.“
    Shylah wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte und sah ihren Großvater nur tröstend an. Dann blickte sie Devin an, der still sein Brot weiter aß, als sei nichts weiter geschehen.
    Sie spürte eine seltsame Wut in sich aufkeimen. Hatte ihr Bruder denn gar keine Gefühle?

    Ihr Großvater derweil nahm am Tisch Platz, ohne das Essen anzurühren.
    „Du solltest wenigstens versuchen, etwas zu essen“, ermunterte Moritz seinen Schwiegervater, doch dieser schüttelte den Kopf und sagte mit weicher Stimme: „Danke, Moritz, aber ich kann nicht, tut mir leid.“



    Moritz nickte und ging nicht weiter darauf ein, sondern biss seinerseits selbst schweigend in das Brot.
    „Wo ist Alexandra?“, richtete Shylahs Großvater nun das Wort an Moritz.
    „Schläft noch“, wich dieser aus. „Und hat auch keinen Hunger.“




    Shylah beobachtete ihren Großvater und hatte das Gefühl, als hingen seine Schultern nach dieser Aussage noch etwas weiter unten als zuvor. Er seufzte schwer.


    *geht noch weiter*

    So, erstmal die Outtakes, wie immer...




    Naaa... die kucken sich aber sehr interessiert an. "Guten Tag, das ist dein Sohn... guten Tag, das ist deine Mutter... alles klar?"




    Schon wieder Herr Humble! Ein netter Mensch, schenkt der Friedhofskirche einen PC mit Sims Spiel, da wird sich der Küster aber mächtig freuen...!





    Und Shylah räumt schonmal vor der Kirche auf... so kann man das ja nicht lassen... fängt sie schon an wie Muttern? :D










    Rivendell: Ja, leider ist es so, wie Du befürchtet hast. Wie Alexandra nun reagiert, ist natürlich fraglich... sie ist nun natürlich selbst völlig neben sich, kann man annehmen.
    Danke für Deinen Kommi!


    @ALL: Sorry, dass es so lang gedauert hat mit der nächsten FS. Aber da ja auch nicht so viel Ressonanz kam, scheint es ja nicht sooo arg schlimm zu sein ;) Ich hoffe, ihr lest noch alle mit, und habt nur keine Zeit, euch zu melden... Heute wird´s auch nicht viel fröhlicher, fürchte ich, aber seht selbst.

    Etwa eine Stunde später hatten beide ihr Tagwerk geschafft, und da sie nichts mehr vor hatten, machten sie sich auf den Nachhauseweg.
    Bevor sich ihre Wege vor dem Gebäude jedoch trennten, umarmte Tessa Joshua noch einmal dankbar.
    „He, danke für die Hilfe!“, sagte sie und sah ihn ernst an.



    „Noch ist ja gar nix passiert mit deinem Wohnzimmer. Oder meinst du den Artikel?“, fragte Joshua verwirrt.
    „Alles meine ich“, sagte sie ernst. „Alles – deine Hilfe mit der Uni, die Sache mit dem Wohnzimmer und deine moralische Unterstützung in den letzten Tagen. Das ist sicher nicht so einfach gewesen …“
    Joshua schluckte. „Nun, Tessa… lass uns diese Sache ein- für allemal vergessen. Ich bin dein Freund, dein Kumpel, mehr nicht. Und da brauchst du dich nicht bedanken.“
    „Doch, das muss ich und das will ich und darum hab ich es gemacht. Das ist alles nicht selbstredend, was du tust.“



    Joshua lächelte. „Schon gut, Schwamm drüber. Also, wenn ich weiß, wann unsere Wohnungs-Verschöner-Aktion losgeht, ruf ich dich an oder sag dir Bescheid, ja? Bis dann, Tessa. Und sag Feli einen Gruß.“
    Er grinste und winkte ihr noch einmal zu, dann ging er eiligen Schrittes die Straße hinab. Tessa sah ihm nach, bis er um die Kurve verschwunden war. Dann machte auch sie sich auf den Heimweg.




    Fortsetzung folgt.

    Am nächsten Tag traf Tessa sich mit Joshua und Feli in der Uni-Kantine. Sie hatten sich verabredet, um gemeinsam einen Artikel zu bearbeiten, den Tessa für ihr Soziologie-Seminar benötigte. Seit ihrem kleinen „Tief“ vor einigen Wochen war Joshua ihr Retter in der Not, wenn sie in der Uni nicht weiterkam.
    „Wollen wir erstmal was essen?“, fragte Joshua und die Mädchen nickten.
    „Wie immer?“
    „Klar“, zwinkerten diese und Joshua erhob sich und kam mit drei Tellern, auf denen gut belegte Sandwiches lagen, zurück.
    „Du bist heute gut drauf“, stellte Joshua fest und sah Tessa an.
    „Ja, ich hab auch allen Grund dazu“, erwiderte diese und wollte gerade erzählen, als Feli einen Schrei ausstieß.
    „Was ist los?“ rief Tessa aus.


    „Mist, mist, mist! Ich muss um zwei Uhr bei dem Hartenberg sein! Der will mir Infos für die Hausarbeit von uns beiden geben!“, rief sie hektisch aus.
    Joshua warf einen belustigten Blick auf die Uhr und meinte trocken. „Na, dann düse-düse-düse-düse im Sauseschritt, sonst hat sich das erledigt, es ist nämlich fünf vor zwei, und du musst zwei Straßen weiter!“
    „Mist, mist, mist!“, rief diese noch mal aus, ließ ihr Sandwich Sandwich sein und eilte davon, nicht ohne Tessa zuzurufen: „Ich ruf dich an, Schnecke!“
    Joshua und Tessa sahen sich an und lachten dann los.
    „Feli – unvergleichlich, diese Chaotin!“, stellte Tessa dann fest.
    „Das ist noch milde ausgedrückt“, lachte Joshua.



    Er biss in sein Sandwich und sagte dann: „Und nun erzähl mal. Was macht dir so gute Laune? Hat er angerufen, mh?“
    „Woher weißt du das?“, gab Tessa verblüfft von sich.
    „Beleidigst du gerade meine Intelligenz“, erwiderte Joshua und zwinkerte. „Ich hab nur eins und eins zusammengezählt.“
    Tessa lächelte. „Ja, okay – schon klar. Ja, er hat angerufen und es ist alles okay. Ich bin jetzt echt erleichtert.“
    Joshua nickte. „Kann ich mir vorstellen.“


    Sie aßen einen Moment schweigend weiter, dann sagte Tessa: „Hach, reich müsste ich sein.“
    Belustigt sah Joshua auf. „Mh? Was war das?“
    „Reich müsste ich sein“, wiederholte sein Gegenüber und lächelte. „Dann könnt ich nämlich mein Wohnzimmer renovieren.“
    „Wieso das denn? Ist was kaputt gegangen?“
    Tessa lachte. „Nein, das nicht. Aber ich fühl mich darin nicht mehr wohl. Weißt du, das hat damals meine Mutter eingerichtet. Es passt für mich einfach nicht mehr.“
    „Wieso machst du es dann nicht einfach? Und renovierst es?“
    Tessa schnitt eine Grimasse. „Klar, mach ich. Ich melke einfach mal wieder die Kuh im Keller, die goldene Milch gibt.“


    Joshua grinste. „So mein ich das nicht. Erstmal… bist du echt so knapp bei Kasse?“
    „Nun… meine Eltern will ich nicht fragen, falls du das meinst“, gab Tessa entschieden zurück. „Erstens will ichs generell nicht. Zweitens würde meine Mutter dann wieder kommen und ihren Design-Anfall kriegen und es wäre letztlich nix anderes als vorher.“


    Joshua lachte wieder. „Wie gut, dass sie das nicht hören kann. Aber was gefällt dir denn nicht an deinem Wohnzimmer?“
    „Es ist so… ach, ich weiß nicht. Kalt. Und irgendwie gar nicht ich. Oder findest du, das passt zu mir?“
    Joshua überlegte einen Moment. „Nun, ich bin nicht unbedingt der ultimative Ansprechpartner für Designfragen, schon gar nicht Wohnungsdesign. Aber nein, wenn du mich so fragst, irgendwie nicht. Es ist wirklich ein bisschen kühl und irgendwie ein wenig kindlich, zerbrechlich. So bist du nicht. Oder nicht mehr.“
    „Das ist es ja“, erwiderte Tessa rasch. „Ich fühle mich da einfach nicht mehr wohl.“
    „Aber Tessa, das ist doch kein Problem“, sagte Joshua.


    „Was willst du denn verändern?“
    „Naja… ich weiß nicht“, erwiderte Tessa langsam. „Auf jeden Fall die Farbe. Also eine andere Farbe an die Wand. Und – mh, andere Möbel wären zum Teil auch ganz nett, oder? Ich meine, es soll schon hell und weiß bleiben. Ich will keinesfalls was knalliges, das passt auch nicht. Aber nicht so was blasses.“
    „Ich hab da eine Idee“, erwiderte er. „Lass mich mal machen. Wieviel Geld könntest du denn rausquetschen aus der Goldkuh?“
    Tessa lachte auf und überlegte kurz. „Keine Ahnung. So zweihundert Euro vielleicht, mehr nicht.“
    „Das ist doch schon was!“, rief er aus. „Ich hab Connections, Tessa, und ich versichere dir, wir kriegen dein Wohnzimmer mit 200 Kronen gepimpt!“
    „Wie willst du das denn anstellen?“



    „Lass mich mal machen“, erwiderte er verschwörerisch. „Ich organisiere das und sag dir vorher Bescheid.“
    „Das wäre sehr nett“, zwinkerte diese. „Damit ich meine Schränke noch ausräumen und wenigstens den gröbsten Dreck beseitigen kann.“
    Sie lachten beide. „Das wird schon“, versprach Joshua noch mal, biss in sein Sandwich und schob den Teller dann beiseite. „Und nun lass uns mal diesen Artikel auseinander nehmen.“




    *geht noch weiter*

    Kapitel 72
    Wohnen nach Wunsch :)





    Der April neigte sich dem Ende zu. Die ersten zarten Triebe an den Bäumen hatten sich nach außen gedrängt, um ihre feingliedrigen Blätter den sanften Strahlen einer milden Frühlingssonne entgegen zu recken.
    Nachdem die ersten Apriltage noch kalt und nass gewesen waren, zeigte sich zum Ende dieses launischen Monats der Frühling von seiner Bilderbuchseite. Der Himmel war azurblau und die Bäume schmückten sich immer üppiger mit ihrem grünen Blätterkleid.
    Noch zeigten sich meist nur Knospen auf den Wiesen, kleine Köpfe, die sich vorsichtig gen Sonne reckten, um die Welt zu erkunden.
    Tessa schloss die Haustüre auf, warf ihre Bücher achtlos auf die Küchentheke und hastete ins Wohnzimmer.
    „Mist!“, fluchte sie, als sie feststellte, dass das mobile Telefon mal wieder nicht auf seiner Station zu finden war. Fast über ihre eigenen Füße stolpernd hastete sie von Zimmer zu Zimmer und fand es schließlich in den Laken des Betts versteckt.
    Atemlos drückte sie auf den Knopf und keuchte „Hallo?“ in den Hörer.


    „Hallo, Tessa“, tönte eine wohlbekannte Stimme ihr entgegen.
    Tessa sog die Luft tief ein und jauchzte dann: „Jess! Mein Gott, ich hab so gehofft, dass du es bist! Schon seit Tagen bin ich bei jedem Anruf gespannt gewesen!“
    Sie hörte, wie Jess auf der anderen Seite wohlklingend lachte und ihr Herz machte einen Hüpfer. Er klang gut und gelassen, als er antwortete: „Ich hab mir sowas fast gedacht. Aber ich konnte nicht früher anrufen, es tut mir leid. Wie geht es dir?“
    Tessa lächelte. „Das sollte ich ja wohl eher dich fragen“, gab sie zurück.
    „Ich hab aber dich zuerst gefragt“, erklang Jess´Stimme ernst vom anderen Ende der Leitung.
    Tessa schluckte und musste wieder an das Gespräch mit Moni vor zwei Wochen denken, also antwortete sie schnell: „Es geht mir ganz gut, Jess. Wirklich.“
    „Das ist gut. Hast du die Zeit gut überstanden?“



    „Wie man es nimmt“, erwiderte Tessa wahrheitsgemäß. „Die ersten zwei Wochen waren nicht so toll. Ich hab viel an dich gedacht. Aber irgendwann hab ich mich da reingefunden. Auch wenn ich dich unendlich vermisst habe.“
    „Das hab ich auch“, erwiderte er. „Dich vermisst, meine ich.“
    „Und nun sag du mir, wie es dir geht“, sagte Tessa schnell. „War es… war es schlimm?“
    „Nun, es war kein Spaziergang“, sagte Jess. „Aber es war nicht so schlimm wie letztesmal. Die Betreuung hier ist wirklich ausgezeichnet. Die ersten Tage waren natürlich am schlimmsten, aber irgendwie hab ich es besser durchgestanden als die ganzen vorigen Male. Ich wusste vielleicht endlich einmal, wofür ich das mitmache. Die Ärztin sagte, es kann auch sein, dass es etwas geschwächt war, weil ich vorher schon kein Heroin mehr hatte… aber sicher ist das nicht. Ist ja auch egal letztlich. Jedenfalls ist es jetzt vorbei. Und ich fühl mich auch wieder ganz wohl.“
    Tessa seufzte erleichtert auf.
    „Das ist gut zu hören“, sagte sie.



    „Und wie geht es dir dort? Ist alles ok? Bist du zufrieden? Was machst du so den ganzen Tag“
    „Himmel, Tessa, nicht so viele Fragen aufeinmal“, lachte Jess.
    „Tschuldige“, lachte diese. „Ich bin nur so aufgedreht, weißt du. Es tut so gut, deine Stimme zu hören. Ich hatte echt Angst um dich. Dass du es nicht packst, dass es dir zu schlecht geht.“
    „Ich weiß, wäre mir an deiner Stelle auch so gegangen. Und ich habe so oft an dich gedacht, Tessa und mich auch gesorgt. Es ist schön, dass ich dich jetzt höre und merke, es geht dir ganz gut.“
    Tessa lächelte. „Du bist so lieb.“
    „Tessa, das ist doch natürlich, oder? Und nun zu deinen Fragen – mir gefällt´s hier immer noch sehr gut. Es ist wirklich völlig anders als alle anderen Therapien. Hier fängt es jetzt sozusagen erst richtig an mit der Therapie, wo die anderen schon durch waren. Im Moment mach ich tagsüber noch nicht so arg viel, ich bin oft noch ziemlich müde“, erklärte er. „Einmal am Tag ist Gruppenstunde, das ist ganz nett. Und ich geh ein wenig im Garten spazieren, wenn das Wetter so toll ist. Aber bald werde ich sicher wieder etwas fitter sein und dann werde ich auch einige Dinge in Anspruch nehmen, die hier angeboten werden.“


    „Das klingt gut“, erwiderte Tessa erleichtert. „Wirklich gut.“
    „Hör mal, Tessa“, sagte Jess. „Ich kann nicht so lange telefonieren, weil schon jemand hier hinter mir steht und wartet. Aber ich wollte dir noch schnell sagen, dass hier in zwei Wochen der erste Besuchstag ist, der für uns auch gilt. Sonntags.“
    Tessa strahlte. „Das ist ja wunderbar!“, rief sie aus. „Das heißt, wir sehen uns in zwei Wochen?“
    „Wenn du nichts anderes vorhast“, witzelte Jess. „Und mich in deinem Terminkalender unterbringst – dann ja.“
    Tessa schnaubte. „Witzbold! Wann soll ich denn dann da sein?“
    „Das sag ich dir noch“, erwiderte Jess. „Ich muss jetzt aufhören, aber ich ruf dich die Tage wieder an, ja? Ich kann nicht jeden Tag telefonieren, das ist zu teuer, aber ich versuche es in zwei oder drei Tagen, ja?“
    „Gut, Jess, ich freu mich.“
    „Ich mich auch.“
    „Und - Jess?“
    „Ja?“
    „Ich liebe dich.“
    „Dito.“
    Tessa lächelte.



    „Machs gut.“
    Sie legte den Hörer beiseite und stand einen Moment lächelnd im Raum. Dann nahm sie den Hörer und legte ihn wieder auf die Station im Wohnzimmer.
    Jess ging es gut, er hatte das schlimmste überstanden. Dass er so positiv klingen würde, hätte sie niemals erwartet. Sie fühlte sich regelrecht beschwingt. Wenn alles gut ginge, würde er bald entlassen werden. Nun ja… zumindest in einigen Monaten. Dann würde er wohl erst einmal hier einziehen. Sie hatten zwar noch nichts Genaues besprochen, aber was sonst wäre logisch? Tessa spürte, wie ihr Magen kribbelte, als sie daran dachte, wie es sein würde, mit ihm zusammen aufzuwachen, zu frühstücken, gemeinsame Abende vorm Fernseher zu verbringen. Die Zweifel waren mit einemmal wie weggewischt.
    Tessa sah sich in ihrem Wohnzimmer um und merkte einmal mehr, wie die alte Unzufriedenheit in ihr aufstieg. So sehr sie die Einrichtung hier gemocht hatte, als sie einzog – inzwischen gingen die pastellartigen Farben, die Kühle der gewählten Möbel förmlich gegen sie.
    Wie um diesen Gedanken zu unterstreichen, verließ sie den Raum und legte sich auf ihr Bett, wo sie ihren Überlegungen weiter nachhing.


    Das Wohnzimmer hatte ihre Mutter eingerichtet. Viel gefragt worden war sie nicht. Das Schlafzimmer hingegen hatte sie selbst in die Hand genommen, glücklicherweise war ihre Mutter in etwa derselben Meinung gewesen. Damals, als sie hierher gezogen war, hatte alles schnell gehen müssen. Wenn sie heute an den wahren Beweggrund ihres überstürzten Auszugs gedachte hatte, schüttelte sie den Kopf. Um Jess zu vertuschen hatte sie so gehandelt. Das trieb ihr heute noch die Schamesröte ins Gesicht.
    Wie ein Kind hatte sie sich verhalten! Dennoch war der Auszug gut gewesen. Tessa konnte sich nicht mehr ansatzweise vorstellen, in ihrem Elternhaus zu leben.
    Ihre Gedanken schweiften wieder zum Wohnzimmer. Sie war wirklich unzufrieden damit. Die Wohnung sollte schön werden, wenn Jess hier einzog. Sie wollte nicht in einem Wohnzimmer mit ihm kuscheln, das die Handschrift ihrer Mutter trug, die überdies hinaus das Zimmer auch noch so jugendlich eingerichtet hatte, als sei es Tessas Jugendzimmer zu Haus.




    *geht noch weiter*

    @NinaLove: Es freut mich, dass Du Dich so gut in Tessa reinversetzen kannst! :) Du hast recht, Tessa sollte jetzt an sich denken. Ich glaube, das wird sie nun auch tun, nachdem ihr gleich zwei ihrer Freunde den Kopf zurecht gerückt haben.
    Das mit dem Kommentar an Jane kann man so und so auslegen... kommt drauf an, wie viel Gemeinheit man mir zutraut :p!
    Danke für Deinen Kommi!




    @ALL: Jaaa... ich bin arg fix diesmal... ich weiß... aber ich hab gerade einen Schreib-Schweinsgallopp ;)

    Hihi, heute kann ich gar nicht sooo viel zu Deiner FS sagen. Sie hat mir natürlich wie immer ausgesprochen gut gefallen. Besonders die Stelle, in der Sophia so ewig nach Kleidern gesucht hat ;) Daran kann ich mich selbst noch gut erinner (hüstel, und ich finde, man ist ja nie zu alt, um ewig vorm Kleiderschrank zu stehen).


    Allzu funktional ist ihr Outfit natürlich nicht, gerade wenn sie jetzt vor hat, sich den Wuthering Heights Schauplatz anzuschauen. Ich könnt mir ja vorstellen, dass gerade mal gar nix passiet zwischen ihr und dem Herrn Lehrer und das einzige, was ihr diese Nacht bringen wird, letztlich eine ordentliche Schupfennase ist (ich hoffe mal, dass es so kommt... zumindest was den ersten Teil meiner Prognose angeht).


    Den Pub hast Du übrigens toll hingekriegt. Ich hab es richtig nach Rauch und Bier stinken gefühlt :D

    „Und jetzt“, sagte Moni und lächelte. „Essen wir auf und dann schauen wir uns einen Film an. Ich hab vorhin ein paar DVDs mitgenommen, weil ich mir schon sowas dachte, dass du Ablenkung brauchst. Und wenn wir den Film geschaut haben, gehst du nach Haus, lässt dir ein heißes Bad ein, trinkst einen Tee und dann ab ins Bett. Und dann schläfst du bestimmt besser heute Nacht.“
    Tessa lächelte. „Du könntest wirklich mit Joshua gesprochen haben“, sagte sie dann.



    Zwei Stunden später verließ Tessa Monikas Wohnung und spazierte langsam durch die klare Nacht nach Haus.
    Sie fühlte sich nun wirklich etwas entspannter und beruhigter.
    Immer wieder gingen ihr aber Monikas Worte durch de Kopf. Ob diese recht hatte?
    Hatte sie selbst sich vielleicht wirklich schon so an ihre Beschützer- und Sorgenrolle in ihrer Beziehung gewöhnt, dass sie nicht mehr hinausfinden würde?
    Zum ersten Mal dachte Tessa an diesem Abend ernsthaft daran, wie es sein würde, wenn Jess den Entzug schaffen sollte und ein „normales“ Leben beginnen konnte.



    Wie würde ihre Beziehung dann werden? Sie hatten nie etwas Vergleichbares erlebt, ihre Beziehung war in einer Ausnahmesituation entstanden und nichts anderes gewöhnt.
    Würde sie den normalen Alltag überhaupt überstehen?
    Alles hatte sich dann neu zu sortieren.
    Tessa fröstelte plötzlich.
    Was wäre, wenn sich irgendwann heraus stellte, dass all die Mühen umsonst gewesen waren, weil ihre Beziehung im normalen Alltag nicht funktionieren konnte.
    Und wie gut kannte sie Jess eigentlich, wie gut kannte dieser sie?
    Sie hatten sich in all den Monaten ihrer Beziehung nur selten gesehen und immer nur an öffentlichen Plätzen. Die wenigen Tage während des Entzugs, die man nur schwerlich als normale Tage bezeichnen konnte, ausgenommen, hatten sie nie alltägliche Dinge erlebt.
    Keine gemeinsamen Festtage, Feiern, Ausflüge. Nicht einmal gemeinsame Mahlzeiten, keine Kinobesuche, keine Fernsehabende.
    Nichts, was für jede andere Beziehung normal war. Keine einzige Nacht unter dem Sternenhimmel, keine Grillpartys, keine lauen Sommernächte, keine Schneeballschlachten zu zweit.



    Tessa schluckte. Was, wenn ihre Beziehung enden würde, bevor sie anfing? Was wussten sie voneinander. Wusste sie, was Jess gerne aß? Trank? Welche Musik mochte er? Welche Art von Büchern las er gerne?
    Sie wusste es nicht. Wusste er es von ihr? Hatten sie sich je darüber unterhalten? Vielleicht, am Rande jedoch nur. Diese Dinge waren immer völlig unwichtig, fast realitätsfern gewesen.
    Doch war dies nicht das Leben. Das ganz normale Leben.
    Waren sie überhaupt fähig ein solches zu führen?



    Tessa sah auf, und stellte mit Erstaunen fest, dass sie bereits vor ihrer Haustüre stand. Völlig in Gedanken versunken hatten ihre Füße sie fast wie von selbst zurück getragen. Sie schloss auf, ging die Treppen hinauf, schälte sich aus ihrer Jacke und schritt ohne Licht zu machen zum Fenster, wo sie ihren Blick über die Dächer der Stadt streifen ließ.
    Monika hatte recht mit ihren Worten. Wenn sie all dies schaffen wollten, mussten sie sich neu sortieren. Jess war dies wohl schon vorher klar gewesen, sonst hätte er nicht so zu ihr gesprochen. Abgesehen davon hatte er zurzeit mit größeren Dämonen zu kämpfen. Sie selbst aber, sie konnte sich ändern und ihre eigenen Werte hinterfragen.



    Tessa wand sich vom Fenster ab. Sie würde das Semester nicht aufgeben, das stand nun für sie fest. Sie musste ihr Leben so normal weiterleben wie möglich. Denn wenn alles gut ging, erwartete sie und Jess nach dem Entzug eben nichts anderes… als eben jene Normalität, die sich beide all die Jahre doch so sehnlichst gewünscht hatten.



    Fortsetzung folgt.

    Kapitel 71
    Auf dem Prüfstand


    Es war draußen bereits dunkel, als Tessa in den warmen, hellen Flur von Monikas Wohnung trat.
    „He Tessa“, lächelte Monika sie an. „Ich hab uns einen Salat gemacht, für mehr hat die Zeit nicht mehr gereicht, sorry.“
    Tessa lächelte zurück und hängte ihre Jacke auf. „Ach Moni, ich bitte dich. Ich habe dich ja schließlich so überfallen mit dem Besuch, obwohl du heute gearbeitet hast. Du hättest überhaupt nichts kochen müssen.“
    „Hab ich ja auch nicht“, zwinkerte Monika. „Es ist ja nur Salat. Oder kochst du den etwa?“
    Tessa lachte leise auf und folgte Monika in ihr gemütliches Wohnzimmer, wo beide an dem kleinen Esstisch Platz nahmen, auf dem bereits zwei Teller mit Salat standen.
    Tessa spürte, wie ihr Magen knurrte und fing sofort zu essen an, während Moni den Salat noch nachdenklich anstarrte. „Ich hoffe, es ist reichlich“, murmelte sie.



    „Nun mach dir keine Gedanken“, beruhigte Tessa sie und biss auf die knackigen Blätter, und Moni tat es ihr nach.
    „Was ist los, Tessa?“, sagte sie nach einigen Bissen und sah ihre Freundin aufmerksam an. „Du siehst ziemlich fertig aus. Hast du zu wenig geschlafen?“
    Tessa nickte. „Das kannst du laut sagen“, murmelte sie dann und schluckte den Salat hinunter. „Ich fühl mich gar nicht gut, Moni. Deswegen bin ich auch her gekommen. Ich habe heute Mittag Joshua getroffen…“
    „Ach, darum also?“, fragte Monika und sah ihre Freundin überrascht an. „Das nimmt dich so mit?“
    „Nein“, erwiderte Tessa schnell. „Nein, wenn es nur das wäre.“


    „Dann ist es wegen Jess?“, fragte Monika weiter.
    Tessa nickte. „Ja… ach, Moni, es ist so schwer… ich meine, nicht zu wissen, was mit ihm geschieht. Wie es ihm geht, was er macht…“
    Monika seufzte. „Ich kann mir das gut vorstellen“, sagte sie dann langsam. „Aber ich hab dir doch schon ein paar Mal gesagt, deine Sorgen sind sicher unbegründet. Wenn etwas wäre, würde man dich benachrichtigen.“
    Tessa schluckte und sah sie schuld bewusst an. „Ich gehe dir sicherlich auf die Nerven, dir ständig die selbe Litanei herunter zu beten. Tut mir leid. Es war Joshuas Idee, dass ich heute zu dir oder Feli gehen soll, um mich abzulenken…“
    Moni schüttelte schnell den Kopf und beeilte sich zu sagen. „Aber nein, Tessa, so meine ich das nicht. Natürlich fällst du mir nicht auf die Nerven! Und Joshua hat gut daran getan, dir diesen Tip zu geben, denn bestimmt sitzt du sonst nur zu Haus und deine Gedanken fahren Karussell, oder?“


    Tessa nickte. „Ja… das stimmt schon. Aber ich verstehe mich selbst nicht mehr, Moni. Ich… ich meine… eigentlich sieht doch alles so gut aus. Und Jess wird das schon schaffen. Ich müsste ihm vertrauen. Und ich hab ihm versprochen, mich nicht irre zu machen…“
    Sie sah Monika hilflos an. „Aber ich schaff das nicht. Ich träume von ihm. Immer wieder hab ich Albträume, was alles passiert. Ich sehe die Bilder von damals wieder vor mir. Ich weiß, wie schlimm so ein Entzug sein kann. Und das ist es, was mich nicht los lässt. Ich wäre so gerne bei ihm. Würde ihm helfen. Und komme mir schäbig dabei vor, ihn ausgerechnet jetzt allein zu lassen.“
    „Er ist nicht allein“, warf Monika vorsichtig ein. „Er wird betreut, professioneller und besser als du es je könntest.“
    Tessa seufzte. „Ja, ich weiß… aber dennoch. Ich meine, wenn wir krank sind, wollen wir auch, dass liebe Menschen bei uns sind, oder? Ich meine… ach, ich weiß auch nicht…“


    Sie ließ die Schultern hängen und legte die Gabel beiseite, als fehle es ihr plötzlich an Appetit.
    „Ich fühl mich so leer, Moni. Ich bin so müde. Ich kann nicht mehr schlafen und ich kann irgendwie auch kaum noch essen. Mir ist alles zu viel. Die Uni vor allem… ich… muss dieses blöde Referat fertig kriegen und weiß nicht, wie. Ich hab keine Konzentration mehr. Auch wenn Joshua mir helfen will, ich schaff das in dieser Situation nie. Ich brauch eine Pause.“
    Sie schluckte. „Ich brauch einfach eine Auszeit.“
    Moni sah sie irritiert an. „Was meinst du damit?“
    Tessa schwieg und starrte auf ihren Teller.
    „Es dauert schon noch etwas bis zu den nächsten Ferien“, begann Monika vorsichtig. „Aber das schaffst du schon. Und bis dahin sieht die Welt ganz anders aus.“
    „Das meine ich nicht“, erwiderte Tessa. „Ich kann jetzt nicht mehr. Jetzt in diesem Moment. Ich überlege, ob ich nicht ein Semester pausiere…“
    Sie wagte es nicht, Moni anzublicken, als sie wieder zur Gabel griff und schnell weiter sprach. „Weißt du, ich will mir doch auch noch einen Job suchen… ich will nicht von meinen Eltern leben… das geht nicht lange gut und… das ist mir alles zu viel auf einmal.“
    Sie wandte den Blick ab und starrte zum gegenüberliegenden Fenster hinaus.




    Moni sagte einen Moment nichts, dann erwiderte sie ruhig: „Tessa… du armes Ding. Du bist ja völlig fertig.“
    Sie sah ihre Freundin gütig an. „Hör mal… ich sag dir jetzt mal was, auch wenn´s dir nicht gefallen mag. Ja, du bist ausgebrannt. Und ja, ich kann gut verstehen, wenn du jetzt an eine Pause denkst. Und wenn du gar nicht mehr kannst, dann steht dir das auch zu. Aber manchmal gibt es auch Durststrecken, das brauche ich dir nicht zu sagen. Vergiss erstmal den Job. Du hast genug mit der Uni zu tun. Verschieb es bis zu den Ferien, schau dich dann nach einem Ferienjob um, das ist schon mal ein Anfang. Du hast im Moment genug anderes zu tun. Geh in kleinen Schritten.“
    „Hast du zufällig mit Joshua gesprochen?“, murmelte Tessa und Moni sah sie verständnislos an, redete dann aber unbeirrt weiter: „Du machst einen riesigen Fehler, Tessa. Du verstehst Jess´ Bitte an dich, dich nicht gehen zu lassen, falsch. Hat er nicht auch gesagt, dass du nicht immer stark sein musst? Das hat er nämlich. Nur gehst du falsch damit um, wenn du mich fragst. Du darfst weinen. Du darfst dich auch leer fühlen und erschöpft. Aber du fühlst dich deswegen so, weil du dich schuldig fühlst. Weil du denkst, dass du ihn im Stich lässt, nur weil du nicht bei ihm bist. Wie unsinnig das ist, brauche ich dir nicht zu sagen. Jess meinte, du sollst dich nicht völlig verrückt machen, aber du darfst auch schwach sein. Das bedeutet für mich, er hat dich darauf aufmerksam machen wollen, dass du dich in diesen Wochen der Trennung vor allem um DICH kümmern sollst. Und nicht um ihn. Denn das tun andere.“


    Tessa schluckte und sah Moni verwirrt an. „Was meinst du denn damit?“
    „Ich meine damit nur, dass du keine Verantwortung für ihn trägst. Das versuchst du nämlich schon die ganze Zeit. Das hast du früher auch versucht. Aber er ist nicht dein Kind, Tessa. Er ist ein eigenständiges Wesen, eine Person. Er hat es in die Hand genommen, also lass es ihn tun. Hilf ihm, wo du kannst, ja. Sei für ihn da – ja. Alles völlig in Ordnung soweit. Aber klammer dich nicht an die Vorstellung, dass du ihn retten musst.“
    „Das tu ich doch gar nicht“, rief Tessa trotzig. „Ich mache mir nur Sorgen, das ist alles. Wer würde das nicht?“
    „Jeder würde das“, beschwichtige Moni sie. „Es ist natürlich. Aber du machst dir nicht nur Sorgen, du machst dich verrückt, weil du nicht da sein kannst. Weil du denkst, die Kontrolle zu verlieren. Weil du Angst hast, es könnte doch noch etwas schiefgehen und du kannst es aufgrund der Trennung nicht beeinflussen. Aber das könntest du ohnehin nicht. Das weißt du. Entweder er hat die Kraft oder nicht.“
    „Das sagt sich so leicht“, murmelte Tessa.
    „Ja, das tut es. Aber ich wünschte, ich hätte diese Perspektive gehabt“, gab Moni leicht verbittert zurück und Tessa sah sie schuldbewusst an. „Es tut mir leid“, sagte sie leise. „Aber denkst du wirklich, ich klammere?“



    „Nun, nicht im herkömmlichen Sinn“, gab Moni versöhnlich zur Antwort. „Aber irgendwie schon. Du fühlst dich für ihn verantwortlich, obwohl du es nicht bist. Du darfst ja Angst haben, dich sorgen und sehnsüchtig sein. Es ist keine leichte Situation, in der du bist. Aber du darfst dich nicht in etwas hinein steigern, Tessa. Denn wie soll eure Beziehung danach weitergehen, wenn du immer alles für ihn übernehmen willst? Er ist ein Mann, vergiss das nicht. Er will auch stark sein dürfen, dich schützen.“
    Tessa schluckte. „Das kann ich mir gar nicht vorstellen“, gab sie dann zu. „So kenne ich Jess irgendwie nicht. Ich meine… ich habe mich immer um ihn gesorgt und er… er war nie genug bei sich, um…“
    „Ja, ich weiß“, erwiderte Monika. „Aber wenn alles glatt läuft, wird sich eure Beziehung komplett neu ordnen müssen. Und es ist wichtig, dass du lernst, ihm genauso viel Verantwortung zuzugestehen, wie du auch ihm gegenüber hast. Und damit musst du jetzt anfangen. Jess hat dich da schon richtig eingeschätzt, seinen Worten an dich nach zu schließen. Das meinte er damit, dass du dich nicht aufgeben sollst oder verrennen und trotzdem schwach sein darfst. Lass deine Gefühle zu. Weine, wenn dir danach ist, ja. Aber nicht aus Kummer darüber, nicht genug für ihn da sein zu können, sondern aus Angst oder Sehnsucht.“



    Tessa atmete tief ein. „Ich weiß nicht…“
    „Denk einfach in Ruhe darüber nach“, erwiderte Monika sanft. „Und lass dir auch mit der Entscheidung wegen der Uni Zeit. Sowas entscheidet man nicht so hoppla-hopp. Wenn ich du wäre, würde ich jetzt erst einmal versuchen, weiter zu machen. Und wenn es gar nicht mehr geht, dann nimm dir ein paar Tage Auszeit und schau danach weiter. Es geht doch um deine Zukunft, Tessa. Und vielleicht brauchst du das Semester mal ganz dringend, weil du im Laufe des Studiums von anderen Dingen aufgehalten wirst. Was, wenn du mal richtig krank wirst und deswegen aussetzen musst? Solche Entscheidungen müssen gut bedacht werden.“
    Tessa nickte. „Ja, du hast wohl recht.“



    *geht noch weiter*

    @NinaLove: Ich freu mich riesig, dass Du auch hier mitliest und danke dir sehr für Dein Lob bzgl der Story und Schreibweise, das tut gut.
    Dass es für Tessa jetzt, wo sie Jess nicht bei sich hat, fast schwerer ist als beim Entzug vor ihrer Nase, kann ich auch gut verstehen. Die Ungewissheit ist immer das schlimmste.
    Vielen Dank für Deinen Kommi!


    @JaneEyre: huiii, was für ein langer Kommi!
    Du sprichst was ganz wichtiges an, was im kommenden Kapitel auch nochmal an Bedeutung gewinnt... nämlich das, was Du über Deine Tante schreibst... aber lies selbst mal, ich sage nur so viel, Du bist auf einer guten Fährte.
    Danke für Dein Lob zur Klinik! Ich mag sie auch ganz gerne, sie hat für mich was von Reha-Einrichtung :D
    Aha, aha... wir erwarten also in der Wintersaga bald auch eine Klinik! :eek::applaus:rollauge Ich bin gespannt!
    Aber mal zurück zum text *lach* und ja, Du hast auch sooo recht mit dem, was Du über Tessa schreibst, weshalb sie nun so fertig ist. Ich weiß nicht, ich glaube aber, in einem gebe ich Dir nicht recht, ich denke, sie sollte sich durchaus mal wichtig nehmen, denn das tut sie irgendwie meiner Meinung nach nicht genug und genau das ist das Problem. Wenn sie etwas mehr auf sich achten würde, käme sie gar nicht an den Punkt, wo gar nichts mehr geht. Jetzt bleiben ihr eigentlich "nur" noch ihre Freunde, um sie da wieder ein wenig "aufzupäppeln".
    Joshua... hehe, war mir klar, dass Du da skeptisch bleibst. Ich sag mal so, wie es IN Joshua aussieht, ist natürlich die Frage. Ob er es nun endlich kapiert hat oder nicht. Jedenfalls will er tessa als Freundin nicht verlieren und ich denke, das wäre für sie auch echt schlimm, denn er ist ja schon einer ihrer engsten Vertrauten. Er hat zumindest genug Charakterstärke, um darüber zu stehen und dennoch zu ihr zu halten, und das find ich toll (und offen gestanden nahezu unrealistisch, aber ein bißchen was märchenhaftes muss ja in jeder Story sein, lach)
    Danke für Deinen Kommi!


    Ines: Schön, dass Du noch mit dabei bist, ich hoffe, es geht dir gut!
    Und wow, wie lang der KOmm ist, und da hast vieles so richtig erfasst!
    Ob Tessa wirklich abbricht oder nicht, erfahrt ihr heute!
    Danke für Deinen kommi!


    Kiara: Nun ja... ich denke, ihre ganze Zukunft schmeisst sie nun nicht direkt damit hin, ein Semster mal auszusetzen. Tun ja genug andere auch. Aber empfehlenswert ist es halt auch nicht, das stimmt. Darum hast Du recht, es wird ihr sicher helfen, wenn ihre Freunde sie da wieder rausreißen und den Kopf zurecht rücken.
    Wie ich Jane schon schrieb, ist es fraglich, wie es in Joshua aussieht, aber hält eben zu Tessa, der nette Kerl *hihi*
    Danke für Deinen KOmmi !!! *winke*

    Tessa zuckte mit den Schultern. „Vielleicht sollte ich dieses Semester einfach abhaken. Ich wäre doch nicht die erste, Joshua! Andere fahren einfach mal ein Semester in die Ferien! Und… ich wollte mir auch noch einen Job suchen. Und ich weiß gar nicht, wie ich das auch noch schaffen soll…“
    Tessa starrte vor sich hin. „Ich will nicht ewig von meinen Eltern abhängig sein…“



    „Tessa, hör mir mal zu“, erwiderte Joshua sanft. „Wie wäre es, wenn du jetzt mal tief durch atmest und dann Schritt für Schritt denkst, mh? Nun musst du erstmal noch die Zeit überstehen, bis du Jess wiedersiehst. Und die Uni weitermachen. Ja, Tessa, kuck nicht so. Du bist nicht eine von den Studentinnen, die einfach mal ein Semester sausen lässt. Und eine Arbeit suchen kannst du dir immer noch. Ich kann verstehen, dass du eigenes Geld haben willst. Aber Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.“
    Tessa seufzte. „Das stimmt ja, aber… ach… ich… ich hab einfach so Angst vor allem.“
    „Ach, Tessa, das ist doch normal“, sagte Joshua und lächelte sie an. „Also, hör mal zu. Wie wäre es, wenn wir uns morgen nach der Uni treffen und zusammen das Referat machen, mh? Ich hab dieses Seminar letztes Jahr auch schon belegt und kann dir sicher helfen.“
    Tessa lächelte ihn an. „Das ist lieb, Joshua. Aber wenn ich heute Nacht wieder so schlecht schlafe, nehme ich vermutlich gar nichts mehr auf“, prophezeite sie düster und dachte an die vergangenen Nächte. Ein unglaubliches Gefühl von Leere und Hilflosigkeit erfüllte sie. „Ich würde mich am liebsten irgendwo verkriechen“, sagte sie dann. „Irgendwie ist mir alles egal.“
    „Tessa!“, sagte Joshua ernsthaft. „Du bist ja fast schon depressiv. Hör mal, du darfst dich jetzt nicht hängen lassen, ja? Das wäre in niemandes Sinne… also… was machst du denn so abends? Du sitzt doch nicht nur zu Haus und grübelst nach…“



    Tessa schluckte und Joshua erkannte, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hat.
    „Dann ist es klar, dass du nicht in den Schlaf findest“, sagte er entschieden. „Also, pass auf. Ich hab heute Abend keine Zeit, sonst würd ich vorbeikommen. Aber versprich mir, dass du zu Feli oder Moni gehst und ein bisschen mit denen quatscht. Dann, wenn du richtig müde bist, gehst du nach Haus, trinkst einen warmen Tee, nimmst noch ein warmes Bad und legst dich ins Bett und wirst sicher schlafen wie ein Stein.“
    „Schön wär´s“, seufzte Tessa.
    „Wieso nicht wenigstens versuchen?“, half Joshua nach.
    Tessa lächelte ihn an. „Na gut, wenn du meinst… ich kann ja mal bei Moni vorbei schauen.“
    „Prima“, sagte Joshua und leerte seine Tasse. „Und morgen treffen wir uns im halb fünf bei dir und dann bringen wir dein Referat zu Ende, frisch und ausgeschlafen, ok?“
    Er stand auf und warf einen Blick auf die Uhr. „Ich muss los, ich habe heute Abend Schicht. Aber versprich mir, dass du nicht allein zu Hause hockst heute Abend, ja?“
    Tessa stand ebenfalls auf, nickte und folgte ihm durch den Hof.
    „Danke, Joshua“, sagte sie dann und lächelte ihn herzlich an. „Ich bin froh, dass zwischen uns soweit wieder alles okay ist… das ist es doch?“
    Joshua nickte. „Ja, das ist es. Komm, lass dich mal drücken. Und wenn was ist, ruf an, ja?“



    „Ja, das mach ich… bis dann, Joshua!“
    Lächelnd sah sie ihm nach und stellte fest, dass sie sich nun tatsächlich etwas leichter fühlte.
    Aber trotzdem war immer noch eine unendliche Müdigkeit in ihr.
    Sie beschloss, heute Abend wirklich bei Moni vorbei zu schauen. Vielleicht konnte sie ihr sagen, was sie tun sollte. Der Gedanke, einfach für ein Semester die Uni auszusetzen, erschien Tessa von Minute zu Minute attraktiver. Doch was würde Jess dazu sagen?
    Hatte er nicht selbst gesagt, sie müsse nicht immer stark sein?



    Mit flauem Gefühl im Magen machte Tessa sich auf den Nachhauseweg.






    Fortsetzung folgt.

    „Wie geht´s dir?“, fragte er dann unvermittelt.
    Tessa wich seinem Blick aus. „Naja… ganz ok…“, murmelte sie dann.
    „Mh, so siehst du zumindest mal nicht aus“, erwiderte ihr Sitznachbar und blickte sie offen an. „Also, was ist los mit dir? Ist was mit… Jess?“
    Sie spürte genau, dass es ihn immer noch Überwindung kostete, diesen Namen in den Mund zu nehmen.



    „Joshua…“, erwiderte sie darum langsam. „Ich… ich weiß nicht, ob du der richtige bist, um darüber zu reden…“
    Sie sah sein Erstaunen und sagte dann schnell: „Nicht weil ich dir nicht vertraue oder… nein, gar nicht, nur… ich meine… du hast dich, seit ich euch das mit Jess erzählt habe, nicht mehr gemeldet und…“
    „Ich bin ein Idiot“, unterbrach Joshua sie mit schuldbewusster Miene. „Ein totaler Idiot.“
    „Nein, nein.“ Tessa schüttelte den Kopf. „Sag doch so was nicht.“



    Sie schwieg einen Moment und fuhr dann fort: „Ich kann mir vorstellen, wie schwierig das alles für dich sein muss…“
    Joshua seufzte. „Naja… ich glaube, ich war einfach verblendet, Tessa. Völlig verblendet. Aber ich hätte dich anrufen sollen. Ich meine, wir sind immerhin Freunde. Wir waren nie mehr und wir werden auch nie mehr sein. Aber ich meine… unsere Freundschaft ist so viel wert. Ich wollte sie nicht aufs Spiel setzen, nur weil ich mich gekränkt gefühlt hab oder so was…“
    Er fummelte betreten an seinem Pullover herum. „Es tut mir ehrlich leid, Tessa. Ich bin echt so ein Egoist. Ich meine, dir geht´s offenbar auch nicht gerade rosig. Du machst sicher auch keine leichte Zeit durch, oder?“
    Tessa zuckte mit den Schultern. „Naja… ich… es geht so…“
    Joshua blickte sie ernst an. „Tessa, wenn du mir nicht böse bist, wieso sagst du mir dann nicht, was los ist?“



    Tessa seufzte hilflos. „Na… ich will dich nicht verletzen.“
    „Das tust du nicht. Ich hab´s jetzt endlich begriffen“, versprach Joshua ihr und als sie ihn zweifelnd anschaute, lächelte er und sah sie dann erst an. „Ehrlich.“
    „Sicher?“
    „Ja, wirklich, Tessa. Wir sind nur Freunde. Nicht mehr und nicht weniger. Und das ist okay für mich.“
    Tessa war nicht ganz sicher, ob sie ihm glauben konnte. Joshua jedoch sah sie derart offen und treuherzig an, dass sie weich wurde. Außerdem drängte sie es danach, mit ihm zu reden, und zwar genau mit ihm. Jemanden zu haben, der ihr wieder Gelassenheit und Freude vermitteln konnte. Genau das war immer Joshuas Part gewesen. Mit Moni konnte sie ernsthafte und tiefgehende Gespräche führen. Feli war immer für jeden Spaß zu haben, aber Joshua – gab ihr ein Gefühl von Sicherheit und Lebensfreude.
    „Jess ist zurzeit im kalten Entzug“, platzte es darum aus ihr heraus, ehe sie noch weiter darüber nachdenken konnte. „Seit gut zwei Wochen. Und ich darf ihn weder sprechen noch sehen. Ich… weiß gar nichts.“



    „Oh je“, erwiderte Joshua und sah sie mitfühlend an. „Das muss furchtbar für dich sein, oder?“
    Tessa nickte. „Ich hätt´s mir nicht so mies vorgestellt“, erwiderte sie dann leise. „Ich… ich schlafe nicht mehr richtig. Und ich… ich muss dieses blöde Referat hier fertig kriegen bis nächste Woche. Und ich krieg keinen einzigen Satz in meinen Kopf!“
    Sie stöhnte und rieb sich die Augen. „Ich höre erst wieder in zwei oder drei Wochen von Jess… und auch danach ist es nicht ausgestanden… er muss ein halbes Jahr in dieser Klinik bleiben… Ich weiß nicht, was ich tun soll, Josh… ich…ach, ich würde am liebsten alles hinschmeißen.“
    Joshua starrte sie erschrocken an. „Tessa! Was meinst du denn damit?“
    „Ich weiß auch nicht“, erwiderte diese müde. „Mir wird gerade einfach alles zu viel…“



    „Ach, Tessa“, sagte Joshua mitfühlend. „Du bist ja echt total fertig. Und du siehst auch wirklich müde aus. Wie lange schläfst du schon nicht richtig?“
    „Seit Jess weg ist“, erwiderte Tessa leise. „Kaum mehr als zwei oder drei Stunden in der Nacht, zumindest meistens.“
    „Und da wunderst du dich, dass du dich leer und ausgebrannt fühlst?“, erwiderte Joshua, griff beherzt nach ihren Notizen und räumte sie zusammen.
    „Was machst du?“, fragte Tessa verwirrt. „Ich muss noch mindestens drei Bücher schaffen…“
    „Du schaffst heute gar nichts mehr“, erwiderte Joshua halb belustigt, halb besorgt. „Außer vielleicht am Tisch einzuschlafen. Wir beiden gehen jetzt erstmal an die frische Luft und ich besorg uns einen Espresso. Und dann reden wir. Okay?“
    Tessa sah ihn gerührt an und nickte dann langsam.
    „Okay…“



    Gemeinsam gingen sie die Treppen hinunter und auf den Hof zur kleinen Café-Bar, wo Joshua ihnen beiden einen doppelten Espresso bestellte.
    Tessa sog die Luft in ihre Lungen und merkte, wie langsam wieder etwas Lebensgeist in ihr wach zu werden schien.
    „Es riecht nach Frühling“, stellte Joshua fest und ließ den Blick über die noch kahlen Bäume schweifen. „Noch ein oder zwei Wochen und alles wird grün sein, das wette ich.“ Er lächelte Tessa zu und drückte ihr den Espresso in die Hand. „Komm, wir suchen uns ein Plätzchen hier draußen. Die Luft tut dir gut.“
    Tessa lächelte. „Ja, du hast recht.“



    „Und, sieht die Welt nicht schon ganz anders aus, hier draußen und mit ein bisschen Koffein im Blut?“, fragte Joshua lächelnd, als sie auf den Bänken vor dem Hauptgebäude des Literaturtraktes Platz genommen hatten.
    „Ja, schon“, erwiderte Tessa und dachte daran, dass ihr zu Hause wieder dieselbe Nacht bevor stände wie die vorherigen. „Aber das ändert nichts daran, dass ich das alles nicht mehr schaffe, Joshua.“
    „Aber Tessa, nun komm. Das wird schon wieder“, versuchte dieser sie aufzumuntern.



    „Nein, ich weiß nicht“, seufzte Tessa. „Ich meine… mir wird das alles zu viel. Nicht nur weil Jess jetzt nicht erreichbar ist. Unser Leben wird auch danach nicht leicht werden und… ich weiß nicht, wie ich das alles schaffen soll. Vielleicht sollte ich einfach eine Auszeit nehmen.“
    Joshua blickte sie irritiert an. „Wie meinst du das?“




    *geht noch weiter*

    „Wenn ich doch nur ein paar Minuten mit ihm sprechen könnte“, raunte sie ihrem Spiegelbild zu. „Ich wünschte, ich könnte ihm Mut zu sprechen.“



    Für einen Moment meinte sie, Jess verzweifeltes Gesicht in ihrem eigenen Spiegelbild erkennen zu können. Er starrte mit leerem Blick in das Glas vor sich, als habe er aufgegeben.
    Tessa hielt die Luft an. Begann sie nun zu fantasieren?



    Heftig schüttelte sie den Kopf und hielt sich für einen Moment am Waschtisch fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sie spürte, wie sich ihr Magen hob und schwankte zur Toilette, wo sie sich übergab.
    „Ich kann nicht mehr“, wimmerte sie dann ins leere Bad. „Wieso hat mir niemand gesagt, dass es so schwer werden wird?“
    Und weinend sank sie in die Knie.
    So saß sie fast eine Stunde reglos und schluchzend, bis ihr die Kälte in die Knochen stieg.
    „Du musst nicht immer stark sein“, hallten Jess´ Worte in ihr wieder. Nein, sie war nicht stark. Während er dort, so weit entfernt, allein gegen seine Dämonen ankämpfte, war sie die Schwache von beiden. Wie gut, dass er sie nicht sehen konnte.
    „Es hilft ja alles nichts“, murmelte sie und wischte sich die letzten Tränen von der Wange. „Noch zwei oder drei Wochen, dann sehen wir uns wieder. Und dann wird sicherlich alles gut.“
    Sie stand langsam wieder auf, schälte sich aus ihrem Schlafanzug und sprang unter die Dusche. Während das warme Wasser über ihren Körper rann, spürte sie, wie sich allmählich wieder ihre Lebensgeister zu regen begannen.



    Obwohl sie sich immer noch müde und kränklich fühlte, zog sie sich nach der warmen Dusche wie automatisch an und nahm sich sogar ein paar Minuten, um sich ein wenig zu schminken. In der Küche nahm sie sich ein Zwieback, denn mehr ließ ihr gereizter Magen nicht zu. Dann machte sie sich auf den Weg zur Uni.
    Am Nachmittag hatte Tessa das Gefühl, gänzlich am Ende ihrer Kräfte zu sein, doch sie wusste, dass sie nicht umhin kam, in der Bibliothek noch einige Quellen für ihr Referat zusammen zu suchen. Missmutig machte sie sich also auf den Weg dorthin und suchte sich müde und unkonzentriert durch die Regale.



    Die Stunden vergingen langsam und zäh, und bald merkte Tessa, dass sie jeden Satz mindestens zwei- bis dreimal lesen musste, um ihn auch nur ansatzweise zu verstehen.
    Immer wieder schweiften ihre Gedanken ab, und es kostete Kraft und Mühe, sie wieder auf einen Punkt zu fokussieren.



    „Ach verdammt“, stieß sie schließlich hervor und ließ einen hilflosen Blick über ihre bruchstückhaften Notizen schweifen. „Das hat doch gar keinen Wert so!“
    Missmutig stand sie auf, um die Bücher wieder zurück zu bringen. Als sie gerade das letzte ins Regel gestellt hatte, hörte sie eine Stimme sagen: „He, Tessa. Was ist denn los?“
    Sie horchte auf.



    „Hier bin ich“, hörte sie die Stimme sagen und als sie um das Regal herum ging, entdeckte sie Joshua an einem der Tische. Er hielt ein Buch in der Hand und hatte den Zeigefinger auf eine Stelle des Blattes gelegt, sah Tessa aber fragend an.
    „Ist alles in Ordnung?“



    Tessa sah ihn an und lächelte. Sie fühlte sich mit einemmal froh und befangen zugleich. Froh, weil sie spürte, wie gut es ihr tat, Joshua hier zu sehen, weil er ihr ein Gefühl von Ruhe und Vertrauen einflösste, allein nur dadurch, dass er im selben Raum war. Befangen jedoch, weil sich beide seit dem Treffen im „Friends“ nur noch einmal kurz in den Gängen des Literaturgebäudes über den Weg gelaufen und nicht viele Worte gewechselt hatten.
    Joshua betrachtete Tessa aufmerksam und schlug dann sein Buch zu, stellte es ins Regal und bedeutete ihr mit dem Kopf, dass er sich zu ihr setzen wollte. Sie nickte und ging zurück zu ihrem Arbeitstisch, auf dem noch die wild durcheinander gekritzelten Notizen lagen. Joshua folgte ihr und nahm neben ihr Platz.



    Er warf einen Blick auf den beschriebenen Block auf dem Tisch und sagte dann: „Mh – Referat für dein Politologieseminar, mh?“
    Tessa nickte. Joshua betrachtete die Zeilen genau und stellte dann fest: „Bist heute nicht so ganz bei der Sache, was?“
    Tessa seufzte. „Nicht nur heute, fürchte ich…“
    Joshua nickte verständnisvoll und starrte dann einen Moment aus dem Fenster.




    *geht noch weiter*

    Kapitel 70
    Ausgebrannt



    Unruhig wälzte sich Tessa im Bett hin und her. Über ihre Stirn rannen feine Rinnsale von Schweiß. Sie stöhnte und ihre Hand krallte sich in ihr Kopfkissen.
    Ihre Brust hob und senkte sich schnell und ungleichmäßig, es schien, als kämpfe sie gegen etwas an, das viel stärker und mächtiger als sie selbst war.
    Bilder schossen durch ihren Kopf, surreal und doch so echt, als geschähen sie vor ihren wachen Augen.


    „Jess!“
    Mit einem schrillen Schrei fuhr sie aus den Laken nach oben. Es dauerte einige Sekunden, bis sie sich zu Recht fand und begriff, dass es nur ein Traum gewesen war, sie zu Hause in ihrem weichen Bett lag und sie nichts umgab als die Stille der ruhigen Aprilnacht.
    Immer noch zitternd tastete ihre Hand nach dem Lichtschalter und das Zimmer wurde in freundliches, helles Licht gehüllt.
    Tessa schauderte zusammen und fuhr sich mit dem Handrücken über die feuchte Stirn. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es erst drei Uhr in der Nacht war. Sie hatte kaum mehr als zwei Stunden geschlafen. Stöhnend rieb sie sich die Augen und überlegte, ob sie sich wieder in ihre Kissen kuscheln sollte. Doch die Bilder des Traumes trieben durch ihren Kopf und wurden nicht im Geringsten durch das Wissen darum, dass sie nur bedingt der Traumwelt entsprungen sein mochten, entschärft.
    Seufzend schob Tessa die Bettdecke beiseite und setzte sich erschöpft auf die Bettkante. Sie fühlte sich krank und schwach, schon seit Tagen. Ihr war übel, ihr Kopf brummte und das Zimmer schien sich langsam aber stetig und das flaue Gefühl im Magen verstärkend zu drehen, der Boden zu schwanken.


    Langsam tappte sie durch das Schlafzimmer und fühlte sich dabei wie eine Betrunkene. Sie durchquerte das dunkle Wohnzimmer und schaltete das Licht in der Küche ein, wo sie sich ein Glas Wasser holte. Während sie trank schweiften ihre Gedanken zu Jess und den Bildern aus ihren Träumen ab. Das Glas in ihrer Hand begann zu zittern.
    Die Unsicherheit, was mit ihm geschah, wie es ihm ging, wie er sich fühlte, schien ihre letzten Nerven zu rauben. Schon seit Tagen konnte sie an nichts anderes mehr denken, nichts anderes mehr fühlen. Sie hätte nie gedacht, dass es so schwer sein würde. Eigentlich, so ging ihr durch den Kopf, war es schwerer als damals, als sie bei ihm gewesen war während des kalten Entzugs. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, hätte sie nicht genau gewusst, was er nun durchstand. Doch die Bilder aus jenen Tagen hatten sich in ihr eingebrannt und spielten sich jetzt verschärft und vor anderem Hintergrund wie eine auf „Repeat“ eingestellte Kassette immer und immer wieder ab.



    Unwirsch schüttelte sie den Kopf, um das erneut aufsteigende Gefühl von Hilflosigkeit abzuwehren.
    Ihr Blick schweifte wieder zur Uhr. Sie hätte längst schlafen müssen. Nie in ihrem Leben hatte sie sich derartig übermüdet und schwach gefühlt. Jess war nun seit rund zwei Wochen in der Klinik. Zwei Wochen ohne jedes Lebenszeichen. Wie auch, es war ja vorhersehbar gewesen. Und sie hatten nur in etwa die Hälfte der Zeit überstanden.
    Moni hatte sie zu trösten versucht, indem sie ihr klar machte, dass alles in Ordnung war, so lange sich niemand meldete. Doch das vermochte Tessa nur bedingt zu beruhigen.
    Jess schlief jetzt vielleicht auch nicht. Vielleicht litt er immer noch unter den Entzugserscheinungen. So wie damals.
    Tigerte in seinem Zimmer auf und ab, ohne Pause. Von Schmerzen, Gedanken, Gefühlen, grausigen Visionen geplagt.
    Doch vor einem Jahr war sie da gewesen, um ihn zu halten. Um ihn zu schützen.
    Wer war nun bei ihm? Kümmerte man sich in der Klinik denn auch genug um ihn? Oder schloss man die Tür ab und überließ ihn seinem Schicksal?



    Tessa seufzte und stellte das Glas Wasser beiseite. Sie hatte seit Nächten schon nicht mehr als zwei oder drei Stunden geschlafen. In den ersten Tagen hatte sie den Schlaf wenigstens sporadisch am Tag nachholen können, doch seit einer Woche waren die Semesterferien zu Ende, und sie hatte morgen wieder um zehn Uhr eine Vorlesung, die sehr wichtig war. Schon die ganzen letzten Tage war sie fast den ganzen Tag auf den Beinen gewesen und der Schlafmangel steckte ihr deutlich in jedem Knochen.
    Noch dazu musste sie in wenigen Tagen ein Referat halten, und das auch noch bei „Professor Miesepeter“, wie ihn seine Studenten gerne nannten. Dieser Schein war wichtig für sie, und sie durfte sich keine Fehler erlauben. Müde rieb sie sich die Augen und tapste zurück ins Schlafzimmer. Eisern versuchte sie, die Gedanken an Jess aus ihrem Kopf zu drängen. Sie konnte nichts für ihn tun, und er hatte sie gebeten, sich nicht vor lauter Angst um ihn zu verlieren. Tapfer löschte sie das Licht und zog die Decke bis ans Kinn. Eine Weile lag sie still da und konnte nicht in den Schlaf finden. Draußen hörte man nur ab und an ein Auto vorbei brummen, sonst war es still. Nach einer Weile merkte Tessa, wie ihr die Lider schwer wurden und schließlich glitt sie erneut in den Schlaf.
    Jess starrte mit weitaufgerissenen Augen auf die zwei Gestalten, die ins Zimmer geschwebt waren.
    „Was wollt ihr?“, stammelte er mit hoher, von Angst erfüllter Stimme.
    „Dich holen“, raunte der Tod.
    „Dich erlösen“, raunte der Engel.
    „Tessa! Wo bist du? Hilf mir doch! Tessa!!“


    Tessa stöhnte leise auf, öffnete widerwillig die Augen und realisierte erst jetzt, dass das Klingeln des Weckers sie aus ihrem wirren Traum gerissen hatte. Müde setzte sie sich auf. Sie fühlte sich verspannt und völlig unausgeruht. Doch es half alles nichts, sie musste in einer Stunde an der Uni sein.
    Die Morgentoilette fiel heute kurz aus, nicht einmal zum Schminken nahm sie sich mehr Zeit, band sich das Haar nur rasch zum Zopf und machte sich dann einen starken Kaffee.
    Während das bittere Getränk ihre Kehle hinab lief und in ihrem leeren Magen zu rebellieren begann, fragte Tessa sich, wie sie noch weitere zwei oder drei Wochen auf diese Weise durchstehen sollte.



    Sie fühlte sich wie gerädert. „Heute Abend muss ich mir all diese Gedanken aus dem Kopf schlagen“, murmelte sie wie zu sich selbst. Sie brauchte Schlaf. Dringend.
    Der Tag an der Uni zog sich wie ein Kaugummi und Tessa ertappte sich mehrmals dabei, in der Vorlesung fast einzuschlafen.
    Als sie am Abend völlig erschöpft nach Haus kam, wäre sie am liebsten sofort ins Bett gegangen. Doch das Referat schrieb sich nicht von alleine und sie wollte wenigstens mit einigen Stichpunkten anfangen.
    Nach einer Weile jedoch sah sie ein, dass es zwecklos war. Ihr Kopf schien wie leergefegt. Müde zog sie sich darum aus und schlüpfte erneut ins Bet, in der Hoffnung, wenigstens heute etwas besser zu schlafen.
    Jess verbog sich fast vor Schmerzen. Seine Eingeweide glühten, als habe man sie mit der heißen Zange zerquetscht.
    „Tessa!“, wimmerte er. „Ich brauche dich! Wo bist du?“



    Stöhnend fuhr Tessa aus dem Schlaf und rieb sich die Augen. Sie zitterte, ob vor Kälte, Schlafmangel oder von den Folgen des Traumes, konnte sie selbst nicht sagen.
    Müde warf sie einen Blick auf den Wecker. Es war sieben Uhr morgens.
    „Na, immerhin schon einmal etwas“, murmelte sie. Zwar war die Nacht erneut unruhig und ihr Schlaf alles andere als wirklich erholsam gewesen, gerade nachdem sie dieser erneute Albtraum herausgerissen hatte. Aber wenigstens hatte sie nun einige Stunden mehr oder weniger durchgehend geschlafen, die vielen kleinen Momente, in denen sie kurz hoch geschreckt, aber sofort wieder eingeschlummert war, ausgenommen.
    Wesentlich frischer fühlte sie sich dennoch nicht, aber wenigstens waren Übelkeit und Schwindel, die der Schlafmangel mit sich gebracht hatte, an diesem Morgen erträglich.



    Müde tapste Tessa ins Badezimmer und hielt sich den schmerzenden Magen. Diese Nervosität schlug ihr nicht nur aufs Gemüt, sondern ließ auch ihren Körper verrückt spielen.




    *geht noch weiter*