Beiträge von Innad

    Kapitel 75
    Außen und innen




    Draußen schien die Sonne und es war warm. Tessa stand nachdenklich am Fenster und blickte über die Dächer der Stadt in den strahlend blauen Himmel. Es war ein perfekter Tag, um nach draußen zu gehen. Doch heute war dafür keine Zeit.
    Sie sah sich in ihrem Wohnzimmer um und atmete tief durch. Den ganzen gestrigen Abend hatte sie damit verbracht, sämtliche Tapeten von den Wänden zu ziehen, nachdem Joshua und Moni ihr zuvor damit geholfen hatten, die Möbel aus dem Zimmer zu schleifen.
    Sie lagerten jetzt allesamt im Keller, wo Tessa wie alle Parteien eine recht großzügige Parzelle besaß, in der neben einigen gammligen Umzugskartons und ihrem Fahrrad nichts zu finden war.
    Joshua hatte gehalten, was er versprochen hatte. Es war zwar etwas über ihr Budget gegangen, doch über etliche Beziehungen und Geheimtips hatte er es geschafft, ihr einige neue Möbel und Wandfarben zu besorgen. Noch konnte Tessa sich nicht im Geringsten vorstellen, wie das alles zusammen ausschauen und wirken würde. Einige ihrer alten Möbel sollten auch bleiben. Und doch, alleine schon dass das Wohnzimmer praktisch entkernt war, schien sie aufatmen zu lassen. Es fühlte sich an wie ein Schritt in die richtige Richtung.
    Das Klingeln der Türglocke riss sie aus ihren Gedanken. Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihr, dass es Joshua war. Sie drückte den Summer und öffnete kurz danach die Tür.
    „Morgen!“, trällerte Joshua fröhlich und umarmte Tessa zur Begrüßung. „Gut geschlafen?“


    Tessa nickte. „Wie ein Murmeltier. Mir tun alle Knochen weh.“
    Joshua lachte. „Nun, bald hast du es ja geschafft!“
    Tessa verzog das Gesicht. „Ich weiß nicht… ein paar Tage werden wir schon noch brauchen, oder?“
    Joshua grinste vielsagend. „Lass mich mal machen. Denkst du etwa, ich bin so wild aufs Arbeiten, dass ich hier ganz ohne Unterstützung auftauche?“
    Er zwinkerte.
    „Was meinst du damit? Moni hat gestern schon geholfen, und ich wollte sie nicht schon wieder fragen“, erklärte Tessa irritiert. „Sie kann sich schließlich nicht extra frei nehmen für das hier! Und Feli steckt bis über beide Ohren in diesem Referat für ihr Medienwissenschaftsseminar…“
    „Man muss nur wissen, wie man es anstellt, Leute zu rekrutieren“, grinste Joshua nur als Antwort.


    Tessa verstand nur Bahnhof und beschloss, es erst einmal dabei zu belassen.
    „Also, fangen wir an?“, sagte sie darum nur. Joshua grinste weiterhin, nickte aber und folgte ihr ins Zimmer, wo sie anfingen, die Farbe anzurühren. Den kompletten Holzboden hatten sie am Abend zuvor mit viel grauem Fleece abgedeckt, um ja keine Flecken zu machen.
    Während beide in ihrer Arbeit vertieft waren, klingelte es plötzlich erneut und als Tessa aus dem Fenster schaut, stieß sie einen überraschten Schrei aus.
    Joshua zwinkerte: „Ich hab doch gesagt, man muss eben die richtigen Helfer zu rekrutieren wissen!“
    Tessa stürzte zur Tür, drückte den Summer und stand dann mit offenem Mund Susanne, Moni und Feli entgegen, die alle in alte Kleider gehüllt waren und sie grinsend ansahen.
    „Joshua sagte, hier gibt’s was zu tun“, erklärte Feli zwinkernd.
    „Ja… aber ich dachte, du musst lernen… und Moni arbeiten… und Susanne… dich hab ich gar nicht zu fragen gewagt… tut mir leid, wir haben in letzter Zeit so selten telefoniert…“
    Die Mädchen lachten auf. „Joshua hat uns sozusagen eingeladen“, erklärte Monika zwinkernd. „Und für wohltätige Zwecke nehme ich gerne mal einen Tag frei. Außerdem tut´s der Figur gut.“
    Feli grinste ebenfalls. „So ist es. Und büffeln kann ich morgen wieder genug.“
    Und Susanne lächelte und sagte: „Mensch, Tessa, du hattest wohl genug um die Ohren, ich bin nicht sauer. Und ich liebe es, in Farbtöpfen zu rühren.“
    Sie lachten alle vier laut auf und gingen anschließend in das Wohnzimmer, wo Joshua allen sofort geschickt Aufgaben zuwies. So pinselten denn Susanne und Moni sofort drauf los, während Joshua mit Tessa verschwand, um die Möbel zu holen. Feli derweil war dafür zuständig, die Muster zu bestimmen und die Farben anzurühren.


    Tessa war immer noch überwältigt von der vielen, ungeplanten Hilfe, selbst als sie zurück kam. Die Möbel stellten Joshua und sie vorerst im Flur und der Küche ab.
    Erstaunt musste Tessa feststellen, dass nun fast zu viele helfende Hände im Wohnzimmer tätigt waren. Da aber der ein oder andere Magen inzwischen deutlich knurrte, beschloss sie, sich in der Küche nützlich zu machen und wärmte einen großen Teller mit Waffeln in der Mikrowelle auf.
    Als sie mit dem verführerisch duftenden Gebäck ins Zimmer kam, legten die Mädchen die Pinsel beiseite, und auch Joshua hörte auf, Winkel auszumessen und Zierleisten anzuschrauben und kam schnuppernd näher.
    Einen Moment kehrte Stille ein, als alle genießerisch in ihre Waffeln bissen.


    Dann richtete Feli das Wort an Tessa: „Ich bin mir sicher, Jess wird es hier super gefallen. Wie geht es ihm denn, Tessa? Ist alles okay?“
    Tessa schluckte hart und warf einen prüfenden Blick zu Joshua. Sie hatten das Thema Jess, so paradox es klang, meist geschickt umschifft. Doch er erwiderte ihren Blick und lächelte gelassen. Tessa atmete erleichtert auf und wand sich dann Feli zu:
    „Ja, ihm geht’s gut. Ich habe ihn jetzt schon zweimal besucht. Diese Therapieeinrichtung ist wirklich hervorragend. Ich bin so froh, dass wir diesen Tip bekommen haben, wirklich.“
    „Es ist ziemlich weit draußen, hab ich gehört?“, wollte Susanne wissen und biss behaglich in ihre Waffel.
    „Ja, es ist eben auf dem Land, aber vielleicht ist gerade das der Vorteil davon.“
    Moni nickte zustimmend. „Das glaube ich auch. Alleine weil die Beschaffung nicht mehr so leicht fällt…“, sie stockte und blickte sich dann verlegen um. Sie und Tessa redeten meist sehr frei über solche Dinge, da ihre beider Schicksale sie verbanden, doch im Umfeld von Menschen, die mit diesen Dingen nichts zu tun hatten, erschien es auch ihr manchmal als schwierig, über derartiges so offen zu sprechen.



    Doch niemand sah sie irritiert an, stattdessen nickten Feli und Joshua sogar zustimmend.
    „Kann ich mir auch vorstellen“, sagte Joshua dann. „Aber es muss da draußen auch eine ganz andere Stimmung sein. Sie nehmen sich bestimmt mehr Zeit als irgendjemand hier in der Stadt.“
    Tessa nickte. „Auf jeden Fall. Es muss ein ganz anderer Therapieansatz sein. Es sieht wirklich alles gut aus. Ja, das tut es.“
    „Wann wird Jess entlassen?“, wollte Susanne wissen.
    Tessa schluckte den heißen Brocken Waffel herunter, keuchte einen Moment, da sie dies zu schnell getan hatte und sagte dann: „Ich weiß es noch nicht, wirklich. Ich gehe davon aus, dass es irgendwann im Spätsommer oder Herbst sein wird. Er ist ja jetzt schon gut zwei Monate dort, aber es kann sechs oder acht Monate dauern… das wird dann spontan entschieden.“
    „Eine lange Zeit für dich“, meinte Susanne nachdenklich. „Lebt man sich da nicht auseinander?“
    Tessa schüttelte den Kopf. „Nun… nicht wirklich, Susanne. Ich meine… wir hatten vorher auch kein echtes Zusammenleben… und schon gar keinen Alltag…“
    Für einen Moment schwiegen alle betreten, nur Monika sah Tessa verständnisvoll an.
    Joshua schlug sich auf die Oberschenkel und sagte: „Los, lasst uns mal weitermachen! Schließlich wollen wir bis Herbst fertig sein, mh?“ Er zwinkerte und die anderen lachten befreit und gingen wieder zurück an die Arbeit.


    Nach einigen weiteren Stunden waren sie soweit, das Fleece einzurollen. Man riss die Fenster auf und ließ Luft herein. Während Moni, Susanne und Joshua nach draußen gingen, um die Möbel einer Grundreinigung zu unterziehen – den natürlich stammten alle aus zweiter Hand – räumten Tessa und Feli die Farbtöpfe zusammen und spülten die Pinsel aus.
    Während Tessa das warme Wasser über die harten Borsten der Pinsel laufen ließ und Feli die bereits gewaschenen Exemplare mithilfe eines alten Küchentuches austupfte, sah Feli nachdenklich zum Fenster hinaus und sagte dann: „Es hat sich gut entspannt, das zwischen dir und Joshua, mh?“
    Tessa sah auf, legte den letzten Pinsel beiseite und nickte dann.
    „Ja, hat es. Zumindest glaube ich das. Oder denkst du etwa, es ist nicht so?“
    Feli lächelte. „Oh doch, das glaub ich schon. Ich weiß es vielmehr.“
    Tessa sah sie irritiert an. „Was meinst du damit?“
    Feli zuckte die Schultern. „Ich meine damit, dass ich zufällig weiß, dass er jemand anders im Sinn hat.“
    Erstaunt sah Tessa sie an. „Wie? Das hab ich nicht mitbekommen.“
    „Nun, ich denke, er wird es dir noch nicht erzählt haben, weil da diese Sache war zwischen euch… und das ganze noch nicht spruchreif ist. Aber ich weiß, er ist in Antonia verliebt.“
    „Die Tudorin aus unserem Germanistik-Kurs?“
    „Ja, genau die.“
    Tessa sah Feli irritiert an. „Sie ist viel älter als er!“
    „Na und?“ Feli grinste. „Hey, bist du etwa eifersüchtig?“
    Tessa schnaubte aus. „Ich doch nicht!“
    Feli lachte. „Ha! Ich wette, das bist du!“
    „Hör auf… du…“
    Tessa beugte sich nach vorne und zwickte sie in die Seite, was diese quiekend zurück gab.



    Lachend richteten beide sich wieder auf. „Was nun? Bist du eifersüchtig?“, kicherte Feli und Tessa schüttelte den Kopf. „Nein, ganz und gar nicht, nur überrascht. Ich wünsche ihm, dass er sein Glück findet, aber in dem Fall wag ich es zu bezweifeln.“
    Feli grinste. „Ich auch! Und trotzdem reagiere ich nicht so… ich sag dir, du bist irgendwie angekratzt deswegen. Und ich kann´s verstehen. Es tut frau schließlich gut, begehrt zu sein…“
    „Ach was!“; rief Tessa aus. „Das ist nicht so! Das ganze hat unsere Beziehung immer nur belastet und ich bin froh, wenn es vorbei ist!“
    „Vorbei ist? Was denn?“
    Sie fuhr herum und sah Joshuas grinsendes Gesicht in der Tür.
    Feli kicherte und sagte rasch: „Nichts, nichts – Frauengespräche, du Naseweis. Das geht dich nichts an!“
    Joshua verzog das Gesicht und sagte gespielt empört: „Das ist also der Dank für alles, was ich hier für dich tu!“
    Tessa lachte leise, erwiderte aber nichts.

    Kiara: Ja, sicher war es nicht unriskant, mit jess direkt zu Beginn so ein Gespräch zu führen. Auf der anderen Seite ist er ja selbst da drauf gekomnen. Und ich denke, hier zeigt sich auch wieder, wie gut die Entscheidung seitens der Therapeuten ist, eine so lange Zeit zwischen kaltem Entzug und erster Begegnung mit der Außenwelt zu befürworten, denn Jess hat sich jetzt schon wieder ein wenig von den Strapazen erholt und Zeit gehabt, in sich zu gehen und nachzudenken. Dadurch wirkt er auch viel stärker, ist es auch, als er es direkt nach dem kalten Entzug gewesen wäre!
    Und ja, Moni hat Tessa auf die Normalität aufmerksam gemacht, auch wenn sie vielleicht nicht direkt an dieses Wort gedacht hat. Ich denke, sie müssen sich wirklich kennenlernen.
    Danke für den Lob , und ja, ich vermissen den Mond bei den Sims auch! :)




    @dimidim: Ja, solche Cliffhanger braucht man wohl einfach ab und an, auch wenn ich selbst sie manchmal störend im Handlungsverlauf finde. Ist halt nicht jedes Kapitel mitreißend, offen ohne Ende und megaspannend. :)
    Umso schöner, dass Du mit oder ohne dabei bleibst, das freut mich echt!



    Jane: Ja, das stimmt, tessa brauchte das Extrem, und ich glaube, all Deine Überlegungen sind gar nicht falsch. DAs war sicher auch der Wille, sich abzulösen, zu rebellieren, wenn auch nicht bewusst, sondern völlig im Unterbewusstsein. Und letztlich ist ihr dadurch ja auch erst die Ablösung gelungen. tessa war ja nicht nur von ihren Eltern und ihrer heilen Welt abhängig, sie war ja auch jemand, der offenbar nicht so sehr Stellung bezogen hat. Wenn wir nur daran denken, wie sehr sie auch an Niklas hing, der ihr gegenüber ja eine schon fast seltsame Autorität eingenommen hat. Also, ich meine, Kumpel und Ex hin und her, aber wieso diese Autorität? Das zeigte ja schon deutlich, wie Tessa so tickte.
    Sie ist jetzt natürlich völlig anders, aber ja, die große Frage, die sich stellt ist, ob sie nun genug ausgebrochen ist und das Extrem loslassen kann oder nicht.
    Jess selbst ist da schon bodenständiger. Ich denke, seine bessere Chance besteht aber auch darin, dass er Hilfe hat... wäre für tessa vielleicht auch keine schlechte Idee, sich Hilfe zu holen, eigentlich. Ich meine, sie hat viel schlimmes durchgemacht... das geht nicht spurlos an einem vorbei.
    Sie muss sich jetzt auf jeden Fall oft und gründlich hinterfragen, und das tut sie auch.
    Ob es reicht für beide, wird die Zeit zeigen (und wie gemein ich bin :rolleyes)
    Danke für Das lob wegen der Garten Bilder, ich liebe sie auch!
    Das mit dem MOnd, ja, genau PI, allerdings ist der nicht aus dem Programm selbst, sondern aus einem anderen RL Bild reingeklatscht ;)



    ALL:
    So, nun kommt das Renovierungskapitel. Bin selbst nicht sooo zufrieden damit, seh es nur als totales Zwischenkapitel! Aber es gibt was zum Kucken und ein interessantes Detail über Joshua vielleicht auch noch!

    Sie sah auf, als ihre Mutter plötzlich aufsprang und aus dem Zimmer rannte, gefolgt von ihrem Vater.



    Ängstlich sah sie Franziska an, die ihr nur schmerzlich zu lächelte und sich dann ebenfalls erhob.
    Shylah spürte, wie sich ihr Herz beklommen zusammenzog. Was war hier nur los?
    Sie schloß die Augen. „Lieber Gott“, dachte sie leise. „Lass diesen Tag schnell vorbei gehen, ich bitte dich.“
    „Na, Shylah… und… wie läufts in der Schule?“, startete ihr Onkel einen halbwegs erfolgreichen Ablenkungsversuch und setzte sich neben sie.



    Shylah zuckte die Schultern. „Ganz gut, denke ich. Ich komm bald aufs Gymnasium…“
    „Ah, wie schön… wo gehst du denn dann hin?“, wollte er wissen.
    Sie zuckte wieder mit den Schultern. „Ich weiß es noch nicht…“, sagte sie dann. „Mama und Papa haben es noch nicht entschieden…“
    Und wenn das so weitergeht, werden sie es wohl nie mehr entscheiden, dachte sie bei sich.
    „Ah…“, machte ihr Onkel nur, dem offenbar allmählich der Gesprächsstoff ausging.



    In diesem Moment kam ihre Tante wieder herein und Shylah sah sie fragend an. Doch sie beugte sich zu Günther und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Shylah spitzte die Ohren und fing nur einige Brocken auf: „… völlig fertig…“, verstand sie. „… Moritz… zum Arzt gefahren… Beruhigungsspritze…“
    Sie schluckte. Ging es ihrer Mutter schlecht? Mit einemmal packte sie die Angst. Was, wenn sie nun auch noch krank würde? Oder gar… nein, sie wollte nicht einmal daran denken. Automatisch stieg wieder das Bild der Aufbahrungshalle in ihr auf und ihr wurde übel.
    „Shylah“, sprach ihre Tante sie da an. „Meinst du, du kannst heute Nachmittag zu einer Freundin gehen?“



    Shylah sah sie mit großen Augen an. „Was?“, stotterte sie dann. „Heute?“
    „Ja… ähm, dein Vater ist mit deiner Mutter zum Arzt gefahren“, erklärte Franziska und versuchte, möglichst unbekümmert zu klingen. „Ist nicht schlimmes, Kleines, sie ist nur ziemlich müde von all dem hier und ihr Kreislauf ist etwas durcheinander. Sie braucht heute Mittag sicher Ruhe… und dir kann etwas Aufmunterung und Ablenkung doch gewiss nicht schaden, mh?“

    Shylah wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hätte am liebsten gesagt, ja, Aufmunterung würde mir nicht schaden, aber ich will meine Mama, ich will meinen Papa… ich will von ihnen hören, was los ist. Ich will mit ihnen trauern, ich will von ihnen getröstet werden.



    Doch sie sagte nichts und nickte nur stumm.
    Franziska machte ein gespielt fröhliches Gesicht und sagte: „Gut, Kleines, dann lass uns fahren.“
    „Ich weiß nicht, ob Christinas Mutter das erlaubt“, gab Shylah zu bedenken. „Normal muss ich vorher fragen.“
    „Ach… ich denke, das geht in Ordnung“, erwiderte ihre Tante schnell. „Bestimmt.“
    Shylah nickte wieder. Sie stand auf und suchte nach Devin, doch sie sah ihn nirgends. Auch ihr Großvater war nicht mehr da. „Devin?“, fragte sie nur in Richtung ihrer Tante.
    „Der ist eben gegangen. Er wollte noch zu einem Freund, Bandprobe oder sowas sagte er…“
    „Bandprobe?“, wiederholte Shylah ungläubig. „Heute?“
    Franziska lächelte schief. „Nun ja… er sucht sicher auch Ablenkung, Shylah…“


    Shylah kniff die Lippen zusammen und folgte ihrer Tante schweigen zum Auto. „Und Opa?“, fragte sie, bevor sie das Lokal verließen.

    „Dein Vater fuhr ihn nach Hause, auf dem Weg zum Arzt“, erklärte ihre Tante. „Er war müde und hat sich etwas hingelegt.“
    Shylah nickte stumm.
    Während ihre Tante voraus ging und den Wagen holte, blieb Shylah wartend vor dem Lokal stehen und starrte in den Himmel.



    Er war hellblau. Die Vögel zwitscherten. Es roch nach Sommer… doch in Shylah war alles grau und wund. Eine nie gekannte Bitterkeit stieg in ihr auf, die sich langsam in ihr ausbreitete und alle Freude zu ersticken schien, die da je gewesen war.
    Nachdenklich sah Shylah Alva an.
    „An diesem Tag ist alles anders geworden“, murmelte sie.



    Alva sah sie lange an.
    „Von diesem Tag an hast du aufgehört, Kind zu sein“, stellte sie fest.

    Und Shylah nickte. Über ihnen erhob sich ein Kranich und stieß einen blechernen Schrei aus.
    Und es roch nach Sommer.






    Fortsetzung folgt.

    Dann hörte sie Schritte und sah ihren Vater, ihre Mutter und ihren Großvater langsam den Gang entlang kommen. Hinter ihnen folgten Franziska und Günther. Shylah schluckte, ihre Mutter sah furchtbar aus. Ihr Gesicht war dick verquollen von Tränen und ihre MakeUp zerlaufen. Auch ihr Großvater wirkte regelrecht zusammengefallen.



    Sie nahmen alle in der ersten Reihe Platz, in der auch Shylah und Devin saßen. Moritz drehte sich zu Shylah und lächelte ihr traurig zu, sagte jedoch nichts. Diese blickte hilfesuchend zu Devin, doch dieser war wieder in seine unbewegte Starre verfallen.
    Ihre Mutter sah sie nur kurz an. Dann weinte sie wieder.
    Shylah fühlte sich schrecklich.



    Dann begann plötzlich eine kleine Orgel zu spielen, welche die Kapelle mit schwerer Musik erfüllte. Den Gang entlang kam ein Priester und hinter ihm rollten zwei Kirchendiener den schweren Sarg in den Raum und stellten ihn hinter dem Priester ab.
    Dieser begann nun mit seiner Predigt. Er sprach darüber, wie traurig der Tod von Shylahs Großmutter doch sei. Sie habe ein gläubiges, sündenfreies und rechtschaffenes Leben geführt.



    Er sprach viel, doch nichts davon schien auf den Menschen zu passen, den Shylah in Erinnerung hatte. Die meiste Zeit ließ sich der Pfarrer über das Fegefeuer, das ewige Leben im Schoße Gottes aus, das nur denen zugute kam, die sündenfrei gelebt hatten.
    Shylah schüttelte es. War es also so, dass man nach dem Tod nur weiterlebte, wenn man immer brav war?
    War sie dann nicht schon verloren, so oft wie man sie schon geschimpft hatte?
    Eine kalte Angst überkroch sie.




    Endlich, endlich war der Priester mit seinen Litaneien zu Ende.
    Die Trauergemeinde, die sehr klein war, erhob sich und folgte dem Sarg nach draußen auf den Friedhof, wo man das Grab bereits ausgehoben hatte.
    Schweigend stand man um den Sarg herum, während der Pfarrer erneut biblische Reden schwang.



    Dann endlich verstummte er, segnete den Sarg mit einigen Tropfen Weihwasser und ließ ihn von den Kirchendienern in der Erde versinken.
    Ein Schluchzen hallte über den Friedhof und erschrocken stellte Shylah fest, dass es ihre Mutter war, die so sehr weinte.



    Nun kamen auch ihr die Tränen und allmählich schienen alle Menschen um sie zu weinen, außer ihrem Vater und Devin, die mit betroffener Miene, aber reglos da standen.
    Nach etwa zehn Minuten war die Beerdigung dann endlich vorbei. Alle hatten am Grab Abschied genommen und gemeinsam ging man den Weg an der Kirche entlang.
    „Was jetzt?“, fragte Shylah Devin, der sie ansah und knapp sagte: „Leichenschmaus.“
    Shylah riss die Augen auf.
    „Was?“
    „Essengehen“, erklärte er darum nicht minder kurz angebunden.
    Shylah verstand nicht. Essen ging man an Geburtstagen, aber nach einer Beerdigung? Das kam ihr reichlich unpassend vor.
    Sie stieg zu ihren Eltern ins Auto und wagte es nicht, das Wort an irgendjemanden zu richten. Ihre Mutter war beängstigend still geworden und starrte fast apathisch aus dem Fenster.


    Niemand sprach, als man gemeinsam zum ausgewählten Lokal fuhr, wo die Trauerfeier stattfinden sollte.
    Dort angekommen nahm Shylah neben ihrer Tante Platz, die sich hin und wieder mit ihr unterhielt und ihr aufmunternd zulächelte.
    Dennoch fühlte Shylah sich unsagbar unwohl.



    Sie warf einen Blick nach draußen. Die Sonne schien. Es war schon zwei Uhr, und die anderen aus ihrer Klasse waren schon lange zu Hause. Am liebsten hätte Shylah ihre Eltern gebeten, von hier verschwinden und zu Christina gehen zu dürfen. All das hier schien sie wie ein Sack Zement zu Boden zu ziehen.

    *geht noch weiter*

    „Shylah“, sagte sie sanft und strich dem Kind über den Kopf. „Was du da gesehen hast, war schlimm. Aber du musst versuchen, Oma so in Erinnerung zu behalten, wie sie war.“
    Shylah schüttelte den Kopf und kämpfte schon wieder gegen die Tränen an.
    „Ich… ich… kann nicht! Es… war so furchtbar, sie so da zu sehen! Sie war so dünn… und weiß…“
    Das Mädchen schüttelte es von Kopf bis Fuß und Günther warf seiner Frau einen besorgten Blick zu. „Sollte ich nicht lieber Moritz oder Alexandra holen?“, raunte er ihr zu.
    Franziska drehte sich zu ihm und schüttelte den Kopf. „Nein… sie ist völlig außerstande… bitte geh nach ihr sehen, ich mach das hier…“



    Shylah hörte die geflüsterten Worte und schluckte. Ein unsagbar schlechtes Gewissen überkam sie. Wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen.
    „Ich bin furchtbar!“, stieß sie hervor. „Es tut mir so leid! So leid! Ich weiß, ich sollte stark sein, wirklich, ich versuch es ja auch, aber…“
    Günther warf ihr einen traurigen Blick zu und ging dann zurück zur Kapelle, während Franziska sich Shylah zuwandte und schnell sagte: „Aber nein, nein, Schatz… du bist ja ganz tapfer, du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen! Haben Mama und Papa denn nicht mit dir darüber gesprochen, dass Oma hier aufgebahrt wird?“
    Shylah schniefte. „Doch, Papa hat mit mir darüber gesprochen“, sagte sie dann. „Aber ich… ich hab mir das anders vorgestellt.“



    Franziska strich ihr über den Kopf. „Nun beruhig dich erstmal“, sagte sie dann sacht. „Was hast du denn anders vorgestellt?“
    „Na… er sagte, Oma wird zurecht gemacht. Hübsch gemacht. Gekämmt, schön angezogen und geschminkt, so dass… sie gar nicht mehr so schlimm ausschaut. So wie in diesem Film, den es gibt, mit dem Mädchen, dessen Papa ein Beerdigungsunternehmen hat und der sich dann in diese Schminke-Frau verliebt, die immer dafür zuständig ist, die Toten zu schminken.“
    Franziska sah Shylah irritiert an, sie hatte keine Ahnung, wovon sie sprach, konnte sich aber langsam zusammen reimen, wieso das hier gehörig schief gelaufen war.
    „Du dachtest, sie sieht dann so aus wie die Toten in diesem Kinderfilm?“, fragte sie langsam nach.



    Shylah nickte betreten. „Und ich wusste auch nicht, dass dieser Raum, in den ihr da gegangen seid, der Raum ist… ich dachte… ich dachte, das ist während der Beerdigung… oder… dass das irgendwie vorher angekündigt wird… ich… ich weiß selbst nicht, was ich dachte.“
    Shylah sah sie hilflos an.



    „Ist schon gut, Kleines“, beruhigte diese sie. „Es war unsere Schuld. Wir hätten dir vorher sagen müssen, dass wir nun hinein gehen, damit du dich darauf vorbereiten kannst. Aber sieh mal, wir waren alle zu sehr mit uns beschäftigt. Das war nicht gut, aber nun ist es geschehen. Willst du jetzt noch mal gemeinsam mit mir hinein gehen und Abschied nehmen?“
    Entsetzt sah Shylah sie an.
    „Nein! Nein, bitte nicht! Ich will nie… nie wieder so etwas sehen müssen!!“
    Schnell umarmte Franziska sie und sagte tröstend. „Nein, Kleines, natürlich nicht. Du musst nicht, wenn du nicht magst.“
    Erleichtert seufzte Shylah. „Es tut mir leid, dass ich so einen Ärger mache“, sagte sie dann langsam. „Mama ist bestimmt böse auf mich und Papa auch, oder?“



    Franziska schüttelte schnell den Kopf. „Aber nein, Shylah, nein, das sind sie nicht. Deiner Mama geht es nur nicht so gut, sie nimmt das alles sehr mit… sie ist aber nicht böse.“
    „Aber… Oma war doch auch deine Mama“, sagte Shylah langsam. „Bist du nicht… also … du bist doch auch traurig.“
    „Ja, das bin ich“, stimmte Franziska ihr zu. „Sehr sogar, Shylah. Aber jeder trauert ein bisschen anders, weißt du.“
    Shylah nickte. Das hatte ihre Mutter ihr vorhin auch schon erklärt, und nun verstand sie es.
    Franziska derweil lächelte Shylah schwach zu und sagte: „Lass uns jetzt zurück gehen, Shylah…“, und als sie den entsetzten Blick Shylahs bemerkte, fügte sie hinzu : „Nein, nicht in die Aufbahrungshalle, Schatz, nur in die Kirche. Die Trauerfeier beginnt bald.“



    Shylah nickte und gemeinsam ging sie mit ihrer Tante den Weg zur Kirche zurück.
    „Tante Franziska? Darf ich dich was fragen?“
    „Ja sicher.“

    „Was passiert jetzt?“
    „Du meinst, während der Trauerfeier?“
    Shylah nickte. „Papa sagte, es ist ein bisschen wie in der Messe.“
    Franziska nickte zustimmend. „Das stimmt, Shylah. Ein Priester wird jetzt kommen und eine kleine Messe halten, dann gehen wir gemeinsam zum Grab und der Sarg kommt in die Erde.“ Ihre Stimme zitterte und Shylah beschloss, nicht weiter zu fragen. Sie wollte ihre Tante nicht quälen, nachdem diese so lieb zu ihr gewesen war.
    Darum nickte sie nur stumm und folgte ihr in die Kirche, wo Franziska sie zu Devin brachte, der still und mit steinerner Miene auf einer der Bänke saß.

    Als Shylah neben ihm Platz nahm, warf er ihr einen Blick zu und bemerkte die Tränenspuren auf ihrem Gesicht.



    Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder. Aber er strich ihr kurz über den Kopf, was für ihn schon einen enormen Akt geschwisterlicher Zuneigung bedeutete und Shylah leicht lächeln ließ.
    In der Kirche war es still und es roch immer noch stark nach Weihrauch, was Shylah die Übelkeit aufsteigen ließ.
    Franziska war wieder in der Aufbahrungshalle verschwunden. Irgendwann ging eine ältere Frau an ihnen vorbei und stieg über eine versteckte Wendeltreppe auf die Empore, wo sie anfing, auf unheimliche Art und Weise irgendwelche Bibelpsalme vorzulesen, mit immer gleichbleibender, bedeutungsschwerer und doch monotoner Stimme.
    „Und das ewige Licht leuchte ihnen… Wir haben hier keine bleibende Stadt, die zukünftige suchen wir… selig sind die, die Toten, die in ihrem Herrn sterben… befreie sie von allen Sünden, oh Herr, allmächtiger Herr…“
    Shylah schauderte und zwang sich, nicht auf die furchteinflößende Stimme zu hören, die wie ein Echo durch die Kirche hallte.




    *geht noch weiter*

    Kapitel 10


    Eine Weile stand Shylah unbeweglich, ihr Körper von so heftigen Schluchzern geschüttelt, dass sie zeitweise das Gefühl hatte, ihr Frühstück müsse sich jeden Moment wieder auf den Weg nach oben machen, so sehr war alles an ihr am Beben.



    In einiger Entfernung sah sie eine ältere Dame in ihrem Garten auf und ab gehen und die Blumen gießen. Sie warf ab und an einen besorgten Blick zu Shylah, war sich offenbar jedoch unsicher, ob sie zu dem Mädchen gehen sollte oder nicht.
    Das Bild der alten Frau machte für Shylah alles nur noch schlimmer. Sie fühlte sich sofort an ihre Großmutter erinnert, jene warmherzige, wenn auch gerne etwas ruppige Person, die immer für sie dagewesen war, die sie getröstet hatte, wenn sie weinte, die ihr den Kuchen gebacken hatte, den sie am liebsten aß, bei der sie so viel Zeit verbracht hatte. Selbst nach den ruppigen Ermahnungen zu beten oder zur Kirche zu gehen sehnte sich Shylah jetzt wieder zurück.
    „Ich glaube, ich weiß erst heute, was sie mir bedeutet hat“, sagte Shylah nachdenklich. Sie war einige Schritte die Mauer entlang gegangen und hatte sich gemeinsam mit Alva am Rand des Teiches auf einer Bank niedergelassen.



    Alva nickte verständnisvoll. „Was dir da geschehen ist, war grausam“, sagte sie dann ernst. „Kinder können mit Trauer umgehen, wenn man sie gut darauf vorbereitet. Von allen Familienmitgliedern brauchen sie in dieser Zeit die meiste Unterstützung, damit ihren Seelen kein Schaden zugefügt wird. Kinderseelen sind noch so empfindsam, so leicht zu verletzen. Kleinste Dinge, die wir als Erwachsene gar nicht ernst nehmen, oft nicht einmal realisieren, bedeuten für Kinder Welten, können unermesslichen Schaden oder Heil auslösen, je nachdem…“



    Shylah nickte. „Und doch will ich niemandem etwas vorwerfen“, sagte sie langsam. „Ich weiß heute selbst, wie es ist, wenn ein Mensch stirbt. Meine Mutter war nicht in der Lage, sich um mich zu kümmern.“
    „Nein, das war sie nicht, und das darf man ihr auch nicht vorwerfen“, stimmte Alva zu. „Sie war zu sehr mit ihrer eigenen Trauer beschäftigt. Sie hatte nicht die Kraft dazu. Aber wo waren alle anderen Menschen?“
    „Ich war immer alleine, wenn es darauf ankam“, gab Shylah bitter zur Antwort. „Oder zumindest oft und lange.“
    „Aber es gab jemanden, der dir damals dann doch geholfen hat“, sagte Alva und sah Shylah an.
    „Ja“, erwiderte diese. „Ja, irgendwann kam jemand. Aber es war schon zu spät.“



    Shylah schluchzte und schluchzte. Sie konnte nicht aufhören. Einen Moment überlegte sie, wo sie hin sollte. Alles wollte sie, nur nicht zurück zur Kapelle! Sie sah sich ratlos um. Sie kannte sich in der Stadt zwar recht gut aus, aber am Friedhof war sie fast noch nie gewesen. Sie war sich nicht sicher, wie sie von hier aus nach Hause kommen sollte. Abgesehen davon war zu Hause ja niemand, niemand würde sie einlassen. Ihr fiel Christina ein – aber die war ja in der Schule. Und ihre andere Großmutter, Oma Anna? Nein, sie war ja selbst bei der Beerdigung zugegen. Schaudernd musste Shylah feststellen, dass sie nicht wusste, wohin sie gehen sollte.



    Außerdem hielt sie der Gedanke an ihre Eltern zurück. Sie würden sie bestimmt schimpfen, wenn sie jetzt fortrannte. Oder sich sorgen. Aber wo waren sie jetzt in diesem Moment?
    Shylah hatte sich noch nie so alleine gefühlt.

    Wieder begann sie zu schluchzen und schlug die Hände vors Gesicht. Sie fühlte ihren Pullover nass an ihrer Brust kleben, durchweicht von ihren eigenen salzigen Tränen.
    Da hörte sie Schritte den Gehweg entlang kommen.
    „He, Kleines“, sagte eine weiche Stimme, in der eine klare Besorgung mit schwang.
    Sie sah auf.



    „Onkel Günther“, stammelte sie leise. „Ich hab dich gar nicht kommen sehen.“
    Ihr Onkel ging vor ihr in die Hocke, so dass sie ihr Gesicht nach unten wenden musste, um ihn sehen zu können.
    „Na komm“, sagte er aufmunternd, holte ein Taschentuch aus seiner Sakkotasche und reichte es Shylah, so dass diese prustend ihre Nase putzen konnte. „Es wird schon wieder alles gut werden“, sprach er weiter und strich ihr sanft über den Rücken. „Es ist schlimm, einen geliebten Menschen zu verlieren, aber irgendwann, Shylah, wirst du lächeln, wenn du an Oma denkst.“
    „Das ist es nicht“, schniefte Shylah leise und sah ihren Onkel traurig an.
    „Was ist denn dann?“, fragte dieser einfühlsam.



    „Ich… ich…“, Shylah konnte es kaum aussprechen, so sehr graute der Gedanke an das gesehene ihr noch. „Ich… ich…“
    „Sie war im Leichenschauhaus“, hörte sie da eine andere Stimme und als sie aufsah, war ihre Tante Franziska zu ihrem Onkel herangetreten, umarmte diesen kurz und sah Shylah dann an.



    Günther blickte seine Frau fragend an, doch diese gab ihm mit einer kurzen Handbewegung zu verstehen, dass jetzt nicht der Zeitpunkt war, darüber zu sprechen.



    *geht noch weiter*

    Da wurde er dann auch sein geschenk los übrigens... auf dem Rückweg bemerkte er aber offenbar doch, dass es VORDERTÜREN GIBT



    Shylah hat eine sehr reale Begegnung mit ihrer Vergangenheit...




    Und die gute Frau aus der Kirche musste ganz dringend mal, leider gabs aber kein Klo :D


    Shylah war irgendwie langweilig...



    Und dann wollte sie auch noch Blumen gießen (woraufhin direkt mal Unkraut wuchs...)



    das muss echt Spaß gemacht haben... Alva denkt sich ihren Teil...



    Ja... ich weiß, es ist schon fast ein Running Gag!
    Besuch... wer wohl...


    Herr Humble, der ziemlich desorientiert war und statt einfach die Vordertür zu nutzen, erst einmal ums ganze Gebäude latschte




    Vorbei an Shylah und Alva, die er noch nett grüßte...




    Auf der Rückseite ins Gebäude rein




    Auf der Vorderseite wieder raus und durch den ganzen Hof


    @Lidis: He, Du brauchst Dich doch nicht zu entschuldigen! :)
    Ob man Kinder an den offenen Sarg lassen soll oder nicht, da gehen die Diskussionen ja schwer auseinander. Ich bin da auch eher für "Nein!", aber ich habe auch schon gehört, dass die Kinder das oftmals viel natürlicher nehmen als Erwachsene, aber natürlich nur bei entsprechender Vorbereitung und Begleitung durch ihre Eltern oder andere Bezugspersonen.
    Nun, Alexandra und Moritz sind zu verstrickt in ihre Trauer. Devin ist ein Teenager, ich denke, er hat gar nicht so weit gedacht. Er hat sich in seiner eigenen Trauer eben einfach zurück gezogen, und ja auch für sie die Entscheidung getroffen, seine Oma nicht noch einmal zu sehen.
    Dass Shylah mal wieder nur so mitgelaufen ist, ist trotzdem ein Stückweit typisch für die Familie, klar.
    Danke für Deinen Kommi!




    Josijusa
    : Absolut richtig, was Du sagst. Natürlich sind es Altlasten der Eltern, die sie ihren Kindern aufbürden. Womöglich schon selbst mitbekommen haben, ja. Auf der anderen Seite sind wir eben alle nur Menschen. Ich denke, es kommt darauf an, für wen man hier Stellung bezieht ... für Shylah oder für die Eltern. Und ich denke, man kann durchaus beides.
    Alexandra und Moritz haben es nicht einfach. Und der Knackpunkt ist ja gerade der, denn so ist es im Real Life nunmal auch... dass jemand, wie Alexandra, genervt, ständig überfordert, schlecht gelaunt ist, dass es ihr nicht gut geht, muss nicht zwingenderweise immer extreme Gründe zur Folge haben (wobei ich damit nicht sagen will, dass ich das aus deinem Kommi herausgehört hätte, nein, ich meine das allgemeinhin).
    Ich glaube, das ist so ein Glauben, den wir haben. Wenn ich jetzt in die Story etwas schreckliches, das sie einmal erlebt hat, einbauen würden, wäre die Empathie für sie gleich doppelt so hoch. So aber begreift man sie nicht. Abe rmanchmal sind es "nur Kleinigkeiten", die bei einem Menschen die Seele zermürben, zur Depression führen.
    Dass dann das soziale Umfeld unmittelbar leidet, ist klar.
    Ich für mich kann für keine Seite Stellung beziehen. Ich seh es einfach so, hier passiren Fehler, schlimme Fehler. Und Du hast recht, die kleine Seele Shylahs wird hier gequält, immer und immer wieder. Aber ich denke, es passiert nicht aus Absicht und das macht durchaus einen Unterschied.
    Danke für Deinen KOmmi!


    @JaneEyre: Mh, ja, ich habe ja bei Josijusa schon einiges geschrieben zu der Sache, wie Moritz und Alexandra, besonders letztere, sich verhalten. Klar tut man sich darüber aufregen (hei, was für ein Deutsch ;) ), aber irgendwie sind sie halt auch nur Menschen. Und ich denke nicht, dass es irgendeine Elternpaar auf dieser Welt gibt, was nix falsch macht, nur viele nicht so offensichtlich vielleicht... damit will ich nur sagen, ich glaube, es sieht alles oft einfacher aus als es ist.
    Wenn ich bedenke, wie sehr man trauert, wie sehr es einen mitnimmt, so kann ich gut verstehen, dass man dann vielleicht nicht so sehr auf die Kinder eingehen kann, wie das nötig wäre.
    Alexandra geht es sehr schlecht, und gerade anfangs war sie ja sehr einfühlsam mit Shylah, noch zu Hause. Aber irgendwann konnte sie eben nicht mehr.
    Ich denke, Alexandra ist so feritg, dass sie es kaum schafft, sich auf den Beinen zu halten. Ich weiß nicht, ob es nicht wirklich zuviel verlangt ist, dann auch noch die (in deiser Situation sicher nervigen) Fragen ihrer Tochter zu beantworten. Sie ist wohl auch nur ein Mensch.
    DAss man Shylah aber alleine da hinein hat laufen lassen, das ist unverantwortlich gewesen, völlig korrekt!
    Zu dem zitierten Satz, also ich denke, Moritz wich aus, weil Shylah noch mit am Tisch ist und diese nicht so wirklich mitbekommen sollte, wie schlecht es ihrer Mutter geht und was genau mit der ist.
    Darüber erfährt man aber in den kommenden FS auch noch mehr!
    Danke für diesen langen Kommi!



    Nerychan: Dein Kommi find ich toll! Denn er beleuchtet das ganze, so wie ich bereits gesagt habe, auch mal von der anderen Seite.
    Ich denke auch, von außen sieht das alles sehr viel einfacher aus als es ist. Da kann man sehr leicht den Richtspruch zulassen und in schwarz und weiß teilen, das geht jedem so. Aber in echt ist das alles vermutlich nicht so einfach.
    Darum ist es auch gut, mal Alexandras seite zu sehen.
    Wo ich Dir aber recht gebe, ist, dass zu vieles nicht gesehen wird in dieser Familie. Augen werden zugemacht, obwohl es schon so grell ist, dass man gar nicht mehr wegsehen kann...
    Ja, ich kann verstehen, dass das Erinnerungen in Dir hochrief. Wohl bei allen, die schonmal einen geliebten Menschen verloren. Heute wird es leider auch erstmal nicht fröhlicher...
    Was das Geheimnisvolle am Anfang betrifft... ich hab ja nie geschrieben, dass es wirklich so geheimnisvoll ist... die Frage ist, was ist alltäglich und was nicht, was ist geheimnisvoll, was nicht. :)
    Danke für diesen tollen Kommi!!!




    wawuschel:
    Ich finde es echt interessant, wie euch die FS hin- und herreißt. Die einen haben Verständnis, andere fahern aus der Haut. Hat vielleicht auch was mit zu tun, ob man sich selbst eher in der einen oder anderen Rolle sieht.
    Trotzdem find ich es schön, dass Du für Shylah die Sympathie ergreifst und auch als eine der ersten mal richtig siehst, wie schlecht es dem Kind geht. Ich denke auch, genau das braucht sie - dass das jemand sieht und dass sie mal geknuddelt wird, gehalten und beschützt. Doch dafür ist gerade niemand da und zuständig und ich denke, genau DAS ist der Fehler.
    Natürlich müssen Eltern nicht immer alles können und ertragen. Aber irgendwie hätten sie vielleicht organisieren können, dass sich jemand kümmert, an ihrer statt.
    Aber auch das ist hier völlig aus dem Ruder gelaufen. Vielleicht hat man Shylah auch überschätzt, gedacht, sie ist ja schon über 10 und darum kann sie das selbst alles hinkriegen?
    Natürlich wirkt sie noch kleiner auf den Bildern, aber das liegt an den Altersstufen im Spiel.
    Ich freue mich jedenfalls sehr, dass auch DU mitliest, genauso wie bei Nery!!!


    Rivendell: Ja, Du hast recht. Jeder trauert völlig anders.
    ich glaube aber, dass das schlimmste für Shylah nicht war, dass ihre Mutter motzig reagierte auf ihre Fragen. Ich fand das absolut menschlich seitens alexandra. So wie du schreibst, sie hat einen unsagabar schweren Gang vor sich und da kann sie nicht mit ihrem Kind über Trauer oder sonstiges philosophieren. Shylah hat da eben noch nicht das Feingefühl, wann etwas passt und wann nicht. So sind Kinder eben (gottseidank), aber manchmal kann man es nicht kompensieren. Von allen Malen, wo Alexandra motzig war, ist das noch am verständlichsten, finde ich.
    Aber dass sie Shylah in der Kirche so alleine ließen, war natürlich schon nicht der Bringer.
    DAnke auch für Deinen KOmmi!!!



    @ALL: Mann, an dieser FS heute habe ich ewig gesessen. Dabei müsstre ich schon seit 2 Stunden was nderes machen *lach* und das Essen seit ner halben Stunde auf dem Herd sein, aber gut... manchmal sind Opfer von nöten.


    Ich habe heute auch ziemlich viele Outtakes für euch, sozusagen als kleine Auflockerung bei dem schweren Thema, das heute leider erstmal noch genauso weitergeht...

    So saßen beide eine Weile ohne zu sprechen, nur im erfüllenden Genuss der Nähe des anderen versunken.



    „Lass uns den Rest des Tages noch genießen“, sagte Jess dann plötzlich leise. „Ich glaube, wir haben für heute genug Probleme angesprochen.“
    Er sah sie liebevoll an. „Du siehst wunderschön aus, Tessa. Du hast dich so verändert…“
    Er strich ihr sanft durchs Haar. „Deine Haare sind einfach toll. Ich liebe so langes Haar, weißt du.“
    Sie lächelte. „Das wusste ich nicht“, sagte sie dann. „Aber umso besser, dass ich sie hab wachsen lassen, mh?“
    Er lachte leise auf. „Ja, so ist es.“
    Sein Blick wanderte bewundernd über ihre ganze Erscheinung und Tessa genoss es, ihn dabei zu beobachten. Es war für sie noch immer ein ungewohntes Gefühl, von Jess so angesehen zu werden. All die Male, die sie sich früher getroffen hatten, war so etwas wie sexuelle Anziehungskraft nie zwischen ihnen vorhanden gewesen. Zuneigung und Zärtlichkeit, ja… aber nichts darüber hinaus.
    „Noch so ein Punkt, den man anschauen sollte…“, dachte Tessa bei sich, schwieg jedoch. Jess hatte recht, für heute hatten sie genug schwere Dinge angesprochen. Alles zu seiner Zeit.
    Alles Schritt für Schritt.
    Als habe er ihre Gedanken erraten, beugte er sich nach vorne und küsste sie stürmisch, fast so, als beabsichtige er damit, ihr diese Gedanken für einen Moment aus dem Kopf zu drängen… was ihm zugegebenermaßen gut gelang. Tessa dachte nicht mehr nach. Sie ließ sich fallen und spürte, wie in diesem Moment all die Anspannung der letzten Wochen ein großes Stückweit von ihr abzufallen begann.



    Jess hatte recht. Ihr fehlte das Vertrauen, in fast alles. In ihn. In die Zukunft. Wann hatte sie all das verloren? Sie wusste es nicht, doch in diesem Moment spürte sie wieder, wie es sich anfühlen konnte, dieses Vertrauen in sich zu tragen, selbst wenn es sich noch fremd und schwach anfühlte... es war wieder da.
    Die Vögel zwitscherten fröhlich in den Baumwipfeln. Ein sanfter Wind strich ihr durchs Haar. Die Sonne umhüllte sie mit sanfter Wärme und die Düfte der Blumen und Gräser im Garten vermischten sich mit dem Geruch von Jess Körper, als sie beide auf der Bank saßen und sich immer wieder küssten, umarmten und einander ansahen, fast so, als sähen sie das, was sich ihnen da bot, immer wieder zum ersten Mal.
    So neigte sich der Tag langsam dem Ende zu.
    Die Sonne versank allmählich am Horizont, das Vogelgezwitscher wurde leiser.
    Jess und Tessa jedoch blieben im Garten, bis es schließlich dunkel war und Jess Tessa leise zuflüsterte, dass es Zeit würde, sich zu verabschieden.
    Schweren Herzens standen beide auf und schlenderten gemeinsam zum Ausgang, wo sie schweigend voreinander stehen blieben.
    Tessa lächelte schließlich schwer und senkte den Kopf.
    „Ich mag Abschiede nicht“, presste sie hervor. „Die Zeit war viel zu kurz.“



    „Das war sie“, stimmte Jess ihr zu und griff nach ihrer Hand. „Aber in zwei Wochen kannst du mich schon wieder besuchen.“
    „Wieso bin ich heute eigentlich die einzige hier?“, fragte sie und sah sich um. Sie hatte den ganzen Tag niemanden gesehen, der wie Besuch aussah.
    Jess zuckte traurig mit den Schultern. „Nun… viele haben keine Verwandten mehr, die sie besuchen kommen. Oder Freunde. Und wenn es welche gibt, so kommen sie nicht oft hier heraus. Einige waren heute da, aber sie waren drinnen, glaube ich. Es waren aber wenige.“ Er sah sie ernst an. „Viele meiner Mitstreiter kommen wie ich aus sozial schwachen Familien, Tessa. Entweder kümmert sich niemand mehr um sie oder es ist nicht das Geld da, jedes Wochenende so weit hier heraus zu fahren…“
    Tessa schluckte betroffen. Sie stellte es sich furchtbar vor, hier wochenlang alleine zu sein und all das durch zu machen, ohne zu wissen, dass draußen jemand auf einen wartete.
    Jess erriet ihre Gedanken, sagte jedoch nichts dazu und drückte sie nur an sich.
    „Danke, dass du da warst“, flüsterte er leise.
    Noch vor zwei Minuten hätte sie ihn wohl für diese Aussage entrüstet angeschaut, doch nun nickte Tessa nur langsam und küsste ihn sanft.



    „Telefonieren wir?“, sagte sie dann langsam. „Kann ich dich nicht auch anrufen, dann kostet es dich nichts?“
    Jess nickte. „Das geht, aber nur zwischen 16 und 19 Uhr… da haben wir keine Therapiestunden oder sonstiges. Ansonsten rufe ich dich einfach an. Wir erwischen uns schon.“
    „Und heute in zwei Wochen komme ich wieder her“, sagte Tessa langsam.
    Jess strich ihr über den Arm. „Ich freu mich schon.“



    Er warf einen Blick zu dem Gebäude, aus dessen Fenster warmes Licht auf den Gehweg im Garten fiel.
    „Ich muss rein“, sagte er dann. „Es ist schon spät…“
    Tessa nickte tapfer. Er zog sie noch einmal an sich und küsste sie lange.



    „Versprich mir, dass du dir diesmal keine Sorgen machst“, sagte er schnell zu ihr. „Du weißt, es ist alles in Ordnung hier. Vor uns liegt eine aufregende Zeit, weißt du nicht mehr?“
    Tessa nickte. „Doch, das weiß ich. Und ich werde mir keine Sorgen machen, versprochen. Ich weiß ja jetzt, dass es dir hier sehr gut geht. Ich werde dich höchstens ein bisschen vermissen…“
    Jess lächelte. „Das ist erlaubt. Ich muss jetzt los. Bis dann, Tessa…“
    Tessa hob die Hand und winkte ihm zu. „Bis dann, Jess…“
    Und während Jess im Gebäude verschwand, drehte Tessa sich um und ging lächelnd die Straße hinab.
    Über den Garten senkte sich die Stille der Nacht, während sich im Osten ein weiß-gelb schimmernder Vollmond über den sanft hin- und herschwankenden Bäumen erhob.
    Irgendwo begann eine Grille ihr ruhiges Lied zu zierpen.



    Und Tessa lächelte.



    Fortsetzung folgt.

    Kapitel 74
    Vertrauen


    Tessa schluckte. In ihrer Kehle schien ein zentnerschwerer Kloß zu hängen, der sie fast schmerzhaft zusammen zu ziehen begann.
    Da Jess immer noch schwieg, sah sie ihn lange an und fragte dann mit zitternder Stimme:
    „Jess… denkst du etwa… denkst du, es wird nicht funktionieren? Willst du vielleicht… willst du es etwa beenden?“
    Jess fuhr herum und sah sie mit großen Augen an.


    „Was? Beenden… aber… aber nein, Tessa, wie kommst du denn darauf!“, stieß er dann hervor.
    Tessa atmete erleichtert auf und blickte zu Boden.
    „Na, weil du nichts gesagt hast“, stammelte sie dann leise. „Du hast nur gesagt, du hast dir im Krankenhaus auch Gedanken gemacht… und ich dachte, vielleicht bist du nun zu dem Entschluss gekommen, dass es nicht funktionieren kann…“
    Jess griff nach ihrer Hand und schüttelte den Kopf. „Aber nein, Tessa, nein! Wie kommst du nur auf sowas! Ich habe mir im Krankenhaus auch Gedanken gemacht, ja, und ich habe gerade überlegt, wie ich dir das erklären soll, was mir so durch den Kopf gegangen ist. Aber ich würde dich doch nicht verlassen. Wir müssen es doch wenigstens versuchen, ein normales Alltagsleben aufzubauen.“
    Er sah sie liebevoll an. „Ich kann nicht dafür garantieren, dass es klappt, nein. Aber wer kann das schon? Wofür würden wir all das hier denn sonst tun, wenn nicht dafür? Oder zumindest zum Großteil dafür?“
    Er lächelte ihr aufmunternd zu und sie lächelte schwach zurück.


    „Ich… ja, du hast recht“, sagte sie dann langsam. „Aber diese Angst in mir kriege ich nicht zum Schweigen. Unser Leben war bisher so völlig anders… so extrem. Vielleicht brauchen wir diese Extreme… oder ich?“
    Sie sah ihn ängstlich an. Jess erwiderte ihren Blick und bemerkte bestürzt, wie aufgewühlt sie war. „Ach Tessa, komm her!“
    Er zog sie in seine Arme, hob sie dabei fast unmerklich auf seinen Schoss und drückte sie fest an sich. „Du musst Vertrauen haben, in dich und in uns. Ich habe auch Angst, natürlich. Und Zweifel. Aber ich rede viel darüber in den Gruppenstunden, und ich bin guter Dinge, dass es funktionieren wird, wenn wir viel darüber sprechen vorher. Über alles, was wir bisher nicht beachtet haben. Alles, was schief gelaufen ist. Bei mir und auch bei uns. Ich bin es nicht gewohnt, so viel zu reden“, er lachte leicht , „aber ich fürchte, ich muss mich daran gewöhnen:“
    „Denkst du, ich bemuttere dich zu sehr?“, platzte Tessa hervor.
    Amüsiert sah Jess sie an. „Wie kommst du denn darauf?“
    „Ach … nur so“, wich Tessa aus. „Nun sag doch.... ist es so?“
    Jess zuckte mit den Achseln. „Ich würde das nicht bemuttern nennen, schließlich bist du hier nicht mit einem Picknickkorb voll selbstgemachter Hühnerbrühe aufgetaucht.“ Er zwinkerte, wurde dann aber wieder ernst. „Ich denke nur, du machst dir zu viele Sorgen um mich. Ich kann dich ja verstehen, aber deine Sorgen belasten mich.“



    Betroffen blickte Tessa auf ihre Schuhspitzen. „Das tut mir leid. Daran hab ich nie gedacht. Aber ich kann es ja nicht einfach so abstellen, mich um dich zu sorgen.“
    „Das wäre ja auch nicht gut“, erwiderte er dann sanft. „Aber ich hab das Gefühl, es macht dich irre, mich hier allein zu lassen. Die Kontrolle abzugeben oder so, ich bin mir nicht so sicher. Und das belastet mich auch, weil ich weiß, es geht dir schlecht. Sieh mal, Tessa, wieso sehen wir dieses knappe halbe Jahr, das wir noch getrennt vor uns haben, nicht einfach als eine Chance? Eine Chance, uns allmählich aneinander zu gewöhnen. Du kennst mich nur unter Einfluß der Drogen, und ich kenne dich nur in Sorge und Angst. Ich weiß auch nichts von dir, Tessa, wenn es um deinen Alltag geht. Oder nur wenig. Ich habe nie daran teilgenommen. Ich kenne weder deine Freunde, noch deine Familie, noch weiß ich, was genau du in deinem Studium tust… nicht was du gerne isst, was du gerne trinkst. Das möchte ich alles erfahren. Ich bin dir so unendlich nahe, ich liebe dich so innig und schon so lange, aber diese Dinge fehlen mir einfach.“
    Tessa nickte. „Genau das habe ich auch schon gedacht“, sagte sie dann langsam.
    „Ja, nur mit einem Unterschied“, erwiderte Jess nachdenklich. „Ich weiß vieles dieser Dinge bei mir selbst noch nicht. Und ich bin so dankbar um diesen Therapieplatz, weil er mir die Zeit gibt, sie zu erfahren. Müsste ich jetzt schon ins normale Leben, würde ich bestimmt wieder rückfällig werden, trotz allem. Wie soll ich mich da draußen zurecht finden, wenn ich gar nicht genau weiß, wer dieser Jess Berger überhaupt ist?“
    Tessa nickte. „Da hast du recht. So habe ich es noch gar nicht gesehen.“
    Jess lächelte. „Eines weiß ich aber schon über Jess Berger. Und zwar, dass er eine der hübschesten Frauen auf diesem Planeten zur Freundin hat.“
    Tessa lachte leise auf und rieb ihre Stirn an seiner. „Schmeichler!“, murmelte sie.


    Jess lachte auf. „Damit kann ich leben“, erwiderte er und küsste sie sanft. „Weißt du, ich bin hier in den besten Händen. Und ich bin jederzeit erreichbar für dich. Du wirst mich in den ersten Monaten vielleicht nur an den Wochenenden sehen können. Aber so haben wir genug Zeit, uns langsam aneinander zu gewöhnen. Und später kannst du mich sicher auf öfter besuchen, ich denke, das wird wichtig für uns sein. Und was danach kommt, nach der Therapie, ist noch so ungewiss. Ich meine, wir haben noch so viel Zeit, all diese fremden Seiten an uns kennenzulernen, bevor wir im Alltag miteinander leben müssen.“
    Tessa nickte. „Ja, und ich bin gespannt, diesen neuen Jess kennen zu lernen.“ Sie sah ihn liebevoll an. „Und ich muss sagen, er fängt an, mir zu gefallen.“



    Jess lächelte. „Da hab ich ja aber mal Glück gehabt“, sagte er dann zwinkernd. „Wir werden viel zu Reden haben, Tessa. Auch über das Jahr, das zwischen uns liegt. Dieses Jahr, in dem ich dich allein gelassen hab…“
    Seine Miene wurde ernst und fast schmerzlich. Tessa spürte wieder einmal, wie sehr ihn die Vorwürfe über sein unredliches Verhalten an jenem Februartag immer noch zermarterten.
    „Das ist Vergangenheit…“, begann sie sanft, doch Jess schüttelte den Kopf.
    „Nein… oder ja, natürlich ist es das. Aber es ist dennoch wichtig. Ich meine, die Vergangenheit ist wichtig. Wir müssen anfangen, aus ihr zu lernen. Und all die Dinge anzusehen, die da passiert sind.“ Er sah sie ernst an. „Du hast viel durchgemacht. Es kann nicht alles spurlos an dir vorbeigegangen sein. Und je mehr ich dich liebe, desto weniger kann ich begreifen und ertragen, dass ich der Auslöser für alles war.“
    Tessa schüttelte den Kopf. „Ich verstehe dich“, sagte sie dann. „Aber diesmal muss ich dir die Ohren langziehen. Ich denke nämlich, damit fährst du in eine Sackgasse. Nicht damit, die Dinge anzusehen, da hast du natürlich recht. Aber damit, dich heute noch dafür zu belasten, dir Vorwürfe zu machen. Es ist vorbei, wir können es nicht mehr ändern. Wir können nur daraus lernen.“
    Jess sah sie nachdenklich an. „Wie konntest du mir das alles nur verzeihen?“
    „Na, weil ich dich liebe“, erwiderte Tessa schlicht und Jess drückte sie lächelnd an sich.



    „Der Himmel hat es an jenem Tag, als er mich und dich in diesen Supermarkt hat spazieren lassen, sehr gut mit mir gemeint“, murmelte er dann.
    Tessa musste bei der Erinnerung an jenen Tag leise auflachen.
    „Was für eine Geschichte, oder?“, sagte sie dann. Mit einemmal fiel ihr wieder die Begegnung mit der alten Dame ein, der sie das Verfallsdatum auf den Saftpackungen hatte vorlesen müssen.
    „Was diese alte Dame heute wohl dazu sagen würde, wenn sie wüsste, was unmittelbar nach unserer Begegnung geschehen ist?“, sinnierte sie und erfasste mit ihrem Blick einen Ast der Weide über sich, der sich im Wind hin und her wiegte, als wolle er der Sonne zuwinken.
    „Welche Dame?“, fragte Jess verwirrt und Tessa lachte leise auf.
    Sie sah das Bild noch vor sich, als sei es gestern geschehen. Und doch fühlte es sich auf der anderen Seite wieder an, als sei es Jahre, Jahrzehnte, ja – fast Jahrhunderte her.


    In kurzen Worten schilderte Tessa Jess jene Begegnung.
    „Vielleicht hat mir das überhaupt nur erst den Mut verliehen, für dich in die Presche zu springen“, überlegte sie dann lächelnd und spielte gedankenverloren mit einer von Jess´ Haarsträhnen, was dieser grinsend über sich ergehen ließ.
    „Oder es war ihr Segen, der uns den Weg geebnet hat“, meinte er dann langsam.
    „Wie?“
    „Na, du hast doch gesagt, sie wünschte dir am Schluss Gottes Segen.“
    „Hab ich das gesagt?“
    „Sonst wüsste ich es nicht. Und wer weiß… vielleicht war das ja entscheidend für uns. Und ist es heute noch?“
    Tessa lächelte. „Glaubst du an so was? An Gott und an Segnungen?“
    Jess zuckte mit den Schultern. „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unser Verstand für möglich hält, Tessa, oder nicht? Und ja, ich denke, an Segnung glaube ich, weil es mir hilft. In jener Nacht im Krankenhaus hatte ich eine Weile das Gefühl, nicht anwesend zu sein. Irgendwo anders, wo es leicht und warm und gut war. Ich weiß nicht, ob es nur von den Medikamenten kam, oder von dem Halbkoma in dem ich lag. Es ist ja auch egal. Jedenfalls bin ich der Meinung, es gibt da irgendwas, an das es sich zu glauben lohnt. Was auch immer es sein mag. Und wenn wir darauf vertrauen, dass es diesen Segen für uns gibt, welcher Art auch immer er sein mag, dann ist das für uns doch etwas, das Vertrauen schafft, oder nicht?“
    Tessa sah ihn nachdenklich an und verstand, was er meinte. „Du hast recht“, sagte sie dann leise. „Also lass uns daran glauben, dass wir gesegnet sind… mit Glück und mit allem, was wir brauchen, um das durchzustehen, was noch vor uns liegt.“



    Jess nickte und blickte in das Blattwerk, das sich über ihren Köpfen wie ein Baldachin auszubreiten schien.
    Er ließ die Sonne genießerisch in sein Gesicht scheinen und auch Tessa schloss für einen Moment die Augen, legte den Kopf an seiner Schulter ab und schwieg.


    *geht noch weiter*

    @dimidim: Jaaa... :D ich brauche halt den ein oder anderen Cliffhanger, damit ihr schön dabei bleibt, ne? *lach*
    Danke für Deinen Kommi!



    @JaneEyre: Wow, hast Du viel geschrieben! :applaus
    Was Moni angeht: Da gebe ich dir uneinegschränkt recht. Sie hat wirklich einen sehr guten Spürsinn, ist für Tessa oft diejenige, die ihr den Kopf nachhaltig zurecht rücken kann. Und sie ist ja auch schon etwas älter als Tessa... wobei ich mich jetzt blamieren muss, und nicht weiß, wie viel... hab ich das mal irgendwo erwähnt? Hilfe! *lach* Solche Dinge entfallen mir dann leider schnell.


    Was Joshua angeht, so kann ich Deine Skepsis verstehen und sag dazu auch erstmal noch nichts, außer vielleicht, dass es doch auch Menschen geben muss, die ohne Hintergedanken etwas tun... oder gibts die nicht? Ich weiß es selbst nicht genau.
    Jedenfalls ist das, was er jetzt tut, wohl wirklich eher freundschaftlicher Natur. Wie es in ihm aussieht... tja, das bleibt wohl erstmal sein (und mein ;) ) Geheimnis.


    Was Du zu Jess schreibst und dem, wie Tessa sich ändern muss, kann ich voll unterschreiben. Ich denke aber, es liegt nicht nur an ihr, sondern an beiden. Schließlich löste sein Verhalten ja wiederum das ihre aus. Ich denke, sie müssen sich sozusagen völlig neu kalibrieren... wenn das alles klappen soll. Irgendwie denkt man ja, nach allem, was sie durchgstanden haben, muss das doch die leichteste Übung sein. Aber das ist es nicht... ganz und gar nicht. Da wartet noch viel Arbeit und Auf und Ab auf die beiden, das stimmt...


    Danke für diesen riiiesigen Kommi!



    @NinaLove:
    Ja, den Song kenne ich und DU hast recht, er würde gerade gut auf die beiden passen.
    DAss Du diese bestimmte Stelle mit dem Aufschauen beim Abtrocknen zitierst hast, das hat mich unheimlich gefreut, weil ich sie selbst beim Schreiben berührend fand und wenn ich mir das so bildlich vorstelle, finde ich es ganz emotional und Gänsehaut-mäßig.
    Nun, es ist jetzt natürlich schon seltsam für sie, sich wiederzusehen. Allein optisch ist Jess ja schon deutlich verändert. Er hat sechs Wochen hinter sich, die ganz intensiv waren. Da hat er sich verändert. Und Tessa hat daran nicht teilgenommen. Diese Befremdung ist dann natürlich schnell da. Nur ob sie anhalten wird, das kommt nun wohl auf die beiden an, auf Dauer gesehen. So wie ich bei Jane schon schrieb, ich glaube, sie müssen sich ganz neu einstellen, ihre Beziehung, ihr Verhältnis. Es ist ein komplett neuer Anfang, was diese Fremde auch erklären kann.
    Danke für Deinen tollen Kommi!!!


    Anjasachsen: Mh, ich nehme jetzt einfach mal an, dass Du noch bei einer ganz anderen, viel viel früheren Stelle dieser Story bist und den Kommi darauf bezogen hast! :)
    Auf jeden Fall freut es mich, dass Du mitliest und es Dir gefällt!!!

    Liebe Llyn,


    ich fand diese FS ganz toll! Die arme Lina, dass es sie so einfach auf dem Markt mit der Magie erwischt hat. Aber ob die Schwäche davon kam, dass sie das unterdrückt hat oder wirklich von der Magie?


    Auf jeden Fall jagt mir ihre Vision eine Gänsehaut über den Rücken. Das dazu passende Bild hast Du ganz toll hinbekommen. Es verdeutlicht so richtig Angst, Finsternis, Panik.


    Die Räuber werden mir übrigens von Mal zu Mal sympathischer. Ich schwanke noch hin und her, wem ich tiefere Gefühle für Lina zutraue, denn ich gehe fest davon aus, dass da mit einem so etwas drin sein könnte.


    Jacbob ist ja sehr besorgt um sie, er war es auch, der sie den ganzen Weg trug, während sie ohnmächtig war. Aber Jacob wirkt auf mich irgendwie so... ich weiß nicht, nicht wirklich masculin genug dafür. Ich traue das immer noch eher Richard zu.


    Bei Henry hab ich ein bißchen Bedenken. Der scheint mir Lina immer noch nicht zu mögen. Was ist mit dem los? Ist er eifersüchtig auf die Vorrangstellung, die sie eingenommen hat? Oder ist er einfach so ein Irrkop? Ich hoffe, der macht nicht noch Ärger, rechne aber schon ein bißchen damit. Er hat für mich die perfekte Rolle, um eines Tages noch zum Verräter zu werden.


    Lina selbst wirkt auf mich immer noch ein bißchen unreif, fast wie ein Kind. Adera hat es mit ihrer gestrengen Erziehung zwar gut gemeint, aber sie hat doch noch vieles verpasst an ihr. Sie ist wohl einfach zu früh gestorben, kann man sagen.


    So, jetzt bin ich mal gespannt, wie es weitergeht und auch, wie es Elias inzwischen geht.


    Die Outtakes fand ich übrigens zum Schießen!

    Oh, schön, eine Fortsetzung! :applaus



    Mh, Eric beschäftigt das alles also nach wie vor noch sehr. Aber bei Regula beißt er auf Granit. Und weißt Du was? Irgendwie bewundere ich sie dafür und ich finde es toll, wie sie trotz ihrer Schwäche darüber stehen, so klar zu Clemens halten kann... ob er es nun "verdient" oder nicht.


    Und irgendwie hat sie ja auch nicht ganz unrecht. Klar, es war nicht richtig, sie zu hintergehen. Aber ich glaube, für sich und auf seinen Charakter, seine Fähigkeiten, seine Art gemünzt, tut Clemens wirklich, was ihm möglich ist, um seine Familie intakt zu halten. Auch wenn Eric es nicht sehen kann, wie sehr sein Vater seine Familie, seine Frau, sein Leben wertschätzt, liebt. Natürlich wirkt es auf Eric nach wie vor als der absolute Vertrauensbruch, das schlimmste, was man tun kann, dieser Betrug.


    Aber er war eben noch ein Teenager. Er hatte noch andere Wertvorstellungen, andere Ansichten. Für ihn war das wahrscheinlich ein kleiner oder sogar großer Weltzusammenbruch.


    Damit will ich nicht sagen, dass ich Betrügen gutheiße. Ich weiß selbst nicht, ob ich jemals sowas verzeihen könnte. Auf der anderen seite sind wir eben alle nur Menschen. Mh, ich will keine Grundsatzdiskussion aufwerfen, ob unsere Vorstellung der absoluten Monogamie, die wir in unseren Regionen haben, sinnig ist oder nicht. Vor allem, da ich ja selbst so denke. Aber ich glaube trotzdem, dass der Rückschluss "sexuell mit jemandem anderen aktiv sein --> den eigentlichen Partner nicht genug lieben" so nicht einfach stehen bleiben kann, jedenfalls nicht in allen Fällen.


    Und so sehe ich es auch bei Clemens. Ich glaube, der ist einfach so ein Typ, der Abwechslung sucht, braucht. Er kann nicht treu sein, aber das bedeutet nicht auch gleichzeitig, dass er seine Familie nicht liebt und schätzt.


    Aber ich könnte das an Erics Stelle auch nicht so sehen. Dass Regula, als verletzte, betrogene Ehefrau sich dennoch auf diesen Punkt stellen kann, ist entweder wirklich ein Zeichen von Größe oder von Verdrängung. Da bin ich noch nicht so ganz sicher.


    Nun mal zurück zu Sophia und Tunichtgut McHoffmann :D


    Tja, die arme Sophia. Herr Hoffmann sinkt in meinem Ansehen immer mehr. Allerdings muss ich etwas zu meinem letzten Kommi anfügen. Mir ist auch erst danach wieder eingefallen, dass seine Mutter gegenüber Sophia mal etwas von einer früheren Frau, die Sophia offenbar ähnlich sieht, erwähnt hat.


    Ob Du uns da nun eine falsche Finte gestreut hast oder nicht, ist natürlich fraglich. Vielleicht waren es auch nur die verworrenen Gedanken einer senilen Frau? Aber evtl ist diese Ähnlichkeit ja tatsächlich der Auslöser für Hr. Hoffmanns Schwäche in der vorhergegangenen Nacht. Und es ist nicht nur Schmeichelei und Der Reiz der Jugend, der ihn zu dieser Dummheit verleitet hat.


    Sondern vielleicht auch wirklich eine Art Sehnsucht, weil Sophia einer Frau aus seinem früheren Leben ähnelt?


    Dass er Sophia wirklich liebt, das glaube ich aber trotzdem nicht. Nicht SOPHIA als SOPHIA. Vielleicht das, was sie für ihn bedeutet. Das, woran sie ihn erinnert, was sie in ihm wachruft. Aber wirklich Sophia Winter, eine 18jährige Schülerin... nein, das glaube ich einfach nicht. Und nicht, weil es meine Moralvorstellungen heftig ankratzt, dies zu glauben.
    Nein, ich denke es einfach aus dem Verhalten, das er vorher zeigte, nicht. Und aus dem Bauch raus ;)


    Sophia selbst tut mir heute irgendwie leid. Ich finde es blöd von Hr. Hoffmann, sie jetzt so links liegen zu lassen. Er muss sich doch im klaren sein, wie furchtbar und verletzend das für sie sein muss. Da ich mir noch nicht über seine Gefühle im klaren bin, muss ich so hart sein. Das hat auch ein bißchen mit Deiner Schreibweise zu tun, Jane. Das ist keine Kritik, sondern ich will damit nur sagen, dass Du uns ja ganz klar durch Sophias Augen schauen lässt und wir Hr. Hoffmann kein Stückweit beurteilen können. Wenn ich wüsste, was ihn zu alledem bewegt, würde ich vielleicht anders reden.


    Wenn er wirklich eine schmerzlich-sehnsüchtige Empfindung mit Sophia verbindet, dann tut er mir in der jetzigen Situation leid. Denn ich könnte mir dann durchaus vorstellen, dass er im Nachhinein die ganze Situation richtig erfasst, dass er sich Vorwürfe macht, dass er vielleicht sogar verzweifelt ist und darum auf ganz klaren Abstand geht.


    Trotzdem find ich es immer noch nicht richtig, auch wenn ich ihm all diese Mitleidspunkte zugestehen würde. Sophia ist erst 18. Sie ist völlig in ihn vernarrt, und nach der letzten NAcht dürfte selbst ihm das klar geworden sein. Dass er ihr damit sehr weh tut, sie aufwühlt, das müsste doch klar sein. Natürlich will ich nicht sagen, dass er ihr knutschend um den Hals hätte fallen sollen *lach* aber er hätte sie doch wenigstens normal behandeln können, statt sie ernsthaft zu ignorieren.


    Oder haben wir es hier mit Sophias verzerrtem Blickwinkel zu tun und er hat sie gar nicht wirklich ignoreirt, es kam ihr nur so vor?


    Dani - er ist ein armer Tropf, nach wie vor und im Bezug auf ihn ist Sophia eine dumme Pute. Ok, soviel zu dem, was ich denke, wenn ich nicht über den Tellerrand schaue. Tu ich das jedoch, dann kann ich sie erneut ein Stückweit verstehen. Sie will ihn nicht verletzten, und es gehört Mut dazu, jemanden die Wahrheit zu sagen. Mal abgesehen davon, dass die volle Wahrheit zu gestehen eher gar nicht machbar wäre. Sie würde sich und hr. Hoffmann in viel zu große Gefahr bringen. Wer weiß, was ein geknickter, verletzter, gekränkter Dani machen würde? Er wäre sicher nicht Geheimniswahrer des Monats, um es mal salopp zu sagen.


    Juana... tja, ich fand es sehr bezeichnend, wie sie Sophia aufzog mit Danis angeblicher Flirterei. Ich bin mir sicher, sie wollte damit testen, wie Sophia reagiert. Aber ob diese den Test bestanden hat?


    Das letzte Foto in diesem Dreier-Gespräch finde ich übrigens toll. Es drückt super aus, was Juana sich in dem Moment denken könnte.


    Enrica... die find ich in dieser FS ausnahmsweise mal superdoof. Die ganze Zeit mochte ich sie ja sehr, weil sie Sophia immer wieder den Kopf zurecht gerückt hat. Aber nun find ich ihre Reaktion total bekloppt. Ich finde nicht, dass man Sophia einen Vorwurf machen soll. Überdies hinaus denke ich für mich, dass Enrica irgendwie in dem Fall wohl hinter dem Mond zu wohnen scheint. Ich meine, Sophia labert die ärmste doch schon seit ewigen Zeiten über ihre Schwärmerei für den Lehrer vor. Was denkt Enrica denn, was passieren wird, wenn Sophia ihn alleine erwischt und er sich ihr sogar zugetan zeigt?


    All die Zeit, als Hr. Hoffmann reserviert und distanziert war, hat Sophia doch nichtmal Vernunft angenommen, hat weiter versucht, ihn zu betören, hat weiter gehofft, sich ihrem Hirngespinst hingegeben, das sich letztlich als gar nicht so hingespinstig herausstellte.


    Was erwartet Enrica also von ihr? Dass sie nach 6 Monaten irrationaler Schwärmerei aufeinmal zur vernunft kommt, wenn die Schwärmerei auf einmal REAL wird, wenn ihr Angebeteter, von dem man immer dachte, er würde ihr nie entgegenkommen, genau das tut... soll sie ihn dann von sich stoßen, zur Vernunft kommen, ihm am besten noch die Leviten lesen?


    Also, ich frage mich echt, was Enrica da von Sophia erwartet hätte. Dass sie sich nicht unbedingt für ihre Freundin freut, kann ich verstehen. Schließlich mach das die ganze Sache noch schlimmer. Aber statt Verachtung hätte sie vernünftig mit ihr reden, ihr klarmachen sollen, wie schlimm das ganze für alle enden könnte. Ich meine, gerade wenn Sophia Hr. Hoffmann so liebt, wie sie sagt, sollte sie ihm doch nicht diese ganzen Schwierigkeiten wünschen, die eine Affäre mit einer Schülerin normalerweise für einen Lehrer mit sich ziehen können, oder?


    Also, nein, Enricas Verhalten ist für mich völlig daneben!


    Sophia tut mir also heute echt leid. Zurückgestoßen von Hr. Hoffmann, verwirrt, verängstigt, verunsichert, mit schlechtem Gewissen wegen Dani und von ihrer besten Freundin verachtet - das ist echt nicht einfach.


    Nun noch was zu den Bildern - Jane, die sind wie immer traumhaft. Du bist so gut darin, auch auf kleine Details zu achten und ich frage mich immer wieder, wie Du die störischen Sims und das unflexible Gefüge von EA dazu bringst, diese Dinge auszuspucken? Beispielsweise die Espressotassen auf dem Café Tisch???? Normalerweise stellen Sims die doch nur blödsinnigerweise auf Nachttische oder Schreibtische und wenn es an denen mangelt, auf den Boden. Dann auch noch 2 auf einen Platz.


    Das ist einfach genial!


    Des Weiteren finde ich, es ist Dir einfach fantastisch gelungen, anhand der Bilder von Wuthering Heights den Unterschied zwischen der Nacht und diesem Morgen darzustellen. Während die Ruine in der NAcht romantisch, mystisch, geheimnisvoll und toll wirkte, wirkt sie am Morgen bedrückend, leer, kahl... depressing, wie der Engländer sagen würde.


    Das spiegelt für mich gut das wieder, wie Sophia es empfinden muss.



    So, nun aber genug. Irgendwie will ich immer nur einen kurzen Kommi schreiben und es wird zu Fortsetzungsromanen!

    Dachte er genauso? Oder hatte er gar schon für sich entschieden, dass es zwischen ihnen nicht funktionieren würde?
    Mit einemmal durchlief es Tessa eiskalt.
    Jess hatte viele Wochen Zeit gehabt, um nachzudenken. Er war so anders. Er schien ihr eben noch so fremd.
    Was, wenn er für sich entschieden hatte, dass sein Leben nach dem Entzug ohne sie weitergehen sollte?
    Wieso schwieg er so lange? Wieso sagte er nichts?
    Tessa meinte, ihr Herz aussetzen zu hören.
    Was, wenn Jess sich von ihr trennen wollte?



    In den Bäumen über ihr erhob sich ein kleines Vögelchen und segelte über ihre Köpfe hinweg in Richtung Wald. Die Bäume wiegten sich sanft im Wind und der Geruch des violetten Flieders hing schwer in der Luft.
    Fing ihr neues, gemeinsames Leben nicht gerade erst an? Oder war dies etwas das Ende, nach allem was sie durchgestanden hatten?





    Fortsetzung folgt.

    Sie sah ihn ernst an. Er richtete sich wieder auf und blickte ihr ins Gesicht.
    „Tessa… das denkst du doch nicht wirklich?“
    Tessa schluckte. „Nun… ich mach mir einfach Sorgen, Jess…“



    Jess schüttelte den Kopf.
    „Tessa, aber das brauchst du nicht. Es geht mir gut. Natürlich nicht immer. Aber alles läuft viel besser als ich es je erwartet hätte. Das schlimmste habe ich hinter mir… jetzt geht es darum, zu lernen, auch im Alltag mit der Sucht umzugehen. Aber du brauchst dich nicht immer um mich sorgen, Tessa. Wirklich, mir geht’s gut. Viel mehr denke ich an dich.“
    Er sah sie ernst an.



    Tessa nickte. Noch vor wenigen Wochen hätte sie wohl protestierend Einwand erhoben, doch nachdem sie die letzten Wochen so viel über das, was Monika ihr gesagt hatte, nachdenken musste, war ihr klar, dass Jess sich auch um sie sorgte – und das auch durfte.
    „Ich komme auch gut klar“, erwiderte sie dann. „Du fehlst mir sehr, das ist klar. Aber… nun ja… ich meine, wir… wir hatten ja auch vorher nie … viel Zeit… du weißt schon, was ich meine…“



    Jess nickte. „Ja, Tessa, das stimmt. Und du brauchst dich nicht dafür schämen, das zu sagen.“ Er sah sie offen an. „Wir sollten endlich damit anfangen, die Dinge beim Namen zu nennen, findest du nicht? Das ist etwas, das mit durch die Therapie hier langsam klar wird. Es ist für uns ganz wichtig, uns nichts mehr vor zu machen. Auch für später. Ich muss das lernen… und…“
    Er sah sie sanft an. „Ich glaube, du auch…“
    Tessa sah ihn irritiert an. „Was meinst du damit?“



    „Nun, ich will damit nur sagen…“, begann Jess langsam und suchte nach Worten. „Ich meine… Tessa, all die Zeit, in der wir zusammen waren… denkst du nicht auch, wir haben viel falsch gemacht?“
    Tessa sah ihn einen Moment schweigend an. „Ich weiß nicht… wir haben sicher nicht alles richtig gemacht“, gab sie dann zu. „Aber denkst du, all das war falsch?“
    Jess schüttelte den Kopf. „Nein, das mein ich nicht. Ich… wie soll ich das am besten erklären…“, suchte er nach Worten.



    „Ich meine damit… wir beide haben nie offen über mein Problem gesprochen, oder? Ich glaube, unser offenstes Gespräch war noch jenes damals, als wir uns kennen lernten, in dem Café, als du diesen Artikel schriebst. Danach haben wir das Thema eigentlich immer totgeschwiegen…“
    „Du hast es totgeschwiegen“, sagte Tessa leise. „Darum hab ich es irgendwann auch getan…“ Sie sah ihn traurig an. „Ich will damit nicht sagen, dass ich keine Schuld hatte, bitte versteh das nicht falsch.“
    Jess lächelte sie sanft an. „Das tu ich nicht. Du hast recht. Ich wollte dich damals vor allem schützen, und ich war ein Idiot. Vielleicht… vielleicht hab ich tief in mir nie daran geglaubt, dass das zwischen uns halten wird. Ich fürchte, ich war tief in mir überzeugt davon, dass du mich auch irgendwann verlassen wirst. So wie alle bis dahin. Darum dachte ich nie, dass die Bombe irgendwann platzt. Oder dass du dazu lang genug in meinem Leben bist.“



    Tessa sah ihn erschrocken an. „Das hast du gedacht? Dass ich dich verlasse…?“
    Jess zuckte hilflos mit den Schultern. „Nicht direkt. Aber irgendwie hab ich das in mir drin, tief in mir, wohl angenommen, ja…“
    Einen Moment schwiegen beide und starrten auf die Grashalme unter ihren Füßen, dann sagte Tessa langsam: „Aber ich wollte es tief in mir wohl auch nie wissen… was mit dir ist, meine ich. Ich habe zwar darüber nachgedacht, aber ich fürchte, tief in mir hoffte ich irgendwie, dass irgendwann alles gut wird.“ Sie seufzte und schüttelte den Kopf. „Mir war nicht bewusst, dass das nicht so einfach geht. Mein Leben war immer einfach gewesen. Oder nun… vielleicht nicht einfach, aber ich bin so groß geworden, dass ich dachte, es gibt für alles eine Lösung und zwar eine sehr direkte. So wie in der Mathematik, einfache Gleichungen, und wenn man sie einmal begreift, kann man sie schnell durch rechnen. Ich dachte, wenn ich mich nur anstrenge, und daran glaube, dann wird alles gut. Ich war mir nie klar, dass das nie so einfach gehen wird.“
    Sie lächelte schmerzlich. „Ich fürchte, ich habe tief in mir, naiv wie ich war, daran geglaubt, dass du eines Tages zu mir kommst und mir sagst, du hast damit aufgehört… einfach so. Naja … oder zumindest so ähnlich. Schön blöd, nicht?“
    Sie schielte ihn von der Seite an. Jess schüttelte nachdenklich den Kopf.



    „Nein, nicht blöd. Normal, denke ich. Ich meine, vergiss nicht, wie du aufgewachsen bist… von dir wurde alles ferngehalten und eigentlich ist das ein Geschenk“, antwortete er dann. „Mach dir deswegen keinen Vorwurf.“
    Sie schwiegen wieder einen Moment, dann sagte Tessa langsam: „Jess… ich… ich…“
    Er sah sie offen an. „Was, Tessa?“
    „Ich habe Angst“, platzte es dann aus ihr heraus. „Ich… ich habe Angst, dass es nicht funktionieren wird…“, fügte sie leiser hinzu. „Mit uns, meine ich… wenn du… wenn alles mit dir okay ist… und alles so anders als vorher. Ich meine… nicht weil ich dich dann nicht mehr liebe, nein… nur weil… unser Leben nie normal war… und… ach, es ist so verworren.“
    Jess sah sie eine Weile schweigend an und sagte dann: „Darüber hab ich auch schon nachgedacht. Schon im Krankenhaus“, erwiderte er dann langsam und starrte die weiße Steinwand des Hauses an.



    Tessa sah ihn überrascht an, sagte aber nichts.
    Da er eine Weile nichts sagte, schluckte sie und starrte ebenfalls vor sich hin. In ihrem Kopf purzelten die Gedanken wie PingPong-Bälle durcheinander.




    *geht noch weiter*

    Kapitel 73
    Tief in mir


    Tessa stieg aus ihrem Wagen und atmete die Luft tief ein. Für einen Moment schloss sie genießerisch die Augen und spürte die wärmende Sonne auf ihrem Gesicht.
    Die Luft war warm, die Sonne schien mit voller Kraft.
    Langsam ging sie den Gehweh entlang und betrachtete mit halb zusammengekniffenen Augen, welche die Sonne blendete, das weiß gekachelte Gebäude, das vor ihr aufstieg.
    Vor dem Eingang zum Garten blieb sie stehen und sah sich um. Seit sie das letzte Mal hier gewesen war, waren sechs Wochen vergangen. An nichts und niemanden waren diese Wochen spurlos vorüber gegangen, und der Garten, der sich damals, als sie Jess hier mit bangem Herzen zurück gelassen hatte, noch kahl und rau präsentieren musste, hatte sich unter der wärmenden Sonne entfaltet und war aufgeblüht. Tessa flog ein Lächeln übers Gesicht und langsam ging sie auf die Tür zu. Jess hatte eigentlich hier draußen auf sie warten wollen, doch sie war einige Minuten zu früh.


    Unsicher öffnete sie darum die Tür zum Vorraum und stellte überrascht fest, dass dieser leer war. Sie hatte eigentlich gedacht, heute, am offiziellen Besuchstag, sei hier die Hölle los. Doch es war ruhig und still. Einen Moment stand sie unbeweglich auf einer Stelle und fühlte sich nicht ganz wohl in ihrer Haut, kam sich fast wie ein Eindringling vor.
    In der Küche hörte sie das Geklapper von Geschirr, weshalb sie sich langsam nach vorne wagte und in den hellen und gemütlichen Raum spähte.
    Ein Grinsen flog über ihr Gesicht, als sie Jess´ vertraute Stimme hörte und ihn gleich darauf am Waschbecken entdeckte, wo er an die Arbeitsplatte gelehnt stand und mit einem grün-rot karierten Handruch einen Topf abrubbelte, während er sich mit einer Frau, die bis zu den Ellbogen im schaumigen Wasser verschwunden war, unterhielt.
    Als habe er ihre Anwesenheit gespürt, stockte er auf einmal in seinem Gespräch, ließ das Handtuch sinken und sah auf.
    „Tessa!“, rief er erfreut aus, murmelte kurz etwas zu der Frau am Waschbecken, die daraufhin nur lachend sagte: „Geh schon, ich trocken den Rest ab“. Daraufhin legte er das Handtuch beiseite und kam schnellen Schrittes in den Vorraum geeilt.
    Für einen winzigen Moment blieben beide unschlüssig voreinander stehen und starrten sich nur an. Tessa spürte ihr Herz bis zum Halse schlagen, als sie Jess musterte, doch sie wagte es nicht, sich zu rühren. Der Moment war einzigartig - und doch seltsam befremdlich.
    Schließlich war Jess es, der sich aus der Starre löste und sie lächelnd in seine Arme zog.
    „Ach, es tut so gut, dass du da bist“, murmelte er in ihr Haar und sie sog seinen Duft tief ein. Er hielt sie ein Stück von sich und sagte dann: „Gut schaust du aus, Tessa.“
    „Und du erst“, erwiderte sie wahrheitsgemäß.


    Er lächelte und küsste sie statt einer Antwort.
    „Wollen wir nach draußen gehen?“, fragte er dann. „Es ist so herrliches Wetter und da sind wir ungestörter.“



    Tessa nickte und löste sich aus seiner Umarmung.
    Jess öffnete eine der großen Flügeltüren und trat mit ihr hinaus in die warme Maisonne.
    Er sog die Luft ebenso wie sie es eben getan hatte tief ein und lächelte sie dann an.
    „Lass uns doch ein Stück gehen“, schlug er vor und deutete in Richtung des hinteren Gartenteils.
    Tessa nickte und musterte Jess langsam. Sie musste feststellen, dass sie ihn kaum wieder erkannte. Man sah ihm kaum etwas davon an, was er in den vergangenen Wochen durchgemacht haben musste. Nein, vielmehr sah er frischer und besser aus denn je. In der engen Jeans, die sie ihm noch vor Beginn des Entzugs gekauft hatten, wirkte er ungewohnt maskulin, der dünne, eng anliegende Pullover betonte dies noch viel mehr.
    Tessa schluckte und spürte eine seltsames Gefühl von Befremdung in sich aufsteigen, als sie ihn so da stehen sah. Das war nicht der Jess, den sie kannte. Er schien ihr ein völlig fremder Mann zu sein…
    „Was ist los?“, fragte Jess lächelnd.
    „Nichts“, erwiderte Tessa rasch und fast etwa ruppig, drehte sich um und ging den schmalen Weg in den Garten entlang, während Jess ihr schweigend folgte.


    Sie fühlte sich mit einemmal nervös und unsicher, so hatte sie sich noch nie in seiner Anwesenheit gefühlt.
    Tessa verharrte vor dem großen Swimmingpool im Garten und betrachtete nachdenklich die weißen Liegestühle.
    War es genau das, was Monika ihr prophezeit hatte… nur viel schlimmer? Nun, da Jess nicht mehr der Jess war, den sie kannte, erschien er ihr fremd… anders… seltsam.
    Was war nur los mit ihr? Sie hatte diesen Tag all die Jahre herbei gesehnt und nun… übertraf Jess mit seiner Entwicklung all ihre Erwartungen, und statt sich zu freuen, fühlte sie sich dabei unbehaglich.
    „Tessa?“
    Jess sah sie aufmerksam an. „Was ist los?“



    Tessa zuckte ausweichend mit den Achseln. „Ach, ich weiß nicht… ich…“
    Sie wusste nicht recht, was sie sagen sollte, darum schwieg sie.
    „Ich bin froh, dass du hier bist“, sagte Jess statt einer Antwort direkt. „Du hast mir gefehlt.“
    Tessa lächelte schwach. „Du mir doch auch“, murmelte sie dann, starrte aber weiterhin auf das blaue Wasser des Pools, in dem sich die saftig grünen Blätter der Bäume spiegelten und das sich unter dem ein oder anderen Windstoß sanft kräuselte.
    „Tessa, es ist okay, wenn das alles etwas ungewohnt für dich ist…“, sagte Jess da neben ihr sanft. Sie sah ihn überrascht an.
    „Wie… was meinst du...?“
    Jess lächelte. „Nun, ich muss dir ziemlich verändert vorkommen. Ich fühle mich selbst ja völlig anders… wir haben uns sechs Wochen nicht gesehen, und in denen ist viel passiert. Dass das komisch ist, ist doch ganz normal.“
    Er legte sanft den Zeigefinger unter ihr Kinn und stupste sie an der Nase, so dass sie lächelte.


    „Du bist wirklich anders“, gab sie dann zu. „Ich erkenne dich kaum wieder. Und das… das fühlt sich irgendwie seltsam an.“
    Jess nickte. „Ja, das glaube ich dir, Tessa. Mir ging es ähnlich, als ich dich vor einigen Wochen wiedersah. Du warst nicht mehr diejenige, die ich damals verlassen musste…“
    Sie sah ihn überrascht an. „Du hast nie etwas gesagt.“
    Er zuckte mit den Achseln. „Ich weiß… irgendwie dachte ich, das Gefühl sei nicht richtig. Aber inzwischen denke ich, es ist ganz normal, so zu empfinden. Und für dich muss es noch extremer sein jetzt, nehme ich an.“
    Tessa nickte langsam. „Ja, es ist komisch… ich meine… nun, das heißt nicht, dass ich mich nicht freue, Jess!“, beteuerte sie schnell. „Nur… du wirkst so… stark… so… bei dir. So kenne ich dich nicht.“
    Jess strich sich die Haare aus der Stirn und richtete seinen Blick auf die sich im Wind sanft hin und her wiegenden buschigen Baumwipfel des Waldes, den man auf der anderen Straßenseite erkennen konnte.
    „Nun, das liegt wohl daran, dass ich zum ersten Mal seit Jahren wieder bei mir bin… und nicht gesteuert von irgendeinem Mist, der durch meine Adern fließt…“
    Er sah Tessa wieder an und lächelte ihr zu.



    „Daran muss ich mich selbst auch erstmal gewöhnen.“
    Tessa lächelte zurück und spürte, wie die Befangenheit allmählich nach ließ, auch wenn sie sich nicht ganz vertreiben ließ. Sie spürte Jess ´ Hand an der ihren und griff bereitwillig danach. Gemeinsam schlenderten sie schweigend ein Weilchen durch den von schweren Düften und bunten Farben erfüllten Garten, bis sie sich schließlich auf einer der Bänke niederließen.
    „Mensch, ich hab einen Stein im Schuh“, schimpfte Jess und beugte sich nach vorne, um das Dilemma zu entfernen.



    Tessa sah ihm schweigend zu und sagte dann irgendwann: „Geht´s dir wirklich gut, Jess? Oder … willst du mich nur nicht belasten?“





    *geht noch weiter*

    @NinaLove: Ich bin wie Du siehst nicht immer so schnell :)
    Ja, Jess ist sehr feinfühlig, und das merkt tessa jezt auch wieder. Das war ja auch einer der Gründe, weshalb sie sich damals in ihn verliebt hatte. Ich fürchte nur, all die Angst, die Probleme und die Traurigkeit haben das zugeschüttet. Vielleicht kann sie es jetzt ja wieder finden... naja... vielleicht.
    Und was Joshua angeht, ich denke auch nicht, dass er die Gefühle so total abschalten kann. Auf der anderen Seite sind seit dem Gespräch im Friends ja auch schon wieder gute zwei Monate vergangen, und er hatte nun also einiges an Zeit, um sich klar zu werden und seine Gefühle neu zu ordnen. Und letztlich weiß er die Wahrheit eigentlich schon seit langem, schon seit dem Herbst. Vielleicht musste er nur mal aus seinen Hoffnungen gerissen werden.
    Danke für Deinen lieben Kommi!




    @LLyn: Boah, was für ein riesiger Kommi! :eek: Wow!
    Ja, Du hast recht, es ist die Hölle, wenn es dem geliebten Menschen so mies geht und man kann ihn weder sehen noch hören, nichts für ihn tun. Das fällt Tessa natürlich wahnsinnig schwer.
    Und was Moni angeht, von der sind alle begeistert :D Ich wünschte, so eine freundin hätte jeder und vermutlich erfülle ich mir da auch einen geheimen Wunschtraum mit dieser Person *lach*, aber lass Dir gesagt sein, auch Ikonen blättern irgendwann mal ab und die sauberste Weste kann schmutzig werden... damit meine ich, auch Moni hat natürlich ihre Fehler, auch wenn die gerade nicht so deutlich werden *lach*
    Auf jeden Fall gut, dass Tessa sie hat und dass die sie immer wieder auf den Boden der Tatsachen bringen kann, ohne tantenhaft zu reden oder wirken :)
    Was Joshua angeht, so denke ich, das Verhältnis entspannt sich allmählich wieder, ist ja auch einiges an Zeit vergangen schon wieder...
    Danke für diesen Mega Kommi!

    Na, jetzt bin ich aber mal richtig gespannt, was Xio erzählen wird... wie ist ihr die Flucht gelungen, wie ist sie hierher gekommen und was ist ihr Ansinnen? Ich meine, geht sie danach wieder, wollte sie Venus nur einmal sehen? Sie kann ja nicht einfach so hier bleiben... und hat sie vielleicht jemanden damit auf Venus aufmerksam gemacht? Hm.... alles sehr spannend und verworren!!!


    Die Bilder sind wie immer toll und auch mir sind Xios geniale Stiefel aufgefallen :D


    Bin gespannt, wie es weitergeht!

    Boah, liebe Nery, ich ziehe echt meinen Hut vor Dir! Von den ganzen vielen (so wunderbar authentisch und mysteriös klingenden) Namen wird mir ja ganz schummrig, dass Du das noch auseinanderhalten und vor allem so was ERFINDFEN kannst, ist echt bewundernswert.


    Dann Deine Bilder - ich muss Dir ein riesiges Lob dafür aussprechen. Was müssen da für Stunden an Arbeit dahinter stecken, alle Sims so zu arrangieren, aber auch all das authentische für die Epoche so typische herunterzuladen, Du hast das vortrefflich hinbekommen, wirklich ! :applaus



    Die Geschichte selbst finde ich wieder mal sehr spannend, verworren und offenbar tiefsinnig. Es geht also um einen Fluch, der auf den Ravendales lastet... mh... ich fürchte trotzdem, dass Patrick seiner Tante nicht glauben wird.


    Lady Alice finde ich sehr hübsch übrigens und die Episode mit ihrer Morgentoilette fand ich einfach sagenhaft gut! Das hast Du so toll beschrieben, genauso wie man es aus alten Büchern und Filmen kennt.


    Überhaupt erkenne ich deutlich, dass Du Dich offenbar mit dieser Epoche gut auskennst, an kleinen Details, wie beispielsweise dem Klavierspiel von Alice - etwas, das in diesen Zeiten für Frauen ja total modern war.


    Ich bin gespannt, wie es weitergeht und genieße Deine FS wirklich in vollen Zügen!