„Ich habe ihm direkt angesehen, dass etwas nicht stimmte… ich wollte ihn nicht gehenlassen. Irgendetwas sagte mir damals wohl schon, dass er für mein Leben eine große Bedeutung haben würde. Wir haben uns näher kennengelernt… und waren lange befreundet. Schon damals wurde mir klar, wie schwierig die Situation war. Jess war obdachlos, von Anfang an. Und nach Heroin süchtig.“
„Ich konnte niemanden davon erzählen. Meine Eltern sind in dem Punkt völlig verbohrt… sie halten alle Süchtigen für Abschaum… und mein bester Freund begann sogar, mir hinterher zu schnüffeln… mir den Umgang mit Jess verbieten zu wollen.“
Im Raum erhob sich mitfühlendes Gemurmel. Tessa zuckte mit den Schultern. „Es war mir egal… ich habe Jess weiterhin getroffen. Im Herbst ist uns klar geworden, dass zwischen uns mehr ist als bloße Freundschaft…“, sie lächelte leicht. „Von da an waren wir ein Paar… doch das machte die Sache nicht einfacher. Auch ich habe oft versucht, Jess von einem Entzug zu überzeugen… aber er wollte davon nie etwas hören. Er hatte schon einige hinter sich – alle erfolglos. Da er keine echten Verwandten mehr hat, schien ihm alles so ohne Perspektive zu sein, glaube ich. Jedenfalls… haben wir uns irgendwann immer öfter gestritten. Wir haben nie über seine Sucht, die Drogen oder alles andere, was damit zu tun hatte, gesprochen. Es schien tabu zu sein für uns… vielleicht war das der Fehler.“ Sie blickte nachdenklich in das Licht einer flackernden Kerze am Boden.
„Im Januar haben wir uns furchtbar gestritten – es schien wie das Aus unserer Beziehung. Danach wurde ich sehr krank, konnte Jess lange nicht besuchen, ihm nicht sagen, dass es mir leid tat und ich ihn natürlich nicht verlassen habe. Nach Wochen konnte ich ihn endlich wieder suchen, aber ich fand ihn nicht. Natürlich befürchtete ich das Schlimmste…“ Sie schluckte. „Doch dann habe ich ihn auf den Tip einer Bekannten hin gefunden… in einer Ruine… bei den `Dark Hellows´…“
Das Raunen, das durch den Raum ging, zeigte Tessa, dass dieser Begriff hier nicht unbekannt war. „Es lief nicht so gut für mich“, sagte sie langsam und schauderte, als sie an jene Nacht zurückdachte. „Ich bin in die Klemme geraten und wurde von einem der Hellows angegriffen und ziemlich böse verprügelt…“
Sie spürte Monikas entsetzten Blick auf sich ruhen, sprach jedoch ruhig weiter. „Jess fand mich dort… er hielt sich zur selben Zeit in der Ruine auf. Er brachte mich nach Hause… er hat mir vermutlich das Leben gerettet, ich weiß nicht, was sie mit mir angestellt hätten… jedenfalls wurde Jess durch diesen Vorfall klar, dass er mit den Drogen aufhören wollte. Das war vor etwa drei Wochen…“
Sie seufzte schwer. „Doch er stellte eine Bedingung: er wollte nicht wieder in eines der Therapieheime, er wollte es bei mir zu Hause machen… und ich stimmte zu…“ Sie sah traurig auf. „Ich hatte keine Vorstellung, wie furchtbar so ein kalter Entzug ist. Wie gefährlich noch dazu. Ich hätte sonst alles daran gesetzt, ihn umzustimmen. Wir überstanden den kalten Entzug mit viel Mühe. Doch dann … dann kam mich meine Mutter besuchen… meine Mutter, die Menschen wie Jess als Abschaum sieht und nie etwas von ihm erfahren hatte. Was hätte ich tun sollen? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass ich das falsche getan habe, ich habe ihn versteckt. Das hat er mir übel genommen. Wir stritten uns… er bekam wenige Tage später einen furchtbaren Rückfall… und am Morgen danach war er… er war fort…“
Tessa schluckte schwer und holte tief Luft. Sie spürte, wie Schmerz, Verzweiflung und Trauer in ihr hoch wallten. „Ich… ich mache mir solche Vorwürfe…!“
Sie merkte, wie die Tränen unweigerlich in ihr aufstiegen und wollte aufspringen und zur Tür hinaus laufen, doch da spürte sie Monikas Hand auf ihrem Arm, die sie zurückhielt.
„Nein… lauf nicht weg. Wir sind doch hier. Ich bin doch hier. Weine, wenn es dir hilft, Tessa!“
Und im selben Moment begann Tessa hemmungslos zu schluchzen, während Monika neben ihr stand und ihr sanft den Rücken streichelte.
Nach einer Weile hatte sie sich wieder beruhigt, so dass Marius langsam sagte: „Das war sehr mutig von dir, uns diese Geschichte zu erzählen, Tessa. Ich will einige Dinge dazu sagen. Dass du dir Vorwürfe dazu machst, ist verständlich. Doch du brauchst sie dir nicht zu machen. Es ist wie bei Monika… wie bei uns allen. DU bist nicht für Jess verantwortlich. Du kannst ihm nicht helfen, du kannst ihn nur unterstützen. Und das hast du nach allen Mitteln getan. Nicht nur der Süchtige selbst ist Opfer… auch seine Angehörigen. Aber ich spreche nicht gerne von Opfern, denn sie sind hilflos und schwach. Und das musst du nicht sein. Du hast ein Recht auf ein Leben, auf dein Leben. Und darauf, dass du gesund und stark bist. Anders hilfst du auch Jess nichts. Was dir geschehen ist, war furchtbar… du hast den kalten Entzug mit ihm durchgemacht und das ist kein Pappenstiel. Dass es zum Scheiten verurteilt war, ist jedoch leider klar. Die Abhängigkeit von Heroin ist unendlich kompliziert und schwer zu heilen. Dafür braucht es professionelle Hilfe, die du ihm nicht geben konntest… du brauchst dich deswegen nicht zu quälen.“
„Das ist es ja auch nicht alleine“, erwiderte Tessa und ballte die Fäuste. „Ich… ich mache mir Vorwürfe, dass ich ihn vor meiner Mutter versteckt habe. Wäre das nicht passiert, so wäre er heute vielleicht noch bei mir…“
„Tessa…“, sagte Monika vorsichtig. „Du machst dir etwas vor. Er wäre vermutlich dennoch nicht bei dir… die Sucht ist zu stark. Alleine schafft er das nicht. Dass er es bis zu diesem Punkt durchgehalten hat, zeigt schon, wie sehr er dich lieben muss. Aber er hätte professionelle Hilfe gebraucht, Tessa…“
„Wo ist Jess jetzt?“ fragte Marius vorsichtig.
Tessa begann erneut zu schluchzen. „Ich weiß es nicht“, stieß sie hervor. „Ich war einige Male am Bahnhof, wo wir uns immer getroffen haben… doch er ist nicht da… ich habe Angst um ihn, denn er hat es sich damals in der Ruine mit dieser Gang verdorben… was, wenn sie ihm etwas angetan haben… oder gar er sich selbst? Ich weiß nicht, wie ich ihn finden kann… und ich weiß auch nicht, wie es dann weitergehen sollte… ich weiß nicht, wie ich es ertragen soll, ihn noch einmal zu verlieren, noch einmal zu hoffen… ich fühle mich so leer, so kraftlos… und auch dafür hasse ich mich!“
„Tessa, du brauchst dich nicht zu hassen. Du tust nichts, als zu überleben zu versuchen. Es ist vollkommen richtig, dass du erst einmal an dich selbst denkst“, sagte Marius sanft. „Danach kannst du weitersehen und Jess vielleicht helfen, indem du ihn zu einem weiteren, aber professionellen Entzug bringst…“
„Ich weiß nicht, ob er es jemals wieder versuchen wird, nachdem er weiß, dass ich nicht zu ihm gestanden bin…“
„Das mag ein Fehler gewesen sein“, sagte Monika langsam. „Aber es ist nichts ungewöhnliches. Und wir haben nicht immer die Wahl. Was gewesen ist, kannst du nicht mehr ändern… du kannst nur daraus lernen.“
Tessa seufzte lange auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Damit hast du wohl nicht ganz unrecht“, sagte sie langsam. „Und doch werde ich meine Schuldgefühle wohl niemals ganz los werden… bis ich Jess wieder gefunden habe…“
Sie sah sie traurig an.
Beiträge von Innad
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"Wir konnten uns nur noch bei mir oder außerhalb treffen. Ich stellte ihn eines Tages zur Rede und er gestand mir wütend, dass er seine Wohnung verloren hatte und seither auf der Straße lebte…“
„Ich wollte ihm helfen, ihn bei mir wohnen lassen… es ging nur wenige Tage gut… er war einfach nicht mehr der Mensch, den ich kennengelernt hatte… wir haben uns ununterbrochen gestritten… eines Nachmittags, als wir uns erneut in den Haaren lagen, warf er mir vor, ihn nicht mehr zu lieben. Er dachte, ich verurteile ihn für das, was er war. Ich sagte ihm, dass das nicht stimmt – dass ich ihn über alles liebte, über alles… ich weiß nicht, ob er es mir geglaubt hat… aber seine traurigen, wütenden Augen habe ich noch heute vor mir…“
Sie erschauderte kurz und musste sich einige Sekunden sammeln, ehe sie weiter sprach.
„Jedenfalls brauchte Kevin immer mehr von den Drogen und natürlich blieb eine gewisse Beschaffungskriminalität nicht aus. Auch dies war ein Grund dafür, dass das Zusammenleben nicht funktionierte. Er fand Obdach bei der Drogenbehörde… jedenfalls meistens. Doch der Winter in jenem Jahr war kalt und garstig. Wir stritten uns nur noch… und irgendwann sagte Kevin mir, dass es wohl besser sei, wenn wir uns nicht wiedersähen. Ich glaubte mich verhört zu haben. Doch er meinte es ernst und blieb viele Wochen verschwunden. Ich konnte ihn nicht finden… doch ich hörte nicht auf ihn zu suchen. Eines Abends… ich saß in meiner Wohnung und versuchte mich abzulenken, ergriff mich eine seltsame Unruhe. Ich hatte das Gefühl, ihn unbedingt jetzt noch suchen zu müssen. Also zog ich mich warm an und ging zu jener Stelle, an der wir uns zum ersten Mal getroffen hatten…“
Monikas Stimme zitterte und wurde brüchig. „Ich HABE Kevin an jenem Abend gefunden… erfroren im Schnee…“
Es war still im Raum. Man hätte fast eine Stecknadel fallen hören können.
Tessa wagte es kaum Monika anzusehen. Diese starrte bewegungslos vor sich hin, ohne dass ihr Gesicht irgendeine Regung verriet. Sie schien meilenweit fort zu sein.
Irgendwann setzte sie wieder an. „Ich habe mir monatelang unendliche Vorwürfe gemacht. Habe gedacht, wenn ich nur mehr nach ihm gesucht hätte… ihn eher gefunden… doch heute weiß ich, dass diese Vorwürfe nicht richtig sind. Auch wenn ich es mir jeden Tag erneut sagen muss, so weiß ich inzwischen, dass ich Kevin nicht retten konnte. Das hätte nur er selbst gekonnt. Ich habe mich immer verantwortlich für ihn gefühlt… habe dabei gänzlich mich selbst vergessen und am Ende stand ich vor einem Scherbenhaufen… Fast alle Freunde hatte ich verloren… fast sogar meine Arbeit… und letztlich auch meine Liebe… doch ich weiß nicht, was ich hätte tun können, um es zu verhindern. Ich habe ihn angefleht, ich habe ihn angeschrien, ich habe ihn angebettelt, ich habe alles versucht, um ihn zu einem weiteren Entzug zu überreden… ich habe ihn gebeten, bei mir zu übernachten, wenn er sonst kein Obdach fand… er wollte nicht… er war nicht mehr er selbst. Sein Leben war nur noch von den Drogen bestimmt. Später habe ich erfahren, dass er nicht nur erfroren war, sondern auch eine Überdosis in sich hatte… es wäre geschehen… so oder so…“
Sie schwieg wieder. Tessa spürte, wie ihr Atem schneller ging und sich in ihr ein derart heftiger Schmerz ausbreitete, dass sie meinte, ihn nicht länger aushalten zu können. Rasende Angst ergriff sie.
Da erhob Marius das Wort. „Danke, Monika, für den Mut, dies alles noch einmal zu durchleben, in dem du es uns erzählst. Es ist wirklich eine furchtbare Geschichte, die dir und Kevin widerfahren ist. Aber was du gesagt hast, ist ganz richtig: Es ist nicht richtig, sich Vorwürfe zu machen…“
Er sah in die Runde. „Möchte noch jemand etwas dazu sagen?“
Tessa schluckte und spürte Monikas Blick auf sich ruhen.
„Ich…“, hörte sie ihre eigene, dünne Stimme. „Ich… mache mir auch Vorwürfe… furchtbare Vorwürfe. Und ich denke durchaus, dass ich sie mir machen muss…“
„Tessa…“, sagte Marius langsam. „Möchtest du uns vielleicht auch deine Geschichte erzählen?“
Tessa schluckte und nickte langsam. „Ich denke, das sollte ich…“
Unsicher betrachtete sie ihre Fußspitzen und überlegte, wo sie anfangen sollte.
„Ich hab Jess auch auf eine ganz seltsame Art und Weise kennengelernt“, sagte sie dann langsam. „Im Supermarkt… er hatte vor Hunger ein wenig Essen mitgehen lassen, ich hab das mitbekommen und ihm aus der Patsche geholfen…“ Sie lächelte ein wenig, wenn sie jene Zeiten und ihren Übermut zurückdachte. Eigentlich konnte sie heute nur noch den Kopf über die abstruse Situation schütteln... und doch wurde ihr Herz so unglaublich warm, wenn sie an jenen Abend im August zurückdachte...
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Kapitel 41
Erinnerungen
Es vergingen zwei weitere Wochen, in denen Tessa regelmäßig an jedem Montag und Donnerstag die Selbsthilfegruppe besuchte. Allmählich begann ihre Scheu von ihr abzufallen, die Gesichter wurden vertrauter und bald musste sie feststellen, dass – wenn sie denn jemand verstehen konnte – es die Menschen in dieser Gruppe sein würden.
Mit Monika hatte sie sich in der kurzen Zeit bereits gut angefreundet, doch noch immer hatte diese ihr noch nicht erzählt, unter welchen Umständen sie zur Gruppe gestoßen war.
Es war wieder einmal Donnerstag und Tessa hatte neben Monika auf der gemütlichen Couch Platz genommen. Bisher hatte auch sie selbst noch nichts von ihrer Geschichte erzählt, es war, als seien die dadurch entstandenen Wunden in ihrer Seele noch zu frisch.
Marius, der zusammen mit Timo immer abwechselnd die Gruppe leitete, eröffnete den Abend wie immer mit einer freundlichen Begrüßung und wandte sich dann Tessa und Monika zu.
„Monika hat mir vorhin mitgeteilt, dass sie heute Abend ihre Geschichte erzählen wird. Einige von uns kennen diese zwar schon, aber wie ihr wisst, muss man seine Geschichte manchmal mehr als nur einmal erzählen. Zudem haben wir seither einige wenige neue Gesichter in unserem Kreis begrüßen dürfen, welchen Monika heute mitteilen will, was sie letztlich zu uns geführt hat.“ Er nickte Monika aufmunternd zu.
Diese lächelte leicht und holte dann tief Luft, während sie Tessa einen Blick zuwarf. Diese wusste in jenem Moment, dass Monika ihre Geschichte hauptsächlich ihr erzählen würde.
„Ich habe Kevin vor drei Jahren kennengelernt“, begann Monika leise zu sprechen. „Es war eine regelrecht schicksalhafte Begegnung, die uns beiden widerfahren ist. Wir gingen beide die Straße entlang, völlig in unsere eigenen Gedanken versunken…“
Monika lächelte und ihre Augen wurden feucht, als sie an jenen Tag vor drei Jahren im Winter zurückdachte, als ihr Leben sich dramatisch veränderte.
„Wir haben beide nicht recht darauf geachtet, wo wir hinliefen – so geschah es, dass wir uns anrempelten.“ Sie lachte leise. „Es war fast zu klassisch, als dass ich heute noch glauben könnte, dass es wirklich so gewesen ist – und doch ist es die Wahrheit. Kevin hatte es mir sofort angetan. Diese wunderbaren, blauen Augen… die weichen und doch männlichen Gesichtszüge… ich wusste sofort, dass ich ihn nie wieder aus meinem Herzen würde vertreiben können… und auch Kevin schien ähnlich zu empfinden… er lächelte mich mit diesem unglaublichen Lächeln an und entschuldigte sich für seine Unachtsamkeit. Danach kamen wir sofort ins Gespräch.“Monika lächelte versonnen und versuchte, den Schmerz zu ignorieren, den der Gedanke an jene, so weit zurückliegenden glücklichen Zeiten ihr auslöste.
„Wenig später sind wir in einem Café gelandet und haben stundenlang gesprochen und gelacht. Uns war sofort klar, dass wir mehr füreinander empfanden. Ich fragte Kevin nach seiner Telefonnummer, doch er zögerte… damals habe ich gedacht, er wollte mich nicht wiedersehen, doch sehr schnell musste ich feststellen, dass der Grund ein anderer war…“
Sie sah Tessa lange an und diese schluckte und sagte dann leise: „Er hatte kein Telefon… vielleicht noch nicht einmal eine Wohnung… oder?“
„Kevin war drogensüchtig“, sagte Monika nach einer kleinen Weile des Schweigens und alle Personen im Raum schienen mit einemmal tief auszuatmen. Tessa merkte, wie die kleinen Härchen auf ihren Armen sich aufzustellen begannen.
Monika sprach langsam weiter. „Ich hab es erst nach einer Weile erfahren. Kevin gab mir nicht seine Nummer, wollte mich aber wiedersehen. Wir verabredeten uns einige Tage später in einem anderen Café… Kevin hatte zwar eine kleine Einzimmerwohnung, eine dreckige, furchtbare Wohnung… aber er war nicht obdachlos, er hatte sich an das Amt gewandt und bekam Sozialhilfe… doch ein Telefon hatte er schon lange nicht mehr. Ich dachte zuerst nur, als er mir das erzählte, er sei einfach arbeitslos, habe keinen Job gefunden… wie so viele heutzutage… ich empfand es nicht als schlimm…“
Sie lachte bitter auf. „Ich war so verliebt, dass ich lange nicht merkte, was mit Kevin los war… wir trafen uns meistens bei mir oder irgendwo draußen… wir waren glücklich…“„Doch irgendwann verliert die rosarote Brille an Kraft und Farbe“, sprach sie fest weiter und sah Tessa traurig an. „Ich bemerkte, dass er sich immer seltsamer verhielt… und irgendwann sprach ihn darauf an. Ich erfuhr, dass er süchtig war. Er nahm seit Jahren Kokain und später sogar Heroin.“
Tessa schluckte und sah Monika beklommen an.
Diese sprach nun fast tonlos weiter. „Ich habe ihn mehrmals zur Rede zu stellen versucht. Ich habe ihm die Möglichkeiten eines Entzugs aufgewiesen – doch er hatte nicht den Mut dazu. Nach vielen Streiten und vielen zermürbenden Monaten hat er endlich nachgegeben. Er ging in eine Entzugsklinik… doch er hielt nicht durch. Nach vier Wochen hatte er wieder zu den Drogen gegriffen.“
„Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich war verzweifelt. Ich hätte so gerne mit jemanden darüber gesprochen, doch was sollte ich meinen Freunden erzählen? Dass mein Freund drogensüchtig ist? Wer hätte dafür Verständnis aufgebracht. Einer Freundin vertraute ich mich einmal an, die mir nur riet, ihn möglichst schnell zu verlassen, damit ich nicht auch in diese Kreise mit hinein gezogen würde… die Gefahr bestand jedoch niemals… ich habe an ihm gesehen, wie zerstörerisch die Macht der Drogen war. Nichts und niemand auf dieser Welt hätte und würde mich je dazu bringen, dieses Zeug anzurühren. Ich liebte Kevin. Ich konnte ihn doch nicht im Stich lassen. In mir wahrte ich stets die Hoffnung, ihn doch noch einmal umstimmen zu können. Ihn zu einem erneuten Entzug zu ermuntern. Es war ein Wechselbad zwischen Liebe und Hass… ich liebte und hasste ihn zugleich… ich konnte nicht mit ihm, aber…“ Sie hielt inne und schluckte schwer.
Tessa vervollständigte ihren Satz fast kaum hörbar: „… du konntest auch nicht ohne ihn…“
Monika nickte. „Genau so war es… Nach einigen Monaten wurde Kevin immer unnahbarer. Er hatte Probleme, sich die Drogen zu besorgen. Meist war das Geld vom Amt innerhalb kurzer Zeit aufgebraucht. Irgendwann bemerkte ich, dass er ungepflegter und durchgefrorener war denn je. Er weigerte sich inzwischen auch kategorisch, mich zu ihm zu lassen." -
Kiara: Da bist Du ja wieder! Ich hab mir schon Gedanken um Dich gemacht! Gut, dass "nur" ein PC-Crash schuld war, auch wenns mir echt leid tut wegen Merlaron, so viel Arbeit, die den bach runtergegangen ist.
Nun zu Deinem Kommi. Ich liebe dieses Lied auch - und ich hatte es seit Monaten für diese Stelle im Kopf.
Ich muss nun aber mal was zu Jess und weshalb er aufgegeben hat schreiben - es ist wirklich davon auszugehen, dass es nur ganz wenig mit dem Besuch von Tessas Mutter zu tun hat. Ich bräuchte wohl auch eine Betaleserin
mit der ich über sowas reden kann oder so. Wenn ich gewusst hätte, dass ihr das so sehr miteinander verbindet, hätte ich es irgendwie anders eingeflochten. Jess ist eigentlich wirklich "nur" gegangen, weil er die Sucht nicht länger aushalten konnte, den Entzug nicht aushalten konnte. Vielleicht hatte der Zwischenfall einen Einfluss drauf, ja, aber er war nicht ausschlaggebend.
Dass man beide Seiten verstehen muss, sehe ich genauso. Ich denke, Tessa hat durchaus einen Fehler gemacht, aber ich finde, sie ist auch nur ein MENSCH - und sie hat sehr viel für Jess getan. Aber ich verstehe auch Jess total - es muss so demütigend für ihn gewesen sein und alles in Frage gestellt haben.
Ob sie Jess je wiedersehen wird? Das ist die große Frage. Natürlich unterstützt der momentane Verlauf der Story schon ein bißchen Deine Anfangstheorie...
Lieben Dank für Deinen Kommi und scheeee dass Du wieder da bist!
@Llyna: Ja, dann hab ich Dich irgendwie falsch verstanden, so gesehen hast Du völlig recht mit "vorläufigem Ziel", ja!
Es stimmt, es ist gut, dass sie zu einer Gruppe geht, weil sie da endlich auch mal drüber reden kann und bei Menschen ist, die sie verstehen werden. Dass es ihr anfangs schwer fällt, ist normal, aber heute wird sie schon etwas vetrauter sein.
Danke für Dienen Kommi!
@ineshnsch: Ja, stimmt, es war abzusehen, dass Jess es wohl eher nicht schaffen wird. Auch wenns wünschenswert gewesen wäre... die Art und Weise wie hat das Ganze von Anfang an mehr oder minder zum Scheitern verurteilt
Leider.
Dass Tessa sich in die Gruppe wagt, ist gut, das sehe ich genauso. So kann sie auch wieder Kraft tanken.
Danke für Deinen Kommi!
@Dani04: Dass Jess Dein Liebling ist, das ist nicht schlimm. Ich sagte ja, er braucht auch ein paar FansIch mag ihn auch genauso gerne wie Tessa auch wenn sie die Hauptperson in der Story ist.
Dass sie genauso ist wie ihre intolerante Mutter, seh ich jetzt genauso. Aber was stimmt ist, dass ihr Handeln definitiv nicht richtig war. Ich weiß aber echt nicht, was besser gewesen wäre... ich weiß aber was Du damit meisnt. so hätte ihre Mutter mistig gehandelt, anders aber sie. Nun ja - sie aber halt auch nur ein Mensch und wer macht schon alles richtig... *seufz*
In der Gruppe wird tessa mit Sicehrheit auch lernen, in welchen Punkten sie selbst sich falsch verhalten hat und welchen sie gar nichts hätte ändern können, das ist wahr!
Danke für Deinen Kommi! -
Oh mann... hoffentlich finden sie die beiden! Sowas doofes aber auch, dass beide kein Handy dabei haben.
Mach mir jetzt schon was Sorgen... mach schnell weiter, ja?
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Ich hätte von Tobias auch nix anderes erwartet, offen gesagt. Die arme Molly, wieder eine Nacht im Freien. Aber dass Tobias so tolerant war und sie umarmt hat, fand ich sehr rührend (ich schreib gerade was durcheinander, sorry).
Also, das Bild, wo Tobias auf der Couch sitzt und sich so nach vorne beugt, finde ich einfach genial. Er sieht toll aus darauf. :luvlove
Eine schöne FS, wie immer... Du verstehst es echt, den Spannungsbogen total hoch zu halten... ich mag Deine Story sowas von gerne, auch weil Deine Locaitons immer so toll sind. Ich mag Mollys Wohnung auch gerne. Sie sieht richtig wie aus dem real life aus.
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Liebe Kiara,
mach Dir nicht die Arbeit umsonst - du baust so toll, dass ich neue Grundstücke von Dir gar nicht erwarten kann!!!!
Echt ärgerlich sowas, aber nicht zu ändern. Ich finds toll, dass Du trotzdem weiter machst!
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Tessa nickte.
„Gut, Tessa. Du musst uns nichts von deiner Geschichte erzählen, wenn du nicht magst. Sag einfach, wenn du soweit bist und wir werden dir zuhören. Ob heute, in einer Woche oder erst in einem Jahr spielt dabei überhaupt keine Rolle.“
Tessa nickte und lächelte. Sie fühlte sich erleichtert, denn sie hatte befürchtet, direkt beim ersten Treffen erzählen zu müssen, was zwischen ihr und Jess geschehen war. Noch war all dies viel zu abstrakt, um es zu begreifen. Immer wenn sie daran zu denken versuchte, was in den letzten Tagen und Wochen geschehen war, schien ihr Hirn zu streiken, alles schien fast wie in Watte gepackt. Nur ihr Herz sprach eine deutliche Sprache.
Es schien jedes Mal wieder zu zerreißen.
Sie hörte den anderen in der Gruppe aufmerksam zu, als diese über ihre Probleme sprachen. Bald stellte sie fest, dass sie vieles nachvollziehen konnte… die ständige Angst um den anderen, die ständige Frage, wieso es nur so schwer sein mochte, den Drogen nicht zu entsagen… die ständige Problematik, es dem Freundes- und Verwandtenkreis beizubringen, dass der Angehörige ein Suchtproblem hatte. Sie war offenbar nicht alleine damit.
Nach einer Stunde löste sich die Gruppe allmählich auf und die meisten verschwanden mit einem netten Gruß in die dunkle Nacht. Die schwarzhaarige Frau jedoch, die Tessa inzwischen als Monika kennengelernt hatte, stand auf und kam auf Tessa zu.
„Hallo, ich bin Moni“, sagte sie freundlich. „Schön, dass du zu uns gestoßen bist, Tessa.“
Tessa lächelte freundlich.
„Ich bin auch ganz froh… bisher habe ich noch niemanden gehabt, mit dem ich über alles sprechen konnte“, sagte sie langsam. „Das macht es nicht einfacher…“
„Ja, ich weiß“, sagte Monika schnell. „Ich kann das sehr gut nachfühlen.“
„Du… hast also auch einen Verwandten oder Freund, der süchtig ist?“ fragte Tessa vorsichtig.
Monika sah sie traurig an und sagte dann langsam: „Sagen wir es einmal so… ich weiß sehr gut, wie du dich fühlen musst, denn ich war in einer ganz ähnlichen Situation… aber meine Geschichte werde ich dir gerne ein anderes Mal erzählen…“
Tessa schluckte und fühlte sich für einen Moment sehr beklommen.
„Du siehst sehr traurig aus“, sagte Monika da. „Du musst viel mitgemacht haben, oder?“
Tessa sah sie erstaunt an. Selten hatte sie einen so einfühlsamen Menschen kennengelernt, der so scharfe Augen hatte… eigentlich hatte es nie jemanden derartigen gegeben… außer… ja, außer Jess…
Wieder spürte sie diese furchtbaren, schmerzlichen Stiche in ihrer Brust, die so scharf waren, dass sie dachte, unter ihnen zusammen brechen zu müssen.
Monika sah sie mitfühlend an. „Ich hoffe, wir können dir ein wenig helfen, deinen Schmerz zu ertragen.“
Tessa lächelte. „Das ist nett von dir.“
Gemeinsam gingen die beiden die Treppen nach unten, nachdem sie sich in ihre warmen Sachen gehüllt hatten.
„Weißt du, Tessa… auch wenn ich noch nicht viel von dir erfahren habe, so glaube ich, dass wir beiden uns gut verstehen werden. Ich glaube, unsere Geschichten sind sehr ähnlich…“
Sie blieben beide auf der Straße stehen und sogen die frische, klare Nachtluft ein.
Monika sah Tessa an. „Du kommst nächste Woche doch wieder?“
Tessa nickte, wenn auch etwas zögerlich.
„Tessa – es ist wichtig, darüber zu sprechen, auch wenn es ungewohnt und natürlich auch schmerzlich ist“, sagte Monika einfühlsam und blickte Tessa mit ihren großen, braunen Augen sanft an. „Ich habe auch lange gebraucht, um das zu begreifen. Aber als ich mich den anderen anvertraut hatte, habe ich mich viel besser gefühlt. Ich wünschte, ich hätte diesen Schritt früher gewagt… dann… nun ja, dann wäre heute vielleicht alles anders, als es das ist. Besser… oder zumindest eben anders.“
Tessa lächelte schmerzlich. „Ich weiß… es ist nur so ungewohnt… ich habe bisher noch niemanden davon erzählt… und es fällt mir sehr schwer.“
Monika lächelte verständnisvoll. „Ich kann dich verstehen. Aber du hast Timo ja gehört – es ist egal, wann du etwas erzählst… wichtig ist, dass man den ersten Schritt tut und dass man sich mit der Gruppe austauscht. Früher dachte ich immer, solche Gruppen wären was für verrückte oder total traumatisierte Menschen. Aber jeder kann Hilfe brauchen, der in einer solchen Situation steckt. Die meisten von uns haben das jedoch zu spät erst realisiert…“
Sie lächelte wieder. „Nun ja – ich will dich nicht länger aufhalten, Tessa. Wir sehen uns doch nächste Woche, oder?“
Tessa lächelte. „Ganz bestimmt“, erwiderte sie.
„Dann bis nächste Woche, Tessa. Ich freu mich.“ Monika lächelte noch einmal zum Abschied und drehte sich dann um.
Tessa sah ihr lächelnd hinterher. Es hatte wieder zu schneien angefangen und für einen kleinen Moment schossen ihr wieder die Bilder des letzten Males durch den Kopf, als sie bei Schnee durch die Stadt gelaufen war…
Ein beklommenes Gefühl überkam sie, doch als sie den Blick aufrichtete, sah sie Monika, die sich noch einmal zu ihr umdrehte und ihr zuwinkte.
Lächelnd winkte Tessa zurück und sah der jungen Frau nach.
Und zum ersten Mal seit Wochen fühlte sie wieder so etwas wie Wärme in sich aufsteigen.
Denn nun war sie nicht mehr alleine mit ihrem Schmerz.
Fortsetzung folgt. -
Kapitel 40
Nicht mehr allein
Tessa blieb unsicher stehen und starrte auf die massive, dunkelbraune Tür. Von drinnen hörte man leise Stimmen.
Tessa schluckte. Ihre Hände fühlten sich schweißig an.
Für einen Augenblick zögerte sie… sollte sie die Schwelle wirklich übertreten?
War sie hier überhaupt richtig? Sie merkte, dass ihr der Gedanke, sich anderen Menschen über das, was geschehen war, anzuvertrauen, seltsam befremdete.
Wieder warf sie einen Blick auf die dunkle Holztür.
Vor ihrem geistigen Auge sah sie die letzten Tage vorüberziehen. Die Tage mit Jess.
Ein Taumel zwischen Glück und Hoffnung und Schmerz und Verzweiflung. Letzteres war es, das am Ende den Sieg davon getragen hatte.
Drei Tage waren vergangen, seit sie ihn vergeblich in ihrer Wohnung gesucht und letztlich den kleinen Zettel mit der Notiz gefunden hatte, die bewies, dass er den Kampf gegen die alles verzehrende Sucht und Gier nach dem geliebten Rauschmittel in sich verloren hatte.
Sie konnte sich noch daran erinnern, wie sie Wut, Schmerz, Verzweiflung, Schuldgefühle und das Gefühl von absoluter Fassungslosigkeit in die Knie gezwungen hatten.
Stundenlang hatte sie so dagelegen, schluchzend, wimmernd – zeitweise völlig still. Allein. Einsam. Verloren.
Doch irgendwann hatte sie sich wieder aufgerichtet. Ihre Füße hatten sie wieder getragen. Ihr Kopf hatte wieder zu denken begonnen und ihr Weg hatte sie zum Telefon geführt und erneut die Nummer des Sorgentelefons wählen lassen.
Sie hatte Glück gehabt und erneut mit Tina gesprochen.
Diese hatte ihr letztlich ans Herz gelegt, sich an diese Adresse hier zu wenden…
Doch nun war sich Tessa nicht mehr sicher, ob dies der richtige Weg war.
Aber schließlich war sie nun hier – und niemand würde sie zu etwas zwingen, was sie nicht wollte. Also öffnete sie beherzt die Türe und trat ins Innere des Raumes.
Er war warm und gemütlich eingerichtet. In der Mitte des Tisches flackerte ein Kranz aus Kerzen und verbreitete eine vertrauensvolle, gemütliche Atmosphäre.„Herzlich Willkommen!“ rief eine männliche Stimme und Tessa lächelte ein junger Mann mit roten Haaren und einer modernen Brille entgegen. „Mein Name ist Timo, ich bin einer der Leiter dieser Selbsthilfegruppe. Mögen Sie sich nicht setzen?“
Tessa lächelte schüchternd zurück und blickte zu der Couch neben sich, auf der neben zwei Frauen noch ein Platz frei war.
„Gleich hier?“ fragte sie schüchtern.
„Wohin Sie möchten“, erwiderte Timo freundlich. „Mögen Sie uns vielleicht verraten, wie Sie heißen und was Sie hierher führt?“
Tessa schluckte. Die vielen fremden Gesichter ängstigen sie mit einemmal. Sie fühlte sich immer noch so wund innerlich, dass sie sich am liebsten zu Haus verkrochen hätte.
„Nun… mein Name ist Tessa“, sagte sie langsam und unsicher und blickte in die Gesichter in der Runde, die sie freundlich anlächelten, so dass ihre Scheu etwas verringert wurde.
Besonders die schwarzhaarige Frau, die neben ihr auf dem Sofa saß, lächelte sie so gütig und verständnisvoll an, dass Tessa sich sofort wohler fühlte.
„Ich habe diese Adresse von Tina vom Sorgentelefon bekommen“, sprach sie darum langsam weiter. „Ich… mein Freund ist drogensüchtig.“
Sie schluckte und schwieg dann. Es war ihr schwer gefallen, diese Worte auszusprechen, und wenn sie es so recht überlegte, hatte sie einen solchen Satz noch niemals im Beisein eines anderen Menschen ausgesprochen.„Dann sind Sie hier gut aufgehoben“, sagte Timo freundlich und lächelte ihr ermutigend zu. „Willkommen, Tessa, in unserem Kreis. Alle, die hier sitzen, haben ebenfalls Angehörige, welche drogensüchtig sind oder waren…“
Tessa hörte, wie die schwarzhaarige Frau, die neben ihr saß, leise aufseufzte und warf ihr einen mitfühlenden Blick zu.
„Wir treffen uns hier einmal in der Woche, um uns über unsere Probleme und Ängste auszutauschen. Oft können viele von uns das nur hier, weil der Rest ihres sozialen Umfeld sie nicht versteht. Wir duzen uns hier alle, ich hoffe, das ist auch für dich in Ordnung?“ -
@ineshnsch: Auch wenn es traurig ist, so ist es wohl wahr, dass Jess rückfällig geworden ist. Aber wenn man mal ehrlich ist, dann ist es ja auch eigentlich kein Wunder. Ich meine, den Entzug SO durchzuziehen, das ist ja doch schon ziemlich krass. Heroin ist eine der stärksten Drogen und ich denke, es wäre ganz wichtig gewesen, dass Jess sich professionelle Hilfe holt. Tessa alleine war da ja völlig hilflos. Er hat zwar die ersten TAge überstanden, aber der Ruf nach der Sucht war doch zu groß.
Ob dies gleichzeitig das Ende ihrer Liebe bedeutet, ist trotzdem die Frage.
DAnke für Deinen lieben Kommi!
Llynya: Ich denke nicht, dass Jess vor dem vorläufigen Ziel war. Ok, er hat den kalten Entzug erstmal überstanden. Aber dann? Ich meine, schließlich ist er sein Leben lang süchtig. Ich meine damit, er wird sein Leben lang süchtig bleiben. Und er wird diesen Kampf Tag für Tag neu ausfechten müssen. Vielleicht wird es irgendwann einfacher, ja, aber vorbei ist es nie.
ICh denke halt auch einfach, wie es gelaufen ist, war unglücklich. Darum hab ich die Wende jetzt auch von Anfang an genauso geplant. Für mich wäre es unrealistisch gewesen, wenn Jess jezt den Entzug gepackt hätte, auf diese doch sehr krasse Weise, wie ich bei Ines schon schrieb.
Natürlich hat Jess jede Menge gute Gründe, den Drogen zu entsagen. Aber er ist nun einmal süchtig. Ich denke, man kann sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie stark eine solche Sucht sein kann. Ich glaube nicht, dass man da eine echte WAHL hat.
Danke für Deinen lieben Kommi! Es freut mich sehr, dass Du den Schreibstil gut findest, weil er so anders war als sonst!
@Dani04: Oh weh, ich finde, Du bist doch ziemlich ungerecht zu Tessa. Ich gebe zu, dass sie sich nicht gerade lobenswert verhalten hat, als ihre Mutter kam. Aber ich denke, den Fehler hat sie doch viel früher gemacht. Wenn, dann hätte sie von Anfang an zu Jess stehen sollen, selbst schon in der Phase, als sie nur befreundet waren und gar kein Paar. Dass sie damals noch nicht die Stärke dazu hatte, kann ich ihr aber nicht vorwerfen. Sie wird ja jetzt erst langsam "erwachsen" und zu jener Zeit war sie einfach noch fast ein bißchen ein Kind.
Und wenn sie ihrer Mutter in dem Augenblick, als diese vor ihrer Tür stand, alles gebeichtet hätte, dann hätte sie Jess denk ich auch nicht gerade geholfen, oder? Ich meine, ihre Mutter hat ihre Ansichtsweise mit sicherheit nicht geändert, zudem die Gesichtsverstümmelung ihrer Tochter... da hätte sie 1 und 1 zusammengezählt und am Ende Jess dafür verantwortlich gemacht. Ich glaube, für ihn war es besser, weggesperrt zu werden, als sich die mit Sicherheit heftigen Vorwürfe und die deutlich zu spürende Verachtung ihrer Mutter zu "geben". Dass das für ihn trotzdem schlimm war, will ich gar nicht bestreiten. Es war einfach eine besch.... Situation.
Aber dass er deswegen wieder weg ist, das ist nicht der Fall. Die Sucht war einfach zu stark. Mag sein, dass ihm dieser Vorfall gezeigt hat, dass auch sobald er clean ist nicht alles so einfach und gut machbar sein würde und seine Zukunft total fraglich ist... aber dass er deswegen weg ist und man Tessa die Schuld geben muss, sehe ich nicht so.
Tessa selbst hasst Jess natürlich nicht. Es sind nur ihre Gefühle in dem Moment. Sie hat so viel für ihn getan. Mit Sicherheit mehr als er für sie, das darf man nicht vergessen. Auch wenn sie diesen letzten Schritt, vor allen zu ihm zu stehen, noch nicht geschafft hatte... sie hat viel für ihn riskiert und aufgegeben und für ihn erlitten.
Dass er sie nun im Stich lässt, ist für sie furchtbar. Sie empfindet dadurch auch Resignation. Sie ist selbst einfach fix und fertig. DAs heißt ja nicht, dass sie ihn aufgibt, sondern jetzt erstmal nur an sich denken muss, um das ganze irgendwie zu überstehen... zu überLEBEN.
Danke für Deinen KOmmi!draggoon: Doch, Jess ist schon weg. Das vorletzte Bild zeigt ja den Zettel, den sie gefunden hat, wo er sich praktisch verabschiedet.
Dass Du sowohl Jess als auch Tessa verstehst, freut mich - ich denke, es ist für beide einfach schwierig.
Dein Flehen hab ich mal zur Kenntniss genommen, verspreche aber nix
Danke für Deinen Kommi!
@ALL: ch hoffe, ich habe Euch mit der Wendung nicht verschreckt? Ich will nochmal betonen, dass ich versuche, die Story nicht allzu unrealistisch zu halten. Für mich wäre es einfach nicht wirklich realistisch gewesen, wenn eine solche Hauruck Aktion der beiden gut ausgeht. Ich denke, die Chancen dafür stehen ziemlich schlecht.
Ihr werdet auch in den folgenden Kapiteln merken, dass die Story nicht hauptsächlich um Tessa und Jess als Paar geht, sondern um Tessa und wie sie sich durch Jess und alles, was mit ihm zu tun hat, entwickelt hat.So, ich hoffe, dass ich es nachher noch schaffe, das neue Kapitel online zu stellen...!
Ab sofort gibts große Bilder statt die kleinen, ich hoffe, es gefällt euch!
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Zu schwach, um aufrecht zu stehen. Zu müde, um wach zu bleiben.
Zu zerrissen, um Mensch zu sein.
Ein Herz kann nicht alles ertragen. Eine Seele ist nicht ewiglich unverwundbar.
Ich kann nicht ohne Dich. Und ich kann nicht mit Dir.
Das ist mein Fluch. Und es ist mein Segen.
Er hat mich verlassen. Er hat aufgegeben.
Es ist zu spät für uns. Es ist zu spät für mich.Es ist vorbei.
I'm so tired of being here
Suppressed by all my childish fears
And if you have to leave
I wish that you would just leave
'Cause your presence still lingers here
And it won't leave me aloneThese wounds won't seem to heal
This pain is just too real
There's just too much that time cannot eraseWhen you cried I'd wipe away all of your tears
When you'd scream I'd fight away all of your fears
And I held your hand through all of these years
But you still have
All of meYou used to captivate me
By your resonating light
Now I'm bound by the life you left behind
Your face it haunts
My once pleasant dreams
Your voice it chased away
All the sanity in meThese wounds won't seem to heal
This pain is just too real
There's just too much that time cannot eraseWhen you cried I'd wipe away all of your tears
When you'd scream I'd fight away all of your fears
And I held your hand through all of these years
But you still have
All of meI've tried so hard to tell myself that you're gone
But though you're still with me
I've been alone all alongWhen you cried I'd wipe away all of your tears
When you'd scream I'd fight away all of your fears
And I held your hand through all of these years
But you still have
All...of me
All...of me
All...of me
All.........
My Immortal by Evanescence (hier anhören) -
Er muss hier irgendwo sein!
Ein Rascheln, ein seltsames Gefühl unter der nackten Haut des Fußes.
Was ist das?
„Nein…“
Sie rannte, wie fort davon – wer es nicht sieht, wird es nicht glauben.
Doch sie hatte es gesehen. Und sie wusste, was es bedeutete.
Das kann nicht sein… er kann mir das nicht angetan haben. Nein! Nicht nach allem, was geschehen ist… Jess… oh, Jess…
„Ich hasse dich, Jess! Ich hasse dich!!!“
Wie konntest du mir das nur antun? Wieso hast du mich fallenlassen? Wieso hast du aufgegeben?
„Wieso ist deine Liebe zu mir nicht stark genug?“
Gibt es denn nichts auf dieser Welt, für das es sich zu leben lohnt?
Zu kämpfen lohnt?
Zu lieben lohnt?
Wo bist Du, Gott, wenn es dich gibt? Wieso tust du mir das an? Was soll mich das lehren? Was ist mein Leben denn noch wert?
Was ist schon noch Liebe? Wie kann ich dich jemals wieder lieben? Wie soll ich leben, wenn ich Dich liebe? Wie soll ich leben, wenn ich Dich nicht liebe…
Du hast mich verraten. Du hast uns verraten. Und doch liebe ich Dich… Jess. Und ich hasse Dich. Aus tiefster Seele. Und ich liebe Dich. Und ich hasse Dich. -
Kapitel 39
Stirb
„Jess?“
Ihr Herz pochte schneller.
„Jess?!“„Gib Antwort! Jess?!“
Fast schon schrill, die Stimme, die aus ihrer Kehle drang.
„Jess!!!“
Sie sah sich verzweifelt um.
„Wo bist du?“
Mit schnellen Schritten rannte sie durch das Zimmer, Tür auf, Wohnzimmer. Ihre nackten Füße stolperten fast über die Türschwelle.
„Jess?“ Ihr Herz hämmerte in ihren Ohren. „Bist du hier?“
Weiter, weiter – in die Küche. Die Kälte kroch die nackten Füße hinauf. Gleichgültig.
„Jess… Jess!“
Verzweiflung, Unglaube. „Das ist nicht lustig, Jess. Wo bist du?“Badezimmer! Der einzige Ort, der noch in Frage kam. Wieso nicht früher daran gedacht?
Leere. Stille. Kein Mensch zu sehen. Kein Mensch zu hören.
„Jess?“
Fast ein Flüstern war es, das über ihre Lippen kam. Ratlosigkeit. Angst.
„Nein… nein… das… das kann nicht sein….“
Wie zum Himmel gewandt. Wie ein Gebet. Wie ein Flehen.
„Das kann nicht sein! Das darf nicht sein! Es kann nicht sein! Nein!“
Immer lauter wurde ihr Schreien.
Was geschieht hier? Werde ich jetzt etwa selbst verrückt? Nein – er kann nicht fort sein. Ich muss noch einmal suchen.
Er muss hier irgendwo sein. Er kann nicht fort sein.
Er DARF nicht fort sein!
Was, wenn er doch fort ist? Was, wenn er aufgegeben hat?
Nach allem… wie sollte ich es überleben?
Zitternd, eiskalt… langsam setzte sich ein Fuß vor den anderen. Zurück ins Schlafzimmer. -
@Llyna: Ja, auch Tessas Nerven liegen langsam blank. Man darf nicht vergessen, was sie alles mitgemacht hat, schon im Vorfeld - die Krankheit, vorher der Streit, der Überfall... alleine das wäre genug, um einen Menschen an seine Grenzen zu bringen.
Danke für Deinen Kommi!
@ineshnsch: Ja, das stimmt, man sollte die Finger absolut davon lassen, nur ist das wohl einfacher gesagt als getan. Ich hab gottseidank außer ein paar Zigaretten noch nie irgendwas in der Hand gehabt... aber wenn ich alleine daran denke, wie schwer es ist, sich nur mal von Süßigkeiten oder geliebten gewohnheiten fernzuhalten - und das ist nur eine psychische und weitaus geringere Abhängigkeit... puhhh.
Danke für Deinen lieben Kommi!@ALL: So, heute geht es weiter... das nächste Kapitel ist vom Stil her VÖLLIG anders als die bisherigen, aber ich konnte es einfach nur so am besten darstellen - für mich selbst jedenfalls.
Ich habe euch unten an das Kapitel einen Songtext von Evanescence gehängt mit einem Link zu YouTube, wo ihr das Video dazu schauen könnt (also das Video von Evanescence) und den Song anhören.
Ich habe das Lied immer im Kopf gehabt, wenn ich an genau dieses Kapitel gedacht habe...
Ich bin sehr gespannt auf eure Kommis... mir liegt viel an diesem Kapitel, es war sehr aufreibend, es zu schreiben.Aber lest selbst.........
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Gerade wollte sie sich wieder aufrichten, als sich ihr ganzer Unterleib erneut derart schmerzhaft zusammenzog, dass sie leichte taumelte und tief durchatmen musste.
Beunruhigt steuerte sie im Erdgeschoss sofort eine Toilette an. Seit sie schwanger war, hatte sie ein Bläschen wie eine Konfirmandin.
Sie schloss die Tür hinter sich und richtete den Blick nach unten. Ein furchtbarer, eiskalter Schreck durchfuhr sie. Blut! Ihr ganzer Slip war voller braunem Blut!
Marie spürte, wie ihr die Knie weich wurden! Mit einemmal war ihr alles egal- Susan, ihre Amnesie, Cedrik, wasauchimmer – sie spürte nur noch eine wild-rasende, nicht gekannte Angst um ihr Baby!
Rasch zog Marie ihren Slip wieder hoch und öffnete die Tür nach draußen.
Keine Minute zögerte sie, was zu tun war. Mit einem schnellen Blick auf die Hinweisschilder in der Halle erfasste sie, wohin sie gehen musste.
Zwei Minuten später stand sie vor der gynäkologischen Ambulanz. Die Tränen standen in ihren Augen, als sie der Schwester schilderte, was los war. Sie hatte Glück, die Ambulanz war nicht voll. Nur eine halbe Stunde später lag sie auf der ledernen Liege im Untersuchungszimmer und eine freundliche Ärztin setzte ihr vorsichtig den Ultraschallkopf auf ihren noch so flachen Bauch.
Maries Herz schien zu rasen, sie hörte es in den Ohren schlagen. Ängstlich wanderten ihre Pupillen über die schwarzen Schatten auf dem Bildschirm, versuchten, ein Zeichen in der Mimik der Ärztin zu finden.
Die Zeit, bis diese sich ihr endlich zuwandte, schien eine Ewigkeit zu dauern.
„Frau Liebhart, machen Sie sich keine Sorgen“, sagte die Ärztin da die erlösenden Worte. „Dem Baby geht es gut, es ist gut entwickelt. Die Blutungen sind harmloser Natur, dennoch sollten wir sie ernst nehmen. Haben Sie sich vielleicht gerade bei dem Besuch ihrer Freundin aufgeregt?“
Marie schluckte und nickte. „Das kann schon sein, aber ich hätte nie gedacht, dass ich damit meine Schwangerschaft gefährden könnte…“
„Gerade in den ersten Wochen ist eine Schwangerschaft besonders gefährdet, kann instabil sein“, erwiderte die Ärztin. „Sie müssen jetzt sehr gut auf sich achten und möglichst Aufregungen und Stress vermeiden, sich entspannen.“
Marie hätte einen Moment am liebsten trocken aufgelacht. Hätte die Ärztin gewusst, in welcher Zwickmühle sich Marie seit Wochen befand, wäre ihr eine solche Aussage wohl kaum eingefallen.
„Ich schreibe Sie vorsorglich für die nächste Woche krank“, sprach die Ärztin weiter. „Legen Sie sich sofort hin, wenn Sie zu Hause ankommen, und ruhen Sie sich aus, dann gehen wir den sicheren Weg. Ich schreibe Ihnen noch ein Präparat auf, dass ihrem Körper helfen kann, keine Abstoßungsreaktion zu entwickeln.“
Sie sah Marie streng an. „Bitte halten Sie sich auch an meine Anweisungen und gehen Sie heute und morgen nicht mehr aus dem Haus. Sie brauchen jetzt Ruhe. Nächste Woche sollten sie dann sofort ihre Gynäkologin aufsuchen, diese wird Sie weiter behandeln.“
Marie nickte. „Ich werde alles tun, damit es meinem Baby gut geht“, sagte sie leise.
Wenige Minuten später stand Marie mit einer Krankmeldung in der einen, einem Rezept in der anderen Hand auf dem Flur der Gynäkologie.
Sie zitterte und versuchte, tief durchzuatmen. Langsam setzte sie sich in Bewegung nach draußen und schlüpfte vorher noch in ihre warme Jacke.
Nachdenklich öffnete sie die Tür zu ihrem Wagen.
Als sie auf dem Fahrersitz saß, musste sie ihre Gedanken erst einmal sammeln.
Nie in ihrem Leben hatte sie eine solche Angst gehabt, solche Panik. Die Vorstellung, das liebliche kleine Wesen in sich zu verlieren, war so furchtbar gewesen wie nichts, was sie je erlebt hatte. Es hatte ihr das Herz zum Zerreißen zerschnürt. Ihre Hand streichelte unendlich liebevoll über ihren Bauch.
„Dir wird nichts passieren, mein Schatz“, flüsterte sie leise. „Ich lass es nicht zu.“
Marie sah auf. Sie spürte, dass sie sich verändert hatte. Vorher waren die Muttergefühle in ihr nur klein und zaghaft gewesen. Doch nun hatte sie begriffen. In ihr wuchs ein Kind- ihr Kind! Das Kind aus der Liebe zwischen ihr und Cedrik! Es war ihr Schatz. Niemand sollte dieses Kind verletzen, es ihr nehmen. Niemand! Sie musste dem Kind eine gesicherte, gute Zukunft bieten. Ihr Leben musste ruhiger werden. Sie durfte nicht das Leben ihres Kindes aufs Spiel setzen – sie musste ihr Leben endlich wieder in den Griff bekommen – wenn nicht für sich, so doch wenigstens für das kleine Wesen, das in ihrem Bauch heranwuchs! Wie sie das anstellen sollte, war ihr noch nicht ganz klar – aber sie würde einen Weg finden! Zu allererst musste sie dafür sorgen, dass sich das kleine Wesen in ihrem Bauch wohlfühlte… und sie ihm die Ruhe und Wärme gab, die es dafür brauchte.
Marie fühlte sich plötzlich um so vieles klarer als vorher. Sie wusste, was als nächstes zu tun war. In ihren Augen lag wilde Entschlossenheit, als sie ihr Handy nahm und Cedriks Nummer wählte, um ihm zu sagen, dass ihr Termin sich erledigt habe.
Fortsetzung folgt.
Text und Bilder by Innad -
Kapitel 26
Blut
Sie steckte den Kopf in den Raum und sah erst einmal nur den kleinen Flur, der in das Innere des Zimmers führte und der gerade breit genug war, um mit einem Krankenhausbett hindurch zu kommen. Im Zimmer schlug ihr ein steriler und muffiger Geruch entgegen und für einen Moment begann ihr Magen hektisch zu rebellieren, fing sich aber nach einigen tiefen Atemzügen wieder.
Steifen Ganges schritt Marie ins Zimmer und erhaschte einen Blick ins Innere.
Das erste, was sie sah, war Simones Gesicht, das bei ihrem Anblick zu strahlen begann. Sie sprang von dem Stuhl auf, auf dem sie gesessen hatte und lief auf Marie zu. „Marie, wie schön, dass du da bist!“
Marie nickte ihr lächelnd zu und erwiderte ihre Umarmung etwas steifer als sonst. Ihr Blick lag wie gebannt auf der jungen Frau, die tief in den weißen Kissen vergraben lag.
„Susan“, stammelte sie und spürte erst jetzt, wie sehr sie ihre Freundin vermisst hatte und welche Gefühle ihr Anblick in ihr auslöste.
Susan lächelte schwach. Sie sah sehr blass aus und war furchtbar mager geworden. Ihr Gesicht war von zahlreichen Blutergüssen gekennzeichnet, aber sie saß schon halbaufrecht im Bett, natürlich hingen noch einige Schläuche am Bettgestellt, die aus ihren Wunden führten. Aber im Gegensatz zu dem Bild, das Marie noch von der Intensivstation kannte, schien es ein kleines Wunder, dass Susan hier so lag.
Marie merkte, wie sie von ihren Gefühlen überwältigt wurde. Sie eilte zu Susans Bett, ließ sich vorsichtig neben ihr nieder und nahm ihre Hand. In ihren Augen standen Tränen.
Susan lächelte wieder schief. „He, Süße, nun krieg dich mal wieder ein. Unkraut vergeht nicht, das weißt du doch.“
Sie sah Susan an. „Was…?“
Susan grinste wieder, was ihr anscheinend Schmerzen bereitete. „Schön, dass du da bist, Mariechen. Wie geht es dir?“
Dass ihre schwerverletzte Freundin ihr als erstes genau diese Frage stellte, war zuviel für Marie. Die Tränen brachen aus ihr heraus wie ein Staudamm. Simone trat an sie heran und strich ihr sachte über die Schulter. Und selbst Susan streichelte der Freundin sanft die Hand – dabei hätte es doch andersherum sein müssen, dachte Marie sich vorwurfsvoll und versuchte krampfhaft, ihre Fassung zu gewinnen.
„Nun sag schon“, sagte Susan leise, als Marie sich ordentlich geschnäuzt hatte. „Wie war die Prüfung? Hast du deine Ergebnisse schon?“
„Von der schriftlichen? Aber nein. Gestern war die praktische, es war ganz leicht. Oh Susan, es tut mir so leid, dass ich es ohne dich gemacht habe. Ich hoffe, du bist nicht böse?“
Susan zog die Brauen zusammen. Man merkte, dass ihr das Sprechen viel Anstrengung abverlangte, aber sie sagte laut: „Also hör mal. Ich hätte dich geohrfeigt, wenn du nicht gegangen wärst.“
Marie schniefte und sah Susan an. Diese blickte sie aus ihren grünen Augen so gütig an, dass es ihr die Sprache verschlug.
„Bist du müde, Schatz?“ hörte sie Simone sagen.
Susan nickte. „Sehr.“
Marie erhob sich. „Ich sollte… wohl besser gehen?“
Simone lächelte sie an. „Sie braucht noch sehr viel Schlaf. Komm, ich bringe dich nach draußen.“
Gemeinsam blieben beide vor der Tür stehen. „Sie hat sich so gefreut, dich zu sehen“, sagte Simone zu Marie. „Als sie vor einer Woche aufwachte, galt ihre erste Frage dir, stell dir das nur vor. Wir haben ihr gesagt, du seiest zu sehr eingespannt wegen der Prüfung, wir wollten sie nicht aufregen und ihr sagen, dass es dir nicht gut geht.“
„Ich hätte nicht weinen dürfen vor ihr“, sagte Marie betroffen.
Simone winkte ab. „Ach nein, mach dir keine Gedanken, Marie.“
„Wie – wie geht es ihr denn?“ fragte Marie. „Was sagen die Ärzte?“
„Sie sind sehr zufrieden, du siehst ja, sie ist schon von der Intensiv heruntergekommen, viel früher als man dachte. Es braucht natürlich alles Zeit, bis die Brüche verheilt sind und die inneren Verletzungen. Und die Amnesie… keiner weiß, wie lange sie dauern wird.“
Marie horchte auf. „Amnesie? Was meinst du damit?“
Simone sah sie fest an. „Sie kann sich nicht erinnern, was in jener Nacht passiert ist. Das letzte, was sie weiß ist, dass ihr morgens gemeinsam zur Prüfung seid. Danach hat sie einen Filmriss. Die Ärzte sagen, das sei ganz normal.“
Marie spürte, wie sich ihre Welt schneller zu drehen begann, versuchte es sich jedoch nicht anmerken zu lassen und lächelte Simone darum tapfer an.
„Ich sollte besser wieder zu ihr gehen“, sagte diese langsam. Marie nickte. „Ja, ich muss auch los…“
Simone nickte, drückte Marie kurz an sich und verschwand dann wieder im Zimmer.
Marie blieb alleine vor der Tür zurück.
Die Worte „Sie kann sich nicht mehr daran erinnern, was in jener Nacht passiert ist“ hallten in ihr nach wie ein Echo.
Sie sah auf. „Das bedeutet… sie weiß nichts von mir und Cedrik“, flüsterte sie sich selbst zu. Das warf alles, was ihr bisher in Kopf und Herz umher gegangen war, völlig über den Haufen! Was sollte sie nun tun? War es nun überhaupt noch wichtig, richtig, nötig, Susan alles zu sagen? Wenn sie an das Bild ihrer geschwächten Freundin, kaum mehr wieder zu erkennen, zurückdachte, war sie da nicht mehr so sicher.
Marie schluckte und schüttelte dann den Kopf.
Sie war zu verwirrt, um weiter darüber nach zu denken. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr ohnehin, dass es Zeit wurde, nach Hause zu fahren.
Denn in zwei Stunden hatte sie Cedrik zu sich gebeten – um ihm die Wahrheit zu sagen.
Sie machte sich auf den Weg zurück den Flur hinunter. Als sie gerade in den Fahrstuhl gehen wollte, krampfte sich ihr Unterleib heftig zusammen, so dass sie keuchend ein wenig nach vorne kippte.
Überrascht hielt Marie sich den Bauch. Leichte Krämpfe hatte sie seit Tagen, aber so heftig bisher noch nicht. -
@ineshnsch: Vielen lieben Dank für Deinen Kommi! Ja, das ist ein schwerer Schritt, den Marie da jetzt gehen muss. Aber evtl wird es gar nicht so schlimm, wie sie es befürchtet?
Wegen der Schwangerschaft - ich habs schon angedeutet, mit Rechnerei kann man genau rauskriegen, wer der Vater ist, aber ob Marie sich da nicht verrechnet hat, sag ich mal nicht...Rivendell: Tja, ist doch logisch, dass wir es mögen, wenn ihr spekuliert
Aber was passieren wird, erfährst Du heute!
Vielen lieben Dank für Deinen Kommi!!!! -
Uhh, was war denn das für ein grausiger Geselle? Ich hoffe ja schwer, dass Molly nicht wirklich tot ist und diese Gegend, in der sie umherwandelt, am Ende das Jenseits darstellt... könnte ja immerhin sein...
Ich meine, wie kommt da so ein Grufti-Jesus-Imitat in diese Scheune und was ist mit ihm los? Ich mach mir jetzt echt was Sorgen :hua
Die Erinnerung von Molly aber fand ich ganz schön. Ich kann verstehen, dass sie noch unsicher ist, ob sie sich in der Öffentlichkeit denn schon "outen" soll. Aber sie scheint Liz zu lieben und sich bei ihr wohl zu fühlen, das ist die Hauptsache.
Ich bin gespannt, was Molly als nächstes einfällt und begegnet... und hoffe, dass das wirklich nur ein verrückter Irrer im DIESSEITS war..... :misstrau
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Kapitel 38
Rückfall
Es vergingen weitere drei Tage. Jess und Tessa verloren kein Wort mehr über die Sache mit dem überraschenden Besuch ihrer Mutter, aber was geschehen war, schien mit einer ungewöhnlichen Schwermut über ihnen zu schweben, ohne dass es jemand von beiden zu äußern gewagt hätte.
Jess ging es den Umständen entsprechend recht gut. Er aß immer noch recht wenig und oft wirkte er nervös. Tagsüber brauchte er viel Schlaf, nachts wachte er dafür umso häufiger auf.
Oft musste Tessa daran denken, was Tina ihr gesagt hatte – dass Jess auch nach dem kalten Entzug psychologische Betreuung bräuchte. Aber die Stimmung zwischen ihnen war seit dem unglückseligen Besuch nicht mehr die beste, so wagte sie es nicht, ihn darauf anzusprechen.
Am vierten Tag nach dem Besuch ihrer Mutter, bekam Jess am späten Nachmittag plötzlich wieder fast genauso starke Symptome wie in den ersten vierundzwanzig Stunden des kalten Entzugs. Er zitterte und bebte zuerst, war nervös und aufgebracht und wurde schließlich aggressiv und ungeduldig.
„Ich kann nicht mehr! Ich kann einfach nicht mehr!“ rief er aufgebracht. „Ich brauche jetzt einen Schuss! Ich brauche dieses gottverdammte Zeug! Ich kann nicht mehr, Tessa!“
Er tobte und wütete, schrie und fluchte. Tessa stand eine Weile hilflos daneben, dann merkte sie, wie sie Verzweiflung überkam und eine tiefe, seelische Erschöpfung sich in ihr auszubreiten schien, so dass sie nichts mehr sagen oder tun konnte, um Jess zu beruhigen, sondern nur noch die Hände vors Gesicht schlug und zu weinen begann.
Das schien Jess noch aggressiver und gereizter zu machen.
„Hör auf zu flennen!“ rief er ihr zu. „Du bist nicht diejenige, die hier ein Problem hat! Ich brauche Stoff – ich kann das nicht mehr ertragen! Ich will das nicht mehr ertragen!“
„Aber… ich dachte, es geht dir besser“, schluchzte Tessa hinter vorgehaltenen Händen.
„Nein! Tut es nicht! Was weißt du aber schon davon? Du hast doch keine Ahnung!“ rief Jess wütend aus und trat vor lauter Frust ans Bücherregal, das bedenklich zu schwanken begann.Während Tessa hilflos weiter schluchzte, reckte Jess den Kopf gen Himmel und stöhnte laut. „Ich kann nicht mehr! Ich kann einfach nicht mehr, Tessa! Wieso verlangst du so etwas nur von mir? Wie kannst du mir lieben, wenn du so etwas von mir verlangst… ich brauche dieses Zeug einfach! Ich kann nicht ohne es leben, wieso versteht das denn nur niemand?“
Tessa hörte kaum noch hin. Sie spürte nichts mehr als Verzweiflung und Müdigkeit. Es sollte vorbei sein. Endlich vorbei sein.
Dass sie dabei genau die gleichen Gedanken wie Jess hatte, ahnte sie nicht.
Nach einer schier endlosen Zeit hatte Tessa sich wieder beruhigt und schaffte es schließlich, auch Jess wieder zu beruhigen. Müde und kraftlos zog sie ihn zu sich aufs Bett und versuchte, ihn wie so oft in den letzten Tagen durch sanftes Streicheln und beruhigende Worte in den Schlaf zu wiegen, doch er war zu unruhig, um die Augen zu schließen.
„Ich kann nicht mehr, Tessa“, flüsterte er erschöpft. „Es wird nicht aufhören, weh zu tun. Es wird niemals aufhören, niemals. Und ich weiß nicht mehr, wofür ich das alles tu…“
„Für uns, für uns beide“, erwiderte sie leise. „Es wird weniger werden, Jess. Das weiß ich. Du musst nur noch ein wenig durchhalten. Es wird von Tag zu Tag besser werden und einfacher, ganz bestimmt.“
Sie sah ihn bange an. „Jess – du darfst nicht aufgeben. Bitte, versprich es mir…“Jess Miene verfinsterte sich.
„Ich weiß nicht, ob ich dir das versprechen kann… ich fühle mich heute so schwach und unfähig, an etwas anderes zu denken als an die Drogen und das Gefühl, nach dem ich mich so sehne. Ich spüre dich nicht mehr, weil ich mich nicht mehr spüre. Was hat da schon noch einen Wert?“ erwiderte er langsam.
Tessa spürte einen schmerzlichen Stich in der Brust. Und mit einemmal hatte sie Angst – Angst, dass Jess nicht stark genug sein würde, der Sehnsucht nach der geliebten Droge dauerhaft zu widerstehen.
Würde es nun so weitergehen, Tag für Tag? Jeder Tag ein erneuter Kampf gegen dieses drängende, alles andere ausblendende Gefühl, welches in seiner Brust wohnte und gegen sie und die Gefühle, die er für sie hegte, in die Schlacht zu ziehen bereit war?
Stundenlang saßen sie so beieinander und hielten sich fest. Wenigstens stieß Jess sie nicht von sich – dies war ein gutes Zeichen. Er wurde langsam immer müder und seine Gesichtszüge entspannten sich.
Müde standen beide schließlich auf und schälten sich aus ihren Kleidern. Dann krabbelten sie gemeinsam zurück ins Bett. Tessa umschloss Jess von hinten und sog seinen Duft tief ein. Noch immer war es für sie jeden Abend fast ein kleines Wunder, mit ihm an ihrer Seite einschlafen zu dürfen.
Während Jess, offenbar sehr geschwächt von den Strapazen des Tages, sofort einschlummerte, lag Tessa noch lange wach und beobachtete den schlafenden Mann neben sich. Seine Gesichtszüge hatten sich entspannt. Er sah im Schlaf so weich und verletzlich aus.
Tessa fühlte das unendlich starke Gefühl von Liebe in sich aufwallen, als sie ihn beobachtete. In diesem Augenblick verzieh sie ihm alles. Und in diesem Augenblick wusste sie auch, dass alles gut werden würde.Fortsetzung folgt.
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@ineshnsch: Ich denke, man kann beide Seiten verstehen. Für Jess ist es bestimmt sehr demütigend, so versteckt zu werden. Ich weiß nicht, ob mich die Beweggründe dann noch besonders interessieren würden... ich glaubs ehrlich gesagt nicht. Und ich würde wohl ähnlich reden wie er - auch ohne Entzugserscheinungen.
Natürlich kann man auch tessa verstehen, wir kennen schließlich ihre Mutter. Aber sie hätte ja auch die Wahl gehabt, zu Jess zu stehen... und sich von ihren Eltern loszusagen. Klar, das wäre schwierig gewesen, aber sie hätte die Wahl gehabt. Ich meine, wie will sie eine gemeinsame ZUkunft aufbauen, wenn sie Jess bisher so derart verheimlicht hat? Das wird nicht einfach.
Und für Jess wird das Ziel, auf welches er hinarbeitet, dadurch natürlich etwas fragwürdiger als bisher.
Dass Tessas Mutter mal wieder nicht nachgefragt hat, zeigt wirklich, dass sie zuviel anderes im Kopf hat. Auf der anderen Seite, wieso sollte sie annehmen, Tessa sei verschlagen worden? Sie weiß ja nicht von den "Kreisen", in denen sie sich aufhält.
Danke für deinen lieben und langen Kommi!
@Dani04: Ja, stimmt- DU hast es ganz genau erfasst, was ich auch meine. Ich kann beide Seiten verstehen und würde mir an Jess´ Stelle auch total mies vorkommen. Ob er sich nun im Schlafzimmer versteckt, weil er was dummes machen will oder nur, weil er nach dem Streit mal eine Auszeit braucht, ist die große Frage.
Das mit dem Fotofehler ist mir leider zu spät aufgefallen... eigentlich sollte die Tür zu sein *grummel*
Danke für Deinen lieben Kommi!@
Llynya: Ja, Du hast recht - Tessas Mutter war und ist einfach recht oberflächlich. Aber so ist sie halt. Das ist für Tessa schon traurig. Tante Tru hätte sich bestimmt nicht so leicht von der Treppen Story überzeugen lassen....
Wegen Jess und tessa hab ich ja schon oben geschrieben, dass man wohl beide Seiten verstehen muss.
Aber es ist gut, dass Jess dableibt, das stimmt.
Danke für Deinen lieben Kommi!@All: Heute gibts eine Mini FS! Viel Spaß!