Dornen des Glücks - oder: Rosen der Liebe 2

  • Hi Moni!


    Du bist ja ganz schön schnell mit deinen Fortsetzungen... Wow. Respekt.
    Ein Ausbruch von Schreibfieber? ^^


    Ist ja auch viel passiert...


    Die arme Miranda... Ich glaub, so hat sie das mit dem Angebot nicht gemeint.
    Ja... Der Hausherr ist gut...
    "Jeder andere wird sie toll finden, aber in mein Haus kommt sie nicht."
    Super.
    Das Kapitel war für meine Geschmack viel zu kurz. ^^
    Aber wahrscheinlich war es eher kurz, weil Miranda nicht gern daran denkt...


    Dann kommt sie nach Hause und ist froh darüber, und muss gleich wieder gehen...
    Ich verstehs ja insoweit, dass bei ihr zuhaus wenig Platz ist, aber hart ist es trotzdem.
    Sie fühlt sich dort so wohl...


    So eine betreute Wohngemeinschaft ist eigentlich richtig gut, vor allem, wenn sie dadurch einen Ausbildungsplatz findet.
    Aber wenn sie durch die Leute zum Alkohol kommt...
    Ich meine, es ist verständlich, dass Alkohol als ein "Ausweg" erscheint, aber das ist er ja in keinem Fall...
    In ihrer Lage ist ihr das aber eher egal, und die Kontrolle scheint eher mager auszufallen...
    Die anderen sind ja schon etwas länger hier und trinken trotzdem...


    Das mit Julien ist schon irgendwie schlimm, und schön, dass er sich jemandem anvertrauen kann, aber... Heroin?
    Gibts da keine Kontrollen? Prüft das keiner nach?


    Erst Alkohol, dann gleich die harten Drogen?


    Nebenbei: Hatte Miranda da nicht mal ein Hilfsangebot bekommen? Von einem gewissen Vater eines gewissen Herrn? ^^
    Daran hat sie wahrscheinlich nicht mehr gedacht...


    Bin gespannt, wie's weitergeht.


    Grüße,


    Appolonia


  • Natürlich blieb all das nicht unentdeckt. Inge bemerkte am nächsten Tag, dass etwas mit mir nicht stimmte. Sie zog mich ins Gespräch. "Mira, ich muss mit Dir reden. Ich merke, dass etwas mit Dir, und auch mit den anderen, nicht stimmt. Schau mal in den Spiegel. Denkt Ihr denn wirklich, dass ich das nicht merke? Ihr trinkt heimlich Alkohol! Ich weiß es, und seh auch schon länger zu, hab auch mit jedem einzelnen von Euch geredet, doch bei keinem von Euch zeigt sich Besserung!" Was Inge redete, interessierte mich in diesem Moment nicht wirklich. Normalerweise wäre mir das Gespräch sehr nahe gegangen, ich wusste selbst nicht, was mit mir los war.
    "Ich hab einfach schlecht geschlafen.", entgegnete ich ihr gelangweilt. Ich wollte zurück in mein Zimmer und mich einfach nur hinlegen.

  • Doch Inge war in diesen Situationen sehr hartnäckig. Sie sah mir tief in die Augen. "Ich möchte, dass Dir bewusst wird, in welche Gefahr Du Dich begibst. Du kannst, genau so wie jeder andere, morgen hier rausfliegen, und da draußen ist niemand, der Dir hilft. ICH will Dir helfen, doch Du lässt mich nicht. Du verschließt Dich total, lässt niemanden an Dich ran. Wozu bist Du denn eigentlich hier, Miranda? Hast Du vergessen, dass Du was aus Deinem Leben machen wolltest? So wird es bestimmt nichts." Ihr Gerede löste in mir nur Wut aus. Ich wollte nicht mit all diesen schrecklichen Wahrheiten konfrontiert werden. Natürlich hatte sie, wenn ich heute darüber nachdenke, recht, doch damals dachte ich anders darüber. Diese Frau wusste doch gar nichts über mich und über alles, was ich durchgemacht hatte. Ich hasste sie. Schnell lief ich in mein Zimmer und knallte die Türe zu. Kurz darauf klopfte Inge.



    "GEH WEG!";, schrie ich. "Ihr wisst alle NICHTS über mich! Leckt mich alle!"; Daraufhin verstummte das Klopfen und ich hörte wenig später Schritte, die sich von der Türe entfernten.



    Weiter ging es damit, dass Julien mich immer öfters besuchen kam. Ich fand ihn zwar sehr nett und merkte auch schnell, dass er in mich verliebt war, doch ich erwiderte das nicht. Ich war wohl der einzige Mensch, dem er sich anvertraute. Mit ihm rauchte ich meine erste Marihuana-Zigarre und schwebte in anderen Sphären, während er mir von Gott und der Welt erzählte. Seine Geschichte kannte ich nun, doch ich wusste, dass er darauf wartete, meine zu hören. Ich wollte und konnte sie ihm jedoch nicht erzählen, was ihn sehr traurig machte.



    Wir saßen zusammen auf dem Fußboden im Bad, wo uns keiner hören konnte, und er fragte mich zum hundertsten Mal, ob es mir denn nicht besser gehen würde, wenn ich ihm alles erzählen könnte. Ich wich seiner Frage aus. Konnte er es nicht einfach sein lassen? Immer wieder stichelte er nach, bis ich auf einmal, in der Woge eines Haschischzuges, schrie: "Mensch, ich bin vergewaltigt worden und musste dann mein eigenes Kind abtreiben! Das ist meine Geschichte, und mehr gibts nicht. Und jetzt nerv mich nicht weiter damit." Julien erschrak und fragte mich nicht weiter.



    Erst am nächsten Tag brach ich mitten vor Inge in Tränen aus. Sie wirkte zuerst sehr verstört, doch dann nahm sie mich in den Arm und ließ mich so richtig bei ihr ausweinen. "Wein nur, das tut Dir gut.", sagte sie. Doch noch im selben Moment erschrak sie. Ich wusste sofort, wieso. Sie hatte die Einstichspuren an meinem Arm gesehen. Entsetzt sah sie mich an. "Ist es wirklich das, was ich denke?" Mittlerweile war ich schon abhängig, brauchte jeden Tag einen Schuss, den Julien mir ohne Widerworte gab.



    Sie redete Stunden mit mir, wollte mich bekehren, mich überzeugen, dass das falsch sei, doch bei mir regte sich nichts. Heute tut es mir leid, wie kalt ich diese Frau abblitzen ließ, denn sie versuchte ernsthaft, mir zu helfen. Sie musste das Jugendamt und meine Mutter informieren. Mir war sehr wohl bewusst, was das bedeutete. Ich beschloss, abzuhauen. Noch am selben Tag. Ich packte also die wenigen Sachen zusammen, die ich hatte, und ging in die Stadt. In der Drogenszene erkennt man gewisse Leute einfach, und so wusste ich schon bald, an wen ich mich wenden musste.



    Ich lernte eine Clique von Soft-Junkies kennen, die wirklich nur zum Antörnen spritzten, doch bei denen bekam ich nun meinen Stoff. Ich musste mir immer wieder in einem Geschäft Zitronen besorgen. Der Mann an der Kasse fragte mich, was ich denn immer mit Zitronen wolle. Ich maulte ihn jedoch nur blöd an. "Das geht doch Sie nichts an!"



    Er sah mich entsetzt an und schüttelte den Kopf. "Wenn Du meine Tochter wärst, würdest Du jetzt eine Ohrfeige bekommen." Ich zuckte nur mit den Schultern.

  • In der Drogenszene erkennt man gewisse Leute einfach, und so wusste ich schon bald, an wen ich mich wenden musste. Ich lernte eine Clique von Soft-Junkies kennen, die wirklich nur zum Antörnen spritzten, doch bei denen bekam ich nun meinen Stoff. Ich musste mir immer wieder in einem Geschäft Zitronen besorgen. Der Mann an der Kasse fragte mich, was ich denn immer mit Zitronen wolle. Ich maulte ihn jedoch nur blöd an. "Das geht doch Sie nichts an!" Ich ging raus auf die Straße. Irgendwo musste doch jemand sein. Wie lang hatte ich eigentlich geschlafen? War es immer noch dunkel? Oder schon wieder? Ich wusste es nicht, aber es war mir auch egal. Wichtig war nur, irgendwen zu finden, der was hatte. Doch es gab keinen. Ganz allein lief ich draußen herum. Ich fror ganz schlimm, hatte nur mein dünnes Kleidchen an. Dann fing es auch noch an, zu regnen. Kein Mensch war draußen, den ich kannte.



    Doch dann kam plötzlich ein Mann mit einem roten Regenschirm. Er hatte langes Haar und strahlte irgendetwas aus, was mir unheimlich bekannt vorkam. Er kam mir direkt entgegen. Als er mir gegenüber stand, blieb er stehen. "Kann ich Dir irgendwie helfen? Dir muss doch kalt sein." Ich wusste selbst nicht, was ich sagen sollte. "Ich brauch Stoff.", war alles, was ich heraus bekam. Er musterte mich. "Zuhause hab ich was." In diesem Moment hätte ich alles getan. Ich spielte übertriebene Freundlichkeit.



    Ich lächelte ein wenig verlegen. "Vielleicht könnten Sie mir etwas davon abgeben?" Er zögerte. "Was bekomme ich denn dafür?" Ich war sofort voll Eifer. Es war etwas zu holen. "ALLES!", rief ich überschwänglich. "Na dann komm mit." Er teilte mit mir seinen Regenschirm und wir liefen die Hauptstrasse entlang.



    Ich konnte kaum mit ihm Schritt halten, so eilig hatte er es. Wir liefen knappe zehn Minuten. "Wie weit ist es noch?", fragte ich ungeduldig. "Nur mit der Ruhe, Kindchen. Es ist nicht mehr weit." Doch es war noch sehr weit. "Noch eine Ecke, dann sind wir da.", sagte er nach weiteren zehn Minuten Fußmarsch.



    Und so war es auch. Da waren wir. Er hatte eine kleine Wohnung am Stadtrand. Er sperrte die Türe auf. Schneller, dachte ich, sonst raste ich aus.

  • Wir traten ein. Es war eine schöne Wohnung, doch ich nahm das nur am Rande wahr. "WO ist denn jetzt Dein Zeug?", fragte ich, und konnte mich kaum mehr zurück halten. Er kam näher und streichelte mir über die Wange.



    "Du bist ein hübsches Mädchen. Schlaf mit mir." Er forderte es regelrecht. "Schlaf mit mir und Du bekommst das beste Zeug, das Du je hattest." Er drückte mich aufs Bett. Ich küsste ihn. "Wenn Du gut bist, dann bekommst Du das doppelte. Komm, mach es mir schön, Mädchen." Ich gab mir Mühe, obwohl ich mich am liebsten übergeben hätte. Ich kannte ihn nicht, und ich wollte das alles nicht. Doch ich brauchte den Stoff. Er zog mich stürmisch aus, gedrängt von seiner Lust.



    Es geschah alles so schnell, so unwirklich. Noch ehe er mit mir schlafen konnte, übergab ich mich direkt auf seinem Bett. Angewidert wich er zurück, sah entsetzt das Geschehene und lief sofort ins Bad, um sich den gröbsten Schmutz abzuwaschen. Verwirrt saß ich am Bettrand. Er kam in den Raum. "RAUS HIER!", rief er angewidert. "Aber Du hast mir doch..." Er schüttelte wild den Kopf. "Wenn ich das gewusst hätte. Verschwinde!" Verstört nahm ich mein Kleid, schlüpfte hinein und lief weg.



    Wieder war ich draußen, ganz alleine, wieder suchte ich jemanden, der mir helfen konnte. Da traf ich endlich einen, den ich kannte. Er gab mir Stoff, viel zu viel für das Geld, das ich ihm gab. Ich hätte misstrauisch sein sollen, doch irgendwie konnte ich nicht mehr denken. Ich setzte mir, so schnell es ging, den Schuss, und wieder wurde ich ohnmächtig. Jedoch nur für kurze Zeit. Zumindest hatte ich das im Gefühl. Ich schleppte mich auf die Brücke. Dort saß ich, gequält von Schmerzen und schrecklichen Angstgefühlen, und wollte eigentlich nur noch sterben. Es war so kalt, alles an mir klebte vom Regen. Warum war alles nur so gekommen?



    Erinnerungen aus meiner Kindheit schossen mir durch den Kopf. Wieso bin ich nicht einfach bei meiner Mutter geblieben? Dort wäre es mir bestimmt besser ergangen. Zorn stieg in mir auf, Zorn auf meine Mutter, meinen toten Vater... Ich sah zu, wie die Sonne aufging. Ich erinnere mich kaum mehr, doch ich weiß noch, dass ich die Wärme spürte und mich besser fühlte.



    Doch dann kam auf einmal meine Schwester des Weges. Mit aller Kraft stand ich auf. Sie stand mir direkt gegenüber und sah mich flehend und sehnsüchtig an. Was sollte ich jetzt tun?



    --------Freue mich natürlich über KOMMIS und THANKS wie ein Schnitzel :) Vielen Dank an alle Leser, ich hoffe, Euch hat es gefallen, und ihr findet es nicht zu krass.-------

  • Ohne etwas zu sagen, kam sie zu mir und nahm mich einfach in den Arm. "Was hast Du denn wieder angestellt, kleine Schwester. Wieso machst Du mir und Deiner Mama denn so viel Kummer?" Ich weinte. Die Tränen kamen von selbst. "Komm mit mir nach Hause. Das ist das Beste." Und so machten wir es auch. Zu Hause war meine kleine Nichte. Sie war genau so süß und aufmerksam wie immer und merkte sofort, dass es mir schlecht ging. Meine Schwester ließ mir ein Bad ein und behandelte mich erst einmal mit einer Massage. Ich war froh, bei ihr zu sein. Doch wie sollte es weiter gehen? Ich bekam nach und nach wieder Entzugserscheinungen. Meine Schwester redete mit mir ein ernstes Gespräch. "Ich weiß von Deinen Eskapaden, aber wie schlimm ist es wirklich?" Ich zeigte ihr meinen Arm. Sie musterte ihn genau, so, als wolle sie analysieren, von was dies kam. Doch es war ihr ohnehin klar. Dann sah sie mich an. "Wieso hast Du das nur getan? Du machst Dir Dein ganzes Leben kaputt mit diesem Mist." Ich lachte ironisch. "Mein Leben ist doch schon kaputt. Du weißt genau, dass ich vergewaltigt worden bin. Und seitdem will ich eigentlich gar nicht mehr leben. Aber ich trau mich nicht, mich einfach umzubringen. Wie soll es denn jetzt mit mir weiter gehen?" "Erst mal machst Du einen Entzug. Hier, bei mir. Du weißt, dass mein Exfreund heroinsüchtig war. Und ihm hab ich auch geholfen. Also werde ich das bei Dir auch schaffen. Und dann haben Mama und ich uns überlegt, dass wir Dir einen Mann suchen." Ich bekam regelrecht einen Schock. Sie wollten mich verheiraten? Ich hatte so etwas noch nie in Erwägung gezogen. Andererseits war es auch ganz gut. So hatte ich wenigstens eine sichere Zukunft. "Erst einmal machst Du jetzt den Entzug.", sagte sie. Ich glaube, sie spürte mein Entsetzen. Und dann machten wir den kalten Entzug. Es war die Hölle. BILDER KOMMEN SPÄTER, WEIL DER HOSTER WIEDER MAL STREIKT!


  • Ohne etwas zu sagen, kam sie zu mir und nahm mich einfach in den Arm. "Was hast Du denn wieder angestellt, kleine Schwester. Wieso machst Du mir und Deiner Mama denn so viel Kummer?" Ich weinte.



    Die Tränen kamen von selbst. "Komm mit mir nach Hause. Das ist das Beste." Und so machten wir es auch. Zu Hause war meine kleine Nichte. Sie war genau so süß und aufmerksam wie immer und merkte sofort, dass es mir schlecht ging. Meine Schwester gab mir etwas von ihr zum Anziehen und ich setzte mich zu der Kleinen auf den Boden.



    Sie spielte so süß, dass mir ganz warm ums Herz wurde. Mein eigenes Kind würde auch irgendwann so süß werden, dachte ich, und zugleich kam der Schmerz um mein erstes Ungeborenes, welches nie die Chance bekommen hatte, zu spielen. Maida ließ mir ein Bad ein und behandelte mich erst einmal mit einer Massage. Ich war froh, bei ihr zu sein. Doch wie sollte es weiter gehen? Ich bekam nach und nach wieder Entzugserscheinungen. Meine Schwester redete mit mir ein ernstes Gespräch.



    "Ich weiß von Deinen Eskapaden, aber wie schlimm ist es wirklich?" Ich zeigte ihr meinen Arm. Sie musterte ihn genau, so, als wolle sie analysieren, von was dies kam. Doch es war ihr ohnehin klar. Dann sah sie mich an. "Wieso hast Du das nur getan? Du machst Dir Dein ganzes Leben kaputt mit diesem Mist." Ich lachte ironisch. "Mein Leben ist doch schon kaputt. Du weißt genau, dass ich vergewaltigt worden bin. Und seitdem will ich eigentlich gar nicht mehr leben. Aber ich trau mich nicht, mich einfach umzubringen. Wie soll es denn jetzt mit mir weiter gehen?"



    "Erst mal machst Du einen Entzug. Hier, bei mir. Du weißt, dass mein Exfreund heroinsüchtig war. Und ihm hab ich auch geholfen. Also werde ich das bei Dir auch schaffen. Und dann haben Mama und ich uns überlegt, dass wir Dir einen Mann suchen." Ich bekam regelrecht einen Schock. Sie wollten mich verheiraten? Ich hatte so etwas noch nie in Erwägung gezogen. Andererseits war es auch ganz gut. So hatte ich wenigstens eine sichere Zukunft. "Erst einmal machst Du jetzt den Entzug.", sagte sie. Ich glaube, sie spürte mein Entsetzen. Und dann machten wir den kalten Entzug. Es war die Hölle.

  • Dann jedoch wurde alles noch viel schlimmer. In der ersten Zeit meines kalten Entzuges ging es mir so schlecht, dass ich teilweise ohnmächtig wurde, und so musste mir meine Schwester Methadon besorgen. Wie sie das gemacht hat, weiß ich bis heute noch nicht, und ich will es auch gar nicht wissen. Auf jeden Fall nicht auf dem öffentlich Weg. Sie wusste genau, wie sie es anstellen sollte, und manchmal wusste ich tagelang nicht mehr, wer ich eigentlich war, denn ich schlief nicht und war irgendwie gar nicht bei Bewusstsein.



    Eines Tages war ich mit meiner kleinen Nichte allein. Mein Entzug war schon so gut wie abgeschlossen, und Maida wollte nur schnell einkaufen gehen. Zafira bettelte mich nun an, ich solle mit ihr baden gehen. Ich willigte ein, da ich ihr jeden Wunsch erfüllen wollte. Sie war mein Liebling, ich liebte sie so, als wäre sie mein eigenes Kind. Als wir das Bad betraten, in dem es kein Fenster gab, machte ich das Licht an. In diesem Moment brannte die Glühbirne durch. "Mist, das hat mir jetzt grade noch gefehlt.", schimpfte ich. Doch Zafira hatte die rettende Idee. "Wir nehmen Gummibärenlampe von Zafira!" Sie liebte diese Lampe in Form eines Gummibärchens. Ohne diese wollte sie nicht einschlafen. Also holte ich sie ihr und knipste sie an. Das Licht war zwar schwach, doch es reichte aus. Ich ließ das Wasser ein und setzte Zafira hinein. Nicht zu viel Wasser, damit sie nicht ertrinken konnte. Dann wollte ich mich ausziehen, doch auf einmal sagte sie: "Meine Quietscheente! Mira holen!" OK, dachte ich, dann hol ich ihr eben noch das Quietscheentchen. Ich zog mir mein Oberteil wieder an und rannte in Zafiras Zimmer, wo das Entchen auf dem Nachttisch lag. In diesem Moment hörte ich einen Schrei. Er kam aus dem Bad, von Zafira. Ich lief zurück und fand Zafira leblos und untergetaucht in der Wanne liegen. Im Wasser lag die verdammte Lampe. Ich öffnete meinen Mund zu einem entsetzten Schrei, doch ich bekam keinen Ton heraus. Ich trat näher, sagte immer wieder leise: "Nein, nein nein... Nein." Doch sie war tot. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen und wurde ohnmächtig.



    Als ich wieder wach wurde, lag ich auf der Couch und neben mir saß mein ältester Bruder. Er war abwesend, wirkte verstört. Ich erinnerte mich zunächst an nichts. "Was ist passiert?", fragte ich, und da stand er auf underzählte es mir. Wo meine Schwester sei, wollte ich wissen, doch er wollte es mir nicht sagen. Ich konnte noch nicht einmal weinen. Ich wollte zu ihr. Da kam sie zur Türe herein. Ich wollte ihr alles erklären, mit ihr reden, mich entschuldigen. Doch konnte man sich für das überhaupt entschuldigen? Warum musste das passieren? Ich frage mich heute noch, warum. Sie sah mich voller Hass an. "Verschwinde von hier, Miranda. Ich will Dich nie wieder sehen!" Dann brach sie in Tränen aus.


    Sie ließ mich nicht zu Wort kommen. Mein Bruder nahm mich an die Hand. "Ich bringe Dich nun zu Deiner neuen Familie. Du wirst dort einen Jungen heiraten." Ich riss mich los und lief weg. Zwei Tage streunte ich draußen umher, ständig in Versuchung, wieder Drogen zu nehmen. Doch dann ging ich auf den städtischen Friedhof. Ich wusste nicht, wann die Beerdigung von Zafira stattfinden solle, also lief ich zum Leichenschauhaus. Dort war Maida.



    Sie kniete vor dem Sarg und weinte. Ich konnte den Anblick kaum ertragen. Es zerriss mir das Herz. Sie sah mich nicht, was auch ganz gut so war, doch ich konnte den Blick nicht abwenden.

  • ich find deine storie voll kake weil ich versteh fast gar nicht um was es eigentlich geht und auch die bilder seh ich nich das is voll kake drum muss ich sagen wenn ich du wäre würd ich nich weiter schreiben und es macht e keiner einein komentar also das sagt schon alles bei den anderen stories ist voll viel geschrieben und genatwortet und bei dir nicht. die erste storie ist am besten

  • Also ich finde deine FS super und les mir sie auch jedes mal durch und freue mich über jeder Fortsetzung. Dein Schreibstil ist super und auch die Fotos sind gut getroffen. Und ich finde nicht, nur weil keiner antwortet, das die FS schlecht ist, es gibt immerhin auch viele stille Leser die nur keine Lust haben jedes mal was zu schreiben ;)

    [RIGHT][SIZE=3]Home is wherever I’m with you.[/SIZE][/RIGHT]

  • @ Gelber Wolf: Naja das ist Deine Meinung und wenigstens bist Du ehrlich aber ich schreibe trotzdem weiter weil es mir einfach Spaß macht und ich glaube schon dass noch ein paar mitlesen, man siehts ja auch an den "Thank you" - Anzeigen.
    @ Käsekuchen: Danke, das ist echt nett und schön zu hören! Vielen Dank
    So, und jetzt erst recht, hier kommt die Fortsetzung. Viel Spaß!
    ____________________________________________________



    Auf einmal stand mein Bruder hinter mir. Er hielt mich fest. "Du kommst jetzt mit. Noch einmal läufst Du mir nicht davon." Er brachte mich zum Wagen und wir fuhren in eine ungewisse Zukunft. Wenige Minuten später trafen wir bei der Familie ein, die mich aufnehmen sollte und dessen Sohn ich heiraten würde. Miro hatte inzwischen mit dem Handy meine Mutter angerufen, die sofort zu der Familie geradelt war.



    Das Haus war groß und alles sah sehr gepflegt aus. Im Garten befand sich ein Badeweiher und eine ganze Sammlung von verschiedenen Pflanzen. Es gefiel mir auf Anhieb. Ich dachte: Vielleicht wird es gar nicht so schlecht. Vielleicht konnte ja auch ich mal Glück haben. Aber insgeheim zweifelte ich im selben Moment an allem, was ich da sah.



    Eine Frau kam aus dem Haus und lief in unsere Richtung. "Latscho diewes!", rief sie, was so viel wie "Hallo" heißt. Sie wirkte freundlich und es war fast, als wäre sie glücklich, uns zu sehen. "Ich dachte schon, ich würde meine Schwiegertochter nie zu Gesicht bekommen!" Mein Bruder winkte ab. Da sah ich auch schon meine Mutter. "Ich gehe jetzt. Du gehst mit Mama rein. Und mach ihr keinen Kummer mehr." Dann drehte Miro sich um und ging zurück zum Auto. Die letzten Schritte in Freiheit, dachte ich. Sollte ich noch einmal weglaufen? Nein. Ich ging weiter. Ich konnte nicht immer vor allem davonlaufen. Also gingen meine Mutter und ich hinein.


    Die Frau stellte sich als "Jasmin" vor, und dann war da noch Jackie, ihr Mann, der Vater meines zukünftigen Ehemanns. Er war auch sehr nett. Meine Mutter verstand sich gut mit ihm.



    Wir gingen ins Wohnzimmer, wo Jasmin mich auf ein Sofa dirigierte und nach ihrem Jungen brüllte. "Fernando! Komm runter! Miranda ist da!" Er kam herein, zog schüchtern seinen Kopf ein und setzte sich mir gegenüber auf das andere Sofa. Süß, dachte ich. Aber mehr fiel mir zu ihm nicht ein.



    Verstohlen sah er mich an. Wenn sich unsere Blicke begegneten, sah er schnell wieder weg. Ich musste schmunzeln. Das war er also, der Mann, mit dem ich mein Leben verbringen sollte, und der all das, was ich vermasselt hatte, wieder gut machen sollte. Ob er wusste, dass ich keine Jungfrau mehr war? Ich wusste nicht, wie meine Mutter diese heikle Situation mit seinen Eltern geregelt hatte.



    Mama sprach so viel wie noch nie zuvor. Sie lobte mich in den höchsten Tönen, sprach von meiner Lehre als Köchin und der Ausbildung zum Kindermädchen. "Sie kann alles, was eine richtige Sinti können muss: Kinder hüten, kochen, waschen - einfach alles. Sie ist in allem ausgebildet. Sie kocht die besten Gerichte, die ihr je gegessen habt! Und hübsch ist sie noch dazu!" Fernandos Vater sah mich an und nickte. "Wohl wahr, hübsch ist sie." Ich kam mir vor wie ein Schwein bei der Fleischbeschau. "Jasmin soll mal sehen, was sie alles kann." Das hieß, ich musste ihr alles zeigen, was ich konnte, und das war in Wahrheit weitaus weniger als meine Mutter eben angeprießen hatte. Ich kam mir vor wie eine riesengroße Betrügerin.




    Jasmin schleppte mich zuerst ins Schlafzimmer, wo sie mir eine Tracht der Sintis verpasste. "Das muss sein. Du lebst jetzt bei uns, und deshalb musst Du das tragen." Dann ging es in die Küche.



    Ich hasste Küchen, ich habe sie schon immer gehasst. War das denn alles, worauf man mich beschränkte? Ich hatte doch viele andere Vorzüge, musste es immer gerade dieser sein? Doch ich meisterte zu meiner eigenen Verwunderung ihre Aufgabe mit Bravour. Jasmin war begeistert von mir und fragte mich alle möglichen Sachen. Anscheinend gab ich ihr genau die Antworten, die sie hören wollte, denn als wir wieder zurück ins Wohnzimmer kamen, sagte sie zu Fernando: "Da haben wir eine Goldmarie für Dich gefunden, Junge." Er wurde rot und sah weg. Wieder dachte ich: Süß- aber mehr nicht.



    Meine Mama ging erst, als es Abend wurde. Sie verabschiedete sich nicht lange, sie sagte einfach: Viel Glück, und ging. Ich blieb alleine zurück, in einem fremden Haus, bei fremden Leuten. Es kam mir alles so unwirklich vor. Doch wenigstens waren alle nett zu mir. Fernando hatte noch zwei jüngere Geschwister. Sie freuten sich sehr, dass ich da war, und wollten sofort mit mir spielen, doch Jasmin schickte beide nach draußen zum Spielen. Auch wir gingen nach draußen. Es war eine warme Sommernacht.



  • Die beiden kleinen Geschwister von Fernando waren bereits im Garten. Sie fuhren Fahrrad.



    Eine richtig friedliche Familie, dachte ich. Meine neue Sciegermutter "platzierte" ihren Sohn direkt neben mich. Da es schon dunkel war, schien er richtig locker zu werden und sprach sogar mit mir. "Wie gefällt es Dir denn hier bei uns, Miranda?" "Es ist echt schön hier.", antwortete ich.
    "Hattest Du denn keine Angst vor uns?" Er stellte mir diese ungewöhnliche Frage mit vollem Ernst und wartete gespannt auf meine Antwort. Ich musste lachen. "Nein, Angst hatte ich keine, aber es ist eine gewisse Ungewissheit, wenn man in eine fremde Familie kommt."




    "Das hier ist jetzt auch Deine Familie. Oder spätestens nach unserer Hochzeit. Du bist wirklich sehr hübsch, und Mama sagt, dass Du klug und fleissig bist. Aber mir kommt es auf all das nicht an. Mir ist es wichtig, dass wir uns verstehen." Das hatte er wirklich schön gesagt. Endlich jemand, der mich nicht auf diese drei Qualitäten beschränkte, sondern mein ICH kennen lernen wollte. Ich habe in meinem Leben nur selten solche Menschen getroffen. Wir redeten lange, bis es so spät wurde, dass mir die Augen schon zufielen. "Heute müssen wir noch alleine schlafen. Ich schlafe auf der Couch und Du kannst in meinem Zimmer - unserem - schlafen. Morgen bereiten wir alles für die Hochzeit vor und schon bald sind wir ein Ehepaar." Das hörte sich zwar sehr fremd an, doch irgendwie gefiel mir der Gedanke, seine Frau zu sein. Er war gerade achtzehn Jahre alt und doch wirkte er auf mich älter. Ich hatte mich wahrhaftig verliebt. Als ich später in seinem - unseren - Bett lag, weinte ich. Weshalb? Ich konnte es kaum beschreiben. Auf der einen Seite war da meine tote Nichte, die ich nie wieder in meinen Armen halten würde, und meine Schwester, die mir so leid tat. Auf der anderen war dieses neue Leben, welches, wenn ich es richtig anpacken würde, ein schönes Leben werden könnte.


    Schon bald war meine Hochzeit. Bei uns Sintis ist das ein bisschen anders. Es wird erst am Abend gefeiert. Meine Schwiegermutter ließ eine Freundin von ihr kommen, die mich schminkte und frisierte.





    Als ich Fernando gegenüber trat, konnte er kaum seine Überraschung verbergen. "Du bist wunderschön.", sagte er liebevoll. Ich lächelte. Dann wurde mit der Zeremonie begonnen. Von meiner Familie war nur meine Mutter anwesend. Ich wusste nicht, ob mich die anderen mieden oder einfach keine Zeit hatten, doch es war sehr enttäuschend dass keiner gekommen war.




    Als Fernando mich küssen durfte, tat er das so stürmisch, als habe er schon zehn Jahre darauf gewartet. Schnell war die Feier wieder vorbei, denn um zwölf mussten wir unsere Hochzeitsnacht begehen. Vor dieser hatte ich am meisten Angst. Wusste er nun, dass ich keine Jungfrau mehr war?
    In unserem Zimmer zog er mich langsam aus, küsste und streichelte mich und machte mir Komplimente.



    Dann zog er mich aufs Bett. Ich zitterte am ganzen Körper, mein Atem stockte, als er mich berührte. Ich wusste nicht, ob das wegen meiner Angst war, dass er noch nichts von meiner verlorenen Unschuld wusste, oder aufgrund der vorher erlebten Geschehnisse. Doch dann beruhigte er mich. "Keine Angst, Miranda, ich weiß, was Dir schlimmes passiert ist. Hab keine Angst. Ich bin Dein Mann und ich werde Dir nie was antun. Wenn Du irgendwas nicht willst, dann musst Du es nur sagen."



    Es tat gut, dass er mir so eine Sicherheit gab, und so schliefen wir miteinander. Es war ganz schnell vorbei, und ich vermutete, dass er keine Jungfrau mehr gewesen war, denn er wusste genau, was er zu tun hatte. Ich kann nicht sagen, dass es mir gefiel, aber schlimm war es nicht.


    Nun waren wir Mann und Frau.





  • Schon bald nach unserer Hochzeit eröffnete mir Jasmin, dass sie schwanger sei. Sie war zu dem Zeitpunkt 40 Jahre alt. Ich fand es aber trotzdem schön,
    auch wenn Fernando entsetzt war. "Was will sie mit noch einem Kind? In ihrem Alter.", schimpfte er.



    Wir saßen auf dem Balkon, ich und Jasmin, als sie mir erklärte, dass es auch für mich so weit sei. Ich wusste nicht, was sie meinte. "Du wirst bald schwanger
    werden, Miranda. Ihr verhütet nicht, und ich bin mir sicher, dass mein Sohn nichts anbrennen lässt." Ich wurde rot. Von Verhütung hatte mir nie jemand erzählt,
    weder meine Mutter noch sonst jemand, doch ich wusste, was das bedeutete, und schwanger war ich auch schon gewesen. Ich war immer noch nicht bereit für
    ein Kind. Doch ich konnte Jasmin nicht fragen, ob ich mir die Pille holen durfte. Das hätte sie nie erlaubt, denn sie liebte große Familien und wollte so schnell wie
    möglich Oma werden.




    Eines Nachts lag ich in Fernandos schützenden Armen. Mir war schon längst klar, dass er mich liebte. Er sagte es stets, und ich spürte es auch, und auch ihn hatte
    ihn sehr gern. Ob es Liebe war? Ich wusste es nicht. Nach wie vor schmerzte mich jeder Gedanke an Vertrauen, Liebe oder gar Sex. Obwohl ich regelmäßig mit
    Fernando schlief, war es mir fast unmöglich, es zu genießen. Zuerst dachte ich, es würde irgendwann leichter werden, doch mittlerweile war fast ein Monat vergangen,
    und es war immer noch genau so wie am Anfang. Es lag nicht an ihm, sondern an meiner Vergangenheit. Und das tat mir unendlich leid für ihn. Er wollte mich so gerne
    glücklich machen und fragte mich immer, ob er es auch gut machte und ob es mir denn gefiele. Doch ich wollte ihn nicht anlügen, jedoch auch nicht verletzen, und
    wich seinen Fragen so gut es ging aus.




    Die Wochen vergingen und wurden zu Monaten, als auch ich bemerkte, dass etwas mit mir nicht stimmte. Ich hatte ständig Heißhunger und musste mich auch manchmal
    übergeben. Jasmin, die bereits im achten Monat war, wusste sofort, was mit mir los war. Ich erwartete ein Kind. Fernando und seine Familie freute sich über alle Maßen.
    Ein schöneres Geschenk hätte ich ihm kaum machen können. Doch ich fühlte mich ganz und gar nicht wohl.




    Aus Büchern eignete ich mir ein bisschen Wissen an. Auch Jasmin half mir in dieser Situation. "Es wird alles wunderbar werden.", prophezeihte sie mir. Doch ich
    wusste nicht, ob ich das glauben konnte. Dann kam ihr Sohn, den sie Benito taufte. Er war ein süßes Baby, nur ein wenig hell, was mich ein bisschen verwunderte.
    Doch ich wollte Jasmin nichts unterstellen und nahm das alles stillschweigend hin. Ihr Mann schien das gar nicht zu bemerken, was mich wahrlich verwunderte.




    Meine Schwangerschaft war für mich eine schwierige Situation. Ich hing den ganzen Tag irgendwo herum und quälte mich mit diesem unendlichen Gedanken an dieses
    Kind herum.
    Fernando war wie immer für mich da, saß bei mir und las mir etwas vor, kümmerte sich um mich und war wirklich liebevoll.




    Doch meine Abneigung gegen ihn wurde immer größer. Ich konnte es mir selbst nicht erklären. Immer fuhr ich ihn gleich an, beleidigte ihn, schimpfte über alles, was
    er tat. Wieso, fragte ich mich danach, bist du so zu ihm? Doch ich wusste selbst keine Antwort darauf. Immer wieder nahm ich mir vor, netter zu ihm zu sein, ihn
    versuchen zu lieben, doch es wollte einfach nicht funktionieren.
    Manchmal jedoch schaffte ich es, ihm ein bisschen entgegen zu kommen.




    Er legte seine Hand auf meinen Bauch, wenn das Baby trat, und das ließ ich, schon allein des Babys Willen geschehen. Er überließ es mir, den Namen auszusuchen,
    was bei den Sintis eine absolute Seltenheit ist. Schon bald wussten wir, dass es ein Junge wird. Und das wollte ich überhaupt nicht. Mit einem Mädchen hätte ich mich
    vielleicht noch abfinden können, doch einen Jungen wollte ich nicht. Es hört sich hart an, doch allein die Vorstellung bereitete mir solches Unbehagen, dass ich es bereute,
    die Pille nicht heimlich besorgt zu haben.



    Eines Tages strichen wir zusammen das Zimmer für unseren Jungen -natürlich in hellblau -, als Fernando wieder mal über den Namen sprach. "Weißt Du denn schon,
    wie Du unseren Kleinen nennen willst?" Ich war so genervt in diesem Moment, dass ich ihn anschrie.
    "Ich will keinen Jungen, Du kannst Dir den Namen für Deinen Sohn selbst aussuchen." So gemein wies ich Fernando zurück. Es war das erste und letzte Mal, dass ich
    ihn weinen sah. Heute frage ich mich, wie ich ihn nur so verletzen konnte, doch auch jetzt weiß ich keine Antwort darauf.
    Als das Baby kam, war ich kurze Zeit ein bisschen besser drauf. Auch wenn die Geburt die Hölle war.
    Am 04.04.2000 war es so weit. Nach meiner 9-monatigen
    Schwangerschaft brachte ich meinen ersten Sohn zur Welt. Die Geburt verlief leider nicht so problemlos wie man mir gesagt hatte. Nachdem der Frauenarzt bei einem
    routinemäßigem Kontrolltermin kurz vor der Geburt keine Herztöne mittels CTG mehr feststellen konnte, schickte er mich vorsichtshalber ins Krankenhaus. Der Ernst
    der Lage wurde zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich erkannt und meine Schwiegermutter dachte auch an nichts Außergewöhnliches. Sie sagte, ich hätte mich ja während
    der Schwangerschaft stets gesund ernährt und wir machten sogar auf ihr Anraten hin Akupunktur, um den Geburtsvorgang zu erleichtern. Alles in allem waren meine
    Schwiegereltern voller Vorfreude auf ihren kleinen "Krümel"...


    Im Krankenhaus angekommen ging alles sehr schnell. Nach einer weiteren CTG-Untersuchung entschieden sich die Ärzte innerhalb kürzester Zeit zu einem Not-Kaiserschnitt,
    um kein unnötiges Risiko einzugehen! Die OP verlief ohne besondere Vorkommnisse. Ich war durch die lokalen Betäubungsmittel etwas weggetreten -Jasmin und Fernando
    waren auch dabei- aber beide merkten sofort, dass irgendetwas nicht stimmte...


    Als junges Elternpaar kennt man eine Geburt nur aus dem Fernsehen. Das erste, was man hört, ist lautes Geschrei des Nachwuchses und dann darf man das Kind das erste
    Mal halten, die Nabelschnur durchtrennen und es baden. Wenn diese Vorstellung einer Geburt tief im Kopf sitzt, ist es umso schockierender, wenn nur kleinste Abweichungen
    davon eintreffen. In meinem Fall waren es nicht nur kleine, sondern riesige Abweichungen. Als erstes war kein Geschrei zu hören. Jasmin konnte beobachten, dass der Kleine
    sich auch nicht sonderlich bewegte, sondern alle Viere von sich hängen lies. Die Nabelschnur wurde vom Arzt durchtrennt und ein anderer Arzt schnappte das Kind, legte es
    auf einen Wagen etwas abseit im OP und begann mit Wiederbelebungs- und Beatmungsmaßnahmen.


    Mit irgendwelchen Schläuchen, die ihm durch den Mund eingeführt wurden, versuchte dieser Arzt, Flüssigkeit aus seiner Lunge abzusaugen, damit er selbstständig zu atmen beginne.
    Abwechselnd wurde ihm dann wieder eine Sauerstoffmaske über Mund und Nase gedrückt und eine Schwester pumpte ihm so Luft in die Atemwege (wie man das aus Arztserien kennt).
    Diese Prozedur dauerte einige Minuten, die einem als frischgebackenes Elternteil wie Stunden vorkommen.


    Dann konnte man endlich ein leises Röcheln von ihm vernehmen und allgemeine Erleichterung machte sich im Raum breit. Der Kleine wurde kurz zu mir gebracht, und dann brachte
    man ihn auf die Neugeborenen-Station in einen Brutkasten, wo er sich von den Strapazen dieser Geburt erholen sollte...


    Dann fragte man Fernando und mich nach dem Namen. Ich sah ihn an, und er wusste, was ich meinte. "Santino soll er heißen.", sagte er ein bisschen traurig.




    Doch schon wenige Tage später kam unser kleiner Schatz zu uns. Wir durften ihn in den Arm nehmen und die Schwester brachte mir sogar eine kleine Wiege ins Zimmer.
    Fernando konnte ich kaum satt sehen von seinem wunderschönen Sohn mit der dunklen Haut, über die er immer wieder streichelte, als könne er es nicht fassen.







    ----So, ich hoffe, es hat Euch gefallen, und vielleicht schreibt mir ja einer von Euch einen Kommi oder ein Thanks, würd mich sehr freuen! LG----

  • Auch seine Mutter kam, so schnell sie konnte, ins Krankenhaus. Sie verglich den kleinen mit ihrem eigenen Sohn und lobte mich in den Himmel. "Danke, dass Du mich so glücklich machst, Miranda. Ein so wundervolles Geschenk hab ich noch nie bekommen. Er sieht Fernando zum Verwechseln ähnlich. Ich liebe ihn schon jetzt wie mein eigenes Fleisch und Blut."



    Es war schön, zu sehen, wie sehr sie sich freute. Auch ich war glücklich, zumindest für einen kurzen Moment, doch dann kam ich mir auf einmal so fremd vor. So als gehöre ich gar nicht zu dieser Familie dazu. Die drei - Fernando, Jasmin und Santino - gehörten zusammen, und ich lag da, und fühlte mich ausgeschlossen und einsam. Was war denn los mit mir? Sie liebten mich doch auch, und das war mein eigenes Baby. Mein eigenes Baby erschien mir fremd.
    Ich bekam wieder schlechte Laune. Ständig passte mir irgendwas nicht, ich wusste selbst nicht, was los war mit mir.



    "Ich will jetzt alleine sein.", verkündete ich lautstark. Die beiden glotzten mich an, als wäre ich von allen guten Geistern verlassen. Jasmin legte Santino vorsichtig in sein Bettchen zurück und ging hinaus. Fernando stand noch einige Zeit vor dem Bettchen und sagte dann traurig: "Ich dachte, wenn das Baby da ist, wird es besser mit uns." Dann ging auch er. Es tat mir im gleichen Moment schon wieder leid, dass ich so gemein zu ihm gewesen war, doch trotzdem konnte ich einfach nicht anders. "Verschwinde", sagte ich, als er schon draußen war. Ich wusste nicht, ob er es noch hörte oder nicht.


  • Später kam Jasmin zu mir. Eigentlich wollte ich nicht mit ihr reden, doch ihr zu widersprechen, traute ich mich auch nicht. "Wir müssen reden, Miranda. Denkst Du, ich merke nicht, wie Du Dich Fernando gegenüber verhältst? Er freut sich so über Santino, dass er am Liebsten immer bei ihm sein würde, und Du schickst ihn weg. Was ist denn nur los mit Dir?"



    Ich erklärte ihr, dass ich noch nicht bereit war für ein Kind, und mir eigentlich ein Mädchen gewünscht hatte. Dass ich mir ausgeschlossen vorkam, und nicht in der Lage, dieses Kind zu erziehen. Sie beschloss, dass ich unter einemGeburtsschock litt, und beantragte beim Jugendamt das Sorgerecht für Santino. Da ich mich nicht wehrte und dem ganzen Geschehen zustimmte, sollte mein erster Sohn bei seiner Großmutter aufwachsen. Der einzige, dem das überhaupt nicht passte, war Fernando. Er liebte seinen Sohn und verstand nicht, wie ich ihn einfach so weggeben konnte. Doch er war nie böse auf mich, und schnell schien er das alles vergessen zu haben. Heimlich besuchte er Santino und setzte alles daran, dass ich wieder schwanger wurde. Immer wieder fragte er: "Wenn wir ein Mädchen hätten, würde es dann bei uns leben?" Ja, sagte ich dann, ein Mädchen wäre kein Problem. Eines Tages war es dann erneut so weit: Kaum sechs Monate nach Santinos Geburt war ich bereits in der fünften Woche schwanger. Und diesmal sollte alles anders werden.



    Schon in der Schwangerschaft war Fernando so liebevoll zu mir und dem Ungeborenen, dass ich kaum etwas selbst erledigen konnte. Alles trug er mir nach und sah immer, dass es mir ja an nichts fehlte. Die Besuche beim Frauenarzt waren ständig wie ein Freudenfest für Fernando, und als uns dann gesagt wurde, dass es ein Mädchen werden würde, freute auch ich mich endlich auf das Baby. Was war ich doch für eine Rabenmutter. Mein eigener Sohn wuchs bei meiner Schwiegermutter auf, und das, ohne dass ich auch nur ein Mal Sehnsucht nach ihm gehabt hätte, und dieses Baby sollte nun geliebt werden?



    Diese Schwangerschaft war leichter wie die erste. Ich erledigte trotz des großen Bauches alle Arbeiten im Haushalt und es ging mir gut dabei. Auch meine Liebe zu Fernando wuchs in dieser Zeit enorm, was ich nie gedacht hätte. Ich war endlich wieder netter zu ihm. Diesmal wollte ich den Namen sogar selbst auswählen, so freute ich mich auf dieses kleine Wesen, wobei ich vor der Geburt große Angst hatte. Würde wieder etwas schief gehen?



    Auch die Frau vom Jugendamt erkundigte sich nach meinem Zustand. Würde ich dieses Kind behalten wollen? Ja, natürlich, sagte ich ihr, als sie uns zu Hause besuchen kam. Sie war sehr zufrieden mit allem, und der Geburt meiner Tochter stand nichts mehr im Weg.
    Als ich die ersten Wehen bekam, eilte Fernando mit mir sofort ins Krankenhaus, wo wir zusammen warteten. Meine Tochter ließ wirklich sehr lange auf sich warten. Fernando aber war die ganze Zeit an meiner Seite, hielt meine Hand und litt mit mir.



    Vierzehn Stunden dauerte die ganze Prozedur, und es hat schon ziemlich weh getan, doch als man mir meine süße Prinzessin dann in die Arme legte, waren all die Schmerzen vergessen. Ich bewunderte meine süße Tochter. Sie sollte Samira-Chanel heißen. Erschöpft und glücklich schlief ich schließlich erst einmal einige Stunden. Als ich wieder wach wurde, stand Fernando vor meinem Bett. Er wiegte Samira sanft in den Schlaf. Ich ging zu ihm.



    Dann legte er sie in ihr Bettchen. Er sah mich an und sagte: "Danke, mein Liebling. Es ist so ein wunderbares Wesen. So klein und süß. Schade nur, dass Santino nicht..." Er verstummte, denn er wusste, dass es nichts brachte. Für mich gab es keinen Santino. Es hatte nie einen gegeben. Mein Herz schlug nicht für dieses Kind. Nur Samira golt meine Liebe. Doch er hatte ihn erwähnt. Er wollte es nicht wahr haben, dass ich Santino nicht wollte. Er versuchte, mir wieder einmal ein schlechtes Gewissen zu machen. "Fernando, willst Du mir diese wenigen schönen Stunden wieder zunichte machen mit Deiner ewigen Leier?" Entsetzt sah er mich an. "Wie kannst Du nur so etwas sagen, Miranda? Ich muss nun mal an unseren Sohn denken. Er ist immer in meinem Herzen." "Aber nicht in MEINEM!", fuhr ich ihn an. "Du verstehst gar nichts. Das hier ist MEIN Kind, MEINE Tochter. Du kannst Santino haben, aber nicht auch noch meine Samira." Er schüttelte verwirrt den Kopf. "Aber ich will sie Dir doch nicht nehmen. Ich bin doch auch ihr Vater." "Nein! Ich bin ihre Mutter. Und das reicht. Und jetzt RAUS HIER!" Er brach regelrecht zusammen, fing an zu weinen wie ein kleiner Schuljunge. Er war so schwach, so verletzlich. Was sollte ich mit diesem kleinen Jungen? Ich wollte ihn nicht mehr. Ich hatte ihn noch nie gewollt. Und eigentlich wollte ich auch keine Mutter sein. Ich wollte wieder zurück in das Leben, aus dem man mich gerissen hatte, damals, als ich noch bei meiner Mutter lebte, noch unschuldig war, noch keine Verpflichtungen hatte. Damals, als ich noch kein Leid kannte, als ich noch nicht verletzt geworden war. Sogar das Leben als Junkie war besser als das als Hausfrau und Mutter. Bestand mein ganzes Leben denn nur aus Kinderkriegen? Ich wollte frei sein, ein eigenes Leben haben, so wie damals in der Wohnwagensiedlung. Jeden Tag Spaß, Freude und Tanz.



  • So schön die ersten Momente mit meiner Tochter auch waren, Fernandos Bemerkung über unseren Sohn hatte mich total aus der Bahn geworfen. Natürlich wusste ich tief in meinem Herzen, dass es da noch ein Kind gab, das mich brauchte. Ich lag im Krankenhausbett, neben mir meine Tochter, die ich stillte, und wusste weder ein noch aus. Verdammt, Miranda, füg dich doch endlich in dieses Leben ein, sagte ich mir selbst. Doch wie?
    Wieso war ich nur so unglücklich? Eigentlich hatte ich alles, was man sich wünschen konnte: Einen Mann, der sich um mich kümmerte, hinter mir stand, egal was kam und mich nie allein ließ, und zwei wundervolle Kinder, einen Sohn und eine Tochter. War mir vielleicht alles zu schnell gegangen? Oder war der Tod meiner Nichte immer noch Auslöser für meine Unzufriedenheit?
    Ungewiss, wie es denn weitergehen sollte, schlief ich ein weiteres Mal ein. Als ich wieder aufwachte, war jemand im Raum. Fernando, dachte ich. Er ist zurückgekommen. Obwohl es dunkel war, konnte ich seine Anwesenheit spüren. War da vielleicht doch eine unsichtbare Bindung zwischen uns?
    Samira lag vermutlich in seinen Armen, dachte ich, denn es war ganz still, so als wolle er sie nicht wecken.



    Doch dann setzte ich mich auf und knipste das Licht an, und nicht Fernando saß an Samiras Bett, sondern Maida. Mein Hals schnürte sich regelrecht zu, ich konnte nicht sprechen. Sie sah in Samiras Bettchen und sagte: "Sie ist so wunderschön. Und Du hast sie Samira getauft. Das hört sich fast so an wie Zafira." Ich konnte mich kaum bewegen. Auf einmal war mir, als wäre ich am Bett festgeschnallt. "Wäre doch meine kleine Samira noch am Leben. Könnte ich doch nur noch ein einziges Mal ihr Lachen sehen." Ich zitterte und sagte leise: "Ach, Maida, wenn ich Dir doch nur irgendwie helfen könnte. Es tut mir so leid. Ich würde es so gerne ungeschehen machen. Ich weiß, wie..." Sie wurde böse.
    "Nein!", rief sie. "Miranda, Du weißt gar nichts! Ich werde nie wieder ein Kind haben können! Ich hatte letztes Jahr eine Operation, man musste meine gesamte Gebärmutter entfernen. Nie wieder kann ich ein Kind haben."



    Ich wandt den Blick ab. Ich hatte keine Ahnung, denn niemand hatte mir etwas davon erzählt. Seit Zafiras Tod hatte ich allgemein nur wenig von meiner Familie gehört. Anscheinend gaben alle mir die Schuld. Aber war ich das? Ich wusste es selbst nicht.
    "Ich habe einen Mann an meiner Seite, der mir Kraft gibt und Trost spendet, doch ohne ein Kind..." Sie brach in Tränen aus. Ich versuchte, sie zu trösten. "Aber Maida, er liebt Dich so, wie Du bist. Mit oder ohne Kind." Sie schüttelte den Kopf. "Er wusste nicht, dass ich keine Kinder bekommen kann. Wir probierten es fast ein halbes Jahr, bis ich ihm endlich die Wahrheit sagte, und seitdem ist er so komisch. Er schläft fast nicht mehr mit mir und ist immer auf Abstand, so als wolle er mir sagen: Warum schlafen wir miteinander, wenn es sowieso nichts bringt? Miranda, ich weiß, Du kannst das nicht verstehen, denn Du hast bereits Dein zweites Kind und anscheinend wolltest Du Dein erstes nicht haben, doch ich bin eine Mutter, verstehst Du. Auch wenn Zafira tot ist... ich bin immer noch mit Leib und Seele eine Mama und ich will wieder eine sein. Ich will kein solches Leben führen. Ich kann mir ein Leben ohne Kinder einfach nicht vorstellen." Ich stand auf und ging zu ihr.



    "Aber Maida, Du hast einen wundervollen Mann, der Dich liebt, da bin ich mir sicher. Und den auch Du liebst. Das muss wunderbar sein. Man kann nicht immer alles haben."
    Sie schluchzte: "Alles?! Ich will gar nicht alles. Ich will nur ein Kind. Ich habe immer eine große Familie gewollt. Mehr nicht."
    Ich wusste nicht, wie ich ihr hätte helfen können.
    "Nun, das geht eben nicht. Es ist ein rein biologisches Problem, Maida. Keiner kann was dafür."Arme Maida, dachte ich. "Er liebt Dich um Deinetwillen, Maida, und keine Kinder bekommen zu können ist ein Teil von Dir." Da stoppte Maidas Tränenfluss. "Unsinn. Es ist kein Teil von mir. Die Fähigkeit, Kinder bekommen zu können, habe ich verloren. Sie ist ein Teil von mir, der mir abhanden gekommen ist. Der mir genommen wurde, genau so wie Zafira mir genommen wurde."



    "Es tut mir wirklich sehr leid, Maida.", sagte ich aufrichtig. Dann nahm ich sie in den Arm.




    Sie schluchzte, doch dann verstummte sie und sagte:

    "Willst Du die Mutter meines Babys sein?" Ich lachte, doch sie blieb ernst. "Nein, wirklich, Miranda: Willst Du für mich ein Baby bekommen?"





  • Es war für mich gar keine Frage: Ich konnte meiner Schwester, deren Kindes Tod ich zu verantworten hatte, diesen Wunsch nicht abschlagen. Selbstverständlich durfte niemand etwas davon erfahren. Drei Monate nach Samiras Geburt wurde Maidas Lebensgefährte zu mir geschickt, um mit mir ein Baby für Maida zu zeugen. Als ich ihn das erste Mal sah, überfiel mich zuerst einmal eine leichte Panik: Mit diesem Mann mit den blonden Haaren würde ich also schlafen müssen. Beinahe wäre mir übel geworden, doch dann dachte ich an Maida, und ich riss mich zusammen.
    Er war sehr nett zu mir, fast so, als wäre es ihm selber unangenehm. Arthur hieß er. Über unser Vorhaben verloren wir beide kein Wort. Wir wussten, was zu tun war. Maida hatte alles geregelt: Wir sollten uns in einem Stundenhotel treffen, und damit Fernando nichts merkte, gab sie mir ein Alibi.
    Sosehr mir Maidas Wunsch auch überrascht hatte, ich wäre nie auf die Idee gekommen, sie zu enttäuschen. Es war nicht nur Mitleid, was mich dazu bewog, meiner Schwester zu helfen. Vielmehr empfand ich es als eine Chance, meinen eigenen Fehler wieder gut zu machen. Ich sollte Maidas Kind zur Welt bringen, da sie es selbst nicht mehr konnte. Es war fast so, als würde ich ihr Zafira zurückbringen. Die andere Seite war, dass Maida auch meine Situation ausnutzte. Sie wusste, dass ich ein schlechtes Gewissen hatte, und deshalb konnte sie es sich erlauben, mich überhaupt in diese Situation zu bringen.


    Das erste, was Arthur zu mir sagte, als wir in diesem Stundenhotel waren, war: "Miranda, ich möchte sichergehen, dass Du Dir im Klaren darüber bist, was Du da tust. Du wirst das Baby weggeben. Bist Du sicher, dass Du bereit dazu bist?" Ich fragte mich, ob diese Mahnung zur Besonnenheit in allerletzter Sekunde nicht bedeutete, dass er von der Idee weniger begeistert war als Maida. Doch ich war mir sicher: "Ja, ich will das so. Es gibt nichts, was mich umstimmen könnte." Er nickte. "Na schön, dann sollten wir uns jetzt wohl ausziehen."



    Sofort streifte ich alles, was ich am Leib hatte, ab und stand nackt neben dem Bett. Er selbst zögerte und zog sich nur langsam aus. Als er nur noch seine Boxershort trug, sah er sich verwirrt im Raum um, so, als würde er mich nicht sehen. "Oh.", sagte er nur, als sein Blick meine Blöße streifte.
    "Bist Du nervös?", fragte er unsicher. "Ein wenig.", sagte ich kurz und knapp.
    "Das brauchst Du nicht.", sagte er freundlich. Und dann taten wir, was wir tun mussten. Der Verkehr tat mir zwar nicht weh, aber er verschaffte mir auch keine Lust. Während ich so lange wie möglich still hielt, beobachtete ich die Kassettendecke und zählte die kleinen Karos.




    Als er fertig war und von mir abließ, stand ich auf und schwang meine Beine gegen die Wand.
    "Was machst Du da?", fragte er mich belustigt.
    "Ich helfe ihnen.", erklärte ich ihm. "Ich habe gelesen, das funktioniert."
    Diesen Vorgang wiederholten wir immer wieder, fast sieben Tage die Woche, einmal im Monat, wenn ich meinen Eisprung hatte. Und schon bald war es so weit: Nach drei Monaten war ich schwanger. Nun hatte ich da aber noch ein Problem: Fernando. Ich hatte seit Samiras Geburt nicht mehr mit ihm geschlafen, ihn stets gemieden und reagierte immer gereizter auf ihn. Ich wusste, dass es Zeit war, ihn zu verlassen, doch irgendwie brachte ich es nicht übers Herz. Mittlerweile hatte er eine Stelle als Bauarbeiter angenommen. Wegen Samira konnte ich zunächst nicht arbeiten, und nun war ich erneut schwanger. Fernando musste natürlich wissen, dass das Kind nicht von ihm sein konnte, doch wie sollte ich es ihm erklären? Es gab nur einen Weg: Ich musste ihm fremd gehen. Und zwar so, dass er mich dabei erwischte. Deshalb nahm ich als erstes einen Job an, was Fernando sehr missmutig stimmte. Es war ein gut bezahlter Job, und der Chef war bekannt dafür, mit seinen Angestellten ins Bett... naja, ihr wisst schon...




    Das alles musste schnell gehen. Und es war einfacher, als ich dachte. Pete hieß mein Chef, und er hatte ein Autohaus. Damit er auf mich ansprang, brauchte ich gar nicht viel zu tun. Er machte sich ganz von selbst an mich ran. Er konnte mir kaum widerstehen. Doch Fernando musste uns inflagranti erwischen. Schnell wurde aus unserem Flirt mehr, und eines Tages, als Fernando in der Arbeit war, schrieb ich ihm eine SMS, ob er Samira bitte abholen könnte nach der Arbeit, da ich länger arbeiten musste. Ich plante alles genau. Zu der Zeit, wo Fernando eintraf, um Samira abzuholen, lag ich bereits mit Pete im Bett und wir fummelten aneinander herum. Ich hörte, wie Fernando das Gebäude betrat. Er fand Samira, die in ihrem MaxiCosi im Wohnzimmer schlief. Pete war so wild auf mich, dass er anscheinend nichts anderes mehr hörte, und ich fing lautstark an zu stöhnen. Und dann stand Fernando in der Türe.



    Wenn ich heute darüber nachdenke, hasse ich mich dafür, dass ich ihm das alles angetan habe. Doch es war in dieser Situation für mich das einzig richtige. Er machte mir eine Szene, und ich erwartete, dass er Schluss machte, doch er weinte nur vor sich hin. Pete war das ganze schrecklich peinlich. Fernando packte den MaxiCosi und flüchtete. Ich zog mich an und ging ebenfalls nach Hause.
    Fernando saß auf dem Boden bei Samira, so als wäre nichts gewesen. Nur ignorierte er mich.



    Einige Wochen später erklärte ich Fernando, dass ich schwanger sei. Er hatte mich noch immer nicht rausgeworfen, war einfach nur ziemlich schweigsam mir gegenüber und kümmerte sich liebevoll um Samira.



    Ich saß auf dem Boden. Er fragte, was denn los sei mit mir. "Ich hab mich gerade übergeben... Aber das ist normal in meinem Zustand." Er runzelte die Stirn. "Fernando, ich bin schwanger." Ungläugib starrte er mich an. "Bist Du Dir sicher?" Natürlich war ich mir sicher. "Ja. Es ist ganz sicher."




    Er senkte seinen Blick. Dann fragte er: "Ist es von Deinem Chef?" Von wem hätte es in seinen Augen sonst sein sollen? Es schien, als hoffe ER, der Vater zu sein. "Ja, es ist von Pete." Er drehte sich um und ging.



    Wieder nicht die erwartete Reaktion. Konnte er nicht endlich durchdrehen und mich rauswerfen? Verdammt noch mal, dachte ich, wie werde ich ihn nur los? Hatte ich ihm nicht schon genug weh getan? So ungläubig es auch scheint, aber ich hatte keinesfalls Spaß daran, Fernando weh zu tun. Ich wollte einfach nur nicht mehr mit ihm zusammen sein.


  • Natürlich erkundigte sich Maida fast jeden Tag, wie es mir denn mit der Schwangerschaft so ging. Manchmal trafen wir uns und sie fragte mich alles mögliche, welche Gelüste ich hätte, wie oft ich mich übergeben müsse, und so weiter. Sie aß sogar das selbe wie ich, nachdem ich ihr meinen "Ernährungsplan" aufgeschrieben hatte, auf den sie bestand. Ich schilderte ihr stundenlang sämtliche Einzelheiten, während mein Bauch dicker und dicker wurde.



    Auch Fernando hatte an meiner Schwangerschaft teil, auch wenn ich das eigentlich nicht wollte. In einem langen Gespräch erklärte er mir, dass wir das schon irgendwie schaffen würden, nur seine Eltern durften nichts davon erfahren. Er sagte, dass das Kind ja auch nichts dafür könne. Nicht eine Sekunde sprach er von Abtreibung, wie ich es eigentlich erwartet hätte. "Miranda, ich liebe Dich, auch wenn Du einen Fehler gemacht hast. Aber wir sind zu dritt glücklich gewesen, also können wir es auch zu viert." Von unserem Sohn sprach er nicht mehr. Doch waren wir je glücklich gewesen? In den ersten Monaten, ja. Damals dachte ich noch, alles könnte gut werden und Fernando wäre der Richtige. Doch schnell merkte ich, dass dem nicht so war. Und nun liebte er mich so stark, dass er mir wahrscheinlich alles verziehen hätte.



    Fernando war es, der das Baby in meinem Bauch fühlte.

    Fernando war es, der meine Laune ertragen musste, als ich schwanger war, und trotzdem immer ruhig blieb.

    Fernando war es auch, der bei mir war, als dann schließlich die Wehen kamen.




    Und Fernando war es, den ich wegschickte, damit er nicht hinter mein Geheimnis kam...



    Maida hatte darauf bestanden, dass ich das Kind in einem Geburtshaus zur Welt bringen sollte. Zuerst war ich skeptisch, doch im Nachhinein war ich sehr froh darüber. Meine Hebamme war einfach großartig, und die Geburt dauerte nur vier Stunden.




    Die Schmerzen waren weitaus erträglicher als bei den beiden vorherigen Geburten. Mein drittes, oder eigentlich viertes Kind, war ein Mädchen. Maida liebte es sofort. Und auch Arthur war mächtig stolz. Alle sahen nur die süße Lara an, wie Maida sie nannte.




    Arthur hielt sie auf dem Arm, als wäre sie aus zerbrechlichem Glas. Sie hatte seine blauen Augen. Sie war ein schönes Baby.






  • Dann wurde ich in ein anderes Zimmer verlegt. Es war jedoch genau so schön wie das vorherige. Das Geburtshaus war wirklich toll.




    Auch Fernando kam an mein Bett. Er hatte Samira dabei. Ich schlief noch halb, als er eintrat. "Deine Mama ist noch müde, Samira. Sie hat heute Nacht Deine Schwester zur Welt gebracht. Na komm, sehen wir uns die kleine Maus mal an."



    Ich richtete mich im Bett auf, als Fernando Samira das Baby zeigen wollte. "Fernando, ich muss Dir was sagen. Ich werde das Baby zur Adoption frei geben, und meine Schwester wird es adoptieren. Sie wünscht sich schon so lange ein Kind." Es war, als würde er gleich wieder in Tränen ausbrechen. "Wie kannst Du nur so etwas tun, Miranda. Dein erstes Sohn lebt bei meiner Mutter, und Deine zweite Tochter soll bei Deiner Schwester leben. Warum verhütest Du denn nicht, wenn Du eh keine Kinder willst?" Ich wollte seine Belehrungen nicht hören. "Geh jetzt bitte." Er schwieg. Dann wagte er noch einen kurzen Blick in die Wiege und ging aus dem Zimmer.


    Doch das alles war immer noch nicht ganz geklärt. Zwar hatte Maida schon alles mit der Adoption geregelt, doch musste ich das Baby über das Jugendamt an Maida geben. Dort würde ich es auch selbst hinbringen müssen.
    Nach der Geburt nahm Arthur sich ein letztes Mal Zeit, mit mir unter vier Augen zu reden.
    "Du weißt, dass ich Maida liebe, sonst hätte ich das alles nicht für sie getan, doch ich kann einfach nicht ganz verstehen, wie sehr Du sie liebst, denn das, was Du auf Dich genommen hast, übertrifft alles bisher dagewesene.", sagte er voller Achtung.



    Ich schüttelte den Kopf und lachte. "Ach, Arthur, ich würde noch viel mehr auf mich nehmen, damit Maida glücklich ist, glaub mir." Wir sprachen noch immer kein Wort über das, was wir getan hatten, damit die kleine Lara nun bei uns war. "Morgen gehe ich sofort zum Jugendamt, damit ihr auch ganz offiziell Laras Eltern sein könnt." Er drückte meine Hand. "Danke, Miranda. Du bist etwas ganz Besonderes."



    Es tat gut, so etwas zu hören, auch wenn ich wusste, dass er mich nicht kannte und keine Ahnung davon hatte, wie ich wirklich war.