
So schnell wie sie gekommen war, verschwand die Leidenschaft auch wieder aus ihren Augen, doch in ihm, der eigentlich erschreckt hätte sein müssen, frohlockte das Herz. Denn hinter all dem Zorn lag noch immer versteckt und wie es schien sorgsam gehütet, die Trauer um das Geschehene, die Verzweiflung über das, wozu man sie getrieben hatte. Und solange sie das empfand, konnte, durfte es nicht zu spät sein. Statt sich also von ihr zurückzuziehen, machte er noch einen Schritt auf sie zu, bis er ihr so nahe war, dass ein leichtes Vorbeugen genügen würde, um mit seinen Lippen über ihre Wangen zu streichen.
[FONT="]„Ich bin nicht gern gestorben, wahrlich nicht, soweit ich mich erinnere, hat es sogar verdammt weh getan. Aber das warst nicht du, es war nicht deine Schuld, und auch nicht die von Reshanne.“ sagte er und legte soviel Eindringlichkeit und Ernst in seine Stimme, wie er nur konnte. „Er war es, dieser Varik, er ganz allein. Und jetzt, wo du seinen Plan durchschaut hast und er keine Macht mehr über dich hat, und die hat er doch nicht mehr, nicht wahr?“ Sie antwortete nicht. „Nicht wahr?“ hakte er fast schon flehend nach. „Jetzt kann doch alles wieder gut werden. Gut, ich bin gestorben, aber dadurch hat sich mir eine Welt offenbart, von deren Existenz ich keine Ahnung hatte. Und es muss ja auch nicht zuende sein! Ich kann noch immer zurückkehren, wir beide könnten das, wenn du nur willst. Du bist eine Elo-i, du bist Zardons Enkelin, du weißt, es ist möglich.“

[/FONT] Erneut wandte sie sich von ihm ab und entfernte sich ein paar Schritte von ihm.
„Das ist unmöglich. Du weißt längst nicht alles. Du hast keine Ahnung, WAS ich getan habe. Ich......“ Ihre Stimme wurde so leise, dass er sie kaum mehr verstehen konnte, obwohl die ganze Halle inzwischen in tiefster Stille lag, als würde die ganze Welt auf jeden ihrer Atemzüge lauschen. „Ich habe nicht nur dich, sondern auch deine Familie getötet, deine Mutter und .... Arabella. Es war eine Übung, wie er es nannte, ein Erdbeben zu erzeugen und seine zerstörerische Kraft auf ein bestimmtes Ziel zu lenken. Ich brachte dein Haus zum Einsturz, mitten in der Nacht, und habe sie unter den Trümmern begraben. Und ich wusste, was ich da tat. Ich wusste es genau und tat es trotzdem!“
Er schwieg einen Moment lang scheinbar tief betroffen und sie lachte bitter auf.
[FONT="]„Siehst du, jetzt begreifst du hoffentlich, dass nichts wieder gut sein wird, gar nichts. Es ist zu spät.“

[/FONT] „Ist es nicht.“ widersprach er entgegen ihren Erwartungen noch immer sanft und entschuldigend, als habe er sich nur von einem kleinen Schock erholt müssen. „Was immer er dir erzählt hatte, war nicht die Wahrheit. Vielleicht wusste er es aber auch nicht anders, konnte es nicht. Du hast sie nicht getötet, den beiden geht es sehr gut. Bella war bei JD und meine Mutter gar nicht in der Stadt, als du das Erdbeben losgelassen hast.“
„Du lügst! Sie waren beide im Haus, ich hab es selbst gesehen!“
„Dann hast du nur gesehen, was du sehen solltest. Verstehst du denn nicht? Das war doch Variks Fehler. Nur weil er dich dazu brachte, mich zu töten, bin ich jetzt hier, konnte ich meine Familie beschützen, vor ihm und auch vor dir.....“
„Du?“ fragte sie teils spöttisch, teils verzweifelt. „Du hättest mich nicht täuschen können, du hast gar nicht die Macht dazu.“
[FONT="]„Zugegeben, ich hatte etwas Hilfe,“ er machte eine kleine Pause, bevor, er wohlwissend, dass er es ohnehin nicht vor ihr verbergen konnte, hinzufügte: „......von unserer Großmutter Keyla.“

[/FONT] „Was? Das ist unmöglich! Sie ist tot, umgebracht von ihrem eigenen Vater!“ Nur zu genau erinnerte sie sich an die heimliche Trauer hinter Variks eisiger Maske. Das war kein falsches Spiel gewesen, sondern echt. Vermutlich sogar das einzig echte Gefühl, dessen er noch fähig war, genau wie sie jetzt.
„Und woher weißt du das?“ Worauf wollte er hinaus? Und wieso gelang es ihm, sie derart durcheinander zu bringen? Sie war ja kaum in der Lage, sich auf seine Gedanken zu konzentrieren. „Lass mich raten, von Varik, oder?“ fuhr er auch schon fort. „Genau der sollte das auch glauben, ebenso wie jeder andere eurer Art. Kein Wunder, wenn hier alles auseinanderbricht, bei all den Geheimnissen, die ihr voreinander habt.“ Er erlaubte sich ein leises Lachen, um seine eigene, wieder aufkeimende Nervosität zu unterdrücken. „Aber du musst zugeben, der alte Zardon ist ein schlauer Fuchs. Nicht einmal deine Tante weiß davon. Aber ich schwöre dir, und du hast keinen Grund mir nicht zu glauben, Keyla, ist noch ziemlich lebendig. Niemand hat sie getötet, und es wird auch niemand bei dir versuchen, und das nicht, weil sie wissen, dass sie es nicht können. Sie, wir alle wollen dich wieder bei uns haben. Und genau wie es für Keyla damals ein Zurück gab, so gibt es das jetzt auch für dich. Darum, nur darum bin ich hier. Weil ich dich liebe. Weil du mich liebst. Und weil wir nicht zulassen dürfen, dass irgendjemand das zerstört.“
[FONT="]„In meinem Herzen gibt es keine Liebe, keine Wärme mehr, nur noch Hass und Kälte, für mich gibt es kein Zurück mehr!“ antwortete sie leise, als sie sich zu ihm umdrehte, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie er den Kopf schüttelte.

[/FONT] „Es gibt immer einen Weg, du musst es nur zulassen. Was immer er dir angetan hat, wir finden eine Möglichkeit, es rückgängig zu machen, genauso wie bei Keyla. Erinnere dich daran, wer du einmal warst und was du wieder sein kannst! Bekämpf das Böse in dir! Lass es nicht triumphieren! Ich weiß, dass du es kannst und ich werde dir dabei helfen, so gut ich es kann. Wir alle werden das! Nimm einfach meine Hand und vertrau dich mir an, bitte!“ Flehend streckte er ihr gleich beide Hände entgegen, und seine Augen strahlten sie so voller Zuversicht und Liebe an, dass sie beinah glauben wollte, er könne recht haben. Ein kleiner Funken Wärme wurde durch diesen Blick in ihrem erkalteten Herzen entzündet, wahrhaft ein Funke nur, doch er genügte ihr als Beweis, dass sie noch immer verwundbar geblieben war. Und Verwundbarkeit war Schwäche, und Schwäche bedeutete Niederlage.
[FONT="]Noch immer sah er ihr erwartungsvoll entgegen, und obwohl es im ersten Moment so aussah, als wolle sie nach seiner Hand greifen, wich sie doch zurück und die Trauer, die noch eben ihr Gesicht beherrscht hatte, verschwand und machte einer Entschlossenheit Platz, die ihn frösteln ließ.

[/FONT] „Du begreifst es einfach nicht.“ erklärte sie in kühler Arroganz. „Ich bin nicht wie Keyla, ich wurde nicht programmiert. Ich habe die Entscheidung, zu dem zu werden, was ich jetzt bin, ganz bewusst getroffen, nachdem ich mit ihm ging und die Wahrheit über seine Pläne begriff. Ich fand heraus, dass ich auch ohne die Transformation die Macht hatte, den Kristallsaal, den Schrein der Vorbereitung so zu benutzen, wie es mir gefiel, und nicht wie er es wollte. Und ich tat es, um Rache üben zu können, an all denen, die in ihrer Überheblichkeit über mich hinweggetrampelt sind, mich für ihre Zwecke verwenden wollten. Aber man sollte mich nie mehr benutzen, nichts und niemand. Vergiss die Celia, die du kanntest, sie existiert nicht mehr. Ich bin, was ich bin. Und ich werde es bleiben. Je eher du das begreifst, desto besser!
Doch ich bedaure deinen Tod, und ich bin bereit, dich gehen zu lassen, weil du ein ebenso unschuldiges Opfer bist, wie ich es war. Das ist alles, was ich dir anbiete, anbieten kann und will. Geh in den Tempel meiner Mutter, benutze die Pforte der Seelen und überlass diese Welt und ihre Übel meiner reinigenden Rache.“
[FONT="]„Nein!“ erwiderte er mit der gleichen Entschlossenheit. „Ich habe noch immer eine Familie, Freunde, Kollegen! Was haben sie mit eurem Streit zu tun, welche Schuld trägt der Rest der Menschheit an dem, was dir widerfahren ist? Nein, ich werde mich bestimmt nicht feige davonstehlen, und all die anderen so einfach deinem Zorn überlassen.“

[/FONT] Er sank vor ihr auf die Knie, streckte die Arme aus und sah ihr fest in die Augen. „Wenn du unbedingt alles auslöschen willst, und ich dich nicht davon abhalten kann, dann kannst du genauso gut auch mir mir beginnen. Aber diesmal tu es richtig!“
„Wenn du glaubst, ich könnte es nicht.......“
„Ich weiß, dass du es kannst....“ unterbrach er sie barsch. „.....Also bitte, lass dich nicht aufhalten!“
Ein wenig irritiert suchte sie in seinem Kopf nach einem Hintergedanken, irgendeinem Plan, doch sie fand nichts, nur den verzweifelten Entschluss, nicht ohne sie zu gehen. Ihre Hände hoben sich langsam.
„Wenn du es unbedingt so haben willst!“ meinte sie und er spürte, wie die unsichtbare Energie, die von ihren Händen ausging, sich langsam in ihm ausbreitete, bereit, ihn auszulöschen. Wäre dies sein Körper, so würde er jetzt in Flammen stehen, und in der Tat fühlte er bereits den stechenden Schmerz, der den Schauern folgte, die durch ihn hindurchrasten. Doch noch zögerte sie, als könne sie sich selbst nicht dazu durchringen, es zu tun..
„Dies ist deine letzte Chance, Nicolas. Geh.....!“ forderte sie ihn erneut auf und er vermeinte nun auch in ihrer Stimme einen fast schon flehenden Unterton zu hören, dennoch schüttelte er den Kopf.
„Nein!“
„Dann ist dies deine Entscheidung, nicht die meine!“ Erneut hob sie die Hände, die nächste Welle jagte durch ihn hindurch, und er schrie auf im gleichen Moment, wie sie selbst.
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weiter zu Teil 4