„Du kannst das nicht so einfach bestimmen und mich dann stehen lassen, Celia!“ rief er, während er ihr nacheilte. Wie konnte sie ihn nach Hause schicken wollen. Nicht, dass die Aussicht nicht verlockend wäre, aber doch nicht so, nicht ohne sie. „Hörst du mich? Es geht hier um mein Leben, MEINS!“
„Eben deshalb. Ich will es dir zurückgeben, dein Leben, und nur in deiner Welt wirst du auch eins haben“ antwortete sie, ohne ihr Tempo zu verringern, im Gegenteil, sie wurde nur noch schneller, als würde sie regelrecht die Flucht vor ihm ergreifen. Aber das gab ihm genauso Hoffnung, wie das Zittern ihrer Stimme, das sie erfolglos vor ihm zu verbergen suchte. Wenn sie die gleiche Qual dabei empfand wie er, dann durfte er nicht aufgeben und sich fortschicken lassen.
„Jetzt warte doch verdammt noch mal und lass uns reden!“ fluchte er, als sie die Treppen hinauf hastete.
„Geh, Nicolas, bitte geh! Mach es mir nicht noch schwerer.“
„Im Gegenteil. Ich werde es dir so schwer wie nur möglich machen, wenn du auf diesem Unsinn bestehst.“
„Nicolas!“
Endlich hielt sie an, sah ihn an, und der Schmerz in ihren Augen ließ ihn nur noch entschlossener werden. Er griff nach ihrer Hand, zog sie näher, auch wenn sie sich sträubte.
„Nicolas. Ich hab doch versucht, es dir zu erklären. Wenn du hier bleibst, bist du nicht mehr als ein Schatten, ein Geist, kaum mehr als es Alyssa und Semira sind. Du willst doch nicht die nächsten zwei-, dreihundert Jahre als Gefangener verbringen, in einem goldenen Käfig zwar, aber dennoch gefangen, hilflos?“
„Selbst wenn das so wäre, dann wäre es immer noch meine Entscheidung und nicht deine, oder?“
„Sicher, aber....“
Er ließ sie los, entfernte sich ein paar Schritte, starrte hinaus in die Nacht.
„Ich liebe dich, Celia, ich will nicht gehen. Ich werde nicht gehen.“ All seine Gefühle, seine Hoffnung, seine Verzweiflung lagen in seiner Stimme. „Haben sie uns nicht genügend herumgeschoben, auf ihrem Schachbrett? Willst du jetzt damit weitermachen, nur zu.... meinem Besten?“
Sie schwieg, lange.... quälend lange. Und er begann ihre Antwort regelrecht zu fürchten.
„Nein!“ hauchte sie schließlich. „Ich will nur nicht selbstsüchtig sein, wenn ich dich halte.“
[FONT="]Er schloss einen Moment die Augen, und atmete erleichtert auf. „Sei selbstsüchtig, ich bitte darum. Lass uns wenigstens in diesem einen Punkt nur an uns beide denken. Egal, was die andern meinen oder für das Beste halten.“
[/FONT] Und genau das hatten sie dann auch getan. In aller Stille, ganz für sich allein schlossen sie ihren eigenen Bund, nur die Große Mutter und ihre Nachfolgerinnen als Zeugen anrufend. Das Rauschen der Bäume wurde zu Musik, die Sterne über ihnen funkelten hell, schickten feurige Blitze über den Sternensee, als wollten auch sie ihre Zustimmung geben.
[FONT="]Zuvor war er nach Hause zurückgekehrt, doch nur für eine kurze Zeit, damit Mutter und Schwester wussten, dass es ihm gut ging, und dass er sein Leben in Zukunft in der anderen Welt führen würde, an der Seite jener Frau, die Catherine einmal nicht ebenbürtig erschienen war. Seine stets so beherrschte Mutter hatte nach dieser Eröffnung geschlagene 5 Minuten kein Wort gesagt, bis sie ihn schließlich einfach umarmte, um ihm alles Gute zu wünschen, was sie nur wenig später auch mit ihrer einstmals so unwillkommenen Schwiegertochter tat, als diese zum ersten Mal zu Besuch kam. Bella hatte Celia erst mit offenem Mund und dann mit einem schiefen Grinsen großmütig verziehen, dass sie ihr den Bruder nun gleich zweimal genommen hatte, um so mehr, als die frischgebackene Schwägerin sich bereit erklärte, der Familie ihres Mannes einen Besuch in der anderen Welt zu ermöglichen.
[/FONT][FONT="]Gerührt beobachtete Zaide die beiden Neuvermählten, und noch gerührter das stumme Zwiegespräch zwischen ihrer Tochter und deren Mann. Sie gaben so ein schönes Paar ab. Beide. Wer hätte je gedacht, dass diese Tragödie, die beinahe ihre Existenz vernichtet hätte, einmal in solcher Harmonie enden würde. Ja, Keyla hatte vollkommen recht damals, als sie recht energisch verkündete, den Kontakt zu ihrer menschlichen Familie unbedingt halten zu wollen. Celia und Nicolas hatten sie beide darin bestärkt, und so kam es schließlich bald dazu, dass sich die gesamte Familie regelmäßig bei den Blandforts versammelte. Zaide und Catherine fanden schnell Gefallen aneinander, genossen ihre kleinen Unterhaltungen in vollen Zügen, und beide bemerkten, dass es trotz ihres Alters und ihres Wissens noch immer Dinge gab, die man von der jeweils anderen lernen konnte. Doch vor allem die junge Generation profitierte von diesen Besuchen. Die beiden Mütter erkannten ihre einst so ernsthaften Kinder kaum noch wieder, wenn die muntere Bella mit ihnen, Justin und natürlich dem Hund allerlei Unsinn trieb, der wenig an Erwachsene denken ließ. Doch warum nicht! Zaide lächelte ihrer Tochter zu. Sie trug eine schwere Last auf ihren kleinen Schultern, doch mit Hilfe dieser Menschen, die sowohl Melynne als auch Reshanne so wenig geschätzt hatten, wurde sie ihr leicht.
[/FONT] Und noch eine andere Sorge war ihnen, nach längerer Zeit endlich abgenommen worden. Zaide, die sich inzwischen den anderen Gratulanten angeschlossen hatte, stupste ihre Tochter leicht mit dem Finger an, um deren Aufmerksamkeit auf einen anderen Teil des Gartens zu lenken.
„Ja!“ antwortete Celia ihrer Mutter in Gedanken. „Immer noch wie frisch Verliebte!“
„Gemessen an unserer Zeitrechnung sind sie das auch. Dennoch, manchmal kann ich es immer noch nicht glauben, Melynne würde vermutlich - wie nannte die junge Dame hier das früher immer- aus den Schuhen kippen?“
„Latschen, Mutter, sie sagte aus den Latschen kippen.“ Celia unterdrückte ein Kichern, wurde aber gleich wieder ernst.
„Nach Zardons ... Tod hatte ich schon das Schlimmste befürchtet, es hat sie so sehr mit genommen. Wenn er sie deshalb wieder verloren hätte....nicht auszudenken!“
[FONT="]Zaide drückte ihre Hand. „Das war seine Entscheidung, mein Kind. Nicht jeder kann vergessen, oder vergeben. Und doch hat auch dieser Starrsinn letztendes noch etwas Gutes bewirkt. Du bist glücklich, und die zwei dort sind es auch!“
[/FONT] In der Tat konnte niemand das bestreiten, wer immer die beiden zusammen sah. Keyla hatte in ihrer sanften aber doch bestimmenden Art nicht nur das gefrorene Herz des Herrn der Finsternis geschmolzen, sondern ihm auch dabei geholfen, die Mitglieder ihrer Kaste allmählich davon zu überzeugen, dass er die Chance verdiente, die Celia ihm zu geben bereit war. Anfangs war es nur der Respekt vor dem Amt der Herrscherin und die Furcht, die allen nach der Beinahe-Katastrophe noch immer im Nacken saß, welche einen neuerlichen Eklat verhinderte. Vor allem da Keylas Vater, der von allen hochgeachtete Herr des Lebens sich mit dieser Entscheidung einfach nicht abfinden konnte und sich zum Entsetzen vieler aus dem Rat und auch aus der Welt zurückzog. Aber weder Keyla noch Celia ließen sich beirren, und nachdem sich selbst Reshannes Ehemann Cyros auf ihre Seite gestellt hatte, akzeptierten schließlich auch die anderen Elo-i den alten neuen Ratsherrn.
Dem menschlichen Teil der Familie hatte man auf Nicks persönlichen Wunsch Variks Beteiligung an der Geschichte größtenteils verschwiegen, sodass Keyla, die nach aus Menschensicht langer Zeit erneut Variks Frau geworden war, bei den wichtigen Familientagen nicht ohne ihren Mann erscheinen musste. Und obwohl er noch immer eine gewisse Düsternis ausstrahlte, so war die Kälte, die ihn früher einmal umgeben hatte, doch gewichen, als hätte er sie ebenso abgelegt wie seine Maske. Diesmal regierte Keyla sein Herz, und sein Herz regierte ihn.
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und zu Teil 4