Beiträge von Innad

    In ihrer Hilflosigkeit fiel ihr nichts anderes ein, als die Handynummer von Eileens Eltern zu wählen. Erst als sie mit deren Mutter sprach, erfuhr sie, dass beide zurzeit auf Lanzarote waren – aber nun war es zu spät, sie waren informiert und nichts und niemand hielt sie davon ab, sofort in den nächsten Flieger zu steigen.



    Marlene seufzte und warf Eileen erneut einen Blick zu.
    Sie spürte, dass sie sich ein wenig überfordert mit allem fühlte, was in den letzten Wochen und Monaten geschehen war. Sie konnte nicht recht nachvollziehen, wieso Eileen so sehr um ihre missglückte Schwangerschaft trauerte – aber sie hatte so etwas ja auch noch nie selbst erlebt. Noch weniger verstand sie, was da genau zwischen ihr und Marcel passiert sein mochte.
    Seit letztem Wochenende hatte Marlene manchesmal das Gefühl, ein wenig verrückt geworden zu sein, so sehr hatte sich auch ihr Weltbild verschoben. Das perfekte Paar, das Eileen und Marcel für sie gewesen waren, hatte sich als Trugschluss heraus gestellt. Ihr Verstand sagte ihr, dass Eileen sich Marcel gegenüber anders verhalten sollte, ihr Herz begriff aber dennoch, dass dem nicht so einfach war.
    Sie konnte sich nach wie vor nicht erklären, wie sie sich in diesem Menschen so sehr geirrt zu haben schien, dass er derart eiskalt geworden war, derart unbesonnen und hart seine Linie durchzog.



    Dass Liebe verging und verwelkte, war nichts neues – es geschah jeden Tag aufs neue, das wusste auch Marlene gut. Aber dies war nicht eine lockere Beziehung über einige Monate, sondern eine feste Gemeinschaft gewesen. Neben der emotionalen und menschlichen Verpflichtung gab es tatsächlich auch rein gesetzliche, über die Marcel sich einfach nicht klar zu sein schien.
    Eileen derweil schien in eine tiefe Depression verfallen zu sein und dies zurzeit zu ignorieren. Marlene trommelte nervös mit den Fingern auf ihrem Schreibblock herum. Was konnte man tun, um ihr zu helfen? War sie dazu überhaupt in der Lage? Vielleicht würde Eileen ein Psychologe oder Berater besser helfen können. Auch in Hinblick auf all die rechtlichen Schritte, die jetzt zu tun waren.
    So wie Marlene das sah, gab es für Eileen und Marcel kein Zurück mehr. Seit sie Marcel am Wochenende selbst begegnet war, bestand für Marlene kein Zweifel mehr daran.
    Sicherlich würde er bald eine Scheidung vorschlagen. Es war unbedingt erforderlich, dass Eileen sich der Tatsache stellte, dass ihr Mann sie endgültig für eine andere verlassen hatte und dass sie sich einen Rechtsbeistand suchte, bevor Marcel am Ende völlig ausflippen und ihr das Haus, die Autos und ihr Eigentum strittig zu machen begann.
    Inzwischen hielt Marlene alles für möglich. Seufzend hackte sie auf den Tasten herum, ohne wirklich zu realisieren, was genau sie arbeitete.



    Wie sollte sie Eileen dazu bringen, sich dieser Tatsache zu stellen? Sie konnte ihr Gegenüber überhaupt nicht einschätzen.
    Dann war da ja auch immer noch Eileens Zusammenbruch, den Marlene nach wie vor nicht so leicht abtun konnte wie Eileen selbst.
    Natürlich ging einem all das an die Nerven und konnte einen schwach machen, aber wer kippte schon so mir nichts-dir nichts am helllichten Tage einfach um und schlief dann wie ein Toter fast zwei Tage lang?
    „Eileen, ich…“, begann sie nach einigen weiteren Minuten des Grübelns. „Ich… ich weiß gerade nicht, wie ich dir helfen kann, Süße… ich… ich weiß nicht genau, was du brauchst und wo du stehst und…“
    Eileen sah auf und wirkte mit einemmal sehr müde.


    „Ach, Lene“, seufzte sie. „Glaub mir – ich wünschte, ich könnte es dir sagen. Aber ich kann es nicht.“
    Sie starrte auf ihren Bildschirm und stand dann abrupt auf.
    „Ich… ich fühl mich wohl doch nicht ganz so gut“, murmelte sie,und lächelte Marlene müde an. „Ich… ruf dich an, ja? Entschuldigst du mich beim Chef? Ich… versuche morgen wieder zu kommen und länger durchzuhalten.“
    Marlene schluckte und nickte unbeholfen. „Klar… geh nach Hause und ruh dich ein wenig aus…“



    Eileen nickte. schlüpfte in ihre Jacke und ließ wortlos die Tür hinter sich ins Schloss fallen.





    Fortsetzung folgt.

    12.


    Marlene hob erstaunt den Kopf und blickte Eileen mit offenem Mund an.
    „Was machst denn du hier?“, fragte sie verständnislos.
    „Arbeiten, was sonst. Dasselbe wie du“, erwiderte diese schlicht, während sie ihren Mantel auszog und an den Garderobenständer hängte.
    „Ich bin leider ein bisschen spät dran“, sagte sie entschuldigend und nahm am Schreibtisch platz. „Tut mir leid.“



    „Ich… habe ehrlich gesagt überhaupt nicht mit dir gerechnet“, stieß Marlene verdutzt hervor.
    „Nun, ich hab dich lange genug in Arbeit versinken lassen, während ich dasselbe in meinem Selbstmitleid getan habe“, erwiderte ihr Gegenüber mit fester Stimme.
    Marlene runzelte die Stirn.
    „Aber… du solltest dich doch noch schonen, Eileen“, sagte sie streng. „Der Arzt hat am Samstag gesagt, du brauchst viel Ruhe – all das war sehr viel auf einmal und…“
    „Ich hatte genug Ruhe“, fiel ihr Eileen ins Wort. „Ich… ich glaube, das am Wochenende hat mich aufgerüttelt. Ich will nicht vor die Hunde gehen, mich nicht kaputt machen lassen.“
    „Das ist schön und gut, aber Eileen, ich meine – du bist am Samstag einfach umgekippt…“
    „Mit mir ist alles in Ordnung“, sagte Eileen entschieden. „Ich will auf keinen Fall weiter zu Hause sitzen, mir fällt die Decke auf den Kopf.“
    „Warst du wenigstens noch einmal beim Arzt?“, fragte Marlene besorgt nach. „Er meinte, du solltest heute zu deinem Hausarzt gehen.“



    „Hör mir auf, der würde mir nur irgendwelche Pillen gegen Depressionen geben“, winkte Eileen ab.
    „Und… wäre das schlimm?“
    Aufgebracht sah Eileen sie an. „Mein Mann hat mich verlassen, Marlene. Von heute auf morgen, mir nichts, dir nichts. Praktisch ohne Vorankündigung. Nach etlichen Jahren Zusammensein, gemeinsame Plänen, Träumen und Verpflichtungen, die man eingegangen ist. Dass man dann nicht am nächsten Morgen gut gelaunt weiter macht als sei nichts gewesen, dürfte doch nicht überraschend sein, oder? Das ist noch lange keine Depression… und selbst wenn, ich wüsste nicht, wann man depressiv werden dürfte, wenn nicht dann. Es wäre wirklich nett, wenn ihr alle mir zumindest noch ein bisschen Zeit gebt, damit klar zu kommen und mich zu sortieren.“



    Eileen schlug wie zur Untermalung ihrer Rede ihren Terminkalender auf und drückte den Power-Knopf ihres PCs.
    „Und jetzt wäre ich dankbar, wenn du mich auf den neusten Stand bringen würdest“, wechselte sie dann scheinbar gelassen das Thema. „Wie sieht es mit den KD-Rechnungen der letzten 2 Wochen aus? Muss ich da noch etwas nacharbeiten?“
    Marlene wusste nicht recht, was sie antworten sollte, also entschied sie sich, erst einmal zum Geschäftlichen überzugehen und erklärte ihrer Freundin, was in den letzten zwei Wochen an Arbeit angefallen war. Dann verfielen beide in konzentriertes, schweigsames Arbeiten.



    Nach einer Weile sah Marlene von ihrem Bildschirm auf und beobachtete Eileen schweigend. Sie hatte sich geschminkt und ihre gewaschenen Haare ordentlich zu einem Zopf geflochten, ihre Augen waren nicht mehr derart stumpf und trübe wie vor zwei Tagen, überhaupt schien ein neuer Lebens- und Kampfeswillen in ihr aufgeflammt zu sein.
    Marlene fragte sich jedoch, ob dies nicht nur Fassade war… machte sich Eileen vielleicht etwas vor? Und was genau war zwischen ihr und Marcel am Wochenende gelaufen?
    Sie selbst wusste nur, dass irgendwann gegen halb eins das Telefon geklingelt hatte und Marcel sich gemeldet hatte. Zuerst war ihr durch den Kopf geschossen, dass dies wohl ein gutes Zeichen war. Vielleicht hatte Eileen doch recht behalten und diese seltsame Affäre war nur ein Strohfeuer, beide hatten sich wieder versöhnt.



    Auf der anderen Seite konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Eileen ihm so schnell vergeben hatte. Das lag aber vielleicht auch an ihrer eigenen Sicht der Dinge, die schon von Beginn an wesentlich unversöhnlicher gewesen war als die Eileens.
    Wobei sich von außen ja auch immer alles sehr leicht und konkret beurteilen ließ.
    Doch dann hatte Marcel ihr aufgeregt gesagt, dass sie sofort herkommen müsse. Es sei etwas mit Eileen.
    Mit einem Schaudern erinnerte sie sich daran, wie abgebrüht er dabei gewirkt hatte. Zwar hatte man ihm eine gewisse Sorge und Aufregung über die Wendung der Dinge und das plötzliche Zusammenbrechen seiner Frau angemerkt, ja … aber wenn sie sich vorstellte, wie sehr die beiden sich einst geliebt hatten, wie zusammengehörig sie ja eigentlich gewesen waren… erschreckte sie die Gelassenheit Marcels selbst heute noch.
    Als sie angekommen war, stand der Wagen des Notarztes vor dem Haus.



    Ihr war das Herz in die Hose gerutscht, aber im Haus angekommen wurde sie sofort beruhigt, als dieser ihr bereits im Flur gemeinsam mit Marcel entgegen kam und erklärte, dass Eileen nur sehr kurz das Bewusstsein verloren, dann einen kleinen Nervenzusammenbruch gehabt hatte und von ihm mit Beruhigungsmitteln in einen leichten Schlaf versetzt worden war.
    Er vermutete offenbar einen kleinen, relativ harmlosen Ehestreit und „Stress auf der Arbeit“ hinter allem – Marlene konnte nur raten, was Marcel ihm erzählt hatte.
    Marcel selbst war stumm und unbeteiligt dabei gestanden, hatte gewartet, bis der Notarzt gegangen war und Marlene dann eine Weile angeschwiegen.



    Schließlich hatte Marcel seine Autoschlüssel genommen und gesagt: „Eileen liegt oben und schläft- Kannst du dich bitte um sie kümmern – ich muss leider weg, aber ich werde sie nächste Woche anrufen. Sollte irgend etwas mit ihr sein, dass es ihr schlechter geht oder so, kannst du mich ja anrufen, ich hab mein Handy dabei.“
    Mit diesen Worten hatte er die Haustüre geöffnet und war mit einer schier unfassbaren Gelassenheit zum Auto gegangen, während sie – Marlene- ihm von der Haustüre aus hinter her sah und nicht wusste, was sie denken oder tun sollte.



    Da Eileen tief und fest schlief, beschloss sie schließlich, ihre Eltern zu benachrichtigen. Sie wusste ja nicht, wie es Eileen weiterhin gehen, wie sie sich verhalten würde und ob sie nicht doch noch ins Krankenhaus musste.

    Hallöchen,



    erst einmal möchte ich Euch allen ein frohes Neues Jahr wünschen! Ich hoffe, ihr seid gut "reingekommen" und hattet schöne Feiertage!


    Heute gibt es dann auch die nächste FS von "Caged" - durch den vielen Weihnachts"stress" bin ich im Dezember leider nicht dazu gekommen -, aber erst einmal möchte ich natürlich Eure Kommis beantworten :)



    @CindySim: Ja, vielleicht ist Eileen nun doch schon einen Schritt weiter. Natürlich wäre es sinnvoll, MArcel zu vergessen, aber das geht nach so langer Zeit natürlich auch nicht von jetzt auf gleich, da liegt sicher noch ein hartes Stück Arbeit vor ihr.



    sweetsim: Es freut mich, dass Du mitliest und so mit Eileen mitfühlst! Vielen lieben Dank für Deinen Kommi!



    Julsfels: Ja, in Eileen erwachen neue Kräfte, die ganz depressive Phase scheint zu Ende zu sein, zumindest erst einmal. Das stimmt, beide Wege sind eine Option und natürlich wirft man so eine lange Ehe und Liebe nicht einfach mal so weg - ob Eileen nun kämpft oder nicht, wird sich noch zeigen. Ein Abschiedsgeschenk? MH - eher unwahrscheinlich, wie Siola schon schreibt und bei den Brummern, die sie vom Arzt bekommen hat, könnte es auch davon sein ;)




    @Siola: ich gebe Dir vollkommen recht, dass sie noch nicht an eine neue Beziehung denken kann, sie ist ja mit dem Abschluss der anderen noch nicht mal im Ansatz durch, sondern fängt gerade erst an zu begreifen.



    @Llyn: Ja, man könnte sich darüber streiten, ob es von marlene gut war, Eileens Eltern zu rufen. Manch einem würde das auch nicht so gefallen. Aber es tat ihr ja gut, sie bei sich zu haben und zu spüren, dass sie egal was Marcel mit hr anstellt, eine feste Basis in ihrem Leben hat, die sie annimmt, wie sie ist - ob mit oder ohne Marcel eben.
    Du kennst mich doch schon ganz gut, wenn Du sie auf den Titel schielst. Natürlich wäre es viel zuuu einfach, wenn sie jetzt einfach einen Haken an das ganze macht... Du darfst also schon noch gespannt sein.



    Kiara: Ja, das stimmt, Eileen hat schon sehr viel mitgemacht. und es wird wie schon bei Llynya gesagt schon ein Weilchen dauern, bis sie sich wieder fängt. Darum geht es ja eigentlich zurzeit auch hauptsächlich in der Geschichte - die Frage ist eben, wie es mit ihr und Marcel weitergeht und was sie selbst daraus macht.



    Delirious: Wie schön, dass auch Du mitliest. Du hast natürlich recht, es ist wichtig, dass ihr Leben weitergeht. Stück für Stück.

    Hallo Llynya!


    Wie schön, dass es hier weitergeht! :applaus:applaus:applaus:applaus


    Die FS war wirklich gut, puuhhh, Gottseidank ist Richard nichts zugestoßen.


    Linas Gedanken kann ich gut nachvollziehen, zum einen die der Verwirrung ob ihres Seelenlebens, aber auch jene, dass sie ihre Freunde nicht in Gefahr bringen möchte. Ich finde es sehr anständig und mutig von ihr, das offen auszusprechen und ihnen die Wahl zu lassen.


    Natürlich ist es keine echte Überraschung, dass sie sie nicht alleine lassen werden, schon gar nicht von Richards Seite :rolleyes


    Ich bin gespannt, wie es jetzt weitergeht. Elias ist ihnen ja doch schon ziemlich dicht auf der Spur ... wann wird es wohl zum Showdown kommen und wie wird Lina vorgehen? Sie hat ja nach eigener Aussage noch keinen rechten Plan, wie sie vorgehen soll.


    Mh, ich bin gespannt!!!

    Hallo,


    ich verziere die Geschenke ganz gerne mit Engelshaar (oder wie auch immer das heisst, ich meine das hier: http://picture.yatego.com/imag…chten_engelshaar_gold.jpg


    Außerdem nehme ich auch gerne zum Dekorieren/Verzieren kleine Weihnachtskugeln, Zimtstangen, Tannenzweige (dann sollte es aber schnell verschenkt werden, damit da auch noch Nadeln dran sind ;)), kleine Sterne und sowas.


    Ich schnüre das Paket in aller Regel dann richtig ein und in der Mitte, wo sich alle Fäden kreuzen, mache ich einen Knoten und befestige da die Verzierungen. Dann noch eine Schleife drauf - kann man auch ganz einfach aus Geschenkpapier rausschneiden, einfach ein Rechteck ausschneiden und in der MItte zusammenbinden - und dann sieht das ganze schon sehr viel edler aus als "einfach nur" mit Geschenkpapier umwickelt.

    Hallo in die Runde,


    es gibt doch einen Hack, der einen ermöglicht, mehrere Dinge an einer Stelle zu positionieren. Weiß noch jemand, wo man den finden kann? Ich habe keine Ahnung, wie ich ihn über die Sufu in diesem riesigen Thread ausfindig machen könnte, darum frag ich nochmal extra, vielleicht hat ihn ja jemand und weiß noch, woher er ihn hat.

    Sie ging hinunter in die Küche, um sich einen Espresso zu machen. Das würde ihren Kreislauf sicher auf Schwung bringen, denn seit sie aufgestanden war, fühlte sie sich seltsam schwindelig und flau. Das lag sicher immer noch an dem Mittel und der Aufregung der letzten Tage. Gestern hatte sie fast den ganzen Tag durchgeschlafen, und trotzdem schien sie immer noch Schlafbedarf zu haben. Wenn sie sich überlegte, wie viel sie in den letzten Wochen geschlafen hatte, könnte sie fast meinen, zum Siebenschläfer geworden zu sein.



    Doch nun war das vorbei. Eileen nahm einen großen Schluck des bitteren schwarzen Getränks und merkte, wie sich ihr Magen darunter zusammen zog, ignorierte es aber. Es war kaum etwas zu Essen im Haus, sie musste sich gleich auf dem Weg etwas besorgen.
    Grübelnd starrte sie zum Fenster hinaus. Im Nachbarhaus waren die Lichter an und in der Küche bewegten sich Gestalten. Sicher brachten sie ihre Kinder gleich zur Schule, wie jeden Morgen. Er stand an der Küchentheke und schmierte Brote, während sie das Frühstücksgeschirr verteilte. Die kleine Klara – die Eileen immer so freundlich zuwinkte, wenn man sie auf der Straße traf – hatte ihre Haare zu Rattenschwänzen gebunden und hüpfte zwischen ihren beiden Eltern hin und her.
    Eigentlich hatte Eileen sich ihr Leben ähnlich vorgestellt. Mit Marcel in einigen Jahren genauso – mit ein oder zwei Kindern, einem ruhigen Leben, Familienidyll…



    Vielleicht war das alles aber nur eine Illusion gewesen? Sie spürte einen Stich im Herzen. Was wäre gewesen, wenn diese Schwangerschaft nicht zu Ende gegangen wäre? Sie hätte vor wenigen Tagen entbunden, fiel ihr erschrocken auf. Es kam ihr völlig surreal vor, dies zu denken. Nicht nur weil sie sich so etwas allgemein nicht vorstellen konnte, sondern weil doch schon so viel mehr Zeit, ja fast Jahre, seither vergangen zu sein schienen…
    Sie schüttelte den Kopf und wandte den Blick vom Nachbarfenster ab, um den letzten Tropfen Espresso ihre Kehle hinunter laufen zu lassen.



    Während sie die Tasse in die Spülmaschine stellte, verzog sie verächtlich das Gesicht.
    Dieses Idyll war vorbei. Marcel hatte sein Idyll mit einer anderen gefunden. Er hatte entschieden, dass Eileen nicht mehr zu seinem Leben gehörte. Sie war sozusagen ausgemustert. Hastig schlüpfte sie in ihre Jacke, griff nach ihrer Tasche und dem Autoschlüssel und zog die Haustür hinter sich zu.
    Draußen atmete sie tief die frische nach Regen duftende Luft ein. Ihr fiel auf, dass sie vermutlich zum ersten Mal seit zwei Wochen vor die Tür getreten war.



    Marcel wollte sein Leben also ohne sie bestreiten. Das bedeutete, es gab für sie nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie brachte ihn doch noch dazu, wieder ein Bestandteil seines Lebens zu sein.
    Oder sie strich ihn eben auch aus ihrem Leben, wie er es mit ihr getan hatte.
    Eine andere Möglichkeit würde es nicht geben. Jene, die sie in den letzten Wochen gelebt hatte – nämlich die, dass es für sie ohne ihn kein Leben mehr zu geben schien, erschien Eileen nun nicht mehr attraktiv.
    Sie hob das Kinn und strich sich mit einer entschlossenen Geste das Haar aus der Stirn. Sie würde sich nicht so leicht unterbuttern lassen!
    Entschlossen schritt sie über den Kiesweg zu ihrem Auto. Es schien, als ginge sie Stück für Stück in eines neues Leben – ob mit oder ohne Marcel, würde sich noch zeigen.







    Fortsetzung folgt.

    11.


    Müde starrte Eileen in den Spiegel und rieb sich die Augen.
    „Eileen, du siehst erbärmlich aus, wenn ich das sagen darf“, raunte sie ihrem Spiegelbild zu und schnitt sich dann eine Grimasse. Gut, dass Marcel sie so nicht sehen konnte.


    Obwohl – in all den Jahren ihrer Beziehung hatte er schon schlimmeres erlebt. Vor einigen Jahren war sie zwei Wochen furchtbar krank gewesen und hatte es kaum geschafft, das Bett zu verlassen. Marcel war furchtbar besorgt um sie, brachte ihr Tee, schüttelte ihr die Kissen auf, spielte die fürsorglichste Krankenschwester auf der weiten Welt.
    Da hatte sie schlimmer ausgesehen. Der Liebe zu ihr hatte das keinen Abbruch getan.
    Eileen schnaubte verächtlich durch die Nase.
    Und dann kam irgendeine junge, blonde Tussi und schon war Marcel nichts mehr wichtig. Nicht all die Jahre, die sie zusammen verbracht, die Höhen und Tiefen, die sie zusammen durchstanden hatten.
    Aber die letzte Tiefe, die hatten sie nicht durchstanden. War die Fehlgeburt damals wirklich der Auslöser für alles gewesen? Hätte eine gute Beziehung diesen Schicksalsschlag, der schließlich fast jede Frau statistisch gesehen einmal im Leben ereilte, nicht einfach verkraften, an ihr reifen, vielleicht sogar wachsen müssen?



    Eileen stellte sich diese Frage zum ersten Mal seit Tagen. Bisher hatte sie sich immer alleinig die Schuld gegeben. Sie hätte Marcel nicht so abweisen dürfen in den Monaten danach. Doch sie hatte sich so unverstanden gefühlt. Für ihn war das Leben schon wenige Tage danach weiter gegangen wie immer. Sie konnte sich noch genau daran erinnern.
    Sie war gerade ein paar Tage aus der Klinik zurück und noch krank geschrieben, da war Marcel schon wieder mit seinen besten Freunden auf den Fußballplatz und danach auf Tour gegangen, um ein bisschen den „Kopf frei zu kriegen“.
    Und sie? Sie hatte weinend zu Hause auf dem Sofa gesessen. Alleine.


    Für Marcel war all das wohl nur ein missglückter Versuch gewesen. Für sie selbst jedoch war es mehr als das. Für sie war nicht nur eine Hoffnung gestorben, sondern ein Stückweit tatsächlich ihr Kind, ihr Baby. Wenn es auch noch so winzig gewesen sein mochte.
    Damals hatten die Ärzte im Krankenhaus ihr gesagt, es sei wohl schon etwas länger nicht mehr am Leben gewesen. Man schätzte, dass sein kleines Herzchen schon mindestens eine oder sogar zwei Wochen nicht mehr geschlagen hatte, bevor bei Eileen die Blutungen eingesetzt hatten. Der Körper brauchte laut den Ärzten wohl manchmal ein wenig Zeit um zu begreifen, dass die Schwangerschaft nicht mehr intakt war.
    Eileen seufzte und öffnete die runde Dusche, um hinein zu steigen. Das warme Wasser entspannte ihren Rücken, der ihr seit dem Aufstehen schmerzte. Vermutlich hatte sie sich einfach zu wenig bewegt in den letzten Tagen.



    Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie sich beeilen musste.
    Sie duschte sich schnell ab und verzichtete diesmal darauf, die Haare zu waschen. Rasch schminkte sie sich, band sich die Haare in einen dicken Zopf, der ihr seitlich über die Schulter fiel und ging dann ins Schlafzimmer, um sich anzukleiden.
    Draußen war ein fahler Herbsttag angebrochen.

    Julsfels: Wie wahr, wie wahr ist der doch Dein letzter Satz des gnädigen Moments nach dem Aufwachen, der leider äußerst kurz ist, ja...
    Deine Gedanken sind unheimlich interessant. Die Frage ist ja nun auch immer noch offen, wann Marcel angefangen hat, Eileen zu betrügen, oder wann es angefangen hat, darauf hinaus zu laufen. Die Frage ist also durchaus, wie viel der Verlust des Kindes da mit hinein gespielt hat und wieviel nicht.


    Ich benutze die Geheimratsecken übrigens auch nie, außer ihn Fotostorys :D



    Rivendell: stimmt, das würden sicher nicht alle Eltern machen, einfach mal so von Spanien zurückzujetten. Aber sie haben vermutlich auch nicht so recht den Ernst der Lage einschätzen können und vor allem hat es sie sicher auch getroffen von der Trennung zu erfahren... und dann auch noch so!



    Kiara: Schön, Dich hier zu lesen, ich hoffe, Dir geht´s gut :)
    mal schauen, wie sie reagiert, wenn Marcel wieder kommt. Mal sehen, wann der sich überhaupt mal wieder meldet!



    @Dirgis: Ja, das sind alles auch sehr wichtige Überlegungen. Es ist durchaus anzunehmen, dass nicht nur der Verlust des Kindes Marcel dazu getrieben hat, fremd zu gehen. Da war sicherlich vorher schon was nicht in Ordnung.
    Ob Eileen jetzt wirklich begreift, dass es aus ist, wird sich aber erst noch zeigen müssen...

    Ach je, ich hab ja noch gar nicht kommentiert!


    Erstmal bin ich gerade etwas perplex, dass Du so wenig Kommis auf diese einfach sagenhaft geniale Geschichte hast :misstrau ... ich hoffe, Du machst trotzdem weiter, denn sie einfach bezaubernd schön!


    Die Bilder waren diesmal wieder - mir fehlen die Worte - einfach genial! Wie viel Arbeit dahinter steckt und wie viele Tricks und Foltermethoden für die Sims ;) kann man nur erahnen!


    Zur Story selbst - es ist sehr interessant zu erfahren, welche besondere Gabe Artair hat. Und dass er sie nur mit Vorsicht einsetzen darf. Eine interessante Begebenheit, dass der König heilen kann, dadurch aber selbst geschwächt wird. Und die Finsternis, die heranrollt, die Bedrohung, ist allzeit spürbar.


    Besonders gut gefallen hat mir übrigens das Bild, wo Neiyra so total erschlagen im Bett liegt und nur halb mit dem Handtuch bedeckt ist. Wie hast Du das nur wieder hingekriegt?


    Auch die letzten Bilder im Halbdunkel mit den Lichtern der Taverne sind unheimlich stimmungsvoll. Alle sind stimmungsvoll, aber das gefällt mir auch wirklich sehr gut.


    Es ist einfach Wahnsinn, was Du aus den einfachen MItteln des Spiels zu zaubern verstehst. Dabei möchte ich aber auch nicht die Qualität Deines Textes und der Storyline vergessen, denn die hält absolut mit den Bildern mit für mich.


    Ich hab ja oben schon geschrieben, man kann die heranrückende Bedrohung spüren, es macht einen kribbelig und nervös und irgendwie will ein kleiner Teil auch gar nicht, dass es weitergeht, weil man sich denkt, dass die Gemeinschaft, der "Frieden", bald zerstört sein wird. Schließlich nennt sich die Geschichte "Zeit der Finsternis" und die wird wohl gerade heranrücken...


    Ich freue mich sehr auf die nächste Forsetzung!

    Juhuuu, eine Fortsetzung! :applaus:applaus:applaus


    Und sie war wieder ausgesprochen stimmungsvoll.


    Dass Patrick sich so gegen die Vorstellung währt, nun Träger des Fluches zu sein, kann ich gut nachvollziehen. Erstens: wer möchte das schon gerne sein und annehmen und zweitens denke ich mir, dass er einfach sehr rationell denkt und fühlt und handelt und das ganze nicht so recht in sein Schema passt. Er muss sich also erst einmal klar werden, was er nun tun könnte und wie er handeln sollte.


    Die Bilder mit dem Teufel waren sehr stimmungsvoll, finde es auch gut, dass Du ihn nicht so "typisch" gemacht hast, wie er selbst das angesprochen hat. Die arme Catalina, dass sie sozusagen auf ihn hereingefallen ist und den Fluch übernommen hat...


    Darum ist sie also so hartherzig geworden, und nun bricht es doch auf, das eigentlich nicht mehr vorhandene "Geister"herz...


    Vielleicht ist das auch schon ein Weg, den Fluch zu knacken?


    Ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht!!!

    „Mama – ich hätte jetzt doch ein wenig Hunger“, sagte sie dann vorsichtig. Ihre Mutter nickte und erwiderte. „Das ist gut. Was magst du denn haben?“
    „Es ist wohl mit den Essensvorräten nicht so gut bestellt“, gab Eileen beschämt zu. Jetzt wo ihre Eltern da waren, kam ihr das Verhalten, welches sie in den letzten zwei Wochen an den Tag gelegen hatte, fast blamabel vor. So sehr sie beide auch liebte und ihnen vertraute, sie war eine erwachsene Frau und es war nur natürlich, dass es ihr nicht wirklich behagte, so viel von sich preis zu geben. Sie stand nicht gerne als Schwächling vor ihren Eltern da.



    Wieder waren zwei widersprüchliche Gefühle in ihr zugegen – ein Teil von ihr war froh und dankbar um die Anwesenheit ihrer Eltern, der andere schämte sich, fühlte sich unangenehm berührt und hätte sie am liebsten sofort freundlich aus dem Haus komplimentiert. Ja, ein Teil von ihr wollte jetzt allein sein – Ruhe haben.
    Doch zuerst musste sie etwas essen und dann konnte sie versuchen, ihre Eltern nach Haus zu schicken. Auch wenn sie stark bezweifelte, dass diese sich überzeugen lassen würden…
    Ihre Mutter lächelte derweil und sagte: „Naja – wir werden schon ein bisschen etwas auftreiben. Dein Vater war vorhin an der Tankstelle und hat uns Brötchen geholt. Magst du vielleicht eines davon haben? Mit Honig oder Butter?“
    Marlene nickte. „Ja – aber bitte nicht viel. Ich hab schon ein Weilchen nichts mehr gegessen und sollte von daher wohl langsam machen…“
    Ihre Mutter nickte und verschwand aus dem Zimmer, während ihr Vater immer noch an der Tür stand und irgendwie ratlos wirkte.
    „Weißt du, Schatz…“, sagte er schließlich. „Ich bin ein wenig hilflos, weiß nicht recht, was ich sagen soll…“


    „Ist schon okay, Papa“, erwiderte Eileen und lächelte ihn an. „Du musst auch nicht viel sagen. Es … ist eben einfach passiert...“
    Sie schluckte. Sie sprach fast, als wolle sie jetzt ihren Vater trösten, dabei war sie es ja eigentlich, die Trost brauchte.
    Sie war dankbar, als ihre Mutter zurück ins Zimmer kam und ihr einen Teller mit einem Honigbrötchen gab. Eileen aß langsam und schweigend. Zuerst musste sie sich zu jedem Bissen zwingen, aber das hörte nach der Hälfte des Brötchens auf und bald war es komplett aufgegessen.
    Sie reichte ihrer Mutter dankend den Teller und sagte dann möglichst entschieden: „Ihr beiden – ich bin echt dankbar, dass ihr gekommen seid, aber ihr könnt jetzt wirklich nach Haus fahren. Ich lege mir das Telefon hier ans Bett und wenn etwas sein sollte, rufe ich sofort an, versprochen. Ich würde jetzt einfach gerne etwas Ruhe haben und noch ein bisschen weiterschlafen. Morgen früh rufe ich euch dann an und dann können wir ja weitersehen…“
    Ihre Eltern wechselten vielsagende Blicke und Eileen machte sich schon auf eine Welle an Argumenten gefasst, die gegen ihren Vorschlag sprechen würden.
    Doch zu ihrem Erstaunen nickte ihr Vater langsam und sagte: „Gut, Eileen, wenn du es so willst, werden wir auch nach Haus fahren. Aber bitte ruf sofort an, wenn irgendetwas ist. Bist du dir sicher, dass du aufstehen kannst, wenn du zur Toilette musst?“
    „Ich bin nicht krank, nur ein bisschen schwach. Und wenn ich schlafe, muss ich nicht zur Toilette – ihr könnt unbesorgt nach Haus fahren, wirklich.“



    Sie sah ihre Eltern fest an, bis diese nickten, sich zu ihr beugten und ihre Wangen küssten und dann leise das Schlafzimmer verließen.
    Wenige Sekunden später hörte Eileen das Türschloss zuschnappen.
    Erleichtert atmete sie tief durch und lehnte sich in den Kissen zurück. Es war still in der Wohnung, so still, dass es sie mit einemmal fast erdrückte.
    Sie spürte, wie der Schmerz in ihrer Kehle zunahm, der ihr baldige Tränen anzukündigen schien. Dabei hatte sie doch schon so viel geweint, dass man hätte meinen können, es seien keine Tränen mehr vorhanden.
    Sie fühlte sich müde und gleichzeitig nervös. Mühsam versuchte sie sich zu erinnern, was geschehen war und langsam wurde sie sich des Inhalts ihres Gespräches mit Marcel wieder bewusst.
    Sie schnaubte aus, als sie an seine Worte zurück dachte. Wie konnte man sich nur so sehr in einem Menschen täuschen? Der Mensch, der ihr so vertraut gewesen war. Mehr als nur ein Teil von ihr. Ihr Gegenstück. Ihr Freund, ihr Partner, ihre Welt, zumindest zum Großteil. So wie das nun einmal in guten Beziehungen ist. Eileen schüttelte verständnislos den Kopf und spürte, wie der Schmerz allmählich zur Wut wurde.



    Er hatte sich einfach hier hingesetzt und von Autos zu sprechen angefangen. Wo waren Worte der Erklärung, der Verzeihung?
    Er hatte gesagt, er liebe sie nicht mehr. Eileen schluckte hart. Diese Worte erschienen ihr wie ein Hohn. Wie konnte man so schnell aufhören, jemanden zu lieben? War Marcel einer jener Menschen, die für Liebe einen Knopf hatten, sie beliebig ein- und ausschalten konnten?
    Und wieso hatte er nicht früher etwas gesagt? Es hätte nicht so kommen müssen.
    Bitter zog Eileen die Decke bis ans Kinn und rutschte tiefer in die Kissen. Sie spürte, wie die bleierne Müdigkeit zurück kam. Was auch immer der Arzt ihr gegeben hatte, es musste ein Teufelszeug sein. Wenn sie sich doch wenigstens hätte erinnern können, was nach diesem Gespräch geschehen war.
    Doch noch war sie zu müde und schummrig, das war ihr klar. Draußen trommelte erneut Regen gegen die Fensterscheiben und auf das Dach. Sein Geräusch schien Eileen langsam in den Schlaf zu singen. Sie wehrte sich nicht dagegen.
    Morgen würde sie klarer denken können, so viel war klar. Morgen würde die Welt anders aussehen.

    10.

    Eine Hand strich ihr über den Kopf, immer und immer wieder. Und eine sanfte Stimme flüsterte beruhigende, weiche Worte. Eileen seufzte und weigerte sich einen kleinen Moment, die Augen zu öffnen. Ihr Kopf stach und schmerzte, als habe sie einen in voller Geschwindigkeit durch die Luft sausenden Fußball abbekommen.


    „Es wird alles wieder gut, Schätzchen… es wird ja alles wieder gut“, flüsterte die sanfte Stimme. War das Marcel? Eileen sog die Luft tief ein. Es roch nach ihm. Doch die Hand fühlte sich nicht nach seiner an. Sie war… zu schmal und zart.
    Eileen öffnete langsam und träge die Augen. Im Zimmer war es schummrig dunkel. Irgendjemand hatte die Nachttischlampe auf der anderen Seite des Bettes angemacht, ansonsten erhellte kein Licht das kleine Schlafzimmer. Das Rollo war heruntergelassen und durch die kleinen Schlitze drang kein Licht. Es musste Nacht sein.



    Eileens Augen wanderten zu der Person neben ihrem Bett, die sie im Dunkeln kaum erkannte.
    „Marcel?“ flüsterte sie mit schwacher Stimme.
    „Nein, Schätzchen. Ich bin´s. Mami.“
    „Mami?“
    Eileen rieb sich verwirrt die Augen und erkannte schließlich das Gesicht ihrer Mutter, die neben dem Bett saß und sie sanft ansah.
    „Mami?“ wiederholte sie wieder verwirrt. „Was… was machst du hier? Ich… ich dachte, du bist in Spanien… wie… was ist passiert?“
    Sie richtete sich langsam auf, was ihr Kopf mit hämmernden Schmerzen beantwortete.
    „Schhhh…“, beruhigte ihre Mutter sie. „Bleib noch ein Weilchen liegen. Du bist ziemlich heftig auf den Kopf gefallen.“


    „Sturz?“ wiederholte Eileen verwirrt und fasste sich an den schmerzenden Schädel. „Was für ein Sturz?“ Sie versuchte krampfhaft sich zu erinnern, was geschehen war. Sie dachte an Marcel… er war hier gewesen. Sie hatten geredet… doch danach wusste sie nicht weiter.
    „Und wie kommst du hierher?“ wiederholte sie ihre Frage und sah ihre Mutter verständnislos an. Diese tätschelte ihrer Tochter beruhigend die Hand.
    „Marlene hat uns angerufen“, erwiderte sie dann.
    Von draußen hörte man Schritte, die Schlafzimmertür wurde sachte ein Stück geöffnet. Das helle Licht aus dem Flur fiel grell ins Zimmer, so dass Eileen einen Moment blinzeln musste.



    „Ist sie wach? Ich hab jemanden reden hören.“
    Das war die Stimme ihres Vaters, der nun ins Zimmer kam. Seine hochgewachsene Gestalt hob sich gegen den nun wieder schwächer werdenden Lichtschein aus dem Flur ab.
    „Ja, eben ist sie aufgewacht.“
    „Eileen, Schätzchen…“, mit wenigen Schritten war ihr Vater an ihr Bett geeilt, während ihre Mutter wie selbstverständlich aufstand und mit dem Glas in der Hand das Zimmer verließ, wobei sie schnell murmelte: „Ich hol ein Glas Wasser…“



    Eileens Vater sah seine Tochter traurig an.
    „Du hast uns einen hübschen Schrecken eingejagt, Kleines“, sagte er dann. „Wie fühlst du dich?“
    „Ganz gut… mein Kopf tut weh“, erwiderte Eileen langsam. „Aber vielmehr macht mich verrückt, dass mir hier niemand sagt, was eigentlich geschehen ist? Was macht ihr hier? Ich dachte, ihr seid in Spanien? Ich… ich kann mich nicht erinnern, was los war. Ich weiß nur noch, dass Marcel hier war und…“
    Eileen stockte. Ihr schoss plötzlich die Frage durch den Kopf, ob ihre Eltern alles wussten.
    Sie sah ihren Vater fragend an. „Ich… Marcel und ich..“
    Ihr Vater nickte gütig und sah sie kummervoll an. „Ich weiß – wir wissen alles, Schatz. Wieso hast du uns denn nicht angerufen und alles gesagt? Wir wären doch sofort nach Haus gekommen.“
    „Ich wollte euch euren Urlaub nicht verderben“, erwiderte Eileen und besann sich wieder auf ihre eigentliche Frage. „Aber was macht ihr hier? Bitte, Papa, sag mir doch, was geschehen ist.“
    „Heute Nachmittag hat uns ein Anruf deiner Freundin Marlene erreicht, dass wir wenn möglich nach Haus kommen sollten, weil du zusammengebrochen wärst. Wir haben natürlich den ersten Flug nach Haus genommen und sind vor wenigen Stunden hier angekommen.“
    „Wie… wie spät ist es?“ fragte Eileen irritiert.
    „Es ist ein Uhr in der Nacht.“



    „Aber… Marcel war um die Mittagszeit da. Was ist danach passiert?“
    „Ich weiß es nicht genau. Marcel hat Marlene erzählt, dass du auf einmal während eures Gespräches ohnmächtig geworden bist. Er hat natürlich sofort den Arzt gerufen. Du warst dann wohl auch ein- oder zweimal wach, hast aber nur bitterlich geweint, sagte Marlene. Weißt du das denn nicht mehr?“
    Eileen sah ihn erstaunt an. „Nein… nein… ich kann mich nicht daran erinnern…“
    „Nun … du hast dir bei deinem Sturz den Kopf angeschlagen, warst aber laut Marcel nur kurz weggetreten… der Arzt sagte, es sei nicht weiter schlimm… aber du musst so sehr geweint haben, dass er dir eine Beruhigungsspritze gegeben hat. Vermutlich bist du deswegen noch ein wenig benebelt.“
    Eileen fuhr sich verwirrt über die Stirn und versuchte sich zu erinnern, was nicht gelingen wollte. Auf der anderen Seite war nicht verwunderlich, dass einem bei derartigen Kopfschmerzen keine vernünftigen Gedanken kommen konnten.
    Eileen seufzte wieder und ihr Vater strich ihr hilflos über die Schulter.
    „Brauchst du irgendetwas, Schätzchen? Hast du Hunger?“
    „Nein“, erwiderte Eileen langsam, obwohl sie spürte, dass ihr leicht übel war und ihr Magen krampfte. Doch der Gedanke an Essen schien ihr völlig abwegig.
    „Aber ein Kopfschmerztablette wäre super… ich hab das Gefühl, mir platzt der Schädel.“



    „Ich sag schnell deiner Mutter Bescheid“, erwiderte ihr Vater sanft und verschwand für einen Moment aus dem Zimmer. Gleich darauf kam er gemeinsam mit Eileens Mutter zurück.
    Sie hielt ein Glas Wasser in der Hand, während ihr Vater ihr eine Schmerztablette reichte.
    „Marcel hat ein paar Sachen mitgenommen“, sagte ihre Mutter langsam. „Ich vermute, er kommt die nächsten Tage noch einmal, um den Rest zu holen. Jedenfalls hat das Marlene gesagt…“
    Eileen schluckte. Ihr Hals schien wie zugeschnürt.
    „Ich wollte es euch sagen… aber ich hatte irgendwie die Hoffnung, er würde seine Meinung noch ändern. Es war noch so frisch“, versuchte sie langsam zu erklären. „Und ich hab mich auch geschämt.“
    „Geschämt? Ach Schatz, warum denn das? Du hast doch nichts verbrochen…“
    „Genau!“ pflichtete ihr Vater bei. „Das alles ist Marcels Schuld! Ich hätte so was nie von ihm erwartet.“ Er sah sich grimmig im Zimmer um, als erwarte er, Marcel hocke in irgendeiner Ecke und verstecke sich vor ihm. „Der Kerl kann froh sein, dass er nicht mehr hier war, als wir ankamen…“
    „Günther“, ertönte die beschwichtigende Stimme von Eileens Mutter. „Das bringt niemanden weiter…“



    Eileen musste gegen ihren Willen lächeln. Sie wusste nicht recht, ob sie ihrer Mutter Recht geben oder sich von der Wut ihres Vaters geborgen und geschmeichelt fühlen sollte.
    Seltsamerweise waren sowohl der Impuls, Marcel vor ihrem Vater zu verteidigen, wie sie es früher immer getan hätte, und ihn dazu zu ermuntern, sich ins Auto zu setzen, Marcel aufzusuchen und ihm den Hosenboden zu verprügeln, in ihr zugegen, was sich verwirrend und paradox anfühlte.
    Sie nahm die Tablette dankbar von ihrem Vater entgegen und spülte sie mit einem großen Schluck Wasser runter. In ihrem Magen krampfte sich etwas zusammen und Eileen begriff, dass sie etwas essen musste, auch wenn ihr nicht danach war.

    @CindySim: Danke für Deinen Kommi. Ja, ich fürchte GANZ so vorgesehen ist es nicht - wie Du selbst schreibst, die acht jahre hinterlassen ja ihre Spuren und sind nicht so einfach wegzuwischen.
    Danke für Deinen Kommi! :)



    Nicci: Vielen Dank auch für deinen Kommi, freut mich, dass Dir die Story gefällt. Mal schauen, wie es sich für Eileen weiter entwickelt und wie sie mit allem umgeht - ist halt nicht so einfach für sie.



    Tabatha: Auch danke für Deinen Kommi, über den ich mich auch sehr freue. Ja, das ist schon erschreckend, dass Marcel sich so schnell neu verlieben konnte, stimmt...



    Rivendell: Ist sehr interessant, das ganze auch mal von Marcels Sicht aus zu sehen, zumindest so ein bißchen. Ja, vielleicht ist es für ihn auch nicht so einfach und er ist ebenfalls hilflos.
    Danke für Deinen Kommi!!!



    Julsfels: Hihi, seine neue Ische - jaaa, vielleicht stellt die sich dann auch irgendwann nicht als das Gelbe vom Ei raus? Wer weiß!
    Und Du hast recht, es hat auch sein gutes, dass MArcel so nüchtern bleibt, so macht Eileen sich zumindest nicht mehr so viel Hoffnungen. Mh, trotzdem wären ein paar Worte mehr wohl absolut angebracht gewesen...

    „Aber... das kann doch jetzt nicht alles gewesen sein“, erwiderte sie. Ihr Blick fiel auf das Hochzeitsfoto an der Wand. Sie deutete darauf und rief aufgewühlt:
    „Was ist damit? Waren das denn alles nur leere Worte?“


    Marcel seufzte und stand ebenfalls auf, fasste Eileen an den Schultern. Seine Berührung löste einen wohligen Schauer in dieser aus und für ein winzigen Moment dachte sie, ihre Worte haben ihn endlich zur Vernunft gebracht, so dass er sie endlich an sich ziehen und sie um Verzeihung bitten würde. Doch stattdessen wurde sein Griff ungewöhnlich fest und er zwang sie, ihm in die Augen zu sehen.
    „Eileen! Menschen ändern sich... Gefühle ändern sich. Ich finde das auch nicht schön. Ich hätte mein Leben gerne mit dir verbracht und damals hatte ich das auch wirklich vor. Aber die Zeiten ändern sich nun mal. Es ist eben einfach anders gekommen. Verstehst du?“
    Eileen sah ihn entgeistert an.



    „Aber Marcel – das mag ja alles sein, nur... wieso kämpfst du nicht für uns? Wieso gibst du uns nicht wenigstens eine Chance, nach all der Zeit? Wieso hast du nie etwas zu mir gesagt, wieso hast du nicht schon früher versucht, etwas zu unternehmen? Gefühle verschwinden mit der Zeit, aber doch nicht von heute auf morgen, oder?“
    Marcel sah sie ernst an. „Ich hatte nicht die Kraft und den Mut, etwas zu ändern. Und dann kam SIE... Eileen, es tut mir leid. Aber ich fand bei ihr einfach, was ich bei dir nicht bekam.“
    Er sah sie fest an und sagte: „Du darfst dir aber keine Vorwürfe machen! Es ist nicht deine Schuld... es ist niemandes Schuld.“



    „Aber wieso Marcel? Wieso kämpfst du nicht um uns?“ wiederholte Eileen ihre Frage und sah Marcel mit tränengefüllten Augen an. Sie war verzweifelt und man sah es ihr auch an.
    Marcel schluckte schwer und sah Eileen dann ernst an. Dann sagte er langsam und mit fester Stimme:
    “Weil ich dich nicht mehr liebe, Eileen... es tut mir leid.“
    In diesem Moment wurde es dunkel um Eileen und die Welt um sie versank in schwarzer Nacht.








    Fortsetzung folgt.

    Schweigend blieben die beiden jungen Menschen voreinander stehen und musterten sich einen Moment, als sähen sie sich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder – und in etwa so war es ja auch. Es schienen nicht nur Welten zwischen damals, als sie sich zum letzten Mal gesehen hatten, und heute zu liegen, sondern auch zwischen ihnen beiden selbst.
    „Hallo Eileen“, brach Marcel schließlich das Schweigen. Eileen versuchte zu lächeln, was ihr kläglich misslang.
    „Hallo“, krächzte sie und trat zur Seite, um Marcel in den Hausflur treten zu lassen.
    Gemeinsam betraten sie das Wohnzimmer, wo Marcel sich kurz umschaute, fast so, als suche er nach Veränderungen, die das, was geschehen war, andeuteten. Doch es sah alles aus wie immer.



    Unsicher standen beide einen Moment in ihrem Wohnzimmer, ohne etwas zu sagen. Dann deutete Marcel auf die Couch und sagte: „Setzen wir uns, Eileen.“
    Sie nahm Platz und bemerkte schmerzlich, dass er bewusst den Platz am anderen Ende der Couch wählte, fast so, als ob er so viel Abstand wie möglich zwischen sich und seine Frau – als die sich Eileen in diesem Moment absolut nicht mehr fühlte – bringen wollte.
    „Wie geht es dir?“ fragte er nach einer weiteren, unangenehmen Zeitspanne voller Schweigen.
    Eileen schluckte und wusste nicht recht, was sie antworten sollte, darum zuckte sie mit den Schultern und sagte nur leise. „Naja, es geht so. Und dir?“
    Er nickte und schwieg dann wieder.



    Eileens Finger krampften sich in ihren Pulloverärmel und ihre Augen wanderten unruhig über das Gesicht des ihr eigentlich so vertrauten Menschen.
    Sie sehnte sich danach, Marcel näher zu kommen. Alles an ihm war so vertraut und mit einemmal doch wieder so fremd. Es war doch das natürlichste der Welt gewesen, ihn zu berühren, ihm nahe zu sein. All das schien vergangen, schien auf paradoxeste Weise zwar noch existent und doch nicht mehr wirklich.
    Wie ein verrückter Traum, der im Erwachen noch weitergeht und dessen Übergang man nur schwerlich mitbekommt, weil das Unterscheiden zwischen Schlafen und Wachen nahezu unmöglich ist, zumindest eine Zeitlang. Wann würde sie endlich aufwachen?


    „Eileen“, setzte Marcel in diesem Moment an. „Ich denke, wir haben einiges zu klären...“
    Eileens Herz sank. Marcel sah sie bei den gesprochenen Worten nicht an. Er hatte sich nach vorne gelehnt, die Ellbogen auf die Schenkel gestützt und die Hände gefaltet, den Kopf gesenkt. Er sprach nüchtern und ruhig, und Eileens Hoffnung darauf, er könne seine Entscheidung revidieren, sank sekündlich immer mehr.
    „Wie es weitergeht, meine ich“, fuhr Marcel fort, setzte sich aufrecht hin und sah Eileen nun endlich an. Der Blick seiner brauner Augen schnürte ihr die Kehle zu und sie wich ihm aus.


    “Was meinst du?“ sagte sie nur langsam und fast tonlos.
    „Nun, wie es mit uns weitergeht“, erwiderte er langsam und für einen Moment keimte doch wieder Hoffnung in Eileen auf.
    „Ich meine... es gibt einige Dinge, die wir besprechen müssen, oder? Was machen wir mit dem Haus, dem Auto... all diesen Dingen eben.“
    Eileen griff haltsuchend nach der Couchlehne und sog die Luft tief ein. Dass er so einfach zu diesen „Dingen“ übergehen würde, ohne ein Wort darüber zu verlieren, was geschehen war, warum es geschehen war... und ob man nicht noch etwas ändern könnte, schockierte sie zutiefst.
    Es dauerte einige Sekunden, bis sie sich gefangen hatte, dann sah sie ihn fest an und sagte mit schneidender Stimme: „Heißt das etwa, dass du unsere Beziehung und mich aufgeben willst? So einfach ist das also, Marcel? Acht Jahre gemeinsamen Lebens und wie ich eigentlich einmal dachte auch Lieben einfach so beenden? Ohne noch ein weiteres Wort darüber zu verlieren? So einfach ist das?“


    Die letzten Worte waren bebend über ihre Lippen gedrungen und sie konnte ihren Schmerz, ihre Wut und ihre Enttäuschung kaum mehr verbergen.
    Marcel sah sie einen Moment unbehaglich an und zuckte dann mit den Schultern, was Eileen fast zum Ausrasten brachte.
    „Nun sag doch etwas dazu!“ rief sie aus und sprang auf. „Wenigstens das solltest du mir doch schuldig sein! Du kommst hier einfach so her, um einige Details zu besprechen, wie das Haus oder das Auto, so als ob schon alles gesagt, getan und geklärt wäre! Zwei Wochen hast du keinen Ton von dir hören lassen, nachdem du hier so sang- und klanglos verschwunden bist. Was wäre eigentlich gewesen, wenn ich diese SMS von deiner Tussi nicht entdeckt hätte vor zwei Wochen? Wie lange hättest du dieses Schauspiel noch mit mir voran getrieben?“
    Funkelnd sah sie ihn an, doch er erwiderte nichts.



    Eileens Stimme war leise und traurig, als sie weiter sprach: „Das hab ich nicht verdient, Marcel. Ich mag nicht alles richtig gemacht haben in letzter Zeit, aber ich habe dich immer geliebt, respektiert und geschätzt, und vor allem habe ich dir immer vertraut. Ich bin fassungslos, dass du es fertig bringst, mir so weh zu tun und mir nicht einmal die Chance zu geben, es zu verstehen. Dass du mich und uns so einfach aufgibst, ist etwas, das mich zutiefst erschüttert und das ich absolut nicht begreifen kann...“
    Eileens Stimme brach und die Tränen stiegen ihr in die Augen, wofür sie sich selbst schalt. Das alles hier lief ganz und gar nicht so wie sie es sich erhofft oder es geplant hatte!
    Sie starrte Marcel lange an und wartete auf eine Antwort, während sie nervös im Zimmer hin- und herlief und sich schließlich wieder setzte. Nach schier endloser Zeit erhob dieser schließlich die Stimme und erwiderte: „Eileen... es tut mir wirklich leid, wie das alles gelaufen ist. So wollte ich es auch nicht, das musst du mir glauben.“ Er warf ihr einen hilflosen Blick zu. „Das mit Bettina und mir...“



    Eileen ignorierte den Stich in der Brust und blickte ihn fest an.
    “Es hat sich einfach irgendwann so ergeben... ich wollte es dir sagen, aber ich fand nicht den Mut, schon gar nicht nach allem, was geschehen war.“ Er senkte erneut den Blick. „Aber ich kann nun mal nichts mehr ungeschehen machen, Eileen.“
    Nun sah er ihr wieder fest in die Augen. „Es ist einfach passiert. Und nun ist die Situation nun einmal so wie sie ist.“
    „Heißt das... du willst mit dieser... anderen... zusammenbleiben?“ stieß Eileen mühsam hervor.
    Marcel sah sie fest an und nickte dann. „Ja, Eileen. Ich liebe Sabrina und sie liebt mich.“
    Es war wie ein Schlag in die Magengrube, es war, als zerbreche ihr Herz in noch mehr Scherben als es ohnehin schon war.
    „Aber...“, stammelte sie hilflos. „Was ist – was ist mit UNS? Willst du das einfach alles so hinwerfen? Lohnt es sich nicht dafür zu kämpfen, Marcel?“
    Sie stand auf, lief wieder im Zimmer auf und ab und sah ihn mit weitaufgerissenen Augen an. Er schluckte und schüttelte dann den Kopf.



    „Dazu hab ich keine Kraft mehr, Eileen. Vielleicht vor einem halben Jahr... da wäre das noch möglich gewesen. Aber jetzt ist es einfach zu spät. Ich möchte noch einmal ganz von vorne anfangen, Eileen. Es tut mir leid.“
    Eileen konnte und wollte nicht verstehen, was er ihr sagte.

    9.


    Hektisch hastete Eileen von einem Zimmer ins andere. Nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte und Lenes Worte in ihrem Kopf verhallt waren, hatte sie sich mit wachen Augen umgesehen und mit Entsetzen festgestellt, dass das Haus immer noch einem Schlachtfeld glich. Ein Blick in den Spiegel hatte die zusätzliche Erkenntnis geliefert, dass auch sie selbst nicht gerade jugendlich, frisch und attraktiv aussah, sondern vielmehr krank, liederlich und ungepflegter denn je.



    Der nächste ihrer Blicke war der zur Uhr gewesen, der ihr klargemacht hatte, dass sie nur noch knappe zwei Stunden hatte, um beide Zustände zu ändern. Dies mit Bravour zu meistern, schien ein Ding der Unmöglichkeit. Doch mit den kämpferischen Worten, die Eileen an Lene gerichtet hatte, schienen in jener neue Lebenskräfte erwacht zu sein, und mit ihr Energien, von deren Existenz sie noch wenige Stunden zuvor wohl nichts geahnt hatte.
    So sprang sie mit einem Satz auf die Beine und hastete von einem Zimmer ins andere, um zu entscheiden, wo ihr Einsatz am nötigsten sein würde. Die kurze Bestandaufnahme hatte sie zu der Erkenntnis gebracht, dass Wohnzimmer und Küche am meisten Zuwendung bedurften, danach das Badezimmer, das Schlafzimmer und gleich darauf sie selbst.
    Also klaubte sie hastig den Stapel an Erinnerungen zusammen und stellte jedes Stück an genau die Stelle, wo es schon seit Jahren seinen Platz hatte. Danach saugte sie die komplette Wohnung ordentlich durch, wischte hastig den gröbsten Staub auf den Regalen fort, schüttelte die Decke und die Kissen auf der Couch ordentlich auf, drapierte die Decke dann sorgsam über der Seitenlehne, ganz genau so, wie sie es jeden Abend getan hatte, nachdem sie und Marcel stundenlang zusammen vor dem Fernseher auf dem Sofa gefaulenzt hatten. Zu guter letzt wischte sie das Zimmer noch feucht durch, bis das Parkett seidig schimmerte.


    Es war kurz vor elf, als sie mit dem Wohnzimmer fertig war und dessen Zustand für befriedigend befand. Ohne sich eine Pause zu gönnen, hastete sie weiter in die Küche, wo sie alles schmutzige Geschirr, das sich noch fand, rasch in die Spülmaschine stellte, diese in Betrieb setzte und dann den Boden der Küche wischte. Rasch putzte sie die Anrichte mit einem sauberen Schwamm ab, mehr brauchte sie hier nicht zu tun – es kam ihr zugute, dass sie in den letzten zwei Wochen wenig Interesse fürs Kochen gezeigt und die Küche somit nur sporadisch benutzt hatte.



    Ein gehetzter Blick auf die Uhr zeigte Eileen, dass sie für die restlichen beiden Zimmer sowie sich selbst nur noch eine gute Dreiviertelstunde Zeit haben würde.
    Und da Marcel eigentlich immer zur übertriebenen Pünktlichkeit neigte, konnte sie davon ausgehen, dass er eher zehn Minuten zu früh als zu spät auftauchen würde.
    Also rannte sie nur schnell ins Schlafzimmer, schüttelte die Betten auf und strich sie glatt und versuchte, den Stapel Dreckwäsche, der zum Großteil sogar noch Marcels Kleidung beinhaltete, in dem großen, geflochtenen Wäschekorb zu verbergen. Sie hoffte und betete, dass Marcel genau diese Kleidung nicht zu holen gedachte... aber eigentlich hoffte sie ja ohnehin, dass er gar keine Kleidung mehr mitnehmen wollte, weil er es sich anders überlegt hatte.



    Es blieb ihr nun nur noch eine knappe halbe Stunde, um sich selbst halbwegs ansehnlich zu machen. Als sie unter der Dusche stand und das warme Wasser über ihren schlanken Körper laufen ließ, fühlte sie eine aufgeregte Nervosität in sich aufsteigen, fast als handele es ich um das erste Date zwischen ihr und ihrem Mann. Als ihr dieser Gedanke durch den Kopf ging, musste sie verbittert auflachen. Durfte sie diese Worte eigentlich noch in den Mund nehmen? „Mein Mann“ ... es war doch gar nicht mehr wirklich IHR Mann.
    Sie seufzte und ballte dann die Fäuste. Aber vielleicht sollte, würde sich diese Tatsache bald wieder ändern! Natürlich konnte sie Marcel sein Verhalten nicht so einfach verzeihen! Aber sie wollte ihn auch nicht kampflos aufgeben!


    Flink rubbelte sie sich trocken und begann dann, sich zu schminken. Immer mit einem Auge den Zeiger der Uhr im Blick, ließ sie sich doch so viel Zeit wie möglich und gab sich besonders viel Mühe. Sie benutzte den bronzefarbenen Lidschatten, den Marcel so gerne an ihr gesehen hatte, ebenso wie die tiefschwarze Mascara, um ihre langen Wimpern hervorzuheben. Ihr blasses Gesicht brachte sie mit etwas dezentem MakeUp auf Vordermann, so dass sie nicht mehr so kränklich aussah wie in den letzten Tagen.
    Das mehr als schulterlange braune Haar konnte sie nicht mehr komplett mit dem Föhn trocknen, ohne den Zeitrahmen zu sprengen, darum trocknete sie es nur kurz an, so dass es sich in kleinen Locken drehte. Rasch band sie sich das feuchte Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und zupfte sich einige Haarsträhnen heraus, um nicht zu streng auszusehen.
    Nachdem sie in einen dunkelbraunen, enganliegenden Pullover und eine knallenge Jeans geschlüpft war, musste sie zufrieden feststellen, dass sie gut aussah. Da Marcel noch nicht aufgetaucht war, nutzte sie die Zeit, um die gröbste Unordnung im Badezimmer zu beseitigen. Zu guter letzt nahm sie einen Spritzer ihres Lieblingsparfums und trug einen sacht schimmernden hellbraunen Lippenstift auf ihre vollen Lippen, die nun noch voller wirkten und ihrem sonst sehr feinen Gesicht etwas Wildes gaben.
    Dann nahm sie am Esstisch platz und wartete.



    Inzwischen war es bereits nach zwölf Uhr. Marcel kam nur sehr selten zu spät, was Eileen nervös machte. Für einen kleinen Moment überlegte sie, ob sie die Uhrzeit falsch verstanden hätte, aber ein erneuter Blick auf die ausgetauschten SMS zeigte, dass dies nicht der Fall war.
    Ob Marcel sie versetzte? Bevor sie diesen Gedanken weiter ausführen konnte, hörte sie den Kies draußen unter der Last von Autoreifen knirschen- ein Geräusch, das ihr sehr bekannt war, ein vertrautes Geräusch, bis vor zwei Wochen sogar ein alltägliches Geräusch.
    Meistens war Eileen als erste zuhause gewesen und hatte bereits in der Küche gestanden, um das Essen vorzubereiten, wenn Marcel nach Hause kam. Aus der gemütlichen Küche hatte genau jenes Geräusch von Marcels Autoreifen, die über die kiesige Auffahrt näher kamen, ihr die Ankunft ihres Mannes angekündigt.
    Meistens war dieses Geräusch für sie mit einer freudigen Empfindung verbunden gewesen. In den letzten Monaten jedoch hatte sie es manchmal aber gereizt und übellaunig gemacht. In den ersten Wochen nach der Fehlgeburt hatte sie ohnehin selten in der Küche gestanden. Ihr hatte sowohl die Lust als auch die Kraft dazu gefehlt und abends hatte sie meist ihre Ruhe haben wollen. Gerade in den ersten Wochen hatte sie es fast als Affront gesehen, wenn Marcel gut gelaunt von der Arbeit gekommen war. Und somit war sie manchmal gar nicht unglücklich gewesen, wenn er ihr mitgeteilt hatte, dass er einmal mehr Überstunden machen musste und ihr einige Stunden mehr alleine zuhause blieben.
    Heute jedoch löste das Geräusch des Wagens in ihr ein flatteriges Gefühl in der Magengrube aus und ihre Hände wurden feucht.



    Sie erhob sich langsam von der Couch und näherte sich vorsichtig dem Fenster, von dem aus sie einen Blick auf die Garagenzufahrt erhaschen konnte, wo Marcel den weinroten Van neben Eileens zartblauem Kleinwagen geparkt hatte. Eigentlich gehörten die Autos mehr oder minder beiden, aber es hatte sich so eingebürgert, dass Eileen das kleinere Auto fuhr und Marcel das größere. So war der Kombi auch auf ihn, der Kleinwagen auf Eileen zugelassen. Als Eileen den Kombi vor dem Haus betrachtete, ging ihr zum ersten Mal der Gedanke durch den Kopf, dass sie dieses Auto prinzipiell wohl auch nicht mehr oder nicht mehr lange als ihr Auto sehen konnte – und sie mit dem Kleinwagen den schlechteren Tausch gemacht haben würde.
    Alleine dieser Gedanke, die Autos, die eigentlich wie selbstverständlich ihnen beiden gehörten, nun aufteilen zu müssen, erschien ihr völlig abstrus.
    Die Autotür öffnete sich in diesem Moment und unterbrach somit Eileens Gedankengänge. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, als sie Marcels hochgewachsene, schlanke Gestalt aussteigen sah. Er strich sich in einer für ihn typischen Geste das halblange dunkelblonde Haar aus dem Gesicht, schloss den Wagen ab und kam auf die Haustür zu.
    Unsicher blieb er davor stehen und klingelte schließlich.



    Das war sonst nur vorgekommen, wenn er einmal seinen Haustürschlüssel vergessen hatte. Es wirkte genau so surreal wie alles andere.
    Hastig ging Eileen zur Tür, atmete einmal tief durch und öffnete dann mit einem Ruck.