Beiträge von Innad

    „So, da wären wir also“, erklärte er, als alle drei in der hellen Diele standen. „Natürlich ist im Innenausbau noch einiges zu tun“, fügte er hinzu, als er bemerkte, wie Alexandra und Moritz´ kritische Blicke über die unverputzten Wände und die kahle Bodenplatte aus Beton streiften. „Aber das ist nichts ungewöhnliches, zumal Sie ja ohnehin Ihre eigenen Vorstellungen haben werden, was Bodenbelag und Tapeten und all sowas angeht.“



    Alexandra nickte und dachte mit Schaudern an das letzte Haus, welches sie besichtigt hatten und das mit seinen quietschbunten Farben fast wie die Villa Kunterbunt gewirkt hatte.
    Moritz jedoch kratzte sich am Kopf. „Das würde einiges an Arbeit und weiteren Investitionen bedeuten“, gab er zu bedenken.
    „Nun ja – das wird im Kaufpreis natürlich berücksichtigt“, erwiderte der Makler etwas unbequem und stolzierte dann schnell weiter durch die Diele, die zur rechten Seite in einen Flur mit mehreren Türen mündete.
    „Hier unten befinden sich zwei Zimmer und ein sehr großzügiges Badezimmer am Ende des Flures“, erklärte er. „Vielleicht wäre eines dafür für ein Arbeitszimmer geeignet, Herr Schuhmann, oder aber für die Kinderzimmer, je nachdem, wie weit die Kinder vom Schlafzimmer entfernt sein sollen. Das Schlafzimmer selbst könnte man hier auch einrichten, ganz nach Gutdünk.“



    Er wandte sich zur Linken. „Hier haben wir Wohn-Essraum und Küche vorgesehen“, erklärte er und öffnete schwungvoll die Tür.
    Alexandra und Moritz folgten ihm in den hellen Raum.
    „Wie Sie sehen, wurde die Wand zur Küche mit einem Durchbruch offen gehalten“, fuhr der Makler in seinen Erläuterungen fort. „Das macht den Raum heller, freundlicher und natürlich viel weitläufiger, und ist es nicht herrlich, Frau Schuhmann, wenn man in der Küche steht und kocht und gleichzeitig eine Unterhaltung mit dem Besuch im Wohnzimmer führen kann?“
    Alexandra zog skeptisch die Brauen nach oben und brummte etwas unverständliches, das in etwa bedeuten mochte „Wann haben SIE denn schon mal gekocht in Ihrem Leben?“, das aber niemand außer ihr verstehen konnte.




    Herr Degen derweil interpretierte ihr Gemurmel offenbar als Zustimmung und nickte zufrieden: „Na also, dachte ich mir doch“, rief er begeistert und wandte sich dann zur großen Terrassentür. „Wie Sie sehen, ist die Tür zur Terrasse groß und freundlich gehalten, um genug Licht in den Raum zu bringen.“
    Er öffnete die Tür und gemeinsam traten sie auf die riesige Terrasse, die den Blick auf den noch viel größeren Garten freigab, hinaus und schauten sich imponiert um.
    „Was um Himmels Willen sollen wir mit so einer großen Terrasse?“, flüsterte Moritz seiner Frau zu, was dem Makler nicht entging.
    „Aber Herr Schuhmann, die Terrasse wirkt natürlich riesengroß, weil sich hier noch nichts befindet – keine Gartenmöbel, keine Pflanzen, nichts! Stellen Sie sich nur einmal vor, welche Möglichkeiten Sie hier in der Dekoration haben, Frau Schuhmann!“
    Alexandra musste zugeben, dass ihr der Gedanke gefiel. In ihrem Kopf begann sie bereits zu planen und zu gestalten.



    „Und irgendwann werden Ihre Kinder erwachsen sein und Partner und Kinder haben“, sprach der Makler weiter. „Dann kann ein Garten und ein Terrasse nicht groß genug sein!“
    Er schritt weiter über die steinernen Platten und deutete auf den Garten.
    „Und hier ist das Sahnestück des Hauses – ein eigener Swimmingpool!“
    Nun flog ein begeistertes Lächeln über Moritz´ Gesicht. „Davon hab ich schon als Kind geträumt“, gab er zu. „Und was meinst du, wie begeistert Shylah und Devin wären? Und ich könnte jeden Abend nach der Arbeit ein paar Runden schwimmen, wenigstens im Sommer…“

    Nun verzog Alexandra das Gesicht. „Ich weiß nicht… ist das nicht viel Arbeit, das sauber zu halten? Und wenn ich mir vorstelle, dass Devin dann in den Sommerferien hier irgendwelche Poolparties machen wird…“
    „Aber, aber – Frau Schuhmann!“, belehrte sie Herr Degen wieder lächelnd. „Das werden Sie schon zu verhindern wissen, oder?“
    Alexandra fühlte sich fast etwas in ihrer Mutterehre gekränkt, fast als habe Herr Degen in Frage gestellt, dass sie ihre Kinder im Griff hatte.

    „Außerdem“, fuhr dieser derweil fort. „Ist da auch noch der herrliche Garten… hatten Sie nicht gesagt, Sie möchten unbedingt einen großen Garten haben?“



    „Nun ja – dieser hier ist wohl tatsächlich sehr groß“, erwiderte Moritz zweifelnd. „Das macht viel Arbeit…“
    „Wissen Sie, es gibt nichts entspannenderes als Gartenarbeit“, hatte Herr Degen auch hierauf eine Antwort, während er sich umdrehte und wieder zurück zum Haus ging.

    Die beiden folgten ihm in die Diele und die Treppe hinauf in den ersten Stock.
    Hier haben wir nocheinmal ein Badezimmer“, erklärte Herr Degen und deutete auf den Raum genau gegenüber des Treppenaufgangs, „und jeweils drei Räume zur rechten und linken, eines davon als Badezimmer nutzbar.“
    Er schritt durch einen der besagten Räume und öffnete eine Tür nach draußen auf den Balkon.
    „Wie Sie sehen, führt der Balkon einmal ganz um den ersten Stock herum. Das ist wirklich herrlich, weil man so den Ausblick aus allen Perspektiven genießen kann.“
    Alexandra und Moritz schauten sich mit großen Augen um. „Hier oben ist es so idyllisch“, flüsterte Alexandra und schloss genießerisch die Augen, als der Wind ihr sacht durchs Haar fuhr. „Was meinst du, Moritz?“




    Moritz stimmte Alexandra zu. „Es ist wirklich herrlich hier oben.“
    Herr Degen nickte zufrieden und führte seine Kunden einmal um das ganze Haus herum.

    Als sie wieder am Ausgangspunkt angekommen waren, drehte er sich um und lächelte beide an. „Und? Was sagen Sie? Meinen Sie, dies könnte Ihr neues Zuhause werden?“



    Eine Stunde später kamen Alexandra und Moritz erschöpft zu Haus an. Devin war noch in der Schule, Shylah bei Christina, so hatten beide ihre Ruhe und ließen sich müde auf ihr gemütliches Bett sinken. Nach einer Weile sagte Moritz: „Der Preis des letzten Hauses sprengt fast unser Budget.“



    Alexandra nickte. „Ich weiß, Moritz… aber ich finde es trotzdem großartig. Du nicht?“
    Moritz zuckte mit den Schultern. „Doch, schon… ich finde es wunderbar geeignet, und vieles spricht dafür, aber es gibt auch den ein oder anderen Negativ-Punkt… den riesigen Garten beispielsweise. Und auch sonst ist das Haus sehr groß. Brauchen wir das wirklich?“


    *geht noch weiter*

    Kapitel 6



    Nervös strich Alexandra sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und zog ihren Rock zurecht. Moritz warf ihr einen lächelnden Blick zu und nahm sie bei der Hand. Der Druck seiner Rechten war fest und warm und flößte Alexandra wie fast immer eine beruhigende Gelassenheit und das Gefühl von Sicherheit ein.
    Sie lächelte Moritz an, beugte sich kurz zu ihm und küsste ihn flüchtig.



    Als sie voneinander abließen, öffnete sich die Tür des Wartezimmers und eine schick gekleidete Dame sagte freundlich: „Herr und Frau Schuhmann? Herr Degen wartet bereits auf Sie. Folgen Sie mir doch bitte.“



    Alexandra und Moritz folgten der Sekretärin in das helle Büro. Sofort kam ein dunkelhaariger Herr im Anzug auf sie zu und schüttelte ihnen freundlich die Hand.
    „Guten Tag, Herr Schuhmann, Frau Schuhmann“, sagte er höflich und wies dann auf die schwarze Ledercouch, die in der Ecke des hellen Büros stand.
    „Nehmen Sie doch Platz.“



    Nachdem alle sich gesetzt hatten, legte Herr Degen eine Mappe auf den Tisch und suchte einige Unterlagen heraus, während seine Sekretärin Moritz und Alexandra höflich fragte, ob sie eine Tasse Kaffee wollten. Doch beide schüttelten dankend den Kopf, sie waren viel zu nervös.
    Nachdem sich die Sekretärin entfernt hatte, rieb sich Herr Degen verheißungsvoll die Hände und lächelte seine Kundschaft dann freundlich an.
    „Nach Ihrem Anruf habe ich sofort einige Objekte für Sie herausgesucht“, begann er dann und schob den beiden einige Unterlagen zu.
    „Wie Sie sehen, ist das erste der Objekte auch jenes, das am preisgünstigsten ist“, erklärte er schnell. „Die anderen beiden liegen in der Preisklasse deutlich höher, sind dafür aber auch umso komfortabler und großflächiger, versteht sich.“



    Alexandra und Moritz zogen die Unterlagen zu sich heran und überflogen die Angebote hastig.
    „Das dritte gefällt mir sehr gut“, sagte Alexandra sofort. „Es ist genau so, wie ich es mir vorgestellt habe.“
    Moritz rückte seine Krawatte zurecht und murmelte: „Es ist aber auch das teuerste.“
    „Sie müssen und können jetzt noch gar nichts entscheiden“, beruhigte der Makler die beiden sofort. „Ich wollte Ihnen vorschlagen, dass wir einfach alle drei Objekte besichtigen gehen und Sie sich dann in aller Ruhe entscheiden. Und sollte Ihnen keines der ausgewählten zusagen, werden wir einfach auf weitere Angebote warten. Der Immobilienmarkt ist zurzeit am Boomen, es werden viele neue Häuser gebaut und zum Verkauf gestellt, es dürfte nicht lange dauern, bis wir wieder neue, passende Angebote haben.“
    Alexandra nickte zufrieden. „Aber wo sind diese Häuser?“, wand sie dann ein. „Ich möchte keinesfalls aus der Stadt herausziehen, die Nähe zu meinen Eltern ist unabdingbar, wegen der Kinder…“
    Der Makler nickte und erwiderte: „Das hat mir Ihr Mann am Telefon auch bereits gesagt. Das erste Objekt liegt nur knappe vier Kilometer von Ihrem Elternhaus entfernt, das zweite liegt jedoch im Nachbarort, allerdings sind das ja auch nur zehn Minuten Fahrt mit dem Auto, und das dritte liegt nur wenige Straßen weiter.“
    „Noch ein Punkt, der optimal ist“, sagte Alexandra zufrieden und warf einen erneuten Blick auf das Foto des Hauses.



    „Nun, ich denke, es bringt überhaupt nichts, darüber zu sprechen, so lange wir die Objekte nicht gesehen haben“, wand Moritz ein und erhob sich, um klar zu machen, dass er dies sofort zu tun gedachte.
    Herr Degen nickte und schien von Moritz´ Tatendrang angetan. „Dann lassen Sie uns mal losfahren“, sagte er und schlug sich wie zur Bestätigung auf die Oberschenkel, bevor auch er sich erhob. Gemeinsam verließen sie schnellen Schrittes das Büro.


    Als Alexandra zum dritten Mal an diesem Tag aus dem Auto stieg, um sich das letzte und von ihr bereits heimlich favorisierte Haus anzusehen, schlug ihr Herz mit einemmal schneller.
    Und als sie die rot-verklinkerten Wände vor sich sah, das Zwitschern der Vögel um sich herum vernahm, sah, wie sich die Bäume hinter der weißen Mauer sanft im Wind wiegten, wusste sie, dass sie – wenn es nach ihr ging – nicht länger würde suchen müssen.
    Das war es – das war ihr Haus!



    „Moritz“, flüsterte sie begeistert. „Es ist wunderbar, nicht?“
    Moritz musste zugeben, dass er selbst mehr als angetan war von dem, was er sah.
    „Wir müssen abwarten, bis wir es von innen gesehen haben“, murmelte er dennoch verhalten zurück, um seiner Frau nicht zu viele Hoffnungen zu machen, die er letztlich vielleicht doch nicht würde halten können.

    Herr Degen stieg nun ebenfalls aus dem Wagen und besah sich das Haus mit solch unverhohlenem Stolz, dass Alexandra sich belustigt dachte, er mache fast den Eindruck, als habe er es mit eigenen Händen gebaut.



    Aber das Anwesen war tatsächlich imposant.
    „Wie viele Quadratmeter hat dieses Grundstück noch einmal?“, fragte Moritz.
    „Ganze 650“, erwiderte Herr Degen mit zufriedenem Gesichtsausdruck. „Davon etwa 250 Wohnfläche. Eher etwas mehr.“
    Alexandra schluckte und fragte sich einen Moment, was sie mit so viel Raum anfangen sollten – ihre kleines Häuschen, das sie momentan bewohnten, maß gerade mal knapp die Hälfte an Raum, wenn überhaupt.
    Moritz pfiff leise durch die Zähne. „Nicht schlecht“, erwiderte er.
    „Kommen Sie“, forderte der Makler sie auf. „Betrachten wir uns das ganze doch mal näher, oder?“ Er führte sie von dem makellos sauberen Parkplatz vor der Doppelgarage zur Haustür und wies auf den Vorgarten, der aus einigen wild zusammengestückelten Blumenbeeten bestand.
    „Natürlich können Sie den Garten ganz nach eigenen Wünschen bepflanzen, aber das Grundlegende wurde bereits getan. Dieses Haus wurde auf Wunsch eines älteren Herren gebaut, der sich in der Finanzierung dann leider doch überschätzt hatte und den Auftrag zurück zog. Aber wie ich bereits sagte, der Immobilienmarkt boomt, also wurde das Haus einfach fertig gestellt und zum Verkauf angeboten. Darum ist der Garten auch bereits angelegt.“



    Er zog einen Schlüssel aus seinem Anorak und schloss die helle Haustür auf.


    *geht noch weiter*

    Luxa: Erstmal alles Gute zum Geburtstag!
    Danke für Deinen Kommi, das freut mich sehr! Slànach heisst tatsächlich nur Heilung, es ist das gälische Wort dafür, und warum es gälisch ist, erfährt man irgendwann auch noch ;) Und auch der Prolog hatte dieses Wort, ja, auch einfach übersetzt.
    Du hast ganz recht mit dem, was Du zu Moritz und Alexandra schreibst, von wegen ihren Macken!


    Rivendell: Ja, das stimmt, man kann erstmal sauer auf Alexandra sein, dann versteht man sie doch wieder, es ist ein ewiges Hin und Her :) Was die Kirche angeht, so muss sie sich wohl sowas in der Art auch anhören, aber die Kinder sollten halt schon selbst entscheiden (hast Du nicht mal geschrieben, Du warst noch nie in einer Kirche in einer messe? :D ).
    Was die Möbel angeht, so hab ich Dir ja schon per Karma geschrieben, dass das ganze so in den 80er/90ern spielt, weil Shylah am Anfang der Geschichte ja schon erwachsen ist und das ist dann ja irgendwann in der heutigen Zeit. Darum die etwas seltsamen Möbel, aber abgesehen davon bin ich auch kein Einrichtungsgenie wie beispielsweise Jane und Du es seid! Ich finde so tolle Sachen gar nicht zum DL, egal wie sehr ich suche! :) Da mache ich es mir bei den Kulissen dann ein bißchen einfacher und schreibe lieber was mehr *lach*
    Aber ob Du mit Deiner Vermutung, was die "große Freude" sein wird, richtig liegst, siehst Du heute!
    DAnke für deinen Kommi!



    Jane: Ob das ganze weniger Arbeit bedeutet? Ich denke nein. Moritz hat einen wichtigen Auftrag bekommen und das bringt doch immer mehr Arbeit mit sich. Ich denke, die Erfüllung eines Traums geht in eine andere Richtung und Rivendell hatte da schon einen ganz guten Riecher mit :)
    Was Alexandra und Moritz angeht, so stimmt das, jeder hat sein Päckchen zu tragen. Alexandras Verhalten ist nie gerechtfertigt, aber verständlich. Ich denke, das kommt viel öfter vor als man denkt, dass man jemadnen mal anblafft, auch wenn er gar nix dafür kann usw.
    Danke für Deinen Kommi!



    @lynya:
    Du bist da auf einer ganz guten Spur, wenn Du an den prolog denkst, ja. Dass Alexandra ihre Laune an Shylah auslässt, ist sicher nicht ok, aber ich finde es irgendwie auch ein bißchem menschlich, auch wenn es nicht richtig ist. Ich fürchte, das kommt viel öfter vor. ich lasse meine Laune auch manchmal an meinen Mitmenschen aus, obwohl die nix dafür können. HInterher tut es mir leid, aber so sind wir Menschen halt auch ein Stück weit, fürchte ich.
    Wegen den Stunden, wo Alexandra töpfern geht, da ist Devin normal schon zu Haus, die Probe wurde ja auch verlegt. Aber ob der so gut auf Shylah aufpassen kann? Ich weiß nicht, er ist halt auch noch ein Teenie, auch wenn er gerne den Erwachsenen raus hängt. Das fängt ja allein mit so Sachen an wie das Kind rechtzeitig ins bett schicken, was zu essen machen usw. Er bekäme das zwar schon hin, aber ich glaube, Alexandra ist ruhiger, wenn sie die KLeine bei ihrer Mutter weiss, gut versorgt und behütet. Irgendwie ist sie nämlich auch ein bißchen eine Glucke, aber das seht ihr später noch :)
    Danke für Deinen Kommi!

    Boah, das war eine tolle FS! Vor allem die Bilder! Wie schaffst Du es nur, diese ganzen kleinen Details zu kriegen (wie viele Stunden verbringst Du mit Downloaden, wie viel GB hat Dein DL-Ordner frage ich mich! :D ) und so schön anzuordnen!


    Das Büro von Clemens beispielsweise - einfach super hast Du das hinbekommen! Und erst das Flugzeug!!!


    Aber nun mal zum Text, der ja mindestens genauso wichtig ist. Auch das hat mir wieder gut gefallen. Eric ist natürlich besorgt und sieht seine Befürchtungen bestätigt, dass sein Vater wieder eine Affäre hat. Dass er ihm sogar hinterher fährt, finde ich irgendwie nachvollziehbar, auch wenn es seltsam oder "übertrieben" anmuten mag.


    Was mir etwas Sorgen macht, ist, dass Celine so mit ihm flirtet. Aber gottseidank ist Eric ja sehr vernarrt in seine Teichfee ;) Helga... ich möchte gar nicht dran denken, was geschehen würde, wenn die beiden sich doch noch auf irgendeine Weise verliebten... ich meine, nicht, dass sie kein schönes Paar wären, ganz im Gegenteil. Aber da Celine ja vermutlich Clemens´ Tochter ist, was man noch nicht weiss, wären sie Halbgeschwister!


    Sophia... ich bin wie Regula etwas besorgt um sie. Ich hoffe, sie steigert sich nicht zu sehr in ihre Verliebtheit hinein. Ich finde es aber süß, wie Du immer diese wunderbaren Situationen beschreibst, in denen sie sich Hoffnungen macht und Situationen, die fast wie aus Filmen wirken, heraufzuschwören versucht, die in eine romantische Situation führen könnten und dann dabei regelmässig auf Granit beisst.


    Sie tut mir dabei zwar auch sehr leid, aber irgendwie hat es auch etwas, das mich zum Schmunzeln bringt.


    Ich bin sehr gespannt, wie es Sophia in England gefallen wird und ob ihr diese eine Woche ein wenig die "Flausen" mit Herrn Hoffmann aus dem Kopf zu treiben vermag.


    Wieder eine ganz tolle FS, Jane, bravo!

    Boah, die arme Rebecca. Sie tut mir echt leid, und das Ereignis hat sie ja wahnsinnig und im wahrsten Wortsinn geschockt :(
    Wie gut, dass Ayleen zufällig vorbeigekommen ist und sie gefunden hat und sofort Thomas verständigt hat... ich denke, er kann ihr am besten helfen in diesem Moment.


    Ich bin nun natürlich sehr gespannt, wie es weitergehen wird... welche Konsequenzen das alles haben wird. Aber ich hoffe einfach mal, dass sich Rebecca mit ihrer Freundin einigen kann und nach und nach etwas wie Zuneigung für den Jungen entwickelt, der ja schliesslich nichts für die Umstände, unter denen er "entstanden" ist, kann. Ich hoffe nur, dass Rebecca dann nicht noch ECHTE muttergefühle entwickeln wird und dass sie ihrer Freundin das Kind letztlich nicht noch wegnimmt.


    Erstmal ist es jetzt aber erst wichtig, dass sie nach Haus kommt und ihrem Mann alles erzählen kann, was geschehn ist.

    So, liebe Jane, hier kommt dann endlich auch mein Kommi.



    Ich musste etwas schmunzeln über Clemens´ Gespräch mit Helga und ihre Aussage, dass sie "Grün" ist, nachdem ich ja schon sagte, sie hat etwas von einer Teichfee... sie sieht also auch grün aus, allerdings im positivsten Sinne.


    Dass ein solches sanftes, aber doch ausdrückliches "Revoluzzer";) Denken bei Clemens gemischte Gefühle hinterlässt, ist natürlich klar. Es passt nicht so recht in das saubere, steife Gefüge der Familie, auch wenn ich diese nicht als intolerant einschätze.


    Helga hat mich übrigens echt verblüfft, wie sie gekontert hat, war ganz große Klasse und das hätte man diesem zerbrechlichen, schüchternen Wesen gar nicht so recht zugetraut. Da hat eric sich echt einen guten Fang geangelt ;)


    Sabrina... ich kann Enricas Sorge verstehen und sie nur bekräftigen. So wie ich inzwischen herauslese, ist Sabrina ja doch weit zurück geblieben... und im Internet laufen so viele Idioten herum. Es ist echt schlimm, dass sie zwar irgendwie schon Bedürfnisse wie eine Sechszehnjährige hat, aber nicht die Reife einer solchen :( Das ist bestimmt auch für sie nicht einfach.


    Von daher kann ich auch Sophias Einwand nachvollziehen. Dennoch glaube ich, man müsste etwas mehr auf ihre Internetgeschichten achten und ich weiss nicht, ob die gerade überforderte Mutter und der stets abwesende Vater da so wirklich ein Auge drauf haben, ich fürchte, eher nicht.


    Sophia ist selbst noch zu jung und unbekümmert, ihre Freundin wirkt da weitaus erwachsener und reifer. Es gefällt mir übrigens, wie Du bei Sophia immer wieder ihre eigenen Gedanken unterstreichst, die ihr selbst ihr Erwachsein beweisen sollen (wie das Melden mit nur dem Nachnamen am Telefon beispielsweise, weil sich erwachsener anhört).


    Und Eric scheint ja auch etwas durch Helga abgelenkt zu sein und ist offenbar auch nicht so arg viel zu Haus. Ich mach mir da auch etwas Sorgen um Sabrina...


    Ansonsten hat mir die FS wie immer sehr gut gefallen. Besonders die Stelle mit der Schoki-Mousse (lecker, lecker ;) )

    Sie schickte ihre Kinder nie zur Kirche, außer in jener Zeit, als die Kommunionvorbereitung dies verlangt hatte, es gab keine Tischgebete und keine besondere Würdigung der katholischen Feiertage, abgesehen von Ostern und Weihnachten. Ihrer Mutter gefiel dies natürlich nicht, aber Alexandra war das gleich. Es war ihr Leben und das ihrer Kinder.



    Aber eine Mädchenschule hatte, das musste Alexandra zugeben, etwas elitäres… und das gefiel ihr auf unerklärliche Weise. Mal abgesehen davon, dass die Schule einfach einen sehr guten Ruf hatte. Und dass Nonnen dort lehrten, wie Shylah immer entsetzt berichtete, war Schwachsinn – es gab wohl noch eine alte Nonne, die als eine Art „Maskottchen“ in den Gängen herumschlurfte und die ein oder andere Religionsstunde gab, aber ansonsten befanden sich auf jener Schule nur noch „normale“ Lehrer.
    „Wisst ihr inzwischen schon, wohin Shylah gehen wird?“, fragte Devin, als habe er ihre Gedanken erraten.



    Alexandra schüttelte den Kopf. „Nein – wir sind noch unsicher, ob wir sie auf deine Schule oder die Maria Einkehr schicken werden. Außerdem wäre da ja immer noch die Möglichkeit, sie auf die ALS zu schicken… immerhin gibt es dort seit vier Jahren einen gymnasialen Zweig…“
    „Och nee, Mama“, stöhnte Devin. „Das ist doch kein richtiges Gymnasium. Shylah ist viel zu gut für so eine Pseudo-Schule.“
    Alexandra zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es noch nicht, Devin. Papa und ich hatten bisher noch nicht so viel Zeit, darüber zu sprechen. Und demnächst ist auch so ein Informationsabend in der Schule, da werden wir mit Shylahs Lehrerin sprechen, was am besten für sie ist.“ Sie lächelte leicht. „Oder bist du so wild darauf, dass wir Shylah mit bei dir einschulen? Du weißt, so bald du einen Führerschein und das Auto hast, wirst du sie jeden Tag mitnehmen müssen…“
    Devin hustete auf, als sei ihm das Essen im Hals stecken geblieben.
    „Das ist nicht dein Ernst, oder?“

    Alexandra grinste heimlich in sich hinein, sagte aber streng: „Natürlich, oder denkst du, ich bezahle dein Benzingeld und das Busgeld für Shylah, wenn ihr doch denselben Weg fahrt?“



    Devin klopfte sich auf die Brust, um den letzten Bissen, der ihm so überraschend im Hals stecken geblieben war, hinunterzuschlucken und sagte dann schnell: „Du hast schon recht – diese Maria Einkehr Schule wäre viel besser für Shylah… ich muss jetzt los, es ist schon spät und ich will noch was für Geschichte lesen.“
    „Mach nicht mehr so lang“, ermahnte Alexandra. „Es ist schon nach zehn, du gehörst langsam ins Bett.“
    Devin brummte nur etwas und verschwand rasch aus dem Zimmer.




    Lachend biss Alexandra in ihr Brot und dachte bei sich, dass der Gedanke, Devin könne Shylah im ersten Jahr mit dem Auto mitnehmen, ihr eigentlich besser behagte, als sie zugeben wollte.
    Shylah war ein liebes Kind, aber sie war so unsagbar verträumt und oft auch tollpatschig. Alexandra dachte mit Bauchschmerzen daran, wie es sein würde, das Kind in einem Bus zur Schule zu schicken. Sie konnte sich ihre Tochter gut vorstellen, wie sie die Haltestelle zum Aussteigen verpasste, weil sie sich in irgendwelchen Träumereien verlor oder mit irgend einer Freundin allzu angeregt am Plaudern war.
    Die zuschlagende Haustür riss sie aus ihren Gedanken. Sie horchte auf und vernahm Moritz´ rasche Schritte im Flur. „Alexandra?“, rief er fragend.
    „Ich bin hier“, gab diese zur Antwort.
    Moritz tauchte im Esszimmer auf. Sein Gesicht strahlte.
    „Und?“, fragte sie gespannt und stand auf, um auf ihn zuzugehen. „Sag, wie war es?“
    Statt einer Antwort umarmte Moritz seine Frau stürmisch.



    „Wir haben den Auftrag! Alle Verträge sind unterschrieben und wir können sofort morgen loslegen! Und das beste ist – sie haben die Vorausbezahlung akzeptiert … und der Preis ist noch besser als wir dachten!“
    Alexandra stand der Mund offen. „Nein, ist das wahr?“
    „Ja! Ja – das ist wahr, mein Schatz!“, rief Moritz strahlend aus. „Du weißt, was das für uns bedeutet?“




    Alexandra sah ihn einen Moment ungläubig an. „Du… du meinst, dass wir…?“
    Moritz nickte aufgeregt. Alexandra konnte kaum fassen, was er da sagte. Sie hatte gewusst, dass er Erfolg dieses Projekts mit ihrem langgehegten Traum zusammen hing… aber sie war keine Optimistin und hatte beschlossen, sich darüber lieber keine Gedanken und keine Hoffnungen zu machen, so lange nichts sicher war.
    Nun war dies jedoch der Fall… und allmählich sickerte in ihr Bewusstsein, was dies alles bedeuten würde. In ihr begann es freudig zu kribbeln und sie strahlte Moritz an.



    „Das … oh, Moritz… das ist einfach wunderbar!“, rief sie freudig aus.
    „Ich weiß! Oh mein Schatz, ich bin so froh! Du doch auch, oder? Dass wir das geschafften haben… wer hätte das gedacht?“
    Statt einer Antwort fiel Alexandra ihrem Mann in die Arme und küsste ihn lange und leidenschaftlich.



    Und in diesem Moment war aller Ärger vergessen.




    Fortsetzung folgt.

    „Ja… entschuldigen Sie“, sagte er verlegen und räusperte sich, um seine Unsicherheit zu überspielen. „Was haben Sie gesagt?“
    „Die Verträge sind laut Ihres Anwaltes alle so wie besprochen“, fuhr der Herr ihm gegenüber fort. „Ich denke, wir sollten jetzt unterzeichnen und dann die weitere Vorgehensweise besprechen…“




    Moritz nickte. „Ja… ja, das ist gut… das sollten wir tun.“

    Er setzte sich aufrecht und schob alle Gedanken an Alexandra, Shylah, Devin und Zuhaus beiseite. Dies hier war jetzt wichtiger. Letztlich würden sie alle davon profitieren… und nur das zählte schließlich.



    „Gute Nacht, mein Schatz“, flüsterte Alexandra und strich Shylah noch einmal über den schwarzen Haarschopf. Die Kleine brummelte nur müde etwas vor sich hin, und war dann sofort eingeschlafen. Kein Wunder, es war bereits kurz vor zehn und somit viel zu spät für das Mädchen. Normalerweise musste Shylah um halb neun schlafen gehen.
    Alexandra blieb einen Moment vor dem Bett des Mädchens stehen und betrachtete es liebevoll, aber nachdenklich.



    Sie war vorhin im Auto wohl sehr hart zu der Kleinen gewesen, aber in ihr hatte es innerlich noch gebrodelt. Es war immer das gleiche, Moritz hielt seine Vereinbarungen nicht ein, und sie, Alexandra, war diejenige, die das vor den Kindern rechtfertigen musste und sich nicht selten deren trotzige oder enttäuschte Vorwürfe anhören musste.
    Wenn Moritz dann nach Haus kam, war die Freude der Kinder groß, und sie war die Böse und Unliebsame.
    Alexandra seufzte. Aber vielleicht war das eben so, ging allen Hausfrauen so. Sie dachte an Annabell, ihre Freundin. Die hatte solche Probleme nicht, aber ihr Mann war auch ein einfacher Angestellter in der Sachbearbeitung – er kam pünktlich nach Haus und kümmerte sich dann ebenso um den kleinen Thomas wie seine Frau.
    Obwohl Annabell eigentlich nicht der Typ Frau war, die ihrem Mann allzu viele Tätigkeiten überließ. Dazu war sie viel zu sehr Macherin – eigentlich manchmal zu sehr, wie Alexandra fand. Alexandra warf noch einmal einen Blick auf das schlafende Mädchen.



    Sanft strich sie ihr eine Strähne aus dem Gesicht und löschte dann das Licht.
    Leise schloss sie die Tür zum Kinderzimmer hinter sich und ging in die Küche, wo sie den Kühlschrank öffnete. Ihr Magen knurrte deutlich. Sie hatte vor dem Kurs keine Zeit mehr zum Abendessen gefunden. Normalerweise war dies nicht schlimm, weil die meisten ihrer Kurskollegen danach noch gemeinsam essen gingen. Da dies heute aber für sie ausgefallen war, musste sie jetzt improvisieren. Da es schon recht spät war, beschloss sie, sich nur schnell ein Brot zu schmieren.



    Während sie damit beschäftigt war, hörte sie den Schlüssel in der Haustür, und ein Blick zur Uhr sagte ihr, dass dies wohl Devin sein musste.
    „Bin zu Hause!“, hörte sie dann auch die wohl vertraute Stimme und einige Sekunden später tauchte Devin in der Küche auf.
    „Hei!“, sagte er schlicht und warf einen Blick auf das Holzbrett, auf dem Alexandra gerade ihr Brot schmierte. „Wär´s okay, wenn du mir auch so eins mitmachen würdest?“
    Alexandra lächelte und nickte. „Natürlich. Wie war eure Probe?“
    „Cool“, erwiderte Devin lässig und grinste. „Wir werde immer besser. Vielleicht spielen wir auf dem diesjährigen Abisturm.“



    Alexandra hob die Brauen. „Ehrlich? Das… wird bestimmt… interessant.“
    Insgeheim fragte sie sich, wer den furchtbaren Lärm Devins und seiner Band hören wollte. Die Jungs hatten im vorigen Jahr tatsächlich mithilfe eines Lehrers aus der Schule einen Proberaum gefunden… Alexandra war einmal dort gewesen, als sie Devin abgeholt hatte und ihr taten noch heute die Ohren weh. Der Sänger konnte nicht singen, er konnte nicht einmal melodisch schreien, was bei dieser Musik eher erforderlich war als echte Gesangskunst. Doch selbst dies schien der Junge nicht zu beherrschen. Devin jedoch machte seine Sache ganz gut, er war mit dem Schlagzeug vertraut und produzierte neben der E-Gitarre wohl den meisten Lärm.
    „Wieso bist du eigentlich zu Haus?“, fragte Devin unvermittelt.
    „Papa unterschreibt heute die Verträge bei Ehrmann“, erwiderte diese.
    Devin zog die Brauen hoch und pfiff durch die Zähne. „Und da bist du so ruhig?“
    Alexandra zuckte die Schultern. „Ich kann es nicht beeinflussen. Aber du hast schon recht, es wäre einfach gut, wenn das klappen würde.“
    Devin nickte. Er wusste nicht viel über die Sache mit Ehrmann, nur dass dies für die Firma seiner Eltern ein sehr wichtiger Kunde war und die Firma sehr viel besser da stände, würde man sich mit ihm einigen.
    Er folgte seiner Mutter ins Esszimmer, wo diese die Teller mit belegten Broten auf den Tisch stellte.



    „Warst du gar nicht an der Volkshochschule heute?“, fragte Devin, während er in eines der Brote biss.
    „Doch, ich bin nur früher los, weil ich Shylah bei Oma abholen musste.“
    Devin runzelte die Stirn. „Sie wird nicht begeistert gewesen sein, oder?“
    „Nein“, sagte Alexandra mit einem bitteren Lächeln. „Sei froh, dass deine Probe von gestern auf heute verlegt wurde, sonst hättest du auf sie aufpassen müssen.“

    Devin zog eine Grimasse und sagte dann großzügig: „Naja, einmal hätte ich das auch geschafft. Sie ist ja nicht mehr so arg nervig wie früher – immerhin kommt sie in ein paar Monaten auch aufs Gymnasium.“



    Alexandra nickte und rieb sich die Stirn, als sie daran dachte, dass diese Entscheidung ihr auch noch in den nächsten Wochen bevor stünde.
    Sie und Moritz waren sich immer noch nicht einig, auf welche Schule sie Shylah schicken sollten. Alexandra selbst war recht angetan von der Klosterschule, die einige Orte weit entfernt lag. Ihr gefiel die Vorstellung, Shylah auf eine reine Mädchenschule zu schicken. Nicht weil sie Angst vor dem Zeitpunkt hatte, da Shylah sich für Jungs zu interessieren begann. Alexandra war in diesem Punkt nicht prüde. Auch nicht weil sie besonders katholisch war – die Strenge der katholischen Mutter hatte Alexandra schon als Kind jedwede Begeisterung für die Religion ausgetrieben.



    *geht noch weiter*

    Kapitel 5


    Moritz betrat nervös den großen Konferenzraum. Er streckte die Schultern, hob den Kopf und ging festen Schrittes zu dem freien Platz am Rande des Tisches. Dicht hinter ihm folgte ihm Herr Decker, sein langjähriger Anwalt und Notar.
    „Guten Abend, meine Herren“, sagte er mit fester Stimme, die nichts von seiner Nervosität verriet.



    Die in feine Anzüge gehüllte Herren nickten ihm freundlich zu und schüttelten ihm reihum die Hand, während man einander vorstellte, sofern man sich noch nicht kannte.
    „Das ist Herr Schulz, unser Notar, Herr Bruchsal, unser Anwalt, Herr Noran, der Prokurist…“
    Als die Vorstellungsrunde schließlich beendet war, setzte man sich wieder und holte die dicken Mappen aus den Aktentaschen.
    „Die Verträge wurden genauso aufgesetzt, wie wir es besprochen haben, Herr Schuhmann“, erklärte einer der Herren und übergab Moritz die dick beschriebenen Blätter zur Übersicht.
    Dieser las die Verträge sorgfältig durch und achtete dabei nicht auf den ein oder anderen ungeduldigen gespielten Hüstler der Herren am Tisch. Diese Verträge waren zu wichtig, um sie nur zu überfliegen. Auch wenn man den Inhalt schon dutzendmal zwischen beiden Parteien besprochen haben mochte, so war Moritz dennoch der Meinung, dass man nicht sicher genug gehen konnte.



    Doch es stimmte alles, alle Angaben und Klauseln waren genauso aufgezeichnet, wie es vereinbart worden war. Moritz flog ein zufriedenes Lächeln über das Gesicht, als der die dick beschriebenen Blätter zur Kontrolle an Notar Decker überreichte.
    Während auch dieser sich noch einmal in die Schriftstücke vertiefte, schweifte Moritz´ Blick nach draußen. Die Lichter der Hochhäuser schimmerten in die dunkle Nacht.



    Es war Dienstagabend, und heute hatte Alexandra ihren Töpferkurs. Sie hatte am Telefon getobt, als er ihr erklären musste, dass die Vertragsunterzeichnung von dem vorhergesehenen Termin am Donnerstagmorgen überraschend auf den heutigen Abend vorverlegt worden war.
    Als er an die Auseinandersetzung mit seiner Frau dachte, trübte sich sein eben noch so froher Gesichtsausdruck.
    „Was soll ich Shylah sagen“, hatte Alexandra vorwurfsvoll in den Hörer gerufen. „Du weißt genau, wie sehr sie sich auf die Abende mit dir freut… abgesehen davon, wo soll ich Shylah unterbringen?“


    „Kann sie nicht einfach ein Weilchen länger bei Christina bleiben?“, hatte er hilflos erwidert, während seine Sekretärin schon mit wichtigen Unterlagen in den Armen ungeduldig im Zimmer auf und ab ging und auf das Ende des Telefonats wirkte.
    Moritz schüttelte seufzend den Kopf. Frau Dietz war eine gute Sekretärin, sie arbeitete ordentlich, aber ihr fehlte es zunehmend an Taktgefühl. Er musste sie noch einmal darauf hinweisen, dass sie sich bei privaten Gesprächen seinerseits aus dem Raum begeben und warten sollte, bis er sie wieder zu sich rief. Das war nicht mehr als anständig, fand er.
    Seine Gedanken schweiften wieder zurück zu dem Telefonat und Alexandras bissiger Erwiderung: „Bist du des Wahnsinns? Ich komme normalerweise nicht vor halb elf zurück, du weißt genau, dass ich gemeinsam mit Annabell und dem halben Kurs noch etwas trinken gehe… ich kann Shylah unmöglich so lange bei Christina lassen, das kann ich deren Eltern doch nicht zumuten. Die Kinder haben morgen Schule!“
    „Na dann… wieso kann sie nicht zu deiner Mutter gehen?“, erwiderte Moritz, der durch die auf seinem Tisch befindlichen Unterlagen, die ihm Frau Dietz mit irgendeinem unverständlichen Gemurmel schließlich doch noch überreicht und sich dann entfernt hatte, bereits wieder abgelenkt schien.



    „Ich kann sie doch nicht jeden zweiten Dienstag zu meinen Eltern geben“, seufzte Alexandra nun am anderen Ende der Leitung.
    „Nun übertreib doch nicht, so oft bin ich dienstags nicht unterwegs… ich weiß ja, dass du diesen Kurs belegt hast“, gab Moritz nun ebenfalls leicht gereizt zurück.
    „Ach Moritz“, hatte Alexandra nur resigniert in den Hörer gemurmelt. „Du bist von zehn Kursen vielleicht fünfmal zu Haus. Ich weiß gar nicht, wieso ich diesen Kurs belegt hab…“
    Moritz verzog das Gesicht und seufzte dann: „Weil er dir gut tut, mein Schatz, und deswegen machst du auch weiter. Aber heute kann ich es nicht ändern, Alexandra. Du weißt, wie wichtig dieser Abschluss ist. Seit Wochen arbeiten wir nur noch darauf hin. Du weißt, was das für uns alle bedeutet…“



    Alexandra seufzte. „Ja – ich weiß, ich weiß. Nun, dann wünsch ich dir viel Erfolg. Ich werde Shylah zu meiner Mutter bringen, auch wenn sie das nicht gerade begeistern wird. Aber ich muss jetzt auflegen, Moritz, ich muss noch zum Frisör und danach werde ich Shylah abholen und zu meinen Eltern bringen. Bitte hol du sie da ab, sobald du zu Haus bist, ja?“
    Moritz rückte unbehaglich seine Krawatte zurecht und sagte dann: „Alexandra, du weißt, dass die Unterlagen bei Ehremann unterzeichnet werden – ich habe alleine eine halbe Stunde Fahrt bis in die Stadt, und ich bin mir nicht sicher, ob ich vor dir da sein werde…“
    Er konnte sich regelrecht vorstellen, wie sich Alexandras Miene verfinsterte. Doch statt des erwarteten Donnerwetters, hörte er sie nur seufzen: „Gut… dann geh ich direkt nach dem Kurs nach Haus und hol sie ab… falls du dann noch nicht da bist.“




    „Wieso? Sie kann sich doch schon bei deiner Mutter schlafen legen…“
    „Moritz, es für Shylah nicht gut, wenn ich sie aus dem Schlaf reiße, du weißt, wie schlecht sie dann wieder einschläft und sie muss morgen zeitig zum Unterricht. Also, wir sehen uns dann irgendwann nachher.“
    Und schon hatte Alexandra aufgelegt…
    „Herr Schuhmann?“, drang die fragende Stimme eines der Herren an sein Ohr.



    Erschrocken fuhr Moritz herum. War er nun wirklich derartig in Gedanken versunken, dass er vergessen hatte, wo er war und um was es hier ging?



    *geht noch weiter*

    Llynya: Ja, das stimmt, wenn es um so schwerwiegende Entscheidungen gibt, ist so eine getrennte Kinderfreundschaft oft sehr nebensächlich. Könnte man jetzt wohl drüber diskutieren, ob das wirklich so nebensächlich sein sollte oder nicht. Ich wäre da wohl als Mutter auch recht unschlüssig und würde mir denken, dass man in dem Alter schnell neue Freunde findet... aber das ist ja auch nicht immer so.


    Das Gespräch der beiden hat mir irgendwie auch gefallen :) Da werden fast Erinnerungen wach, hihi. Und das mit der Klosterschule klingt echt grauselig...


    Danke für Deinen kommi!



    Rivendell: Das stimmt, oft halten die Freundschaften dann letztlich leider doch nicht. Aber ob 2 kleine Mädchen von 11 Jahren es schaffen, die Eltenr zu bequatschen??? Ich wag es fast zu bezweifeln.
    Wegen Alexandra - ich glaube, was die Sache mit dem schlechten Organisieren angeht, wird heute etwas Licht ins Dunkel gebracht.
    Danke für deinen Kommi!



    kautschi:
    Oh, vielen Dank für das Lob!! Das freut mich sehr!
    Zu Deiner Theorie schweige ich noch ;)




    @JaneEyre: Oh, was für ein langer Kommi! Das Gespräch zwischen den Mädls fand ich auch schön. Das Brotlose besonders! :)
    Ja, was die Schule angeht, so ist es wohl wirklich eher unwahrscheinlich, dass die 2 Mädls da was erreichen können letztlich.


    *sichaufdieleitungstell* So, so Dein Name kommt vor? Wer heisst hier denn Jane? :D *vonderleitungruntergeht* Das freut mich besonders, dass ich Dir sozusagen ein bißchen eine Ehre erwiesen habe, wenn auch unbewusst.


    Übrigens wegen der Schule - die Nonnenschule mag schon etwas Elitäres haben, ist aber eine "ganz normale" Staatsschule, somit auch nicht schuldgeldpflichtig ... ich weiss jetzt nicht, wie das in der Schweiz ist, aber in Deutschland sind Schulen i.d. R. nicht kostenpflichtig, auch nicht das Gymnasium. Somit glaub ich, das hat bei Christina nicht damit zu tun, dass die Eltern nicht so gut betucht sind (was übrigens stimmt, gut erkannt!), sondern ist bei denen offenbar auch eine Grundsatzfrage...


    Christina ist an sich intelligent und schlau und würde wohl schon gerne auch aufs Gymnasium gehen... warum die Eltern ihr das nicht ermöglichen, weiss sie ja selbst nicht so genau (also liegt die "Schuld" dass Syhlah und sie getrennt werden, nicht unbedingt bei Alexandra und Moritz!).


    Was Alexandra angeht, so ist sie schon fertig. Aber sie hat es halt nicht leicht, was man jetzt aber auch im kommenden Kapitel sehen wird nochmal.


    Danke für den tollen KOmmi!




    @ALL:
    Ich hab es geschafft, eine FS zu schreiben und bin heute wirklich mal ganz zufrieden damit. Ich hoffe, sie gefällt euch und ist nicht zu lang geworden....

    Darum nickte sie auch bereitwillig und folgte Monika ins Schlafzimmer.
    Zehn Minuten später kam sie aus dem Badezimmer und trug einen von Monikas Pyjamas, der nach frischem Waschmittel mit Jasminaroma roch.
    „Moni…“, sagte sie langsam. „Denkst du, er wird es schaffen, Moni?“

    Monika sah sie lange an und sagte dann offen: „Ich weiß es nicht, Tessa. Aber ich denke mir die ganze Zeit, dass es doch einen besonderen Grund dafür gegeben haben muss, dass das Schicksal ihn wieder zu dir zurück gebracht hat… und ich weigere mich zu glauben, dass der einzige Grund gewesen sein soll, sich verabschieden zu können – endgültig.“



    Sie lächelte ihre Freundin an. „Und nun lass uns schlafen, ja?“
    „Ich hoffe, ich kann auch nur ein Auge zu tun“, seufzte Tessa.
    Monika strich ihr tröstend über den Arm. „Bestimmt“, erwiderte sie sanft und schlug die Bettdecke einladend zurück.
    Erschöpft krabbelte Tessa unter die Decke, während Monika ums Bett ging und das Deckenlicht löschte.
    „Gute Nacht, Moni“, flüsterte sie.



    Monika nickte. „Ich geh nur noch schnell die Haustüre abschließen“, sagte sie. „Ich hätte es fast vergessen.“
    Rasch schlüpfte sie aus dem Zimmer und eilte zur Wohnungstür, um diese wie jeden Abend zu verriegeln.
    Als sie zurück ins Zimmer kam und selbst ins Bett schlüpfte, flog ein leichtes Lächeln über ihr Gesicht.



    Tessa war bereits tief und fest am schlummern.
    Monika hüllte sich ebenfalls eng in die kuschlige Decke und fiel ebenso wie ihre Freundin innerhalb weniger Sekunden in einen tiefen, traumlosen Schlaf.









    Fortsetzung folgt-




    P.S. Das im Text erwähnte Lied heisst "Dieser Brief" von Xavier Naidoo. Ihr findet es u.a. hier: http://www.myvideo.de/news.php?rubri...=&searchOrder=

    Nachdem ich an jedem Morgen Deine Wohnung verlassen habe, bin ich zurück zum Bahnhof. Dort habe ich die zwei Jungs getroffen, mit denen ich auch bei den Hellows war. Sie haben mir berichtet, wie gefährlich es für uns alle in der Stadt sein würde. Nachdem ich meinen ersten Bedarf befriedigt hatte, sind wir also mit zusammengeschnorrtem Geld in einen der vielen Züge gestiegen und fortgefahren.
    Es hat mir das Herz zerrissen, Tessa, denn als ich Dich an jenem Morgen schlafend im Bett verließ, so waren meine Gedanken nur von dem Verlangen nach neuen Drogen gefüllt. Hätte ich gewusst, dass es ein Abschied für immer wird, ich hätte Dich länger betrachtet, ich hätte Dich länger gestreichelt, ich hätte Dir einen vernünftigen Brief hinterlassen, damit Du Dir keine Sorgen machen musst.“
    Tessa setzte den Brief erneut ab und sagte dann tonlos: „Also hatten wir recht, Monika – er ist aus der Stadt geflohen. Aber das erklärt immer noch nicht, wieso er wieder zurückgekommen ist…“



    Sie nahm den Brief wieder auf und las weiter:
    „Wir sind in die nächstbeste Großstadt gefahren und haben uns dort durchgeschlagen. Es war nicht einfach, Tessa, aber immer noch besser, als von den Hellows zu Tode geprügelt zu werden. Ich habe mir manchmal Sorgen um Dich gemacht, aber ich war mir sicher, dass sie Dich nicht zuordnen konnten und weder Dein Gesicht, noch Deinen Namen kannten. Dennoch bitte ich Dich noch einmal, auch jetzt noch aufzupassen und Dich nicht in dunklen Gegenden aufzuhalten, schon gar nicht nach Einbruch der Dunkelheit!

    Das Jahr verging rascher als ich gedacht hätte, Tessa. Ich habe so oft an Dich gedacht und habe oft überlegt, ob ich Dir diesen Brief schreiben und schicken soll. Doch anfangs schämte ich mich so sehr, dass ich es nicht wagte und dann hatte ich Angst, alles wieder aufzuwühlen durch diesen Brief. Doch in den letzten Wochen spürte ich, dass ich immer schwächer wurde, und ich musste so oft an Dich denken, ich fühlte mich Dir so nah, wie ich bereits schon schrieb.
    Mir war klar, dass ich Dich noch ein einziges Mal sehen möchte, bevor ich meinen letzten Atemzug tu… und ich setzte mich in den Zug und kehrte zurück.
    Ich habe mich in den letzten Tagen in der Nähe deines Hauses aufgehalten, immer im Schutz der Büsche um es herum, damit Du mich nicht siehst… und gestern habe ich Dich endlich gesehen, als Du mit einigen Freunden aus dem Haus kamst. Du bist so schön geworden, Tessa! Du bist so wunderschön! Ich bin so glücklich, dass Du offenbar mit beiden Beinen auf dem Boden stehst, trotz allem, was geschehen ist. Du scheinst wieder Freunde zu haben, die Du damals durch meine Schuld verloren hast. Allein das zu sehen, Dich noch einmal zu sehen, war mein größter Wunsch. Doch ich habe gehört, dass Du mit einer Deiner Freundinnen über mich gesprochen hast… und mir wurde klar, dass Du nicht mit uns abschließen kannst, so lange Du nicht weißt, was mit mir und uns geschehen ist. Und warum ich an jenem Morgen ging, ohne Dir zu sagen, wohin ich gehe.“
    Tessa blieb für einen Moment still. Die Tränen waren ihr in die Augen gestiegen, als sie das letzte Blatt des Briefes umdrehte und eine kleine Zeichnung in ihren Schoss fiel.



    Tessa schluckte und ballte die Hände zur Faust. Stockend las sie dann weiter:
    „Ich bitte Dich nun, Tessa, mich nicht zu suchen. Ich werde Dir diesen Brief überbringen und morgen mit dem ersten Zug die Stadt verlassen, auch weil es zu gefährlich für mich ist. Wenn ich schon sterben muss, dann nicht durch die Hand anderer, sondern durch meine eigene, durch meine Sucht.

    Bitte glaub mir eines, Tessa, ich hab Dich immer geliebt. Ich wünschte, ich hätte es Dir mehr zeigen können, ich wünschte, ich hätte Dich ein oder zwei Jahre früher kennen gelernt… doch es sollte wohl nicht sein. Werde glücklich, mein Schatz, denn Du hast es verdient.
    Pass auf Dich auf.
    Ich liebe Dich,
    Dein Jess.“



    Tessa atmete schwer und legte den Brief zur Seite. Monika schwieg und sah sie mitfühlend an.
    Tessa fühlte sich wie benebelt, immer wieder warf sie einen Blick zurück auf den Brief in ihren Händen. Ihre Finger strichen zart über das Bild, das Jess gemalt hatte. Aus dem Radio tönte eine weiche Stimme an ihr Ohr, die sang:
    „Oh diesen Brief darf ich nicht lesen
    Denn oh mit diesem Brief nimmt sie Abschied von mir
    Unsere Liebe darf nicht überleben
    Und mit dem Öffnen dieses Briefs sterben wir…“

    Draußen hatte es zu schneien aufgehört. Der Schnee machte die Nacht ungewöhnlich hell. Oder dämmerte etwa schon der Morgen?



    Langsam stand Tessa auf, ging schwerfällig einige Schritte durch den Raum. Den Brief hatte sie vorsichtig zurück auf den Tisch gelegt.
    Sie schlang die Arme erneut um ihren Oberkörper.
    „Oh diesen Brief darf ich nicht lesen
    Oh mit diesem Brief nimmt sie Abschied von mir
    Unsere Liebe durfe es nicht geben
    Und mit dem Öffnen dieses Briefs starben wir
    Doch ohne diese Liebe kann ich nicht leben
    Und ohne ihre Nähe kann ich nicht mehr, nicht mehr…“

    Ein Schluchzer löste sich aus ihrem Hals. Trocken, fast schmerzhaft. Dann war es wieder still, bis sich ein erneutes Schluchzen löste. Und plötzlich flossen die Tränen.
    Innerhalb weniger Sekunden war Monika an der Seite ihrer Freundin und hatte den Arm um sie gelegt. Sie stand schweigend neben ihr, während Tessa weinte und weinte.



    „Ich…“, schluchzte Tessa nach einer Weile leise. „Ich… kann das alles gar nicht fassen. Jess… er hält sich für einen so schlechten Menschen, Monika… aber das ist er nicht. Er ist es nicht!“
    Es klang fast wie eine Beteuerung. Monika strich Tessa sanft über die Schultern.
    „Ich weiß, Tessa, ich weiß… wir beide wissen es. Er ist anständiger, als wir alle dachten.“
    Tessa nickte und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
    „Es ist ein Abschiedsbrief, Moni“, sagte sie dann leise. „Ist es das nicht?“
    „Er hat ihn wohl als solchen geschrieben“, gab diese nachdenklich zu. „Doch es ist alles anders gekommen als gedacht, nicht wahr? Vielleicht ist es doch kein Abschiedsbrief, Tessa… wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben.“



    Tessa nickte und wischte sich noch einmal mit dem Ärmel ihrer Strickjacke übers Gesicht.
    „Dieser Brief… er erklärt so vieles“, sagte sie. „Ich bin mir jetzt ganz sicher, dass ihn die Hellows erwischt haben… oh Monika, hätte ich ihn doch gestern nur bemerkt… er muss die ganze Zeit in meiner Nähe gewesen sein. Wieso hab ich das nur nicht gespürt?“
    Tessa sah Monika unsicher an. „Habe ich mich bereits so weit von ihm entfremdet… denkst du nicht auch, ich hätte es merken müssen?“

    Monika lächelte gutmütig und strich Tessa tröstend über die Wange. „Ach, Liebes – zerbrich dir deswegen nicht den Kopf. Natürlich hättest du es nicht spüren müssen… das hat doch nichts mit deinen Gefühlen für ihn zu tun. Und bitte mach dir jetzt keine Vorwürfe, du hättest es nicht verhindern können.“


    Tessa nickte langsam. „Du hast vermutlich recht… ich weiß irgendwie gar nicht mehr so wirklich, was ich gerade noch denken oder fühlen soll.“
    „Das ist auch völlig verständlich“, erwiderte Monika einfühlsam. „Es ist so viel geschehen heute Abend. Die Welt schein förmlich Kopf zu stehen, nicht wahr?“
    Tessa nickte. Sie fühlte sich auf einmal schläfrig und müde, so als habe sie das Weinen endlich von der unerträglichen Anspannung befreit, die sie derartig wach gehalten hatte.
    Ihre Gedanken schweiften zu Jess, der jetzt im Krankenhaus lag und gegen die Schwäche seines eigenen Körpers ankämpfte. Doch lohnte es sich überhaupt noch zu kämpfen für ihn? Was sollte ihm Kraft geben, wo er doch offenbar mehr oder minder ohnehin schon mit dem Leben abgeschlossen hatte?
    Sie äußerte diese Gedanken gegenüber Monika und sagte dann: „Ich hätte darauf bestehen sollen, zu ihm zu dürfen. Vielleicht hätte er es gespürt… und hätte dann wieder mehr Lebenswillen.“

    Monika sah sie nachdenklich an. „Ich glaube ernsthaft, dass er dich auch spüren kann, ohne dass du jetzt körperlich bei ihm bist“, sagte sie dann ernst. „Und ich denke, es ist wichtig, Kraft zu tanken für morgen – und dann wird er dich vielleicht sogar bewusst sehen und sprechen können, Tessa.“
    Tessa umarmte Monika spontan. „Ich bin so froh, dass du hier bist, Moni. Wie sollte ich all das schaffen ohne dich?“



    „Das ist doch selbstverständlich“, erwiderte Monika schlicht. „Nun lass uns ins Bett gehen, Tessa, ja? Ich kann dir einen von meinen Pyjamas leihen… du musst morgen kräftig und fit sein … für Jess. Und es ist bereits halb vier in der Früh…“
    Tessa warf erstaunt einen Blick auf die Uhr und musste feststellen, dass Monika recht hatte. Ihr war offenbar tatsächlich jegliches Zeitgefühl verloren gegangen. Aber ihr Körper sprach eine deutliche Sprache, sie konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten.



    *geht noch weiter*

    @ALL: Ich mach jetzt mal eine Ausnahme und beantworte eure tollen, lieben KOmmis beim nächstemal mit, ja? Ich habe gerade gar keine Zeit und bin auch nicht so fit, aber ich hab endlich die FS fertigbekommen und mir reicht die Zeit jetzt nur noch zum Online-Stellen!



    Kapitel 62
    Der Brief




    Monika warf Tessa einen Seitenblick zu. „Soll ich dich nach Hause bringen oder möchtest du lieber mit zu mir kommen? Du kannst bei mir übernachten, wenn du magst…“
    Sie richtete die Augen unsicher wieder auf die Straße, ihre Finger bewegten sich nervös auf dem kalten Lenkrad. „Ich… meine nur… weil… naja, ich denke einfach, du solltest jetzt nicht allein sein. Als ich damals erfuhr, was mit Kevin geschehen war… nun, ich wäre froh gewesen, jemanden um mich zu haben... zumindest am Anfang. Und ich hatte Sicherheit, ich musste keine Angst mehr haben…“
    Sie schluckte hart und Tessa bemerkte, wie es die junge Frau unter ihrer Jacke heftig schüttelte. Zum ersten Mal an diesem Abend musste sie daran denken, wie schrecklich all dies für Monika sein musste, welch Erinnerungen es geweckt haben musste. Sanft drückte sie die Hand ihrer Freundin, die fast noch eisiger war als ihre eigene.
    „Gerne, Moni… wenn es dir recht ist, würde ich gerne bei dir übernachten…“
    Sie dachte mit einem leichten Schaudern an die ruhige Stille ihrer leeren Wohnung…
    Monika nickte und versuchte, tapfer zu lächeln, während Tessa den Blick wieder auf die schneebedeckten Häuser um sich richtete.


    Nach wenigen Minuten waren sie bei Monika angekommen und die Wärme ihrer kleinen, gemütlichen Wohnung umhüllte Tessa wie ein sanftes Tuch.
    „Soll ich ein bisschen Musik machen?“, fragte Monika sofort und Tessa nickte. Sie konnte keine Stille mehr ertragen.
    Nachdem beide ihre Jacken ausgezogen hatten, gingen sie in das gemütliche Wohnzimmer und Monika schaltete das Radio an.
    Tessa betrachtete nachdenklich den welligen Briefumschlag, den sie aus ihrer Jackentasche gezogen hatte und legte ihn dann schaudernd auf Monikas kleinen Wohnzimmertisch.
    Müde ging sie einige Male im Zimmer auf und ab und verharrte schließlich fast bewegungslos vor dem Fenster. Ihr Blick schweifte nach draußen. Es schneite immer noch und es war inzwischen völlig still geworden.



    Die leisen Klänge aus dem Radio vertrieben zwar die Stille, aber sie wirkten seltsam deplaziert. Tessa schauderte. Monika war an sie herangetreten und starrte eine Weile ebenfalls schweigend aus dem Fenster.
    Dann sagte sie leise: „Magst du noch einen Tee trinken? Oder was essen?“
    Tessa schüttelte den Kopf. Ihr Magen schmerzte zwar und ihre Kehle war trocken, aber sie fühlte sich völlig außerstande, etwas zu sich zu nehmen. Ihr Hals wirke wie zugeschnürt.
    „Wenigstens ein Glas Wasser?“, versuchte Monika es weiter.
    Tessa schlang die Arme um ihren Oberkörper. „Ich fühl mich nicht gut“, sagte sie dann leise.
    Monika strich ihr sanft über den Rücken.
    „Das ist völlig normal. Du solltest wenigstens ein bisschen was trinken, okay?“
    „Gut“, seufzte Tessa und drehte sich zu ihrer Freundin um. „Dann ein Glas Wasser, ja.“




    Während Monika sich auf den Weg in die Küche machte und ein Glas Wasser holte, ging Tessa erneut im Zimmer auf und ab. Eben im Krankenhaus hatte sie sich noch so müde und erschöpft gefühlt. Die Erschöpfung war geblieben, aber die Müdigkeit war wie weggeblasen. Jetzt, wo sie so weit von Jess fort war, fühlte sie sich seltsam aufgewühlt. Ihr Blick fiel erneut auf den Briefumschlag, der immer noch unberührt auf dem Couchtisch lag. Sie seufzte und rieb sich die Augen.
    Monika war inzwischen neben sie getreten und hatte ihr das Glas Wasser gereicht. Langsam trank sie in kleinen Schlucken und stellte das Glas dann zur Seite.

    Monika folgte ihrem Blick zurück zu dem Brief.
    „Du solltest ihn aufmachen… oder?“, sagte sie dann sanft.



    Tessa sah sie an. „Ich hab Angst davor“, flüsterte sie dann. „Auf der einen Seite kann ich es nicht erwarten, weil ich hoffe, dass sich dann endlich alles erklärt… wo Jess war, und wieso er plötzlich wieder aufgetaucht ist. Zum anderen… hab ich Angst…“
    Monika nickte verständnisvoll. „Ich glaube, die hätte ich auch. Aber früher oder später musst du ihn öffnen… willst du vielleicht bis morgen damit warten… und erst einmal eine Runde schlafen?“
    Tessa atmete tief ein und schüttelte dann den Kopf. „Nein, ich glaube, mit dieser Ungewissheit könnte ich gar nicht schlafen. Ich werde ihn öffnen… jetzt.“
    Zielstrebig ging sie nun zum Sofa und ließ sich auf den weichen Kissen nieder. Vorsichtig berührte sie das Papier, das sich rau und aufgequollen anfühlte. Fast zärtlich löste sie dann die Lasche und dachte für einen Moment daran, dass Jess vielleicht nur vor wenigen Stunden mit der Zunge darüber gefahren war. Sie warf Monika einen unsicheren Blick zu, als der Umschlag geöffnet war. Die nickte ihr aufmunternd zu und Tessa zog mehrere eng beschriebene Seiten, die ebenfalls von der Feuchte schon etwas aufgequollen, aber noch gut leserlich waren, aus dem Umschlag und hielt sie für einen Moment reglos in den Händen, fast als wolle sie sich ihrer erst gewiss werden, bevor sie zu lesen begann.



    Monika ließ sich vorsichtig neben ihr nieder und drückte ihre Hand.
    „Du musst sie jetzt nicht lesen, wenn du es nicht schaffst“, sagte sie dann leise.
    Doch Tessa schüttelte den Kopf. „Es geht schon – es muss gehen“, erwiderte sie dann. Die Seiten waren noch gefaltet und fühlten sich dick und schwer an. Tessa fiel auf, dass sie noch nie etwas von Jess´ gelesen hatte… abgesehen von jenen kurzen Worten, die er ihr damals als winzige „Abschiedsbotschaft“ hinterlassen hatte.
    Als ihre Gedanke für einen Moment zu jenem Tag vor einem guten Jahr zurück schweiften, fühlte sie plötzlich einen Hauch Bitterkeit in sich aufsteigen. Schon wieder musste sie um ihn bangen, schwebte in absoluter Ungewissheit. Und sollte das letzte, was sie von ihm erhielt, auch diesmal wieder nur und in absoluter Endgültigkeit beschriebenes Papier sein?
    Sie weigerte sich, dies zu glauben, faltete die Blätter auseinander, holte noch einmal Luft und begann dann stockend zu lesen.


    „Meine geliebte Tessa,
    wenn Du diesen Brief erhältst, werde ich vermutlich schon wieder weit fort sein. Ich hoffe inständig, dass es Dir gut geht und Du das, was ich Dir angetan habe, überwinden konntest. Ich habe lange gebraucht, um zu begreifen, was Du mir wert bist. Du warst der einzige Mensch auf dieser Welt, der mir jemals etwas bedeutet hat und dem ich jemals etwas bedeutet habe. In manch klaren Momenten, die immer seltener werden, frage ich mich, wie ich es zulassen konnte, das größte Glück, das mir in meinem Leben zuteil geworden ist, einfach kampflos aufzugeben – Dich, Tessa, das Beste, was mir je geschehen ist, einfach aufzugeben. Für eine Droge, die mich das Leben kostet, die mir Tag für Tag mehr Kraft aus Herz und Seele und Körper zieht und mir die heile Welt, die nur Du mir letztlich hättest bieten können, in grausiger Weise vorgaukelt, und auch das in immer kürzeren Abständen und abnehmender Intensität.





    Erinnerst Du Dich noch an jene Nacht vor etwa einem Jahr, Tessa, als Du mich bei den Hellows gesucht hast? In jener Nacht wurde mir mit aller Macht klar, wie viel Du mir bedeutest. Dass Du mein Leben bist, Tessa. Ich wollte für Dich mit diesen verfluchten Drogen Schluss machen. Ich wollte es wirklich. Für Dich, für mich – für UNS, Tessa. Ich kann Dir nicht verübeln, wenn Du es mir nicht glaubst, nach allem, was ich Dir angetan habe, nicht mehr glauben kannst. Was ich getan habe, ist unverzeihlich. Ich habe Dich allein gelassen, Dich aufgegeben, uns aufgegeben. Und als ob das alles nicht niederträchtig genug wäre, habe ich Dich all die Zeit im Ungewissen gelassen, wohin ich gegangen bin, was mit mir geschehen ist.
    Ich könnte mir etwas vormachen und glauben, Du habest mich in kürzester Zeit vergessen. Doch ich kenne Dich, ich kenne meine Tessa, und ich fürchte, wenn ich es auch nicht hoffe, dass Du nächtelang in den Kissen geweint hast, dass Du nichts unversucht gelassen hast, mich zu finden und Dich vielleicht bis zum heutigen Tage nicht damit abfinden konntest, dass ich nicht mehr da bin. Doch das musst Du, Tessa, so hart es auch klingt.

    Meine Zeit ist abgelaufen, ich merke es täglich immer mehr. Mein Leben wird bald zu Ende gehen. Ein Leben, das nicht sinnloser hätte sein können. Aber es hat einen Sinn bekommen, mein Schatz – durch Dich. Und das wird mir niemand mehr nehmen können. Nicht einmal der Tod.“
    Tessa legte das Papier für einen Moment zur Seite und musste tief Luft holfen.


    Dann las sie mit brüchiger Stimme weiter:
    „Ich hoffe aber, ich bete jede Nacht dafür, dass Du mich zwar nicht vergessen, aber hinter Dir gelassen hast. Dass Du Dein Leben wieder gelebt hast, so wie Du es Dir immer gewünscht und vorgestellt hast. Du bist so ein wunderbarer Mensch, Tessa, voller Ideen, Kreativität und Mitgefühl. Dir stehen alle Türen offen und ich wünsche mich für Dich, dass Du sie nutzt.

    Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich Dir diesen Brief schicken soll. In Gedanken habe ich ihn wohl schon hundertmal geschrieben und mindestens genauso oft wieder verworfen. Aber in letzter Zeit fühle ich mich Dir so nahe wie schon lange nicht mehr. Es ist, als könnte ich Dich in meinen Träumen wieder spüren und berühren. Du fehlst mir mehr als alles andere auf dieser Welt. Doch ich darf nicht zu Dir zurückkehren. Ich bin nicht blind gewesen, mein Schatz, und ich habe gesehen, wie Du Dich durch mich verändert hast, habe gesehen, wie dünn und blass und kummervoll Du geworden bist. Du hast mehr verdient als mich, Tessa, und ich bin mir sicher, dass Du es eines Tages bekommen wirst.
    Dennoch – ich spüre, dass meine Zeit zu Ende gehen wird. Mein Körper wird dieser verfluchten Sucht früher oder später unterliegen. Und ich will Dich nicht im Ungewissen lassen, Tessa, was geschehen ist und dass Du nichts, absolut nichts für all das konntest, was geschehen ist.“
    Tessa sah auf und blickte Monika an. Diese drückte erneut sanft ihre Hand und lächelte schmerzlich. Mit ihren Fingern fuhr Tessa sanft über das Papier, als sei es Jess´ Hand, die sie dort berührte.



    „Dass ich nach dem Entzug bei Dir zu Hause gegangen bin, hatte nichts mit Dir zu tun“, las sie dann leise weiter. „Die traurige Wahrheit ist, dass ich einfach zu schwach war. Die Sucht war stärker als meine Liebe und meine Hoffnung und mein Vertrauen zu Dir und uns. Das ist die niederträchtige Wahrheit, ja, meine Tessa, mehr war ich uns nicht wert. Doch urteile nicht zu hart über mich, denn die Sucht macht aus uns Menschen etwas, das wir sonst nicht sind. Auch wenn ein Gefühl und der Wille noch so stark ist, so ist die Sucht oft stärker. Doch ich will es nicht schönreden, ich war schwach. Ich bin es immer noch. Doch nun, da ich Dich nicht mehr habe und nie mehr haben werde, sehe ich keinen Sinn mehr darin, zu kämpfen. Es ist besser so, glaub mir.



    *geht noch weiter*

    So Llynya


    jetzt kommt der versprochene Kommi! Ich hab geraade gesehen, dass ich sogar zwei FS verpasst hab, die drittletzte hab ich ja im gelben kommentiert!


    Also, mir haben beide gut gefallen. Aber wie Jorim macht mir Elias´ Wahn bzgl der Hexen und Elas Willen echt Sorgen... :eek: Was hat den Jungen nur so hexenhassend gemacht und so intolerant in diesem einen Punkt? Ich meine, eigentlich bidlet sich die Meinung ja auch sehr stark von den Einflüssen, die man bekommt. Und da er ja unter Jorims Einfluss steht und dieser das nicht so sieht, wundert es mich, dass es sich bei Elias so stark in die andere Richtung entwickelt hat.


    Elias ist unerfahren und muss aufpassen, dass er am Hof nichts falsches sagt oder tut, sonst könnte er arg Problene bekommen.


    Alles in allem weiss ich übrigens immer noch nicht so recht, wohin der Hase im großen und ganzen laufen wird... es bleibt spannend!

    Hallo Rivendell,


    ich fand das Kapitel auch wieder sehr schön. Ich bin jetzt sehr auf den morgigen Tag (in der Story :D ) gespannt - wird Rebecca erkennen, um wen es sich bei Pierre handelt??? Und wird Pierre sich über den Hund freuen, den er so sehr vermisst?


    Das Kinderzimmer ist wirklich toll geworden! :applaus Und ein respektvolles Lob an Barbara - auf den Schuhen könnte ich nichtmal zehn Schritte gehen, geschweige denn BALL SPIELEN :D

    Huhu Jane!!!



    Erstmal zum ersten Teil der FS - ich fand es köstlich, wie Sophia immer wieder versucht hat, die gemeinsame Zeit mit Herrn Hoffmann herauszuzögern, ihm kleine "Seitenwinke" zu geben :rollauge und all das. Ich bin jetzt ein wenig beruhigter und glaube erstmal nicht mehr, dass Herr Hoffmann sich auf sie einlassen wird - will mich da aber noch nicht festlegen. :rolleyes


    Helga - sie wirkt auf mich fast wie ein Fabelwesen, eine Meerjungfrau oder eine See-Elfe oder etwas ähnliches, sehr sensibel, zart, fast zerbrechlich schaut sie aus, das hast Du toll hinbekommen.


    Sie passt aber dennoch sehr gut zur Eric, der wirklich sehr gut ausschaut, aber auch so etwas geheimnisvolles an sich hat. Wenn man sich seine Vergangenheit und die Entdeckung seines Vaters zusammen mit der anderen Frau anschaut, ist auch sein Hass auf ebenjenen echt kein Wunde rmehr :(


    Wie schlimm muss es sein, gerade recht zum Anfang der Pubertät mit solch einer Entdeckung konfrontiert, einem solchen Geheimnis belastet zu sein! Das prägt einen jungen Menschen nachhaltig, was man Eric ja auch deutlichst anmerkt.


    Ich bin jetzt sehr gespannt, wie das Essen wird und gehe davon aus, dass Eric nicht allzu begeistert von Clemens´ Anwesenheit sein dürfte....



    Die FS war mal wieder einsame spitze, liebe Jane!!! :applaus

    Auf der Fahrt sprachen sie kein Wort. Shylah bemerkte sofort, dass ihre Mutter wieder einmal schlechte Laune hatte und hielt sich zurück, schwieg, obwohl es da so vieles gab, was sie ihr gerne erzählt hätte.



    Schließlich sah Alexandra ihre Tochter an und sagte: „Shylah, du isst heute Abend bei Oma, ich fahr dich auch direkt da hin. Du weißt ja, dass ich heute Abend Töpferkurs hab.“
    „Ja … aber wo ist denn Papa?“, fragte Shylah enttäuscht. Auf die Dienstagabende freute sie sich immer schon Tage im Voraus, denn dann ging ihre Mutter töpfern und ihr Vater war normalerweise zu Haus und kümmerte sich um sie und Devin. Das waren tolle Abende, denn man durfte im Schlafanzug auf der Couch sitzen und Kekse essen, ungeachtet der Krümel, es gab vorm Schlafengehen heißen Kakao und man durfte länger aufbleiben als sonst.
    „Der ist aufgehalten worden, in der Firma“, erwiderte Alexandra knapp.
    „Wieso das denn?“, klagte Shylah.
    „Shylah, geh mir nicht auf die Nerven mit der Fragerei“, gab ihre Mutter schlecht gelaunt zur Antwort. „Ich hab dir schon tausendmal erklärt, dass Papa eben vielbeschäftigt ist, er hat eben eine eigene Firma.“



    „Andere Väter sind nicht so spät daheim“, erwiderte Shylah trotzig.
    „Die haben auch keine eigene Firma, sondern sind Fabrikarbeiter, die um fünf Uhr Schichtende haben!“, brummte Alexandra leise, doch Shylah hatte es verstanden.
    „Wieso ist Papa dann nicht auch ein Fabrikarbeiter?“, schmollte sie.



    „Herrgott, Shylah, du weißt ja gar nicht, was du da redest!“, rief ihre Mutter verärgert aus und brachte den Wagen mit quietschenden Bremsen vorm Haus ihrer Großmutter sehen.
    „So, jetzt geh rein zu Oma und Opa, und sei dort schön brav. Papa wird irgendwann im Laufe des Abends kommen und dich holen, falls er es schafft. Wenn nicht legst du dich bei Oma schon mal ins Bett, und ich hole dich dann nachher ab.“
    Shylah schmollte. „Ich hab nichtmal meine Barbies mitgenommen!“, rief sie trotzig. „Was soll ich denn den ganzen Abend bei Oma und Opa anstellen?“
    „Das weiß ich doch nicht“, gab ihre Mutter zurück. „Du wirst schon irgendwas zu tun finden, hilf Oma in der Küche oder spiel eine Runde Mensch-Ärgere-Dich-Nicht mit Opa.“
    „Ich würde aber lieber mit meinen Barbies spielen!“
    „Shylah!“, rief Alexandra aus und ihre Stimme überschlug sich fast vor Ärger. „Nun nimm deine Sachen und geh rein. Wir können deine Barbies nicht mehr holen, es ist ohnehin schon spät.“





    „Wo ist Devin? Wieso kann ich nicht einfach bei dem bleiben heut Abend?“, versuchte Shylah noch einen letzten Vorstoß zu wagen, um den Barbie-Abend zu retten.
    „Weil der selbst unterwegs ist, der hat heute Bandprobe“, gab Alexandra zurück und öffnete die Wagentür. „Und nun husch- geh rein, Oma wartet schon.“
    Shylah schmollte und bewegte sich nicht.
    „Shylah“, sagte ihre Mutter mit gefährlicher Ruhe. „Wenn du nicht in zehn Sekunden drinnen bist, bleibt der Fernseher für den Rest der Woche aus…“
    Rasch öffnete Shylah die Tür. DieseWoche kam eine der wichtigsten Folgen ihrer Lieblings-Pferde-Serie, die durfte sie auf keinen Fall verpassen.
    „Na also“, brummte Alexandra, winkte ihr zu und gab Gas. Shylah blieb im Regen stehen und schaute dem Fahrzeug nach. Hinter ihr öffnete sich eine Tür und die Scheme ihrer Großmutter tauchte auf, inzwischen war es dunkel geworden.



    „Shylah – Kind, komm rein, du wirst ja patschnass!“, rief diese. Seufzend drehte Shylah sich um und trottete ins Zimmer.
    Drinnen war es warm und gemütlich. Eigentlich war Shylah gerne hier, sie mochte ihre Großeltern. Ihr Opa las ihr jeden Wunsch von den Augen ab und Oma war auch sehr lieb, wenn auch manchmal etwas ruppig. Sie schälte zog die nassen Schuhe aus und nahm dann am Esstisch Platz. Ihre Großmutter eine Suppe gekocht, wie passend zum kalten Wetter draußen.



    Seufzend dachte Shylah an ihre tollen neuen Barbies, die zu Hause lagen und darauf warteten, von ihrer Puppenmutter in die Betten gelegt zu werden. Heute mussten sie wohl draußen schlafen, in ihrer engen Spielzeugkiste, in die ihre Mutter sie bestimmt heute Nachmittag in ihrer Abwesenheit verbannt hatte.
    „Iss, Kind“, hörte sie die Stimme ihrer Großmutter und seufzend griff sie zum Löffel und ließ sich die warme Suppe schmecken. Normalerweise gab es an Dienstagen Pizza, Döner oder auch mal Pfannkuchen, weil Papa nicht besonders gut kochen konnte.



    Dienstage waren Festtage – aber der heutige war völlig in die Hose gegangen.
    Wenn Shylah dann noch an die Nonnenschule dachte, verging ihr gänzlich der Appetit.
    Und auch ihre Hoffnung von vorhin, Frau Anton könne etwas erreichen, war gänzlich verschwunden. Um die Nonnenschule abzuwenden, müsste wohl noch ein Wunder passieren.
    Und dass es die nicht gab, hatte Shylah schon lange begriffen…









    Fortsetzung folgt.

    Kapitel 4




    Shylah seufzte und sah Christina lange an. „Ich mag nicht von dir getrennt werden“, sagte sie dann langsam. Christina legte den Teddybären beiseite, an dem sie die ganze Zeit herumgezupft hatte und sah ihre Freundin aufmerksam an.



    „Meinst du, ich mag das? Aber Mama sagt, das Gymnasium kommt für mich nicht in Frage.“
    „Aber wieso denn nicht?“, erwiderte Shylah traurig. „Du bist doch so gut in der Schule, fast besser als ich. Du könntest doch wunderbar aufs Gymnasium gehen.“
    „Ich weiß nicht, wieso sie es nicht wollen, Mama und Papa“, antwortete ihre Freundin achselzuckend. „Aber es ist nun mal so, und irgendwie bin ich gar nicht so unglücklich darüber. Dann muss ich nicht so viel lernen und all sowas, du weißt schon.“
    Shylah ging ein paar Schritte und starrte zum Fenster hinaus. Regentropfen trommelten gegen die Fensterscheibe und am Horizont wurde es allmählich dunkel.



    „Aber noch ist doch noch gar nicht heraus, ob wir getrennt werden“, hörte sie die Stimme Christinas hinter sich. „Vielleicht geben deine Eltern ja doch noch klein bei und lassen dich auf die Astrid Lindgren Schule gehen.“
    Shylah seufzte. „Ich weiß nicht, ich kann´s mir nicht vorstellen, wenn ich ehrlich bin“, erwiderte sie dann langsam. „Du weißt doch, dass Devin auch aufs Goethegymnasium geht, und ich denke mal, sie wollen, dass ich das auch tu. Und noch dazu - meine Mutter findet die Vorstellung, dass ich auf diese blöde Nonnenschule in Bergbach, diese Maria Einkehr Schule, gehe, ganz toll.“
    Shylah schauderte es direkt bei der Vorstellung.
    „Bist du dir sicher, dass da immer noch echte NONNEN rumspringen?“, gab ihre Freundin zu bedenken.
    „Wenn man das glaubt, was die anderen erzählen, ja“, erwiderte Shylah, drehte sich um und ließ sich neben ihrer Freundin auf das kleine Sofa plumpsen.
    „Menno, wieso ist das alles so schwierig“, maulte Christina. „Dass die Erwachsenen sich immer so einen Kopf um so blöde Sachen wie Schulen machen müssen. Es ist doch eigentlich egal, wo man hingeht, Lernen muss man überall.“



    Shylah zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht“, sagte sie dann langsam. „Willst du nicht auch später mal Abi machen und studieren gehen?“
    „Was weiß ich denn, ich bin gerade mal elf, und du auch – das ist mir doch schnurzpiep… obwohl ich schon gerne mal Tierärztin werden würde, so wie diese Frau Doktor im Fernsehen“, schwärmte Christina.

    Shylah grinste. „Ich weiß gar nicht, was ich später mal werden will. Ich würd glaub ich gerne schauspielern oder sowas. Oder Künstlerin werden.“
    „Papa sagt immer, Künstler sind brotlos“, erwiderte ihre Freundin altklug und sah Shylah dann offenherzig an. „Aber keine Angst, Shylah, wenn du mal Künstlerin bist und ich Tierärztin, verdiene ich so viel, dass ich dir auch Brot kaufen kann.“
    Die beiden Mädchen kicherten, aber dann wurde Shylah wieder ernst. „Ich mag nicht so weit weg auf eine dieser ollen Schulen. Wo ich niemanden kenne und jeden Tag mit dem Bus fahren muss und all so was.“


    Sie schauderte bei dem Gedanken zusammen. „Ich mag bei dir bleiben und bei den anderen aus unserer Klasse.“
    „Aber vielleicht gehen noch mehr von unserer Klasse auch aufs Gymnasium“, gab Christina zu bedenken.

    „Nee, ich hab schon so viele gefragt, und die meisten gehen auch auf die ALS“, sagte Shylah. „Halt dort auf den gymnasialen Zweig, unter anderem zumindest. Sogar Mathis macht das so.“
    „Der Streber?“
    „Ja, sogar der. Und ich muss mich von blöden Nonnen nerven lassen!“, sagte Shylah wütend.
    „Ach komm, Shy, noch ist nix entschieden“, sagte Christina, sprang auf und umarmte ihre Freundin herzlich.



    „Es ist doch erst Januar und wir haben noch ein ganzes Halbjahr auf der Grundschule. Wir müssen unsere Eltern einfach ganz doll bequatschen, oder besser gesagt du deine, dass du auch auf die ALS kommst.“
    Shylah seufzte. „Ich weiß nicht, meine Mama ist da arg streng. Die hört gar nicht auf mich.“
    „Und dein Papa?“
    „Ach, Tine, du weißt doch, der ist fast nie daheim und irgendwie will der auch, dass ich aufs Gymnasium gehe.“
    Christina zog eine Schnute. „Du musst dich halt anstrengen und ganz lieb sein, vielleicht darfst du dann ja doch mit auf die ALS.“
    „Ich weiß nicht“, sagte Shylah achselzuckend. In dem Moment klingelte es an der Haustüre.
    „Das ist meine Mama“, sagte Shylah und rannte die Treppe nach unten.




    Im Flur trafen die beiden Mädchen auf Rosa Anton, Christinas Mutter, die gerade Alexandra Schuhmann die Türe geöffnet hatte.
    „Na, Shylah, hallo Christina“, sagte diese zu den beiden Mädchen. „Habt ihr schön gespielt zusammen?“
    „Ja, haben wir“, erwiderten beide wie aus einem Munde und kicherten dann.

    Alexandra blickte Frau Anton an und lächelte dann. „Ich hoffe, Shylah war brav?“
    „Aber ja, natürlich“, sagte diese lächelnd. „Wie immer, Frau Schuhmann. Und bei Ihnen, alles soweit in Ordnung?“

    „Natürlich“, erwiderte Alexandra. „Alles beim Alten, ich hoffe, bei Ihnen auch?“
    Frau Anton nickte. „Ja – nur dieses Wetter macht mich verrückt. Regen tagein, tagaus.“



    „Wem sagen Sie das…“

    Shylah warf Christina einen bedeutungsvollen Blick zu. Wie es aussah, würden sich die beiden Frauen noch etwas festschwatzen, was wertvolle Zusatzzeit für beide Mädchen bedeutete. Unbemerkt schlichen sie ins angrenzende Wohnzimmer.
    „Weißt du was, ich hab eine Idee“, verkündete Christina begeistert und beugte sich zu ihrer Freundin hinüber. „Pass auf, ich werde meinen Eltern einfach erzählen, wie gern du auf die ALS gehen würdest. Und dann kann meine Mama deine Mama überzeugen.“



    „Würdest du das echt machen?“, rief Shylah vergnügt.
    „Ja, aber psst, nicht so laut“, warnte Christina mit einem prüfenden Blick in Richtung Flur.
    „Vielleicht klappts ja.“
    „Es ist ja eh Erwachsenenkram, und deine Mutter ist so viel lockerer als meine“, erwiderte Shylah und fühlte ihr Herz hoffnungsvoll hüpfen.
    „Shylah!“, ertönte die Stimme ihrer Mutter aus dem Flur. „Wo steckst du? Wir wollen gehen!“
    „Ich muss los“, sagte Shylah schnell und rannte nach draußen. Sie warf beim Herausgehen einen verschwörerischen Blick in Richtung ihrer Freundin, die den Daumen hoch hielt.

    „Das klappt schon“, flüsterte sie.
    Schnell durchquerten Alexandra und Shylah den Vorgarten der Antons und ließen sich ins Auto fallen.



    *geht noch weiter*

    Llynya: Mh, ja, das stimmt, es ist sicher ein Teil deswegen so, dass es Alexandra so schlecht geht, dass Moritz so selten da ist und es bei ihnen so gesehen auch nicht mehr so rund läuft wie es das früher getan hat.
    Mh, ja, und ich kenne das auch, wenn der Vater viel arbeitet ;), wobei das ja ga rnicht so unnormal ist. Auf der anderen Seite glaube ich, Moritz gibt die Versprechen nicht gewissenlos, er schafft es oft einfach nur nicht, sie einzuhalten, auch wenn er sich deswegen vielleicht selbst mies fühlt später. Er ist eben sehr ehrgeizig und Alexandra geht da einfach mit. Ob sie selbst das will, weiß sie vielleicht selbst nicht so ganz.
    Danke für Deinen Kommi!



    @JaneEyre: Ach, Du hast so viel wahres und tiefsinniges und gut analysiertes geschrieben. Ja, das stimmt, Regula und Clemens sind den beiden gar nicht so unähnlich. Was das mit dem Psychiater angeht, so fürchte ich, er hat es einfach falsch angegriffen und handwerklich schlecht gearbeitet. Wenn Alexandra an einen guten therapeuten geraten wäre, würde das ganze viel einfach sein, für alle, das nehm ich an. Aber es wa rja für sie schon eine Überwindung, überhaupt jemanden zu besuchen und dann quatscht der auch noch so einen Müll, ich kann schon verstehen, dass sie die Nase voll davon hat.
    Was Moritz angeht, so denke ich, er versucht sein bestes. Er hat eben einen hohen Ehrgeiz und Ziele, die er unbedingt erreichen will. Das ist eben oberste Priorität, auch wenn er seine Familie trotzdem sehr liebt.
    Alexandra setzt die Prioritäten wohl etwas anders, nehme ich an, aber sie kann sich da auch nicht so richtig durchsetzen, denke ich. Ob sie wirklich weiß, was SIE will, bezweifle ich.
    Evtl kann das auch von den Eltern abhängen, ja - das weiß man nciht so genau. Irgendwoher kommen muss es wohl.
    Dass die Kinder nicht verwöhnt sind, stimmt auch. Sie sind zwar schon etwas an das bessere Leben gewöhnt, können sich aber auch noch über Kleinigkeiten wie neue KLeider und gutes Essen ;) freuen, das stimmt.
    DAnke für Deinen tollen Kommi!



    Rivendell: Hihi, ich glaube, alle Sims essen wie die Holzfäller oder? :D
    Ja, der Zwiespalt ist deutlich zu erkennen, das stimmt. Ich denke, Alexandra nimmt sich schon die Zeit, aber ich glaube, es ist für sie einfach so schwer, dass Moritz so selten da ist, Versprechungen öfters mal nicht einhalten kann und sie dann trösten und irgenwie alles wieder hinbiegen muss, obwohl sie selbst stinksauer ist.
    Danke für Deinen Kommi!




    Kiara:
    Schön, dass Du auch dabei bist! *freu* Ja, Du hast recht, Alexandra hat schon einen kleinen Putzfimmel. Vielleicht keinen Wahn, aber einen Fimmel, das stimmt. IRgendwie möchte sie wohl vieles unter Kontrolle haben, umso weniger gelingt es ihr.
    Was deine Meinung zum Psycholgen angeht, kann ich Dir nur zustimmen!



    @ALL: Sorry dass es mit der FS so lang gedauert hat, aber irgendwie fehlt mir gerade etwas der rote Faden, trotzdem kommt heute ein kleine, zwar unspektakuläre aber doch immer eine FS... abgesehen davon wird es in dieser FS meist nicht so spektakulär zugehen (wie bsp.weise in Tiefer" ) sondern eher ruhig und es wird sich um die zwischenmenschlichen und Gefühlssachen drehen :)

    Der Arzt nickte mit besorgtem Gesicht. „Eine sehr lange Zeit für eine derart starke Droge.“ Er machte eine Pause und sah die beiden jungen Frauen dann wieder offen an. „Ich muss Ihnen wohl kaum erklären, wie sich ein so langer und starker Drogenkonsum auf einen Körper auswirkt. Selbst ein gestärkter, gesunder Körper hätte Schwierigkeiten einen Unfall wie den heutigen zu verwinden, aber ein durch die Drogen schwer geschädigter Körper hat es ungleich schwerer.“



    Tessa schluckte und nickte. „Aber was bedeutet das, Doktor?“
    Doktor Langboldt seufzte. „Ihr Freund hat eine starke Unterkühlung erlitten und durch den Überfall, der vermutlich vorausgegangen ist, neben einigen Prellungen und harmlosen Wunden auch eine Schädigung des Dünndarms erlitten, die innere Blutungen mit sich zog. Aber wir konnten diese stillen und die verwundete Stelle versorgen.“
    Als er Tessas erschrockenes Gesicht sah, fuhr er beruhigend fort: „Das klingt weitaus schlimmer als es eigentlich ist. Ich vermute, dass die Verletzung durch einen starken Tritt oder Schlag in den Bauchraum gekommen ist. Aber es war keine schwere Blutung, man musste sie nur eindämmen. Was uns viel mehr Sorgen bereitet, ist der allgemeine Zustand Ihres Freundes. Wie Sie wissen, hat sein Herz bereits auf dem Weg ins Krankenhaus zweimal versagt. Auch in der OP selbst konnten wir ihn nur mühsam stabilisieren.“
    Tessa schluckte und sagte dann: „Das heißt, er hat etwas mit dem Herzen?“



    Doktor Langboldt schüttelte den Kopf. „Nein, nicht direkt, sein Herz ist soweit gesund, nur ist sein ganzer Körper durch den Drogenkonsum sehr ausgezehrt. War Ihr Freund zudem obdachlos, Frau Wagner?“
    Tessa schluckte erneut. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, als sie langsam nickte. Es war seltsam, aber hier, so vor dem Arzt, hatte sie fast das Gefühl, sich für diese Tatsache schämen zu müssen – nicht für Jess, sondern dafür, dass sie es nicht hatte verhindern können, weder Jess´ Drogenkonsum, noch seine Obdachlosigkeit. Was sollte dieser Mann von ihr denken, wie sie hier saß, gepflegt, in schicken Kleidern… und der Mensch, der angeblich ihr Freund und Partner war, lebte obdachlos und in völliger Armut sein Leben.

    „Ich… ich hätte es gerne anders gehabt“, stammelte sie darum wie zur Verteidigung. „Doch er wollte nicht bei mir wohnen, er…“
    „Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen, Frau Wagner“, fiel ihr der Arzt mit warmer Stimme ins Wort und sah sie gutmütig an. „Ich kenne viele solcher Fälle. Jeder Mensch ist letztlich für sich selbst verantwortlich.“
    Tessa nickte langsam und der Arzt fuhr fort: „Ich nehme also an, dass auch die Obdachlosigkeit, die mangelnde Hygiene, eine Dehydrierung, Unterernährung und alles, was dies eben mit sich ziehen kann, am schlechten Zustand von Herrn Wagner mit schuld sind. Nun – die momentane Situation ist jedenfalls die, dass er zurzeit stabil ist… dennoch kann ich Ihnen noch nicht mit Sicherheit sagen, ob er außer Lebensgefahr ist.“



    Tessa nickte und versuchte, die Informationen langsam zu verarbeiten. Jess lebte … noch. Doch die Unsicherheit blieb. Dennoch … er lebte. Der erste Kampf war geschafft, auch wenn das Kämpfen noch nicht zu Ende war.
    „Kann ich zu ihm?“, fragte Tessa unvermittelt, doch Doktor Langboldt schüttelte den Kopf.
    „Ihr Freund liegt zurzeit auf der Intensivstation und braucht viel Ruhe. Er befindet sich im Zustand tiefer Bewusstlosigkeit, Frau Wagner.“
    Tessas Augen weiteten sich angsterfüllt. „Koma?“, stieß sie hervor.

    „Nicht ganz“, erwiderte der Arzt. „Sein Körper braucht nun einfach die Ruhe und Erholung und darum ist er noch nicht zu sich gekommen und ich hoffe und erwarte das auch nicht innerhalb der nächsten zwölf bis vierundzwanzig Stunden. Medizinisch gesehen bin ich sogar recht glücklich über diesen Zustand, da es die beste Möglichkeit für seinen Körper ist, sich zu rehabilitieren. Andernfalls wäre es sogar eine Überlegung unsererseits gewesen, ihn für ein oder zwei Tage in ein künstliches Koma zu versetzen, damit sein Körper die nötige Ruhe bekommt.“
    „Und wie… stehen seine Chancen insgesamt“, fragte Tessa langsam.

    Der Arzt schüttelte langsam den Kopf. „Ich kann es nicht sagen, Frau Wagner. Alles kommt nun darauf an, wie stark er ist, wie gut er sich erholt und wie gut er kämpfen kann. Ich kann nicht sagen, wie sehr sein Körper geschwächt wurde. Sein Körper ist einfach sehr, sehr schwach… und das könnte ihm nun zum Verhängnis werden. Alles hängt von den nächsten ein bis zwei Tagen ab. Wenn er diese übersteht und sich erholt, seine Blut- und Kreislaufwerte besser werden, hat er gute Chancen.“



    Tessa seufzte leise auf. „Und wann kann ich zu ihm?“
    „Frühestens morgen“, erwiderte Doktor Langboldt. „Jetzt können Sie ohnehin nichts für ihn tun, Frau Wagner. Am besten wird es sein, Sie gehen nach Hause und schlafen eine Runde, damit helfen Sie ihm am meisten.“
    Tessa schluckte und sagte dann: „Aber ich habe noch eine Frage, Herr Doktor. Was… ich meine, was ist mit seiner Drogenabhängigkeit?“ Mit Schaudern dachte sie daran zurück, was der Entzug Jess´ Körper im Vorjahr angetan hatte. Diese Qualen würde sein nun so geschwächter Körper niemals aushalten.
    „Wir halten ihn zurzeit auf einem Ersatzmittel, um die körperlichen Entzugserscheinen zu verhindern, die er nun natürlich nicht verkraften würde“, erwiderte Doktor Langboldt langsam. „Man muss sich aber klar darüber sein, dass dies keine dauerhafte Lösung ist. Die Ersatzmittel haben zwar nicht die verheerenden Auswirkungen wie das Heroin und die anderen Drogen, die er offenbar konsumiert hat, sie haben… dennoch … auf lange Sicht, sollte er es schaffen, ist es unabdingbar, einen Entzug zu machen und von den Drogen fortzukommen…“
    Der Arzt sah Tessa ernst an. „Wenn Ihr Freund dies nicht schafft, wird er nicht mehr lange leben – selbst wenn er diesen Unfall überstehen sollte. Das muss Ihnen klar sein, Frau Wagner.“
    Tessa nickte betreten.



    „Dann wäre da noch etwas, Frau Wagner“, fuhr der Arzt fort. „Da es sich hier offenbar um eine Gewalttat handelt, mussten wir die Polizei einschalten. Diese wird sich morgen bei Ihnen melden und Ihnen vermutlich einige Fragen stellen.“
    Tessa sah ihn überrascht an. „Wieso? Ich meine… ich habe dem Notarzt doch schon alles gesagt.“
    Der Arzt nickte und sagte beruhigend: „Es klingt dramatischer als es ist. Das ist einfach ein Routinevorgang, machen Sie sich keine Sorgen. Und vielleicht findet man so schneller die Leute, die Ihrem Freund das angetan haben.“
    Tessa nickte und musste sich zurückhalten, um nicht zu verkünden, dass sie die Schuldigen vermutlich schon kannte.
    Der Arzt erhob sich und auch Tessa stand auf.
    „Oh – Frau Wagner, bevor ich es vergesse“, sagte der Arzt und wandte sich Tessa noch einmal zu. „Wir haben das hier in der Jacke Ihres Freundes gefunden.“
    Und er zog einen zerknitterten Brief aus seiner Kitteltasche und reichte ihn Tessa.



    Zitternd nahm diese den weißen Umschlag entgegen. Mit großen blauen Buchstaben war auf der Vorderseite, durch die Feuchtigkeit offenbar leicht verwischt „Für Tessa“ darauf zu lesen.
    Ihre Hände zitterten so sehr, dass sie den Umschlag kaum greifen konnte.
    „Danke, Doktor“, sagte sie leise. Dieser nickte und wiederholte dann: „Fahren Sie jetzt nach Haus, Frau Wagner. Sollte etwas Unvorhergesehenes geschehen, werden wir Sie anrufen, das verspreche ich Ihnen.“
    Tessa sah ihn unsicher an. Sie wollte nicht gehen, wollte in Jess Nähe bleiben… auf der anderen Seite merkte sie, wie schwach sie war und dass ihr Körper dringend nach Ruhe und Schlaf schrie.
    Der Arzt nickte Monika noch einmal zu und verschwand dann. Tessa starrte immer noch mit zittrigen Fingern auf den Brief in ihrer Hand. Ein Brief von Jess…
    Neben ihr erhob sich Monika und fasste sie sacht an der Schulter.
    „Tessa?“ Sie warf einen Blick auf den Brief und sah ihre Freundin dann sanft an. „Lass uns nach Haus fahren, Tessa, ja? Du bist doch fix und fertig, du musst dich ein bisschen ausruhen… und den Brief liest du wohl auch besser zu Haus. Komm, ja?“



    Tessa sah sie unschlüssig an und musste sich dann eingestehen, dass Monika recht hatte. Es machte keinen Sinn, weiterhin hier zu sitzen… wo sie ja doch nicht zu Jess konnte, ihm nicht helfen, nicht weiter für ihn da sein.
    „Gut“, sagte sie darum mit brüchiger Stimme. „Lass uns nach Haus fahren.“
    Der Brief knisterte, als sie ihn vorsichtig, als sei er zerbrechlich, in ihre Jackentasche steckte.
    Langsam gingen beide durch das Foyer und traten hinaus in die sternenklare, eisigkalte Nacht.
    Im Auto fuhr Tessas Hand immer wieder in die Tasche, ihre Finger befühlten das harte Papier. Mit einemmal wurde ihr klar, dass dies vielleicht die letzten Worte waren, die Jess jemals an sie richten würde.
    Müde lehnte sie den Kopf gegen die kalte Glasscheibe. Sie fühlte sich innerlich wund und leer.









    Fortsetzung folgt.