Beiträge von Innad

    Kapitel 61
    Jess´ letzte Worte


    Es wurde ruhig in der Stadt, als keine weißen Flocken mehr vom Himmel zur Erde sanken.
    In den meisten Fenstern erloschen die Lichter, denn es war bereits weit nach Mitternacht. Nur selten durchbrach das Geräusch eines vorbeifahrenden Wagens die Stille. Eine Stille, die eigentlich voller Ruhe und Frieden zu sein schien. Doch für Tessa war sie es nicht. Sie fühlte sich von ihr wie eingezwängt, eingeklemmt und die Luft davon abgeschnürt.
    Im Krankenhaus war kaum ein Laut mehr zu vernehmen. Nur die leise säuselnden Geräusche der Heizungs- und Belüftungsanlagen waren zu hören, sie untermalten die ohrenbetäubende Stille jedoch auf unangenehme Weise. Tessa fühlte sich schwindelig, ihre Kehle war trocken, und sie stellte fest, dass sie dringend etwas zu trinken gebraucht hätte. Doch sie wagte es nicht aufzustehen und fortzugehen, aus Angst, in genau jenem Moment könnte es Nachrichten von Jess geben.
    Sie fröstelte und schlang die Arme um ihren Oberkörper, doch auch das konnte ihr nicht die benötigte Wärme spenden. Kraftlos ließ sie ihre Hände wieder in den Schoß sinken und starrte auf die am anderen Ende des Foyers befestigte Uhr. Es war bereits fast zwei Uhr in der Nacht. Mit müden Augen warf sie einen Blick auf ihre Freundin, die der Schlaf übermannt hatte. Monika hatte sich auf der Wartebank ausgestreckt und atmete tief ein und aus.



    Für einen Moment beneidete Tessa ihre Freundin um ihren Schlaf, um diese kurze Auszeit aus der elenden Wirklichkeit, die ihr nicht vergönnt war. Denn obwohl sie sich völlig erschlagen fühlte, war sie aufgedreht und nervös wie nie zuvor im Leben und selbst wenn sie es versucht hätte, der Schlaf wäre nicht gekommen, um sie zu erlösen.
    Tessa legte sich die Hand auf ihren schmerzenden Bauch. Er zog sich zusammen und krampfte schon seit fast zwei Stunden auf unangenehmste Weise. Vermutlich war dies die Aufregung. Sie atmete tief durch, um wenigstens die Übelkeit, die sich ihrer seit einer Weile ebenfalls angenommen hatte, zu unterdrücken. Wieder fröstelte sie und schauderte heftig zusammen. Für einen Moment hätte sie am liebsten zu weinen angefangen. Sie fühlte sich krank und elend, doch was bedeutete das schon, wenn Jess irgendwo hier lag und immer noch um sein Leben zu kämpfen schien?



    „Reiß dich zusammen“, flüsterte sie sich selbst zu und nahm erneut einige tiefe Atemzüge, um die Übelkeit und den Schwindel zu unterdrücken. Sie kämpfte gegen den sehnlichen Wunsch an, sich einfach genauso wie Monika auf der Wartebank auszustrecken, die Augen zu schließen und alles, einfach alles zu vergessen – die Angst, die Verzweiflung, die Übelkeit, die Schmerzen und dieses unsägliche Gefühl von verlorener Hilflosigkeit.
    Inzwischen hatte sie es aufgegeben, nervös hin- und herzuwandern, in Zeitschriften zu blättern und auf den Fingernägeln zu kauen. Inzwischen wollte sie einfach nur noch, dass diese Zeit des ungewissen Wartens zu einem Ende kam… diese Ungewissheit schien einem die Seele zu zerreißen und macht mürber als alles andere, das sie je erlebt hatte.
    Müde und angespannt rieb sie sich über die Stirn, als sie plötzlich Schritte durch das leere Foyer hallen hörte. Sie warf einen aufmerksamen Blick zur Nachtschwester, die ebenfalls aufsah. Im selben Moment trat ein Arzt an den Tresen heran und unterhielt sich mit gedämpfter Stimme mit der unfreundlichen Schwester, die schließlich zu Tessa und Monika wies. Tessas Herz begann schneller zu schlagen.
    „Moni!“, zischte sie aufgeregt und berührte ihre Freundin an der Schulter. „Wach auf!“
    Monika fuhr hoch, sah sich einen Moment verwirrt um und murmelte dann: „Was ist?“, während sie sich aufsetzte und sich die Augen rieb.



    „Ich glaube, es gibt Neuigkeiten… ich denke, dieser Arzt da vorne ist derjenige, der uns mehr sagen kann“, erwiderte Tessa nervös.
    Monika fuhr sich durch ihr zerzaustes Haar und folgte dann Tessas Blick in Richtung des Tresens.
    „Bist du dir sicher?“
    „Ja, ich denke schon. Als er sich eben mit der Schwester unterhalten hat, zeigte diese zu uns herüber“, erklärte Tessa.

    Angespannt beobachteten die beiden den Arzt und die Schwester, die weiter in gedämpften Ton miteinander sprachen. Dann endlich, nach einer schieren Ewigkeit, drehte der Arzt sich um und blickte die beiden jungen Frauen an.
    „Er kommt her!“, sagte Tessa aufgeregt. Monika drückte kurz ihre Hand.
    „Es wird bestimmt alles gut gegangen sein“, flüsterte sie beruhigend.



    Tessa sprang auf, als der Arzt auf sie zukam und Monika tat es ihr gleich.
    „Frau Wagner?“, erhob der Mann die Stimme und sah beide fragend an.
    Tessa nickte. „Ja, das bin ich… haben… haben Sie Neuigkeiten von meinem Freund? Wie geht es ihm… lebt er?“
    Angespannt starrten beide junge Frauen den Arzt an.



    „Mein Name ist Doktor Langboldt. Ich habe Herrn Wagner operiert“, erklärte der Arzt und sah Tessa dann an.
    „Frau Wagner“, begann er zögerlich. „Ich… denke, wir sollten uns setzen.“
    Tessa hatte für einen Moment das Gefühl, man zöge ihr den Boden unter den Füßen fort.
    War Jess tot? War der Arzt darum so ernst, so besorgt, so zögerlich?
    „Oh bitte… bitte nicht…“, flüsterte sie.


    „Komm, Tessa, setzen wir uns“, hörte sie Monikas sanfte Stimme. Gemeinsam setzten die drei sich auf die Wartebänke.
    „Frau Wagner… Sie sagten, Sie seien die Freundin von Herrn Berger?“
    Tessa starrte den Arzt irritiert an. „Ja… ja, das hab ich vorhin ja schon Ihrer Kollegin gesagt…“
    „Gut, Frau Wagner. Sie wissen, dass wir normalerweise nur engen Angehörigen Informationen geben dürfen… Eltern, Geschwistern, Ehepartnern…“
    „Aber Jess hat weder das eine noch das andere“, erwiderte Tessa aufgebracht. Sollte sie nun schon wieder dieselbe Diskussion führen müssen wie Stunden zuvor?




    Doch der Arzt nickte zu ihrer Überraschung zustimmend. „Ja, ich weiß – wir haben bereits mit der Polizei gesprochen, die uns Ihre Angaben bestätigt hat. Es gibt keine Verwandten oder Angehörigen mehr – außer Ihnen.“
    Tessa nickte. „Ja… niemand außer mir. Also bitte ich Sie – sagen Sie mir, was mit Jess ist. Wie geht es ihm? Lebt er noch?“
    Der Arzt sah sie ernst an, dann nickte er langsam.
    „Ja, Frau Wagner, Ihr Freund lebt.“
    Tessa hatte das Gefühl, ein Zentner an Steinen fiele von ihrem Herzen. Dennoch konnte sie sich nicht freuen, die Angst hatte sie noch zu fest im Griff.
    „Und wie geht es ihm?“, fragte Monika behutsam. „Wie ist sein Zustand?“



    „Ernst“, erwiderte der Arzt langsam und sah Tessa dann offen an. „Frau Wagner… wie lange konsumiert Ihr Freund schon Heroin?“
    Tessa schluckte. „Ich… bin mir nicht sicher“, sagte sie dann langsam und versuchte sich zu erinnern, was Jess ihr bei ihrem ersten Treffen gesagt hatte. Ihr Kopf schien auf unerklärliche Weise fast wie leergefegt und hilflos sah sie Monika an.
    Diese sagte sanft: „Ich glaube, du hast einmal gesagt, als ihr euch kennenlerntet, waren es ein paar Monate… kann das sein?“
    Jetzt erinnerte sich auch Tessa wieder an Jess´ Worte damals im Café. „Ja“, stimmte sie darum zu und wandte sich wieder an den Arzt. „Ich denke, inzwischen dürften es mindestens anderthalb, wenn nicht eher zwei Jahre sein…“


    *geht noch weiter*

    Josijusa: Ach, das freut mich aber, dass Du diese "Es passiert nicht viel"-Kapitel magst, ich mag sie nämlich auch, und unser Leben ist ja auch gar nicht immer nur voller "Action". Das mit dem Warten stimmt... es ist egal, wie sehr man sich abzulenken versucht... irgendwie klappt es nicht. Ich hab sowas gottseidank nie in der extremen Form erleben müssen, aber ich kann es mir gut vorstellen und habe versucht, es dementsprechend umzusetzen.
    Danke für Deinen lieben KOmmi!




    LiPaLady
    : Wow, das macht mich echt stolz, dass Du Dir alles durchgelesen hast. Ich hab das neulich selbst mal versucht und bin nach wenigen Kapiteln gescheitert, es war einfach zu viel. Umso schöner, dass Du nun auf dem aktuellen Stand bist! Ich hab ja nie gesagt, dass ich Jess wirklich rausschreibe und einige meiner Leser/innen haben mir das glaub auch nie recht abgekauft, dass er nicht doch noch zurück kommt! :)
    Ob er nun allerdings dauerhaft dabei sein wird, verrate ich nicht...!
    Danke fürs Mitlesen und Deinen tollen Kommi!



    Llynya: Dass Du das mit den Bildern sagst, find ich toll. Ich war mir da auch recht unsicher, eben wegen der tristen Atmosphäre. Und gerade in den Objekten, die ich so zur Verfügung hatte, gibt es sehr wenig, das in ein Krankenhaus von der Kulisse her passt :cool:
    Aber das triste ist da wohl auch das bedrückende. Den geruch kann man sich richtig mit vorstellen *grausel*
    Ob Tessa im nächsten Kapitel aber zu Jess darf, lass ich mal dahin gestellt. Es kommt ja drauf an, wie es ihm geht, was er macht usw.......
    Also, abwarten :) Und danke für Deinen Lieben Kommi!



    @Dani04: Wie schön, Dich wieder zu lesen! Ja, ich weiß, dass Du mich wegen Jess gebeten hattest, aber da er ja erstmal nur "kurz" wieder zurück in die Story kommt (ohne damit sagen zu wollen, dass er jetzt stirbt), hab ich Dich nicht benachrichtigt, aber ich hab ja neulich im ICQ gefragt, ob Du noch mitliest und darum nix verraten :roftl Ja, stimmt, tessa erlebt ähnliches wie Allie, auch wenn die Vorgeschichte natürlich anders ist. Aber es hat einen ganz gewissen Grund, dass das so ist.
    Wegen der Intensivstation - hihi, ich weiß auch nicht, warum, das ist echt Zufall bisher. Eigentlich find ich Krankenhäuser ja total grausig und mit Intensivstationen kenn ich mich glücklicherweise nicht aus.
    Dass Jess nun das hier zugestoßen ist, hat einen ganz gewissen Grund und das Krankenhaus und die IS sind sozusagen nur Begleiterscheinung.
    :rollauge
    Danke für Deinen Kommi!

    Diese FS hat mir super gut gefallen, meine liebe Lylnya! Ich mag Lina einfach gerne und fürchte, die Lina-FS werden es mir in Zukunft immer mehr antun als die anderen, auch wenn ja alle gut sind :rolleyes Ich bin parteiisch :D


    Dass Lina jetzt aufgefallen ist, dass sie sehr viel noch nicht gelernt hat von Adera, gerade was außerhalb der kleinen Welt im Wald, in der beide jahrelang lebten, stattfindet, ist mir auch erst beim Lesen so richtig klar geworden. DAs macht es Lina natürlich nicht leichter, sich nun alleine durchzuschlagen.


    Ich finde es fast ein bißchen verwunderlich, dass Adera da so "leichtsinnig" war. Ich meine, sie war ja schon zu Linas Geburt oder bzw. als sie diese aufgenommen hat nicht mehr die Allerjüngste und hatte eigentlich ja damit rechnen müssen, evtl. nicht mehr sooo lange zu leben, zumal die geschichte ja auch in einer Zeit spielt, in der alte Menschen noch nicht so alt wurden wie hier und heute und in der die Gesundheit sehr schnell und plötzlich dahingerafft werden konnte, weil einfachste Krankheiten schon reichten, einen Menschen letztlich zu zerstören.


    Also fand ich es schon etwas seltsam, dass Adera da offenbar so wenig Vorkehrungen getroffen hat, um Lina im Schlimmstfall auch in der "normalen" Welt nicht völlig ausgeliefert und hilflos sein zu lassen.


    Dass sie Lina also nie mit ins Dorf genommen hat usw. lässt mich darauf schließen, dass Lina vielleicht schon immer ihr Geheimnis war und die Menschen im Dorf gar nichts von ihr wussten? Kann das sein? Auf der anderen Seite hat Adera im ersten KApitel ja erwähnt, dass manchmal Menschen aus dem Dorf zu ihr kommen, um sie in Gesundheitsbelangen um Rat zu fragen. Dann hätten diese Lina ja auch sehen müssen. Hm... ich bin gespannt, was von beiden Thesen der Wahrheit entspricht.


    Nun wandert Lina also alleine durch den Wald und begegnet den Räubern. Ich denke nicht, dass sie ihr etwas antun, oder? Sie werden schnell begreifen, dass es bei ihr nichts zu holen gibt und scheinen mir trotz ihrer Diebestäterei ja gar nicht so üble Menschen zu sein.


    Ich bin gespannt, wie es weitergeht und ob Lina sich ihnen evtl anschließt?

    Wiedermal eine schönen FS, auch wenn nicht so arg viel passiert ist, aber das muss es ja auch geben!


    Ich bin gespannt, was die Königin und der König jetzt besprechen werden und um was es Sinterius genau geht! :eek:


    Dass sich Herr Seedner und Co. nun auf den Weg gemacht haben, finde ich auch gut - vielleicht bekommt man nun mehr darüber heraus, wie es sein konnte, dass sie in diese Welt geraten sind. Und da wäre ja auch noch die alte Frau aus dem Wald, von der man noch nicht viel weiß... was hat sie mit alledem zu tun?


    Zurzeit blicke ich da noch gar nicht durch, offengesagt :) Umso gespannter bin ich auf die nächste FS! :applaus

    Doch auch sie erhob sich und während Monika um die Ecke verschwand, um sich eine Tasse Kaffee zu besorgen, ging sie nervös auf und ab. Ihre Schritte hallten im leeren Foyer auf und ab. Als die Nachtschwester ihr irgendwann einen mürrischen Blick zuwarf, setzte Tessa sich wieder und griff verzweifelt nach einer der herumliegenden Zeitschriften. Sie starrte auf die bunten Bilder von Stars und Sternchen, die sich in Escada, Gucci und Dior auf irgendeinem der etlichen roten Teppiche der Weltgeschichte im Blitzlicht gebadet hatten und nahm nichts davon wirklich wahr. Immer wieder ging ihr der Satz durch den Kopf, der für sie inzwischen wie eine Verbindung zu Jess geworden war... „Geh nicht!“.



    Schließlich kam Monika mit einem Becher heißen Kaffees zurück und setzte sich neben ihrer Freundin auf die Bank. Tessa warf die Zeitschrift entnervt zur Seite und trommelte nervös mit den Fingern auf ihren Beinen, während Monika in stoischer Ruhe ihren Kaffee trank.
    „Wieso dauert das nur so lange?“, rief Tessa aus und sah Monika an. „Was machen die nur mit ihm?“
    Monika sah sie ruhig an und sagte: „Du musst Geduld haben… wir können nichts tun als zu warten…“
    „Aber ich will bei ihm sein, Moni!“, rief Tessa und ignorierte den warnenden Blick der Schwester. „Ich… halte das nicht mehr aus!“




    Monika stellte den Becher zur Seite und griff sanft nach Tessas Hand.
    „Tessa – hör mir zu. Wir können gerade nichts für ihn tun, außer zu hoffen, zu beten und hier zu warten. Du musst jetzt stark sein, stark für Jess und für dich selbst. Also bitte beruhige dich, bevor dieser Drache da hinten uns noch rausschmeisst.“
    Sie deutete auf die Nachtschwester, die grimmig herüber blickte.
    Monikas ruhige Nüchternheit entspannte Tessa, sie lächelte gequält und nickte.
    „Du hast ja recht… ich wünschte nur, ich könnte mehr tun als nur hier zu sitzen...“. Tessa sprang wieder auf und ging - bedacht auf besonders leise Schritte - erneut auf und ab.
    „Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben", sagte Monika und sah sie ernst an.




    Tessa nickte und setzte sich langsam wieder zu ihr auf die Couch. Monika griff erneut nach ihrem Kaffee und trank ihn langsam aus. Dann ging sie den Becher zurück bringen und Tessa sah ihr seufzend nach.
    Draußen hatte es aufgehört zu schneien. Nachdenklich blickte Tessa aus dem Fenster und dann schweiften ihre Augen durch das Foyer und über die Decke. Irgendwo hier lag Jess und kämpfte um sein Leben.
    Seufzend griff sie erneut nach der Zeitschrift. Es würde eine lange Nacht werden.








    Fortsetzung folgt.

    Nun trat Monika nach vorne und legte die Hand auf Tessas Schulter. Diese fürchtete schon, sie würde ihr nun dasselbe sagen, doch stattdessen sah sie die Ärztin fest an und sagte: „Ich denke, wir sollten hier bleiben. Soweit ich das verstanden habe, steht es nicht allzu gut um Herrn Berger und wenn wir jetzt fahren, wird sich meine Freundin das nie verzeihen können. Verstehen Sie das denn nicht? Es könnte jede Sekunde zählen – denn es könnte die letzte sein. Oder irre ich mich etwa und er ist in einem derart stabilen Zustand, dass diese Sorgen unbegründet sind?“
    Die Ärztin seufzte und schüttelte den Kopf. „Nein – nein, ich fürchte nicht.“



    Tessa sah sie flehend an. „Wenn Sie noch mehr wissen, so sagen Sie es doch bitte… Sie brauchen uns nicht zu schonen, weil die Wahrheit zu bitter ist… ich… ich möchte nur wissen, wie seine Chancen sind. Sie sagten, er wird operiert? Wieso wird er operiert? Am Unfallort sagte man, er sei nur stark unterkühlt…“
    Die Ärztin nickte. „Ja – das auch… er hatte mehrere Herzstillstände und wir haben festgestellt, dass er offenbar innere Blutungen hat… darum musste er in den OP.“
    Tessa schluckte. Ihre Kehle war so trocken wie ein Stück Sandpapier. Das Schlucken tat regelrecht weh. Sie hatte auf dem Herweg eigentlich gedacht, es könnte kaum schlechter für Jess stehen… aber nun war sogar von inneren Blutungen die Rede. Woher sollten diese nur kommen.
    „Wird… er es denn schaffen?“, flüsterte sie leise.



    Die Ärztin seufzte. „Ich kann es Ihnen nicht sagen, Frau Wagner… ich habe ihn nur aufgenommen und sofort an meinen Kollegen übergeben, der ihn nun auch operiert. Es stand nicht allzu gut um ihn, aber ich habe auch schon schlimmere Fälle gesehen. Sie müssen jetzt einfach warten und hoffen.“
    Sie kratzte sich am Kopf und deutete dann in Richtung der Besucherecke am anderen Ende des Foyerflügels. „Wenn Sie unbedingt hier warten möchten, dann tun Sie das. Sie können da vorne Platz nehmen. Ich sage im OP Bescheid, dass Sie hier sind. Sobald man mehr weiß, wird man Sie informieren.“
    Tessa nickte dankbar und ging gemeinsam mit Monika langsam in Richtung der Besucherecke. Es war still im Krankenhaus. Auch die Ärztin verschwand und nun war niemand mehr zu sehen, außer der mürrischen Nachtschwester, die anstatt der Ärztin am Tresen Platz nahm, Tessa und Monika jedoch keines Blickes würdigte.
    Die beiden jungen Frauen saßen eine Weile schweigend nebeneinander. Draußen fiel weiterhin sanft der Schnee zu Erde.
    „Was ist eigentlich genau geschehen?“, durchbrach Monikas Stimme irgendwann die Stille.



    Tessa schüttelte den Kopf, fast so, als wolle sie das, was sie erlebt hatte, immer noch nicht begreifen. „Ich weiß es nicht genau“, erwiderte sie dann leise. „Ich… bin nach unserem Essen nach Haus gegangen und sah von weitem, dass da etwas lag… jemand… dachte zuerst, ein Obdachloser… Betrunkener… doch dann realisierte ich, dass es Jess war… er lag da… halb erfroren im Schnee… reglos…“
    Sie schwieg einen Moment und sah Monika lange an. Sie sah, wie sich die Erinnerung in ihrem Gesicht zeigte, die Erinnerung an eine ganz ähnliche Nacht vor langer Zeit…
    „Ich… die Eberts kamen nach draußen, als ich um Hilfe rief… und dann hab ich den Notarzt gerufen… sie kamen und schoben Jess in den Krankenwagen… dann irgendwann schien etwas nicht mehr zu stimmen… sein Herz… es… hörte einfach zu schlagen auf…“
    Tessas Stimme zitterte. „Ich weiß nicht so recht, was dann war… ich war wie in einen Nebel gehüllt. Offenbar haben die Eberts mich nach drinnen gebracht. Ich… ich dachte wirklich, er sei tot…“, flüsterte sie und sah Monika wieder an. „Aber dann erfuhr ich, dass er es nicht war… und hab ich angerufen… mehr weiß ich auch nicht.“



    Monika nickte und schwieg erneut eine Weile. Die Stille im Krankenhaus schien erdrückend zu sein, wie ein schweres Tuch, das sich um beide hüllte und ihnen die Luft abschnüren wollte.
    „Die Ärztin sagte, er sei verschlagen worden“, sagte Monika nach einer Weile. „Glaubst du das auch?“
    Tessa sah sie überrascht an und bemerkte dann erst, dass sie nichts von Jess´ Aussehen erzählt hatte, das Bände sprach. „Ja, auf jeden Fall“, nickte sie dann. „Er wurde ganz offensichtlich verprügelt… er sah furchtbar aus…“
    Sie atmete tief ein. „Es waren bestimmt diese Hellows, diese Schweine!“ stieß sie dann aus, und stellte fest, dass dies der erste klare Gedanken an diesem Abend zu sein schien.
    „Aber wieso ist er nur zurückgekommen?“
    Fragend sah sie Monika an. „Wieso hat er sich in solche Gefahr gebracht?“




    Monika erwiderte nichts und sah Tessa nur ratlos an. „Ich weiß es nicht…“, sagte sie dann langsam. „Ich weiß es wirklich nicht…“
    Wieder verfielen beide in Schweigen. Tessa spürte, dass sie fror, aber sie ignorierte es. Draußen fuhr ein Auto vorbei, das dumpfe Motorengeräusch durchbrach die Stille für wenige Sekunden auf angenehme Weise. Tessas Blick schweifte aus dem Fenster. Es waren noch einige Fenster der Hochhäuser erleuchtet. Sie dachte daran, welche Menschen wohl dahinter sein mochten… die meisten von ihnen waren wohl gefangen in ihrem Alltag, sie gingen vielleicht gerade zu Bett, putzten sich die Zähne, schauten sich einen Film im Fernsehen an, vielleicht küssten sie sich gerade oder stritten sich… vielleicht suchten sie in Chaträumen nach neuen Bekanntschaften, lasen ein gutes Buch oder die Zeitung…
    In diesem Moment spürte Tessa, dass sie Welten dafür gegeben hätte, in den Alltag dieser Menschen eintauchen zu können… zu tauschen… sie wäre gerne dort gewesen, hinter einem dieser Fenster… gemeinsam mit Jess… was hätte sie gegeben, um sich dort mit ihm zu streiten oder sich neben ihm die Zähne zu putzen…
    Für einen Moment entschwand er aus ihren Gedanken… und sie dachte daran, dass auch sie noch vor weniger als vierundzwanzig Stunden in diesem Alltag gesteckt hatte… zwar alleine, aber doch im Alltag… vermutlich hatte sie sich vierundzwanzig Stunden zuvor gerade selbst die Zähne geputzt, sich über die Flecken auf dem Badezimmerboden genervt, die sie nicht schon wieder wegwischen wollte oder über einen schlechten Witz der Late-Night-Show gelacht, die sie sich meist anschaute…



    Plötzlich tauchte eine Erinnerung in ihr auf… wie aus dem Nichts sah sie sich wieder in jener lauen Sommernacht im Auto sitzen, gemeinsam mit Niklas, der damals noch – wie sie heute feststellen musste – der Mittelpunkt ihrer Welt gewesen zu sein schien, ihr Freund, ihr Mentor, ihr Vertrauter, ihr großes Vorbild und vermutlich auch eine heimliche, stetige Liebe… sie hatten dort gesessen und waren durch die Nacht gefahren und wie waren ihre unbedachten Worte zu ihm gewesen in jener Sommernacht?

    In meinem Leben ist zur Zeit einfach keine Abwechslung. Es plätschert einfach nur so vor sich hin. Und ich warte darauf, dass etwas entscheidendes passiert. Ich wünschte nur, mein Alltag wäre irgendwie… inniger… lebendiger.“
    Und auch an Niklas Worte erinnerte sie sich, als stände er in diesem Moment neben ihr und flüsterte sie ihr zu: „Aber Alltag ist doch nicht schlechtes. Schlag dir diesen Traum von einem entschiedenen, welterschütternden Ereignis aus dem Kopf, so etwas geschieht nur zu selten und ist meistens nichts positives. Normalität bedeutet Stabilität und Beständigkeit und das ist etwas sehr gutes, Tessa.“



    So wenig sie ihm heute auch recht geben mochte… sie wusste, dass seine Worte der Wahrheit entsprochen hatten, auch wenn niemand von ihnen an jenem Abend geahnt hätte, wie viel Gewicht diese lose dahin geworfenen Sätze eines Tages für Tessa haben würden.
    Sie erinnerte sich an jenen Tag nur wenig später, als sie Jess getroffen hatte… und angefangen hatte, ihn zu lieben… und es kam ihr vor, als springe sie in einen Strudel, der sie hinab zog, immer tiefer und tiefer.
    Sollte das wirklich alles gewesen sein? Sollte das Ende, das sie sich heimlich gewünscht hätte in den letzten Wochen, jener dringend benötigte Abschluss heute und hier geschehen? Sollte es wahrhaftig vom Schicksal so geplant sein, dass sie Jess nur wiederfand, um ihn erneut und diesmal für immer zu verlieren?
    Sie schloss die Augen und sah sein Gesicht vor sich auftauchen. Fast meinte sie, ihn sprechen zu hören, ihn zu fühlen, ihn zu spüren. Ein Gedanke ging in ihrem Kopf hin und her, ohne Unterlass, er wurde fast zu einem Mantra.
    „Geh nicht, Jess … geh nicht… geh nicht…“



    Sie wusste nicht, wie lange sie dort saßen, schweigend, unbeweglich. Irgendwann stand Monika auf und sagte: „Ich brauch einen Kaffee, Tessa. Willst du auch einen haben?“
    Tessa schüttelte den Kopf. „Nein, danke- Moni…“



    *geht noch weiter*

    Kapitel 60
    Geh nicht!






    Schweigend fuhren die beiden jungen Frauen durch die Nacht. Es hatte immer noch nicht zu schneien aufgehört, einzelne Eiskristalle verfingen sich auf der Scheibe und wurden alle paar Sekunden hartnäckig von den quietschenden Scheibenwischern des kleinen Wagens zur Seite gewischt und verklumpt und achtlos von ihm auf die Straße geworfen.
    Tessas Hände krampften sich in ihrer Hose fest. Sie warf Monika einen kurzen Seitenblick zu, doch diese war zu sehr darauf konzentriert, den kleinen Wagen so schnell wie möglich aber so sicher wie nötig durch die Straßen zu lenken. Hin und wieder fuhren andere Wagen an ihnen vorbei, einmal eines voller Jugendlicher, aus den Bassboxen dröhnte laute Musik und die kichernden Mädchen auf dem Rücksitz winkten den beiden Insassinnen des weißen Kleinwagens amüsiert zu, als ob man sich kennen würde.
    Tessa musste unwillkürlich daran denken, wie sie früher mit ihrer Clique an Freitagabenden kichernd und bei lauter Musik in die Discotheken gefahren war, oft erst zu später Stunde. All das schien Jahrtausende her zu sein.
    Endlich tauchte das Krankenhaus auf und Monika parkte den kleinen Wagen direkt neben dem Eingang, wo glücklicherweise ein Parkplatz frei war.



    Dann blieben beide einen Moment regungslos sitzen. Tessa schluckte schwer. Sie schien sich kaum bewegen zu können, ihre Glieder erschienen ihr fast wie gelähmt. Sie wusste, dass sie dort drinnen vermutlich eine furchtbare Nachricht erwarten würde. Eine Nachricht, die sie irgendwie würde verkraften müssen… oder erwartete sie vielleicht doch Hoffnung? Was verbarg sich hinter diesen Wänden? Leid oder Freude?
    So sehr sie sich die ganze Zeit hierher gesehnt hatte, so sehr sie Monika die ganze Zeit am liebsten zum Beschleunigen gedrängt hatte, so widersprüchlich waren ihre Gefühle in diesem Moment. Einen Augenblick verspürte sie sogar den Impuls, wieder umzudrehen und fortzufahren… egal wohin, nur weg – weit weg von der Wahrheit, die sie hier warten würde, jener Wahrheit, auf die sie so lange gewartet und mit der sie nicht mehr gerechnet hatte… doch sollte es wirklich so sein?
    Auch Monika schien wie angewurzelt, hatte die Hände weiterhin auf dem Lenkrad liegen und sprach kein Wort. Das hatte sie die ganze Zeit nicht getan.


    Schließlich war es aber doch sie diejenige, welche die Stille durchbrach und fest sagte: „Wir müssen reingehen, Tessa.“
    Sie sah ihre Freundin an. Tessa fiel auf, dass auch Monika blass und erschrocken aussah, fast als durchlebe sie etwas, das sie schon fast vergessen hatte, erneut. „Wenn wir hier draußen bleiben, ändert das auch nichts. Meinst du, dass du es schaffst?“ Ihre Stimme klang sanft.
    Tessa nickte. „Ich muss. Für Jess…“
    Monika nickte und gemeinsam öffneten sie die knarrenden Autotüren.


    Tessa blieb für einen Moment stehen und atmete die eiskalte, klare Luft tief ein. Dann schob sie all ihre Angst beiseite. Sie musste jetzt zu Jess – wo immer er auch sein mochte…
    Ihre Beine setzten sich fast wie von selbst in Bewegung, als seien auch sie aus der Starre, die Tessa eben noch fest umklammert gehalten hatte, erwacht.
    Monika folgte ihr, gemeinsam rannten sie auf den Haupteingang der Klinik zu. Der inzwischen knöcheltiefe Schnee knirschte unter ihren Schuhen und stob zu ihrer Rechten und Linken auf, als sie ihn durchquerten.


    Gemeinsam betraten sie das Krankenhaus. Der sterile Geruch schlug ihnen sofort in die Nase, doch sie ignorierten ihn alle beide. Tessa war als erstes an dem Empfangstresen auf der linken Seite des großen Foyers angekommen. Dort saß gerade eine Schwester oder Ärztin und sah einige Akten durch. Es war still in der Klinik, das große, mächtige Gebäude schien regelrecht zu schlummern.
    Atemlos blieb Tessa vor dem Tresen stehen und wartete, bis die Ärztin aufsah und freundlich fragte, ob sie ihnen helfen könne.
    „Ich hoffe“, erwiderte Tessa mit zittriger Stimme und warf Monika einen hilfesuchenden Blick zu, die ihr aufmunternd zu nickte. „Es geht um meinen… meinen Freund… er ist vor kurzem hier eingeliefert worden…“


    Die Ärztin erhob sich und kam auf die beiden jungen Frauen zu.
    „Sein Name ist Jess Berger“, fügte Tessa rasch hinzu.
    Die Frau nickte. „Ja, ich weiß, von wem sie sprechen – ich war dabei, als er eingeliefert wurde. Aber sie sind beide keine Verwandten, nicht wahr?“
    Tessas Herz sank. Die Bürokratie hätte sie fast vergessen. Vage meinte sie sich daran erinnern zu können, dass man normalerweise nur Verwandten Informationen über Unfallopfer gab. Aber Jess hatte keine Verwandten mehr… sie war die einzige Person, die noch in irgendeiner Verbindung zu ihm stand.
    „Nein“, sagte sie darum wahrheitsgemäß und sah die Ärztin fest an. „Zumindest wohl nicht in dem Sinne, den Sie meinen dürften.“


    Die Ärztin seufzte und schüttelte bedauernd den Kopf. „Wir dürfen nur Verwandten genaue Auskunft geben. Wenn Sie mir sagen, wenn ich noch benachrichtigen könnte…?“
    Tessa seufzte und schüttelte den Kopf. „Niemanden“, erwiderte sie. „Es gibt niemanden außer mir. Er hat keine lebenden Verwandten mehr. Er ist schon lange Waise und hatte nur noch eine Großmutter, aber auch diese ist vor mehr als einem Jahr verstorben.“
    Sie sah die Ärztin offen an. „Sie können von mir aus auf der Polizei anrufen oder sonst wo und seine Personalien überprüfen lassen… Sie werden feststellen, dass ich die Wahrheit sage. Er hat niemanden mehr außer mich. Ich bin die einzige Person, die noch in irgendeiner Verbindung zu ihm steht.“
    Argwöhnisch blickte die Ärztin sie an. „Sind Sie sicher?“
    Tessa spürte, wie ihre Geduld an ihre Grenzen stieß. Sie wollte endlich wissen, was mit Jess war! Lebte er noch, wie ging es ihm, wie standen seine Chancen? Vielleicht würde sie nur noch wenige Minuten haben, um ihn wenigstens noch einmal zu sehen, ihn zu sprechen oder ihn zu berühren… und sie verplemperte hier ihre Zeit mit dieser elenden Bürokratie, nutz- und zwecklos.
    „Ich sage es Ihnen, es ist die Wahrheit!“, sagte sie ärgerlich und funkelte die Ärztin an. „Jess hat keine Verwandten mehr! Wenn Sie mir also nichts sagen, wird niemand anders mehr kommen, um nach ihm zu fragen… es gibt einfach niemanden mehr!“


    Die Ärztin schluckte. „Wie ist Ihr Name?“ fragte sie dann.
    „Theresa Wagner. Ich hab ihn auch gefunden und den Notarzt gerufen“, erwiderte Tessa.
    „Und Sie?“
    Die Ärztin blickte Monika fragend an.
    „Ich bin nur Tessas Freundin“, erklärte diese. „Ich bin nur mitgekommen, um ihr Beistand zu leisten.“
    Die Ärztin ging zurück zum Tresen und sah sich eine Akte an, dann nickte sie. „Sie scheinen die Wahrheit zu sagen, zumindest hat der Notarzt hier genau die gleichen Angaben eingetragen wie Sie mir sagten.“
    Tessa hätte am liebsten aufgestöhnt und sarkastisch erwidert, dass der Notarzt die Details über Jess´ Identität schließlich nicht im Internet recherchiert sondern von ihr selbst erfahren hatte, aber sie schwieg und nickte nur.
    „Herr Berger ist gerade noch im OP“, erwiderte die Ärztin. „Ich kann Ihnen nicht viel mehr sagen, da mein Kollege den Fall übernommen hat. Aber ich werde ihm Bescheid geben, dass Sie sich nach Herrn Berger erkundigt haben und wir könnten Sie dann anrufen…“
    Tessa schüttelte den Kopf. „Nein – nein, ich will hier warten! Ich… ich möchte sofort zur Stelle sein, falls…“
    Sie schluckte und sagte dann leise: „Fall er es nicht schafft…“



    Die Ärztin wehrte jedoch ab. „Frau Wagner – es kann Stunden dauern, bis wir genaueres wissen. Sie sollten nach Haus gehen und eine Runde schlafen..“


    *geht noch weiter*

    Boah - so viele tolle Kommis!!! Ich bin echt happy, dass ihr so begeistert mitlest! Das tut gut! :)


    Josijusa: Danke, dass Du Dir trotzdem die Zeit genommen hast für den Kommi, das freut mich ganz besonders! :) Und er war trotzdem so lang! Die Wohnung der Eberts gefiel mir auch sehr gut, und das, obwohl sie fast nur aus MAxis-Sachen bestand :) Danke für deinen lieben Kommi!




    Kiara:
    Ich hab eigentlich nie daran gezweifelt, dass Du noch mitliest, ich merke ja selbst, dass Du weniger im Forum bist, auch an Deiner eigenen wundervollen Geschichte, und ich hoffe, dass das RL Dich nur in positiver Hinsicht so sehr einnimmt!


    Dennoch hast Du Deine berüchtigte Spürnase nicht verloren, aber ob Du diesmal richtig liegst (hihi, das erinnert mich an 1-2 oder 3 von früher... :D), verrate ich nicht. Du sagst, Du glaubst, wir nähern uns langsam dem Ende der Geschichte - mh, ja... allmählich schon, wenn man sich die Gesamtzahl der Kapitel anschaut zumindest schon... aber WIE nahe wir wirklich sind, ist noch mein kleines, süßes Geheimnis... jedenfalls kann ich Dir und Euch versichern, dass Ihr mich noch ein Weilchen ertragen müsst :D


    Deine Theorie, wie es jetzt weitergeht, ist wirklich recht hart, aber durchaus schlüssig, zugegeben, nur ob sie auch zutrifft, lass ich mal noch offen. Du hast ja von Anfang an die Vermutung gehabt, dass die Geschichte um Jess und Tessa nicht gut ausgehen wird.


    Danke für Deinen lieben und so spürnasentypischen Kommi, liebe Kiara *winke*




    arni
    : Dass Du am Text hingst, ist ein riesiges Kompliment für mich, da der mich auch am meisten interessiert *gg*
    Was Joshua angeht - Du schreibst, evtl würde Tessa lieber geben denn nehmen. DAs kann sogar sein, ja. Aber ich glaube, dass sie ihn abgewiesen hat, hing wirklich noch zu sehr daran, dass Jess noch zu präsent war... ich meine, es war ja auch erst ein gutes halbes Jahr oder so vergangen und wenn man jemanden wirklich liebt, ist das nicht so arg viel Zeit, um ihn aus dem Herzen zu verbannen... das dauert womöglich Jahre und wie schon mehrfach ja auch erwähnt wurde, fehlte Tessa bisher ja der Abschluss der ganzen Sache mit Jess... sie hatte ja immer noch die vage Hoffnung, er könne zurückkehren, was sich nun ja auch wirklich bestätigt hat.
    Was ist mit Jess, das ist die große Frage. Dass Tessa nicht auch ins Krankenhaus kam, lag übrigens daran, dass sie keinen "echten" Zusammenbruch hatte, sondern einfach ein bißchen schwummrig geworden ist und die alten Leute sie direkt ins Haus brachten, bevor es soweit kommt und so lange ihre Beine sie noch getragen haben. Es gibt ja Zustände, in die man kommt, die noch ein Stück von einer "Ohnmacht" entfernt sind, aber in denen man schon durchaus nicht mehr wirklich "online" ist sozusagen.


    Wieso Jess dort aufgetaucht ist, das ist natürlich auch eine riesige Frage, die sich Tessa auch noch stellen wird, sobald sie wieder klarer denken kann. Ist er aus Liebe zurückgekommen oder eher aus Verzweiflung?
    Und selbst wenn er überlebt und Kiara nicht recht haben sollte mit ihren Gedankengängen... gäbe es noch eine Chance?
    Was Du über das Krankenhaus und die Möglichleiten, die er dort hätte, geschrieben hast, ist durchaus nicht falsch. Nur wird er sie nutzen, falls er wirklich überleben sollte?


    Ich verspreche Dir - alle Fragen werden sich noch klären!
    Danke für Deinen lieben Kommi! (eigentlich waren´s ja sogar zwei!)





    cassio:
    Ja, ich gebe dir recht, wenn er jetzt sofort gestorben wäre, das wäre wohl etwas zu fix gegangen. Aber ich habe ja oft angedeutet, dass Tessa dringend einen Abschluss bräuchte, um weiterleben zu können- Sozusagen um das, was sie angefangen hat, weiterzuführen und in die Konsequenz zu bringen, nach einer gewissen Zeit der Trauer natürlich.
    Das soll nicht heißen, dass Jess unbedingt stirbt - es ist nur eine Möglichkeit und deren Logik.
    Ich möchte auch mal offenlassen, dass der Prolog da eine klare Aussage gibt - ich denke, das kann man in beide Richtungen deuten.
    Und Jess ist wieder präsent, ja. Plötzlich scheint Tessas altes Leben, das mit Joshua, Feli, dem Spaß, der Freude, der Pasta-Abend und all das, wieder weit fort. Die Drogen sind wieder da, die Angst, die Hilflosigkeit ... alles. Die Frage ist nur, ob es diesmal anders ist als beim letzten Mal - denn sie ist nicht mehr alleine.
    Danke für Deinen tollen Kommi!




    Luxa:
    Oh wei, ich hoff, es geht Dir wieder besser. Danke für Deinen lieben Kommi!!



    Ines: Hui, Du hast Deinen Namen geändert, gell? Ich war erst was verwirrt. Aber so gefällt es mir besser! *winke*
    Ja, Jess lebt - noch. Was Du über die Übergardinen schreibst, stimmt - leider schauen viele Menschen weg... ist schon schlimm.
    Danke für Deinen Kommi!




    @JaneEyre:
    Es ist interessant, wie man den Titel deuten kann. In dem Trailer dazu, der auf der ersten seite verlinkt ist, steht am Ende ja auch: "Ist die Liebe wirklich auch tiefer als der Schmerz?" und das trifft es auch ganz gut, denn Tessa erleidet durch Jess ja immer wieder Schmerzen... eigentlich hat sie ja noch gar kein Glück mit ihm erlebt oder nur ersterbend wenig.
    Den Titel könnte man aber trotzdem auch in jedwede andere Richtung interpretieren.
    Deine Gedankengänge ähneln derer von Kiara... und wie ich auch schon bei ihr schrieb, sind sie schlüssig... aber ich verrate jetzt mal nicht mehr, außer dass ja noch alles offen ist.


    Danke für Deinen lieben KOmmi und einen Gruss in die SChweiz! *winke*



    Shareena: Danke für Deinen Kommi!! *winke*




    Llynya:
    Ich mag Deine Kommis doch auch, ob kurz oder lang! Und ja - er lebt noch (das *uff* fand ich sehr passend *lach*)!
    Aber ob Tessa noch mit ihm reden kann? Es kommt wohl auf seinen Zustand an... ihr werdet es erfahren!!!




    Viel Spass mit Kapitel 60!

    Ohh Rivendell! Eine schöne Hochzeit hast Du da beschrieben! :applaus Rebecca war eine wirklich schöne Braut, und ich find es immer wieder erstaunlich, wie sehr sie sich verändert hat!


    Traumhafte Bilder hast Du uns da präsentiert, da wurde man richtig sentimental :rollauge *schmacht*


    Die Kulissen waren toll, besonders die Kirche hat es mir angetan! Wow!


    Ich fand es auch so süß, wie Du die beiden Älteren beschrieben hast, alle tanzen und die zwei sitzen an der Bar. Genauso ist es nämlich in echt auch immer, die Älteren Herrschaften sitzen da und wackeln wohlwollend mit den Köpfen und das Jungvolk tanzt... naja, das ganze junge auch nicht, weil das "ja so peinlich ist" :D


    Toll gemacht, wirklich! :)

    Soooo... nun kommt also Kommi Nummer ZWei :D


    Auch das letzte Kapitel hat mir gut gefallen. Erstmal das mit Dani und Sophia... mh, warum war die aufeinmal wieder so leidenschaftlich? Vielleicht weil sie glücklich über ihre Anstellung ist und ihre gute Laune an "Dani ausließ"? Irgendwie tut der mir immer noch extrem leid :(


    Übrigens find ich Sophia mit der neuen Frisur sehr hübsch! Dass sie so ein Aufheben um ihr Outfit machte, war ja fast klar ;) Nur leider hat ihr Angebeteter das wohl gar nicht bemerkt und das ist auch gut so für sie!


    Was ich toll beschrieben fand, war Sophias herrliche Naivität mit der sie an die Sitting-Sache rangegangen ist, die sich bald verloren hatte, als sie merkte, dass die wohlerzogenen ;) Kinder auch ihren Sturkopf haben und sich nicht immer so nach ihr richten, wie sie das gerne hätte.


    Da war von der Romantik, die sie mit dem Job verbunden hatte, wenig zu spüren, oder? :)


    Sie hat sich ja aber doch ganz gut geschlagen, und ich finde, sooo außer Rand und Band waren die beiden ja auch gar nicht (ich hatte schon fast mit zerstörten Möbeln, blutigen Platzwunden, Schokokuchen auf der hellen Garnitur und verschüttetem Johannisbeersaft gerechnet oder sowas :D) und das ganze hat ganz gut geklappt.


    Dass Sophia trotzdem drei Kreuze gemacht hat, als die beiden im bettchen lagen, kann ich gut nachvollziehen. Nun sitzt sie also da und verliert sich in weiteren romantischen Träumereien über das, was passieren könnte, wenn ihr Angebeteter nach HAus kommt.


    Ich bin gespannt, WAS dann wirklich passiert... ;)



    Das mit der Mutter von Herrn Hoffmann find ich gar nicht so verwunderlich. ZUm einen ist sie ja verwirrt, zum anderen könnte ich mir vorstellen, dass sie von einer früheren Frau von Herrn Hoffmann redet? Oder gibt es da wirklich ein "dunkles Geheimnis"? :rolleyes Ich lass mich überraschen.

    So, nun kommt der versprochene Kommentar von mir.



    Soso, Clemens zieht es also immer wieder zum Lokal zurück und er denkt immer öfter an die Zeit mit Vivi. Obwohl er eigentlich genau weiß, dass er sich mit diesem Teil Vergangenheit oder einer neuen Affäre noch mehr Ärger ins HAus holen würde, kann er nicht davon ablassen, immer wieder zurück zu kehren und weißt Du, was? Ich kann ihm dafür nicht wirklich einen Vorwurf machen.


    Du hast sehr schön beschrieben, wie er versucht hat, sich zu Haus zu bemühen. Besonders das Bild mit dem Essen war köstlich. Mir hat Clemens da richtig leid getan (die Sims können aber auch immer so schön weltuntergangstechnisch kucken, wenn ihnen was anbrennt :D ). Clemens scheint sich wirklich um Regula zu bemühen. Aber er versteht glaub ich auch nicht so wirklich, dass seine Frau ernsthaft KRANK ist und nicht einfach nur schlecht gelaunt oder mal ein bißchen melancholisch oder sowas.


    Man merkt ja auch daran, wie er über den Besuch bei der Therapeutin denkt, dass er nicht viel von der ganzen SAche hält. Auch der Gedanke "die Medikamente müssen mal langsam anschlagen" ist ein sehr typischer. Klar, die Depression entsteht letztlich im Gehirn, aber es gibt dafür ja Auslöser und Medikamente sind eben auch nicht die Ultralösung für alles. Es ist leider nicht so (oder vielleicht auch zum Glück?) dass man mit einem blauen Pillchen alle Probleme auf einen Schlag los ist. Sie können halt auch nur unterstützen, aber die Auslöser für die Probleme muss man schon selbst ind ie Hand nehmen, was Clemens bei Regula einfach nicht sieht, vermute ich.


    Seine Versuche, ihr zu helfen, zeigen aber trotzdem, wie ich finde, dass er sie immer noch liebt und sie respektiert und ihr gerne helfen würde. Er fasst es vielleicht falsch an und lässt sich evtl auch etwas zu schnell entmutigen, aber er tut etwas und das find ich gut.


    Dass er sich in jenen schwierigen Zeiten gerne an diesen Ort zurückzieht, wo er mit Vivi eine Erinnerung an eine so viel leichtere und vielleicht auch glücklichere Zeit verbindet, ist ja nicht wirklich verwerflich, oder?


    Vivi selbst darüber natürlich gar nicht begeistert und sieht es auch nicht gerne, wenn ihre Tochter mit ihm kommuniziert... denn sie weiß vermutlich sehr genau, dass Clemens der Vater ihrer Tochter ist. So schmettert sie sein Gespräch denn auch ab und tut so, als kenne sie ihn nicht.



    Eine tolle FS, wie immer...



    *Uaaaah* ich merke gerade eben erst, dass Du ja noch weitergeschrieben hast :eek: Das muss ich jetzt erstmal lesen und dann kommentiere ich das nächste Kapitel auch noch :rolleyes

    Luxa: Da Immortelle nicht nur meiner Feder entsprungen ist und Chrissy eine Weiterführung nicht machen möchte, werde ich ihren Wunsch natürlich respektieren. Da Immortelle immer abwechselnd Kapitel von mir und ihr hat, kann ich also nicht einfach den Text hier einstellen, selbst nicht ohne Bilder. Abgesehen davon ist die Story auch nicht fertiggeschrieben.

    Hallo ihr Lieben,


    ich muss euch heute leider mitteilen, dass Immortelle NICHT weitergehen wird :(. Die Gründe hierfür sind vielschichtig und haben primär damit zu tun, dass Chrissy sich sowohl aus dem gelben als auch aus diesem Forum zurückgezogen hat, auch aus mangelndem Interesse an den Sims und vielen weiteren Dingen, die ich hier nicht weiter erläutern kann und mag.


    Ich muss sagen, dass es mir von Herzen leid tut, dass wir die Story nicht zu Ende bringen können, zumal sie schon mehr oder weniger zu Ende geschrieben ist. Da dies aber ein Gemeinschaftsprojekt war, kann, will und werde ich natürlich auch nicht alleine weitermachen und muss euch darum mit dieser unfertigen Story alleine lassen, so leid es mir auch tut.


    Die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns umentscheiden ist äußerst gering. Ich denke, Immortelle wird hier und in dieser Form nicht mehr fortgesetzt.


    Ich möchte Euch herzlich für Eure Treue in den letzten Monaten danken, für Eure Kommis, Euer Mitgefühl und Eure lieben Worte. Es tut mir wirklich sehr weh, Euch nichts anders mitteilen zu können :(



    Da ich aber selbst immer total unzufrieden bin, wenn ich eine geschichte mitverfolgt habe und das Ende nicht erfahr, nicht weiß, was mit den FIguren geschehen ist, möchte ich Euch auf diesem Wege anbieten, dass jeder von euch, der absolut dringend wissen möchte, wohin die Geschichte denn noch gelaufen wäre, mir eine PN schicken kann und dann weiteres erfahren wird.


    Den genauen Verlauf selbst hier zu veröffentlichen, möchte ich ablehnen, da ich damit eine evtl Fortsetzung für immer ausschließen würde, was ich nicht ohne Chrissys Einverständnis tun möchte. Da diese im Moment sehr schlecht erreichbar ist, möchte ich es also bei der PN Variante lassen.



    Ich danke Euch nochmal fürs Mitlesen!

    Ihre Gedanken wanderten zu Jess. Was geschah gerade mit ihm? War er schon im Krankenhaus angekommen? Sie realisierte plötzlich, dass sie immer noch keinen echten Zeitbegriff hatte und warf einen erneuten Blick zu der Standuhr. Es war inzwischen halb elf und sie erinnerte sich daran, sich etwa kurz nach neun Uhr an der Straßenkreuzung verabschiedet zu haben. Es lagen nicht einmal anderthalb Stunden zwischen jener Zeit und dieser und doch schien es, als sei der ganze Abend, das Lachen, die Pizza, der Rotwein – ihre Gedanken über ihren Schuhfimmel, die stille der Winternacht, durch die sie gegangen war… das alles schien so weit entfernt, als sei es vor Jahren geschehen und nicht erst vor Stunden.
    „Wann ist der Krankenwagen losgefahren?“, wollte Tessa an Herrn Ebert gewandt wissen.
    „Etwa um zehn Uhr“, erwiderte dieser ruhig. „Vielleicht auch ein paar Minuten später.“
    Tessa nickte und starrte wieder schweigend geradeaus.



    Wieder wanderten ihre Gedanken zu Jess. Seit er in die Klinik gebracht worden war, schien also etwa eine halbe Stunde vergangen zu sein. Was machten sie dort gerade mit ihm? Unweigerlich schossen ihr Bilder von seinem leblosen Körper durch den Kopf, wie er von in steril-grüne Umhänge gehüllte Ärzte auf einen OP-Tisch gehievt wurde, ihm ein Schlauch in den Hals geschoben oder sonst etwas … sie schlang die Arme um ihren Oberkörper, als wolle sie sich gegen diese gruseligen Vorstellungen schützen, doch es gelang ihr nicht. Sie dachte an das Gesicht, das sie so liebte und dessen hässliche Entstelltheit durch Blut und Schwellungen. Sie konnte nicht darüber nachdenken, wie es dazu gekommen sein konnte, ihre Gedanken waren zu sehr mit Angst erfüllt.
    Sie sehnte sich mit jeder Faser ihres Körpers danach, jetzt bei ihm zu sein, zu erfahren, wie es ihm ging, ob er es schaffen würde. Sie wollte ihn halten, ihn sehen, ihn berühren… aber sie wusste nicht einmal, ob er noch lebte.
    Das Klingeln an der Haustüre riss sie aus ihren bedrückenden Gedanken. Nur wenige Sekunden später stand Monika im Zimmer, die Haare wuschelig und zerrauft, ganz so als ob sie schon geschlafen habe, in dieselben Kleider gehüllt wie anderthalb Stunden zuvor. Sie sah Tessa aufgeregt an und zog sie dann in ihre Arme.
    Tessa klammerte sich an ihrer Freundin fest wie an einem Rettungsring. Sie war noch nie in ihrem Leben so froh gewesen, ein vertrautes Gesicht zu sehen.



    Denn so nett die Eberts sie auch behandelt hatten, umso wichtiger war es in jener Situation, vertraute Menschen um sich zu haben, denen man nichts erklären und keine Fragen beantworten musste – die einfach nur da waren.
    Monika lächelte den Eberts höflich zu und sagte dann ohne Umschweife: „Wo müssen wir hin, Tessa?“
    Tessa warf einen hilfesuchenden Blick zu Herrn Ebert. In ihrem Kopf schien immer noch zu viel Chaos zu herrschen, sie wusste nicht mehr genau, in welche Klinik man Jess gebracht hatte.
    „Weststadtklinik“, half dieser ihr denn sofort auch weiter. Monika nickte und drückte Tessa die Jacke in die Hand. Sie drehte sich noch einmal zu dem Ehepaar und sagte: „Danke, dass Sie sich um Tessa gekümmert haben.“
    Auch Tessa lächelte den beiden noch einmal zu. „Ja – vielen Dank nocheinmal.“
    „Das war doch selbstverständlich“, erwiderte Herr Ebert. „Ich wünsche Ihnen alles Gute, und wenn Sie etwas wissen, kommen Sie doch einfach mal vorbei und sagen uns Bescheid, ja?“
    Sie nickte und Frau Ebert fügte hinzu: „Wir denken an Sie und beten für Ihren Freund, Frau Wagner.“

    „Vielen Dank“, erwiderte Tessa mit zittriger Stimme, dann folgte sie Monika hinaus in die kalte Nacht.
    Nur wenige Sekunden später hörten die beiden Eheleute das hektische Zuschlagen von Autotüren und dann entfernte sich das Motorengeräusch und wurde immer leiser. Und nichts blieb als die Stille der verschneiten Nacht.













    Fortsetzung folgt.

    Kapitel 59
    Schwebend



    Das monotone Ticken der alten Standuhr in der Ecke hatte etwas Beruhigendes, fast einschläferndes an sich. „Tick-Tack, Tick-Tack, Tick-Tack…“, tönte der anschlagende Pendel durch den Raum. Ansonsten war es still.
    Tessa fühlte etwas warmes aus Porzellan in ihrer Hand und die sanfte Stimme der alten Frau bat sie, etwas davon zu trinken, es würde ihr gut tun.
    Fast mechanisch führte sie die Tasse zum Mund und trank in kleinen Schlucken von dem heißen Getränk. Eine wohlige Wärme, die in ihrer Kehle brannte, erfüllte ihren Körper und sie spürte, wie ihre Lebensgeister langsam wieder zu erwachen schienen. Erst jetzt realisierte sie, dass sie vor Kälte gezittert hatte… oder war es doch eher vor Angst und Aufregung? Sie wusste es nicht. Man hatte ihr aus ihrem Mantel geholfen und ihre Beine auf einem weichen Sofakissen gebettet, das auf dem kleinen Wohnzimmertisch vor ihr lag.
    Erst langsam begann sie ihre Umgebung wieder bewusst wahrzunehmen. Es war, als helfe das heiße Getränk ihr, die Schleier, die sie umgeben hatten, allmählich zu lüften. Sie war alleine in dem freundlichen Wohnzimmer, in das man sie gebracht hatte. Es war still, nur das Ticken der alten Standuhr leistete ihr Gesellschaft.

    Erneut ließ sie ihren Blick zu ihr schweifen. Es war kurz nach zehn Uhr.



    Die Tür öffnete sich und das Ehepaar Ebert betrat den Raum. Frau Ebert ließ sich neben Tessa auf der Couch nieder und griff vorsichtig nach ihrer Hand, während ihr Mann sich auf den Sessel vor dem kleinen Tisch setzte.
    „Wie geht es Ihnen, meine Liebe? Fühlen Sie sich etwas besser?“, fragte Frau Ebert einfühlsam.
    Tessa nickte. „Ja – ich denke schon… ich…“
    Sie schluckte. Je klarer sie wurde, desto klarer wurden auch die Bilder der vergangenen Minuten in ihr… und ihre Bedeutung.
    Was war dort draußen geschehen? Wie lange war sie hier drinnen? Sie wusste es nicht. Sie hatte nicht das Bewusstsein verloren, aber ihre Orientierung. Aber eine Wahrheit stand ihr schmerzlich vor Augen: Jess war tot.
    Tessas Augen füllten sich mit Tränen, sie hatte das Gefühl, diesen Gedanken keine Sekunde länger mehr ertragen zu können. Ihre Kehle zog sich zu, als habe jemand ihr ein Seil darum geschlungen und zöge mit aller Kraft daran, die ein Mensch nur aufbieten konnte. Das Atmen fiel ihr schwer und ihre Hände begannen wieder zu zittern. Fast wünschte sie sich wieder zurück in den nebligen Zustand, in dem sie sich vor wenigen Minuten befunden hatte… zu heftig und schmerzlich war die Realität, in der sie sich befand.
    „Frau Wagner… ist alles in Ordnung?“, hörte sie die besorgte Stimme Herrn Eberts an ihr Ohr dringen.


    Sie nickte, obwohl dies eigentlich den reinsten Hohn darstellte. Nichts war in Ordnung… nichts. „Ich… ich muss wohl einen kleinen BlackOut gehabt haben“, sagte sie schließlich mit dünner und trockener Stimme. „Was ist geschehen? Ist… Jess… ist er …“
    Sie brachte es nicht über sich, das Wort auszusprechen. Diese eine Wort, das so unbedeutend schien, mit seinen drei simplen Buchstaben, von hinten und vorne gleich zu lesen, ein unbedeutendes Wörtchen – das so viel Bedeutung hatte. Es bedeutete Welten, es bedeutete Leben, Dimensionen … es bedeutete mehr als ein menschliches Herz fassen, ertragen, dulden konnte. Das alles schoss Tessa in diesem Moment durch den Kopf, und auch dies erschien ihr einfach nur bizarr.
    „Ihnen ist nur ein bisschen schlecht geworden“, beruhigte Frau Ebert sie und sah sie freundlich an. „Wir haben sie lieber hereingebracht, bevor sie da draußen ganz zusammengeklappt wären… wir konnten ohnehin nichts tun als zu hoffen und zu beten. Trinken Sie noch einen Schluck Tee, meine Liebe, der hilft Ihnen, wieder auf die Beine zu kommen. Wenn Sie wieder einigermaßen hergestellt sind, können wir Sie ins Krankenhaus fahren, wenn Sie möchten.“
    Tessa starrte die Frau neben sich verwirrt an und stammelte dann: „Aber… Krankenhaus… wieso?“
    Erst jetzt schienen die beiden zu begreifen, worauf Tessa hinaus wollte. „Ihr Freund lebt, Frau Wagner“, erklärte Frau Ebert ruhig. „Wir dachten, Sie hätten mitbekommen, dass der Krankenwagen losgefahren ist.“



    Tessa fühlte sich schummrig verwirrt und brauchte einen Moment, um ihre Gedanken zu sortieren. Das Geräusch des EKG… Herzstillstand… sie hatte es genau gehört… dann das Losfahren des Krankenwagens…
    „Das heißt… er ist… nicht tot?“, stammelte sie, wie um es sich selbst begreiflich zu machen.
    „Der Notarzt hat es geschafft, ihn wiederzubeleben“, erklärte Herr Ebert nun ruhig. „Es war wohl ein hartes Stück Arbeit, sie haben es mehrmals versucht, bis er wieder da war. Dann sind sie sofort losgefahren. Man sagte uns, sie bringen ihn in die Weststadtklinik.“
    Tessa saß für einen Moment starr und still, ohne ein Wort zu sagen. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Halse. Jess lebte – er hatte nicht aufgegeben!



    In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken, aber sie zwang sich zur Ruhe und richtete das Wort wieder an Herrn Ebert: „Hat der Arzt etwas gesagt, wie seine Chancen sind?“
    Sie hatte mit der Antwort gerechnet, die Herr Ebert ihr mit bekümmertem Gesicht gab: „Nein, meine Liebe – das konnte er beim besten Willen nicht. Es ging auch alles ganz schnell, aber ich habe gehört, dass er seinen Kollegen zurief, dass Ihr Freund wohl noch weiterhin in größter Gefahr schwebe…“
    „Anton!“, brummte seine Ehefrau entrüstet, doch dieser winkte energisch ab. „Es nutzt nichts, wenn ich Ihnen nicht die Wahrheit sage, Frau Wagner. Ich war selbst einmal Sanitäter und im Rettungsdienst tätig und weiß darum ein wenig Bescheid, auch wenn es schon eine Weile her sein mag. Die Chancen für Ihren Freund sind nicht besonders gut… wenn er schon einen Herzstillstand hatte, lässt das nichts Gutes hoffen.“
    Tessa schluckte.
    „Aber man hört immer wieder von Wundern“, erklang die tröstende Stimme Frau Eberts neben ihr. „Und Ihr Freund hat schließlich bewiesen, dass er ein Kämpfer ist, nicht wahr? Ich bin mir sicher, dass er es schaffen kann…“



    Tessa lächelte gequält. Sie fand es sehr nett von der alten Dame, dass sie versuchte, sie zu trösten, aber wenn sie ihrem Mann in die Augen sah, wusste sie, dass dieser mit dem Schlimmsten rechnete und irgend etwas in ihr glaubte eher seiner Sachlichkeit als ihrer Hoffnung. Dennoch – auch sie würde weiterhin beten und hoffen, so lange, bis es keine Hoffnung mehr geben würde. Tessa atmete tief ein und sortierte sich noch einmal, dann stand sie auf und sagte mit fester Stimme: „Ich werde eine Freundin anrufen, damit sie mit mir ins Krankenhaus fährt… ich bin Ihnen beiden schon genug zur Last gefallen und möchte mich herzlich für Ihre Hilfe bedanken, wirklich…“
    Und sie schickte sie an, ihre Jacke zu nehmen. „Warten Sie, Frau Wagner – wollen Sie jetzt ganz alleine nach oben in Ihre Wohnung? Wieso rufen Sie ihre Freundin nicht von uns aus an und warten hier, bis sie gekommen ist? Ich denke nicht, dass Sie jetzt alleine sein sollten. Sie sind immer noch recht blass um die Nase…“, gab Herr Ebert zu bedenken.
    Tessa lächelte leicht. „Nun ja – ich kann sie auch von hier anrufen, wenn Ihnen das recht ist, natürlich…“
    Sie wollte nicht zugeben, dass ihr der Gedanke, nach oben in die leere Wohnung zu gehen, von der Stille erdrückt zu werden und an jene Tage zu denken, als Jess vor etwa einem Jahr hier bei ihr gewesen war, nicht behagt hatte. So war sie recht froh über das Angebot, hier warten zu können.
    Schnell schritt sie darum zum Telefon und wählte ohne eine Sekunde nachzudenken Monis Nummer.
    Es dauerte nur wenige Sekunden, bis diese sich am anderen Ende der Leitung meldete.
    „Moni? Hier ist Tessa…“



    Monika realisierte sofort anhand Tessas Stimme, dass etwas geschehen sein musste.
    „Tessa? Was ist los? Wo bist du?“
    „Moni, hör zu… es ist etwas furchtbares geschehen“, ihre Stimme zitterte, „Jess ist zurückgekommen…“
    Sie warf einen verlegenen Blick auf das Ehepaar Ebert, das sich dezent im Hintergrund mit gedämpfter Stimme unterhielt. „Ich… ich erklär dir alles später, nur… er ist verletzt… er … sie haben ihn ins Krankenhaus gebracht und ich muss zu ihm, so schnell es geht. Kannst du kommen und mich hinfahren?“
    „Ich bin fünf Minuten da“, erwiderte Monika sofort und ohne weiter nachzufragen. „Wo bist du genau?“
    „Bei mir zuhause, nur nicht in meiner Wohnung. Unteres Stockwerk, die linke Wohnung, wenn man vorm Haus steht. Die Familie heißt *Ebert*.“

    „Ich bin unterwegs!“, rief Monika in den Hörer und hatte schon aufgelegt.



    Tessa seufzte und fühlte etwas wie Erleichterung in sich aufsteigen. In wenigen Minuten würde Moni da sein, was ihr gerade wie ein Rettungsanker vorkam.
    Sie setzte sich mit einem schiefen Lächeln wieder zurück auf die Couch und starrte auf das Wandtelefon. Einen Moment schoss ihr durch den Kopf, dass sie ja genauso gut ihr Handy hätte nutzen können... aber das war ja eigentlich auch völlig gleich.
    „Ihre Freundin ist unterwegs?`“ fragte Herr Ebert.
    Tessa nickte. „Ja – sie wird gleich da sein.“
    „Wo wohnt sie denn? Weit?“
    „Nein, nur ein paar Blocks weiter“, antwortete Tessa und starrte dann auf ihre Fußspitzen.



    *geht noch weiter*

    @ALL: Ich mache heute mal etwas, das ich sonst nicht tu und beantworte eure Kommis nicht einzeln, weil ich gerade ein bißchen im Stress bin und doch noch unbedingt das nächste Kapi einstellen will, was sicher in eurem Sinne ist :rolleyes


    Danke für eure vielen und tollen Kommis! Ich bin echt überwältigt und freu mir ein Loch in den BAuch darüber!


    Ob Jess wirklich gestorben ist oder nicht, erfahrt ihr heute...!


    Vielen Dank für euer Lob und eure Kommentare, nächstes Mal gehe ich wieder auf jeden von euch einzeln ein! Versprochen!

    Hihi irgendwie fühlte ich mich richtig an "Räuber Hotzenplotz" eirnnert. Besonders Jacob hast Du toll vom Gesicht her hinbekommen, sehr ungewöhnlich.


    Soso, die drei wollen also im Kloster einbrechen? Ich hoffe, das geht nicht ordentlich in die Hose... und bin gespannt, wie es weitergeht. (heute mal etwas kürzer)

    Alexandra starrte ihn an, als wolle sie nicht glauben, was sie da sähe. Moritz jedoch schien das gar nicht zu bemerken und sagte hastig: „Entschuldigt, meine Lieben – aber das war die Firma, mit dem Präsentation für das Dreiweger Projekt stimmt was nicht, und sie kriegen es allein nicht hin. Das ist ganz wichtig für uns, das Projekt – ich muss noch mal fix in die Firma fahren und schauen, was los ist. Lasst es euch auch ohne mich schmecken und gute Nacht, Shylah, wir werden uns nicht mehr sehen.“
    Shylah zog ein Schnütchen.
    „Ach Papa – du hast mir doch versprochen, dass DU mir heute die GuteNacht-Geschichte von Hui Buh vorliest!“
    Moritz eilte zu seinem Töchterchen und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Entschuldige, mein Schatz, es geht leider nicht, aber Mama macht das sicher genauso gut.“ Er wandte sich Alexandra und drückte auch ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Bis nachher, Schatz. Es kann spät werden, wart nicht auf mich.“




    Ehe noch jemand etwas sagen konnte, war Moritz aus dem Haus gespurtet und die Tür fiel ins Schloss. Nur wenige Sekunden später hörte man, wie er den Motor anließ und anfuhr. Das Geräusch des Motors entfernte sich langsam und am Tisch war es still.
    Devin sah seine Mutter lange an, die mühsam versuchte, ihre Fassung zu bewahren.
    „Er wird sich nicht um einen Keller für uns kümmern, oder Mama?“



    Sie sah ihrem Sohn in die Augen, schluckte und wandte den Blick dann wieder ab.
    „Ich weiß nicht, Devin… dein Vater ist vielbeschäftigt… aber er wird sicher danach fragen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Nun lasst uns weiter essen.“
    Devin starrte in seinen Teller, ohne das Essen weiter anzurühren. Auch Alexandra brachte keinen Bissen mehr herunter. Sie sah Devin wieder an und lächelte ihm aufmunternd zu, was ihr nicht recht gelang. Shylah war die erste, die seufzte und sich dann doch wieder ihren Spaghetti widmete, offenbar der Ansicht, dass an der Sachlage doch nichts mehr zu ändern sei und man die Spaghetti darum nicht verachten müsse.



    Erst als Shylah, die ihren Teller rasch aufgegessen hatte, ihr Stimmchen erhob und von ihrem Schultag erzählte, war das beklommene Schweigen gebrochen. Doch der schale Nachgeschmack blieb.



    Fortsetzung folgt.






    Wie so oft in letzter Zeit. Seit Moritz sich selbstständig gemacht hatte, schienen sie fast nur noch aneinander vorbei zu reden. Es war nicht zu ändern. Sie hatten sich mit mehreren hunderttausend Mark verschuldet, und nun mussten sie sehen, dass sie das Unternehmen, ein kleines Vertriebs- und Werbegeschäft, am Laufen hielten. Seither war Moritz kaum noch zu Haus anzutreffen. Eigentlich hatte ein gemeinsames Abendessen wie heute Abend schon echten Seltenheitswert.



    Alexandra selbst arbeitete halbtags in der Verwaltung mit. Moritz selbst hatte zwar eine Sekretärin, aber Alexandra leitete die Vertriebsabteilung und hatte zur Unterstützung noch eine Ganztagskraft.
    Die Arbeit machte ihr Spaß, es tat gut, wieder rauszukommen, und es tat gut, für sich selbst zu arbeiten. Die Selbstständigkeit ermöglichte es ihr, zur Not auch einmal später zu kommen oder zu Haus zu bleiben, wenn etwas mit den Kindern war.
    Meist konnte aber ihre Mutter einspringen. Die Kinder gingen jetzt auch meist nach der Schule zum Essen zu ihr, denn auch obwohl Alexandra eigentlich nur bis zwölf Uhr arbeitete, so wurde es meist doch mindestens ein Uhr, bis sie zu Haus war – zumal die Firma zwanzig Kilometer weit entfernt lag.
    Alexandra füllte die Spaghetti in eine große Schüssel und verteilte die Teller dann auf dem Tisch.



    „Kinder, Moritz – Essen ist fertig!“, rief sie dann in den Flur hinein und gleich darauf hörte sie Shylahs kleine Füßchen angetappst kommen.
    „Oh, Spaghetti!“ schrie die Kleine begeistert und fiel ihrer Mutter in die Arme. „Ach Mama, du bist die Beste! Ein tolles, weißes Kleid und Spaghetti! Das ist der beste Tag meines Lebens!“



    Alexandra lächelte und drückte ihr Kind an sich, dann hielt sie die Kleine ein Stück von sich ab und fragte streng: „Hände gewaschen, Syhlah?“
    Die Kleine schaute betreten drein und ohne dass es ein Wort der Mutter bedurft hätte, war sie schon wieder ins Badezimmer verschwunden.
    Derweil kam auch Devin zum Tisch, mit bekannt mürrischer Miene. Er setzte sich und wollte zu essen anfangen, als Alexandra ermahnend sagte: „Devin – wir warten, bis ALLE am Tisch sitzen… wieso muss ich dir das sagen, du bist alt genug und weißt das.“



    Devin verzog das Gesicht und brummte erneut etwas Unverständliches.
    „Diese Pubertät könnte langsam mal zu Ende gehen“, stöhnte Alexandra leise.
    Auch Moritz war inzwischen ins Zimmer gekommen, in legere Kleidung gehüllt, und nahm ebenfalls schweigend Platz. Alexandra warf ihm einen vielsagenden Blick zu und wies dann zu Devin. Sie wollte ihm damit zu verstehen geben, dass er ihn auf die Anlage ansprechen sollte, doch stattdessen fasste Moritz ihren Wink offenbar falsch auf und sagt mit ernster Stimme. „Junger Mann, deine Mutter und ich haben uns eben unterhalten und mussten feststellen, dass wir mit deinen schulischen Leistungen nicht zufrieden sind. Wir überlegen, ob du Nachhilfeunterricht nehmen solltest?“



    Alexandra stöhnte leise auf und musste sich zwingen, nicht dem spontanen Impuls zu folgen, ihren Kopf in den Teller Spaghetti zu versenken.
    „Das ist natürlich nur eine Überlegung“, versuchte sie denn zu retten, was zu retten war. „Wir warten dieses Halbjahr mal noch ab, dann kommt ja ohnehin die Oberstufe und man wird weitersehen.“
    Moritz verzog keine Miene und Devin schluckte nur und starrte auf seine Fußspitzen.
    „Ich hätt doch gar keine Zeit mehr für Nachhilfe. Ich hab Tischtennis und bald jeden Mittag bis mindestens zwei Uhr Schule und bis ich zu Haus bin wird es drei und dann will ich doch auch noch in dieser Band mit machen, ich hab euch doch davon erzählt, wisst ihr nicht mehr…“
    Shylah war fast unbemerkt auf ihren Stuhl geschlüpft und Alexandra griff nach dem Besteck, was das Essen offenbar allgemein für eröffnet erklärte.



    „Eine Band? Mit dieser scheußlichen Musik?“, fragte Alexandra und runzelte die Stirn.
    „Nun ja – dann lohnen sich wenigstens die Schlagzeugstunden“, wand Moritz ein und sah seinen Sohnemann dann wieder strenger an. „Aber nur wenn die Schule nicht darunter leidet, hörst du?“
    Devin nickte und machte sich über die Spaghetti her.

    „Shylah – halt das Besteck nicht wie ein Holzfäller“, sagte Alexandra an ihre Tochter gewandt und richtete das Wort dann wieder an Devin: „Wo wollt ihr mit der Band proben? Diesen Höllenlärm hält doch kein Mensch aus.“
    „Ich dachte, vielleicht in unserer Garage…“, begann Devin vorsichtig. „Da steht doch eh kein Auto drin zurzeit…“
    „Bei uns?“ Alexandra fiel fast die Gabel aus der Hand. „Kommt gar nicht in Frage! Ich will keine von deinen seltsam gekleideten Rockfreunden hier im Haus rumlaufen haben, mit dreckigen Schuhen und am besten noch Zigaretten paffend. Und vor allem will ich den Lärm nicht!“
    Devins Gesichte verhärtete sich. „Das ist kein Lärm, das ist Musik.“




    „Dann erklär mir mal, was daran Musik sein soll.“
    „Nun – sein Ehrgeiz in der Richtung ist aber etwas, das man fördern sollte“, wand Moritz ein. „Vielleicht könnte man irgendwo einen Keller finden, den man abdichten kann, Devin.“
    Devin sah ihn ermutigt an. „Meinst du, Vater? Hast du eine Ahnung, wie man sowas finden könnte. Kannst du mir helfen?“
    „Natürlich, warum nicht… ich hör mich mal um und…“
    In diesem Moment klingelte das Telefon, Moritz stand auf und murmelte: „Ich geh schon.“



    Er ging zum Telefon im Wohnzimmer und sprach leise mit jemanden, während der Rest der Familie schweigend weiter aß. Moritz legte auf und verschwand aus dem Zimmer, wenig später kam er wieder herein und war in seinen Mantel gehüllt.

    Shylah hüpfte in ein weiteres Kleid gehüllt nach draußen und verkündete sogleich, dass das Kleid „total doofe Rüschen“ habe.



    Alexandra seufzte inbrünstig, ihre Mutter machte ein undefinierbares Brummelgeräusch, das so etwas wie „hab ich´s nicht gesagt“ heißen sollte und Moritz kratzte sich am Kopf.
    Etwa eine Stunde später hatte man es doch geschafft und Shylah hatte DAS Kleid gefunden, so dass man sich gemeinsam auf den Nachhausweg machen konnte.



    Während Alexandras Mutter zu Fuß nach Hause ging, stiegen Shylah und Alexandra in den schicken, neuen Wagen, den Moritz sich erst vor wenigen Wochen angeschafft hatte und fuhren schweigend nach Haus.
    Dort angekommen dröhnte ihnen die harte Heavy-Metal Musik aus Devins Zimmer bereits auf der Straße entgegen. Alexandra griff sich an den schmerzenden Kopf und stöhnte: „Oh, ich halte das nicht aus. Was soll daran musikalisch sein?“
    „Ich mag die Musik auch nicht“, plapperte Shylah fröhlich drauf los. „Gestern in der Schule war auch jemand, der solche Musik gehört hat und die Lehrerin hat gesagt, dass…“
    „Shylah, tu mir einen Gefallen und halt für einen Moment den Schnabel“, unterbrach Alexandra sie, als Moritz die Haustür aufgeschlossen hatte. „Ich brauch jetzt erstmal ein Aspirin.“
    Shylah zog einen Schmollmund und stolzierte in ihr Zimmer, während Moritz durch den Flur brüllte: „Devin – dreh das leiser, oder sollen wir noch alle einen Hörsturz bekommen?“
    Wie es zu erwarten gewesen war, passierte gar nichts, bis Alexandra die Tür zu Devins Zimmer aufriss, ohne zu warten hinein stolzierte und einfach den Regler der Anlage herunterdrehte, ohne ihren Sohn noch eines Blickes zu würdigen.

    Offenbar war dies ein für beide Seiten nicht ungewöhnlicher Vorgang, denn dieser brummte nur etwas vor sich hin und reagierte nicht weiter, bis die Tür wieder ins Schloss gefallen war.
    Alexandra war schon wieder in der Küche verschwunden und hatte sich eine Aspirin in ein Glas Wasser geworfen, das sie nun in langsam Zügen trank.



    Moritz folgte ihr und blieb bei ihr stehen. Eine Weile musterte er sie nur, dann sagte er: „Bist du etwas immer noch eingeschnappt?“
    Alexandra trank weiter in großen Schlucken und sagte dann langsam: „Weißt du, Moritz, ich frage mich nur eines… wenn du doch genau weißt, dass du es nicht schaffst zu kommen, wieso versprichst du es uns dann immer wieder? Das tut nicht nur den Kindern weh, sondern auch mir… aber dass ich Gefühle habe, scheint dir immer mehr zu entgehen.“
    Sie stellte das Glas geräuschvoll auf den Küchentresen und öffnete dann den Kühlschrank, um mit den Vorbereitungen für das Abendessen zu beginnen.
    Moritz verzog das Gesicht und erwiderte: „Du machst es dir einfach. Ich hatte einen wahnsinnig stressigen Tag, die Bilanz stimmt nicht, der blöde Volksberger hat mir einen guten Kunden vertraut und dann hat sich das Vertriebsmeeting einfach so sehr in die Länge gezogen, dass…“
    Geräuschvoll knallte Alexandra das Tablett mit den Zutaten für die Spaghetti auf die Arbeitsplatte, so dass Moritz verstummte.



    „Was ist jetzt schon wieder?“
    „Nichts“, erwiderte sie ruhig. „Es wäre nur ganz nett, wenn du auch mal nach meinem Tag fragst. Nicht nur du hast stressige Tage.“

    „Alexandra, wir haben uns den ganzen Morgen im Büro gesehen, wenn was gewesen wäre, hättest du es mir sagen können…“
    „Mein Tag besteht nicht nur aus der Firma, Moritz … ich bin um 12 nach Haus gekommen und dann war ich für unsere Kinder da.“
    „Ich weiß ja, Schatz… aber was erwartest du denn von mir?“, fragte Moritz resignierend.
    Alexandra seufzte. „Ich weiß es nicht, Moritz… einfach etwas mehr als momentan. Es gibt auch noch ein Leben neben dem Geschäft, weißt du. Deine Kinder und mich.“



    „Ach, Schatz, nun tu nicht so, als wüsste ich das nicht und würde euch völlig vernachlässigen“, erwiderte er angesäuert.

    „Das tust du aber“, gab Alexandra zur Antwort und füllte die Spaghetti in einen Topf. „Du bist in letzter Zeit so oft unter der Woche unterwegs, teilweise mehrere Tage. Shylah fragt ständig nach dir… und Devin will schon seit Wochen mit dir zusammen die Stereoanlage umbauen… er fragt dich schon gar nicht mehr, weil er genau weiß, dass du keine Zeit haben wirst.“
    „Der Junge hat einfach die falsche Einstellung“, brummte Moritz. „Er sollte sich einfach selbst dran setzen und anfangen, bis ich dazu stoße. Aber er hat keinen Biss. Hast du seine letzte Latein-Note gesehen? Eine vier minus, Alexandra! Minus!“



    Alexandra seufzte. „Ja, ich weiß, Devin könnte mehr für die Schule tun, aber man kann ihn nun einmal nicht dazu zwingen. Und alles in allem sind seine Noten doch ganz in Ordnung. Ich war auch nie eine Einserschülerin.“
    „Das verlange ich auch gar nicht, dass er nur Einsen schreibt“, erwiderte Moritz. „Aber Vieren – Alexandra, das muss nicht sein! In drei Jahren wird er sein Abitur machen und danach vielleicht studieren – da müssen keine Vieren sein.“
    „Nun sei nicht so streng mit ihm, Moritz. Du bist auch nie da, um ihm bei seinen Aufgaben zu helfen und ich bin damit überfordert. Was verstehe ich schon von Algebra und alter römischer Geschichte? Zu meiner Schulzeit gab es sowas noch nicht, jedenfalls nicht in diesem Maße.“
    „Vielleicht sollten wir ihm einen Nachhilfelehrer besorgen, was meinst du?“
    „Ich weiß nicht… ich glaube, er kommt ganz gut zurecht, er ist nur etwas faul, das ist alles.“

    „Aber Faulheit können wir doch nicht dulden, Alexandra!“ rief Moritz aufgebracht. „Ich meine, schau dir Shylah an, die ist erst in der dritten Klasse und lernt jetzt schon fleissiger als Devin.“



    „Shylah ist ganz anders als Devin. Und auch sie hatte ihre Problemfächer, zum Beispiel in Mathe hängt sich manchmal hintendran. Aber das ist doch auch normal, Moritz.“
    Alexandra rieb sich die schmerzende Stirn und warf ihrem Mann einen Blick zu. „Geh dich lieber umziehen, ich hab keine Lust, dir die Krawatten von Spaghettisauce befreien zu müssen, dafür waren sie zu teuer.“
    Moritz verschwand aus der Küche, ohne noch ein Wort zu sagen. Alexandra seufzte schwer. Das Gespräch war mal wieder eine ganz andere Richtung gelaufen als sie es geplant hatte.