Nonunas One-Shots

  • Hallo ihr Lieben!


    Nachdem ich meine letzten FSs leider mittendrinn abbrechen musste (auch Grossmäuler wie ich sind nicht vor technischen Problemen gefeiht... :rolleyes), habe ich mich dazu entschieden, erst eine neue FS vorzustellen, sobald diese komplett fertig ist. Ich arbeite daran! (Worum es geht wird allerdings noch nicht verraten ;))


    Jedoch geistern noch einige sogenannte One-Shots - insich geschlossene Erzählungen - in meinem Kopf herum, die ich eigentlich schon lange einmal im Rahmen von kurzen FSs sammeln wollte. Da diese ja keine Fortsetzungen haben, dachte ich, dass ich die fertigen wie gewohnt sofort hier reinstellen könnte. Denn auch Computerabstürze, Nachbarschaftverluste und Download-Total-Verschleiss können ihnen dann nichts mehr anhaben ;)


    So, und nun Schluss mit dem Geschwafel...

    Übersicht:

    Auf Wiedersehen in Darfur
    Die PuppeTeil 1, Teil 2
    The Boy Teil 1, Teil 2
    19:26 Minuten Teil 1, Teil 2
    Avatar Teil 1, Teil 2
    Detektivspiele Teil 1, Teil 2
    Lonely76
    Flügel

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    --> Objekte, Kleider, Genetik, Schmuck, Posenhacks und die Designerschule aus meiner Werkstatt <--[/center]

    7 Mal editiert, zuletzt von Nonuna ()



  • Sani kennt die Wüste. Der Sand unter ihren blossen Füssen, der durch die Zehen rinnt, wenn man einen Hügel hinauf stapft, und der in feinen Lawinen auf der anderen Seite herunter rieselt, während Sani den Hang hinunter rutscht. Sie lacht. Das macht Spass. Der Eimer in ihrer Hand klappert.





    Kleine Kakteen säumen Sanis Weg. Sie nimmt jeden Tag einen anderen, doch sie kennt jeden Stein, jeden dürren Zweig, jeden kahlen Akazienbaum. Sie hat ihnen Namen gegeben und grüsst jeden im Vorbeigehen. Ein kleines Spiel, eine eigene heile Welt in der durch Angst gezeichneten Kindheit.





    Sanis Augen und Ohren sind weit offen, ihre Sinne geschärft. Sie denkt an ihre Mutter, die im Lager in Lumpen gehüllt fiebernd in einem notdürftig errichteten Zelt liegt. Seit ihre Mutter krank ist, ist es Sanis Aufgabe, Wasser zu holen. Wasser für sich und ihren kleinen Bruder.





    Nie hat Sanis Mutter ihr erzählt, was auf dem Weg zum Wasserloch passiert ist. Andere Frauen haben sie beim Holzsammeln gefunden und die Verwundete zurück ins Lager geschleppt. Die dünne Decke bis unters Kinn gezogen, die geschwollenen Augen ausdruckslos und halb geschlossen hat ihre Mutter Sani ins Ohr geflüstert: „Pass auf dich auf!“





    „Sei vorsichtig da draussen, lauf schnell, mach keine Geräusche. Sei wie der Wind, leise und unsichtbar. Versteck dich, wenn du Motorengeräusch hörst.“ Sani wiederholt die Worte ihrer Mutter in ihrem Kopf. Sie lacht nicht. Sie hat Angst. Der Eimer in ihrer Hand klappert.





    Sanis Zunge klebt rau an ihrem trockenen Gaumen. Der dünne Stoff ihres Kleids klebt schweissnass an ihren Beinen. Das Wasserloch, wo ist es? Spitze Steine graben sich in ihre nackten Sohlen. Da endlich! Durch denn flimmernden Schleier der Hitze schimmert Wasser. Das Wasserloch!





    Sani beginnt zu rennen. Ihre kleinen Füsse treten Steine los, die den Abhang hinunter kullern. Der Weg ist immer lang und beschwerlich. Umso grösser ist die Belohnung, das Wasser über Gesicht und Hände rinnen zu lassen, die trockene Kehle zu befeuchten, die einzelnen Tropfen auf der Zunge zergehen zu lassen.





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    Einmal editiert, zuletzt von Nonuna ()

  • Sani kennt jeden Stein, jedes Sandkorn. Doch heute ist etwas anders. Es ist still. Ein Windhauch zerwirbelt ihre Fussabdrücke im Sand. Fussabdrücke, die sich mit Fremden vermischt haben. Ein Schuss. Ein Schlag. Sani taumelt. Ihre Brust brennt. Der Eimer fällt klappernd in den Staub.





    Sani kennt die Wüste. Sie hört die Worte ihrer Mutter im Ohr. „Pass auf dich auf!“ Sie hat sie nicht vergessen. Tief in sich drin hört sie sich lachen und fühlt den Sand zwischen ihren Zehen. Auf wiedersehen, Sani. Auf wiedersehen in Darfur.



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  • Hey, Nonuna ... Du Multitalent

    Eine tolle Idee ...

    Dein Schreibstil ist unglaublich .... nahezu perfekt.
    Ich mag diese Geschichten. Einfach und mit viel Gefühl. Die Bilder sind weltklasse. Schön, so etwas von hoher Qualität zu lesen.
    Schade, dass die kleine Geschichte so ein trauriges Ende hat. Aber so ist die Realität in anderen Ländern ... *schnief*

    Liebe Grüße
    Manja

  • Was für eine traurige Geschichte,aber tolle Bilder,diese Perspektive gleich beim ersten Foto,dieKamera nur auf ihre Beinen gerichtet,dann die Nahaufnahmen.Sani ist so hübsch und auch ihre Mutter,das Wasserloch hast du wunderschön gestaltet mit den Kakteen rundherum.Wer wird nun dem kleinen Bruder Wasser holen?

  • Salü Karin :)

    So, Du bist also mal wieder in FS - Schreiberlaune. Das ist ja toll!

    Vor allem wenn sie dann noch so hübsch umgesetzt sind wie diese hier. Echt tolle Shots mal wieder und eine wirklich tragisch-schöne Geschichte dazu, die mich allerdings sehr nachdenklich gestimmt hat.

    Sie ist so aus dem Leben gegriffen als wäre dies wirklich erst gerade passiert, nur leider war das ganze so unbedeutend, das man nirgends etwas darüber gelesen hat - ausser hier; toll von Dir umgesetzt.

    Klasse gemacht!

  • Eine super tolle idee von dir so eine FS zu veröffentlichen. Die Bilder haben eine sehr tolle Qualität und auch wenn die Story traurig war, es war sehr schön zu lesen. Einen tollen Schreibstil, hoffentlich gibts noch mehr davon! :D

    Lg Psycho

  • Vielen Dank für die Komplimente!


    Hier kommt eine weiter Kurzgeschichte, die von etwas ganz anderem handelt...



    Es begab sich zu der Zeit, als der Weiler Bargunsch irgendwo in den ostschweizer Bergen aus kaum mehr als drei Höfen, einer Schenke und einem Wegkreuz bestand, dass sich die Bauern Camenzind, Fradosch und Trösch zu einem Bier trafen und den guten alten Zeiten nachtrauerten.





    „Wisst ihr noch, wie wir damals am Schützenfest jeden Rock kriegen konnten, den wir haben wollten?“, erinnerte sich Fradosch. „ich hatte an jenem Abend drei!“, prahlte Camenzind, während Trösch nur zustimmend nickte. „Und heute...“ Alle drei schwiegen und starrten betrübt in ihr Glas.





    Plötzlich haute Trösch auf den Tisch, dass die Biergläser klirrten. „Männer, warum basteln wir uns nicht die perfekte Frau?“ Camenzind und Fradosch sagen sich fragend an. Keiner lachte. „Die Idee ist gar nicht so blöd“, meinte Fradosch. „Ich habe noch Holz im Schuppen, und zusammen mit ein paar Laken, Camenzinds Nähmaschine und etwas Farbe...“





    So trafen sich die drei Bauern noch am selben Abend in Fradoschs Schuppen und schmiedeten Bau-Pläne für die perfekte Frau. Lange Beine sollte sie haben, Fradosch wünschte sich einen kirschroten Mund, und grosse Brüste durften natürlich auch nicht fehlen. Fradosch zimmerte die Glieder, Camenzind kümmerte sich um die Haare, und Trösch verlieh der gebastelten Traumfrau die nötige Farbe.





    Sie spielten Karte darum, wer sie als erstes haben durfte, Nach 24 Stunden sollte sie jeweils den Besitzer wechseln. Natürlich intakt und sauber. Trösch war es schlussendlich, der die Puppe als erster mit nach Hause nehmen durfte. Sorgfältig legte er sie in sein Bett und betrachtete sie lange. „Besser als gar nichts“, murmelte er und fing an, sich zu entkleiden.





    So geschah es, dass die drei Bauern abwechselnd eine stumme hölzerne Frau bei sich zuhause hatten. Fradosch setzte sie manchmal zu sich an den Tisch und erzählte ihr von seinem Tag. Camenzind probierte allerhand spassige Sachen aus und freute sich, dass die Puppe im Gegensatz zu den meisten menschlichen Frauen alles mit sich machen liess.





    Nach Gebrauch sass die Puppe meistens irgendwo in der Stube, in einem Schrank, im Badezimmer, in der Küche. Fradosch malte ihr richtige Augen auf und Camenzind organisierte von irgendwo spitzenbesetzte Unterwäsche. Die Männer waren zufrieden und die Arbeiten auf dem Hof gingen ihnen leichter von der Hand.





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  • Doch eines Tages stand Bauer Trösch morgens im Badezimmer und wunderte sich über die Wasserpfütze am Boden. Er blicke zur Decke, um eine undichte Stelle zu finden, konnte jedoch nichts entdecken. Er warf einen verstohlenen Blick auf die Puppe, die in der Badewanne lag.





    Ein paar Tage später entdecke Camenzind eine offene Kühlschranktür, und Fradosch glaubte nachts Schritte zu hören. Als sich die drei Bauern ein weiteres Mal auf ein Bier trafen, brach Trösch das Schweigen: „Ich könnte schwören, dass die Puppe geblinzelt hat!“ Fradosch nickte. „Ich finde auch, dass sie von Tag zu Tag lebendiger aussieht. Langsam wird sie mir unheimlich!“





    „Männer, macht euch doch nicht zu Narren!“ schnaubte Camenzind. „Das findet doch alles hier oben statt.“ Er tippte sich an die Stirn. Trösch und Fradosch brummten, sagten aber nichts mehr. Wer wollte schon ein Spinner sein?





    In dieser Nacht brachte Trösch die Puppe in den Schuppen hinter dem Hof. Er legte sie neben einen Holzhaufen und versperrte das Tor von aussen. Er zögerte einen Moment, bevor er das Feuer entfachte. Innerhalb Sekunden brannte der Schuppen lichterloh. Trösch erzählte am nächsten Tag, es sei ein Unfall gewesen, und die drei Bauern legten eine Schweigeminute für die Puppe ein.





    Niemand hatte bemerkt, dass das Tor des ausgebrannten Schuppens offen stand. Trösch, Camenzind und Fradosch sprachen nie wieder über die Puppe. Doch noch heute erzählt man sich in dem kleinen Dorf Bargunsch, dass man manchmal am Morgen nach kalten Winternächten menschliche Spuren von nackten Füssen um die Häuser finden kann.



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  • Uiii, wieder eine sehr tolle Geschichte! *schauder* Du hast super tolle Ideen und kannst diese auch hervorragend umsetzen. Die Bilder sind auch wieder fantastisch und der Text liest sich wunderbar. Woher nimmst du bloss die Ideen dafür?
    Ich mag diese Art von Geschichten weil es nicht zu viel zu lesen gibt, bin manchmal eben ein wenig faul. Grossartig! Freue mich auf die nächste

    Lg Psycho

  • Wahnsinn,diese Geschichte ist ja echt gruselig.Warum hat er sie nur verbrannt,wäre doch lustig gewesen, wenn sie komplett lebendig geworden wäre.Was die drei dann wohl gemacht hätten? Abere die Ideen ,die du hast,ich bin schon gespannt auf deine nächste Kurzgeschichte.

  • Das hast du wieder wunderbar gezaubert.
    Fokus und die Kunst des Weglassens hast du toll eingesetzt, immer beeindruckend, welche menschliche Nähe du damit erzeugst. So wenig braucht es, ganze Welten und Lebensgeschichten entstehen zulassen - mit kaum einer Effekthascherei könnte man solche Betroffenheit und Anteilnahme auslösen.
    Gut, dass dir dieser "Trick" mit dem Sammelband in den Sinn gekommen ist, so können wir an deinen Ideen länger teilhaben, wenn sie sich auch nicht an die gängigen Photostoryregeln halten.
    Weniger ist oft mehr, und Qualität muss nix mit Menge oder Länge zu tun haben, was du hier schön beweist.
    Ich freu mich schon, was du uns noch Spannendes auftischst.
    Liebe Grüße,
    Josijusa
    P.S.: der Kommi war eigentlich noch zu ersten Geschichte geschrieben, paßt aber auch hier, wie ich sehe.

    [center]I scream, you scream, we all scream for ice cream [/center]

    [center]I still want to find a real good book and never have to come out of it.[/center]

  • Vielen Dank für die lieben Kommentare!


    Gut, dass dir dieser "Trick" mit dem Sammelband in den Sinn gekommen ist, so können wir an deinen Ideen länger teilhaben, wenn sie sich auch nicht an die gängigen Photostoryregeln halten.


    Öhm... also an die allgemeinen FS-Regeln halte ich mich. Oder habe ich etwas verpasst?
    Ja, klar... es ist in dem Sinne keine FS, in der kontinuierlich aufeinander folgende Kapitel gepostet werden.
    Und was die Länge betrifft: Ich bin der Meinung, weniger ist mehr. Zum Text habe ich meistens die doppelte oder dreifache Menge an Bilder im Kopf. Habe mir schon überlegt für jeden Textabschnitt zwei Bilder zu machen... aber das wäre dann schon wieder zuviel ;) Im Prinzip sind es nur Denkanstösse für den Leser.


    Warum hat er sie nur verbrannt,wäre doch lustig gewesen, wenn sie komplett lebendig geworden wäre


    Hättest du abgewartet, was passiert? Ist sie überhaupt lebendig geworden, oder haben sich die Männer das nur eingebildet, weil sie einen Gegenstand vermenschlicht haben?


    Woher nimmst du bloss die Ideen dafür?


    Die sind in meinem Gehirn drinn... hihi :D

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  • Nei wie genial mal wieder Karin.

    Das find ich ja noch besser als die Darfur - Geschichte.

    Auch dies könnte so passiert sein. Bei uns in den Alpen leben oft solche Käuze wie die 3 Bauern da.

    Ob die Puppe am Ende wirklich verbrannt ist, wird wohl für immer ein Geheimniss bleiben.

    Mit den Bildern wirklich perfekt umgesetzt! Auch toller Skin hat sie. Echt Klasse!!

  • Sie ist erschossen worden,so hab ich es verstanden,da verspürt man wohl so einen Schlag in der Brust.

  • Ausserdem steht da:


    Zitat

    Ein Schuss. Ein Schlag.


    Ergo: Ja, sie wurde erschossen.


    Tut mir leid, dass ich da wohl etwas politisch wurde und vielleicht den einen oder anderen (meist jüngeren) Leser überfordert habe... ich kann ja kurz zusammenfassen, welche Zustände zur Zeit in der Region Darfur herrschen:


    Seit 2003 kämpfen im sudanesischen Darfur Rebellenorganisationen gegen regierungsfreundliche arabische Milizen und sudanesische Streitkräfte. Nach UN-Schätzungen kamen dabei etwa 300'000 Zivilisten durch Gewalt, Krankheiten und Hungersnöte ums Leben. Weitere 2,2 Millionen Menschen befinden sich auf der Flucht. Ausser- und innerhalb der Flüchtlingslager sind systematische Vergewaltigungen, Verstümmelungen und Exekutionen an der Tagesordnung. Man geht davon aus, dass monatlich 5000 Menschen in Darfur sterben. Das passiert jetzt und heute.
    Und es verschont auch die Kinder nicht. Das, was Sani erlebt hat ist noch gnädig...

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  • So wahnsinnig es auch ist, schaffst du es einem mit der Geschichte (die Puppe) einem einen kalten Schauer über den Rücken laufen zu lassen Nonuna.
    Dein Streibstil ist fantastisch :)

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    [right][SIZE=3]can love you forever [/SIZE]:luvlove [/right]

  • Danke, ihr beiden! Ich hoffe, die kalten Schauer sind nicht allzu unangenehm... hier kommt die nächste Erzählung...


    Nach einer wahren Begebenheit in Irland, 1956





    Der Mond scheint hell durch eine Ritze in der Wand des Hühnerhauses. Viele Nächte schon beobachtet er ihn, wie er stetig runder wird, um dann sichelförmig schmaler zu werden und schliesslich einer dunklen Scheibe zu weichen, nur um in den folgenden Nächten den Zyklus erneut zu beginnen. Die Hühner gackern leise und beruhigend, während er sich in das weiche Heu schmiegt.





    Gedämpfte Stimmen dringen aus dem Backsteinhaus zum Hühnerstall hinüber. Licht brennt in einem Fenster. Eine Frau streitet mit einem alten Mann. Immer wieder schaut sie gehetzt zum Hühnerhaus hinüber. Sie denkt an ihn. Ihr Vater darf ihn nicht finden. „Wenn du den Balg nicht zum Verschwinden bringst, dann tu’ ich es!“, hat er damals geschrien. Ein uneheliches Kind - eine Schande für das ganze Dorf. Doch wo kann man schon ein Kind verstecken?





    Das Licht von draussen fällt durch ein schmutziges Leinentuch gedämpft auf den blechernen Teller, der zwischen den Strohhalmen liegt. Er teilt sich das Essen mit den Ratten und den Hühnern, seinen einzigen Gefährten in kalten Nächten, an einsamen Tagen. Stumm. Sprachlos. Lieblos. Kein Kontakt zu Aussen lässt das Leben im Innern verkümmern.





    Manchmal hört er Stimmen draussen. Kinder spielen auf der Wiese neben dem Hühnerhaus. Ein Junge lacht unter dem schmutzigen Fenster. Er schnuppert durch die Ritze, durch den er des Nachts den Mond sehen kann. Der Junge hört das Schnüffeln und klopft neugierig gegen die morschen Holzbretter, späht durch die dreckige Scheibe, kann jedoch nichts erkennen. Ein anderer ruft und der Junge rennt zu seinen Freunden zurück.





    Die Frau hat ihn ins Hühnerhaus gebracht, in eine zerschlissene Wolldecke gewickelt, die der Vater hoffentlich nicht vermissen würde. Sie hat geweint, ihn geküsst, sein Schreien ignoriert und ihn behutsam zwischen die Hühner gelegt. Sie wusste, ihr Vater würde ihn töten. Hier ist er sicher.





    Der Fleck, den die fahle Sonne auf das Stroh wirft wandert von der einen Ecke des Stalls in die andere. Der Junge späht wieder durch das Fenster. Er ist sich sicher, dass er etwas gehört hat. Er riecht ihn. Er schiebt das Leinentuch beiseite und starrt den Jungen an. Diesem entfährt ein spitzer Schrei, bevor er mit weit aufgerissenen Augen davonrennt.





    Die Sonne weicht dem Mond. Gedämpfte Stimmen dringen aus dem Backsteinhaus zum Hühnerstall hinüber. Licht brennt in einem Fenster. Eine Frau streitet mit einem alten Mann. Und die Hühner gackern leise im Schlaf, während sich eine Ratte vom blechernen Teller bedient. Es wird kalt in dieser sternklaren Nacht.





    Fortsetzung auf der nächsten Seite

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