[Fotostory] Tiefer als der Schmerz

  • Sag blos, ich mache dir angst? ^^ Gut, dann hör ich besser auf zu spekulieren *lach*


    Das Kapitel ist übrigens sehr schön geworden und macht neugierig auf mehr, aber etwas anderes bin ich von dir ja überhaupt nicht gewöhnt! Die Idee von Tessa eine Geschichte über Jess (ich wusste es ^^) zu schreiben, find ich übrigens klasse und ich denke, die Geschichte, die er erzählen wird ist "Tiefer als der Schmerz"... ich erwarte wieder eine tränenreiche FS von dir und bin gespannt wohin du uns diesmal entführen wirst!

    [CENTER][COLOR="White"]Bussi @all Kiara :wink
    ***************[/CENTER][/COLOR]




    [CENTER][SIZE="1"][COLOR="Sienna"]P.S. Für Rehctshcbriefleher wird kiene Hatufng übrnemoemn! *g*[/COLOR][/SIZE][/CENTER]

  • wow :applaus
    du schreibst wirklich toll :)
    und das ist also Jess? :misstrau
    intressant intressant ^^ das sie bei einem "junkie" irgendwie in die falsche bahn gerät kann ich mir gut vorstellen. was sie für ihn gemacht hat finde ich wirklich stark. ich hätt das nie gemacht. auch verstehen kann ich das sie ihn nich einfach gehen lassen kann. würde mir dann genauso gehen. wirklich realistisch :D
    bin gespannt wies weiter geht.
    ~LG, Tear

    [LEFT][SIZE=4][SIZE=3]Only a[/SIZE][/SIZE][SIZE=3] »[/SIZE][SIZE=4][SIZE=3]Vampire[/SIZE][/SIZE]«
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    [right][SIZE=3]can love you forever [/SIZE]:luvlove [/right]

  • Ich kann Tessa für ihren Mut nur bewundern! Das sie sich derart für einen völlig Fremden einsetzt und ihm beisteht...Hand aufs Herz, WER hätte sich das getraut? Was hätten wir an ihrer Stelle getan???
    Es beweist, welch gutes Herz in ihr schlägt. Weiterhin hat Jess sie einfach berührt. Er trat in ihr Leben, nur durch einen Blick. Und gehört jetzt fast dazu, ohne das es einer verhindern kann.
    Ich finde das Kapitel sehr ereignisreich und prägend für die Story. Man merkt direkt, wie wichtig es ist. Das es einiges aufwirft und Tessas Leben sich total verändern wird.
    Du schreibst so wunderschön emotional, voller Gefühl und Ausdruck. Ich hab das Gefühl, als würde ich selbst im Regen stehen und mit den beiden diskutieren! Die Tropfen konnte man fast schon spühren! Wenn ich mich in eine Story fallen lassen kann, dann ist es für mich ein Meisterwerk. Weil oft gelingt mir das nicht...und wenn spricht die Story für sich.
    Ich finde, dir gelingt es immer wieder aus allem das Beste heraus zu holen. Ein spannendes, zu Herzen gehendes Kapitel. Schön, einfach nur schön! Herausragende Fotos. Auf einem Foto schaut Tessa so leicht schief ... das ist hammermässig fotografiert. Klasse und weiter so!!!

    Deine Chrissy

    [CENTER][SIZE=5]"Dein Gesicht lächelt - aber deine Seele weint!"[/SIZE][/CENTER]
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    [CENTER][SIZE=3]Unsere Story:„Immortelle – Blume der Nacht!“ ONLINE! Innad und FunnyChrissy freuen sich auf Euch! [/SIZE][/CENTER]

  • Hammermäßig geil! Schade das die alte Frau keine Rolle mehr spielt...Sie hätte ja eine bishher unbekannte verwandte von Jess sein können ,die steinreich, verwitwet und kinderlos ist. Aber ich will ja ausgerechnet die bestimmt nichst sagen was du machen sollst. Nein. Ich doch nicht. Aber weißt du was ich mir wünsche, für das Ende der FS?

    Jess und Tessa:amor(Es gab keinen Hochzeitssmiley)
    und ganz viele:kids:kids:kids:kids:kids:kids:kids!
    Und das gleiche für wie hieß er doch gleich Niklas und Bettina.

    Also ich finde das ganze extrem intressant. Nochmal ein großes Lob.
    Und übrigens, ich find die Bilder zwar hammergeil, kann mich aber da ich so verpennt bin net an genauere Einzelheiten erinnern. Nur an ein paar GEdanken. Ich zitiere mal was ich noch weiß
    ...Da sind die Gefühle richtig gut gemacht...
    ...Ich hoffe ich krieg das auch mal sogut hin...
    was war da noch? Nix. Außer das ichs wie schon gesagt hammergeil finde.

    SCW

    [SIZE=1]Da ist ein Ort, wo der Bürgersteig endet[/SIZE]
    [SIZE=1]Und bevor die Straße beginnt[/SIZE]
    [SIZE=1]Und dort wächst das Gras, das weiche weiße[/SIZE]
    [SIZE=1]Und dort brennt die Sonne, die purpurrot heiße[/SIZE]
    [SIZE=1]Und der Mondvogel schläft dort nach langer Reise[/SIZE]
    [SIZE=1]Im kühlen Pfefferminzwind[/SIZE]

  • @ineshnsch: Du hast das schon ganz richtig erfasst, Tessa spürte einfach, dass Jess etwas besonderes ist - für sie. Mit Verliebtsein hat das absolut gar nichts zu tun, da ist nur so eine besondere Atmoshpähre zwischen den beiden, die sie dazu veranlasste, das zu tun, was sie getan hat.
    Danke für Deinen Kommi, deine Kommis sind immer so toll! :)


    Kiara: Nein, bisher machst Du mir noch keine Angst :) Deine Interpreationen sind immer so toll, so tiefsinnig, wahnsinn! Ob Du recht hast - sag ich nicht ;) Tränenreich könnte es werden, aber ich bin nicht immer nur traurig in meinen Geschichten - also bleibt gespannt!


    tear: Ich glaub, das, was Tessa tat, hätten wenige gemacht, um ehrlich zu sein. Aber nun kann sie ihn icht mehr weglassen. Warum erfährt man auch ein wenig im nächsten Kapitel.


    chrissy: Ich zitiere mal : "Er trat in ihr Leben, nur durch einen Blick. Und gehört jetzt fast dazu, ohne das es einer verhindern kann."

    Das hast Du wunderbar erfasst. Genau so ist es. Danke für Dein Lob, ich werde ja ganz rot ;)


    Dani: Psssst, nicht zu viel verraten. Ja, Du hast recht - es würden wenige in unserer Gesellschaft so handeln. Das zeichnet Tessa echt aus. Und Jess kann einem leid tun - verdammt leid tun. Warum erfährt man bald auch noch. Danke für Deinen Kommi!


    @SCW: Oh weh, ich hoffe, Du bist heute etwas wacher und konnetst ausschlafen :) Deine Idee mit der alten Frau fand ich richtig gut :) schade, dass Du mir das nicht vorher gesagt hast *lach*
    Ansonsten - deine Wünsche fürs HappyEnd hab ich mir notiert und werd sehen, was ich machen kann. Zur Zeit haben wir noch viiiiiele Kapitel vor uns und es ist noch alles drin *gg*

    vielen Dank auch für Deinen lieben Kommi!



    So, es geht weiter mit einem Übergangskapitel 5 - Kapitel 6 kommt dann recht rasch nach.

  • Kapitel 5


    Tessa öffnete die Tür zu ihrem kleinen, aber gemütlichen Mädchenzimmer im Hause ihrer Eltern. Einen Moment blieb sie mit der Klinke in der Hand stehen und sah sich um, als sehe sie alles mit neuem Blick. Sie begriff, wie gut sie es hatte, dieses Reich ihr Eigentum nennen zu können.

    Erschöpft ließ sie sich auf die Couch fallen. Ihr fielen all die kleinen Luxus-Dinge auf, die sich in diesem Zimmer befanden – vom Notebook bis zu ihrem warmen, weichen Bett mit den geschnitzten Bettpfosten. Und ihr wurde schmerzlich bewusst, dass Jess nichts davon hatte. Vielleicht hatte er nicht einmal ein Bett zu schlafen. Was war ihm nur widerfahren, dass er sogar so ausgehungert war, dass er stehlen musste?



    Tessa seufzte hörbar. Sie war bis ins innerste von der Begegnung im Supermarkt aufgewühlt. Es fühlte sich an, wie das zittrige Vibrieren eines unruhigen Muskels, der einem manchmal übel mitspielt, nur war dieses zittrige Vibrieren irgendwo in ihr, an einem Ort, den sie nicht benennen, sondern nur fühlen konnte.


    Ein schwerer Stein schien auf ihrem Herzen zu liegen, der es mit schmerzhafter Deutlichkeit einige Zentimeter mehr in Richtung Leibesmitte zu drücken schien. Heute Morgen hatte sie alles noch für so selbstverständlich genommen. Ihr Leben, wie es war – in all seiner ruhigen und langweiligen Beständigkeit. Nun wurde ihr mit einemmal klar, dass es Menschen gab, denen es nicht so gut ging wie ihr- für die ein weiches Bett, warme Kleidung und ordentliche Mahlzeiten nicht so selbstverständlich waren wie für sie.
    Tessa atmete tief durch. Sie fühlte sich hundeelend ob der Hilflosigkeit, die sie bei diesem Gedanken empfand.



    Natürlich war sie nicht naiv, die Welt bisher nicht an ihr vorbeigegangen. Oft genug hatte sie die Obdachlosen am Straßenrand gesehen, war achtlos an ihnen vorbeigegangen oder hatte ihnen einige Münzen in ihre verfransten Pappbecher geworfen, ohne lange und intensiv darüber nachzudenken, welches Schicksal sich hinter ihnen verbergen mochte. Doch Jess war nicht nur obdachlos, da war sie sich sicher. Sein Schicksal war noch viel härter…
    In diesem Moment riss das Klopfen an ihrer Tür Tessa aus ihren Gedanken. Tante Tru steckte den Kopf ins Zimmer. „Nanu, du bist noch hier?“ fragte Tessa erstaunt, denn normalerweise ging Tante Tru gegen Nachmittag nach Hause, sobald gekocht und geputzt war – jetzt, wo Tessa selbst aus dem Haus war.



    Tru lächelte. „Ich hatte heute viel zu tun, Tessalein, und wollte dich unbedingt noch erwischen, ich kriege dich ja fast nicht mehr zu Gesicht, seit du arbeitest.“

    Tante Tru setzte sich neben Tessa und musterte ihren Schützling prüfend. „Tessalein, ich kenne dich seit du auf der Welt bist. Was ist los?“ sagte sie unvermittelt. Tessa sah sie mit großen Augen an. Tante Tru lächelte sanft. „Nun mach nicht so ein überraschtes Gesicht. Wann hast du es zum letzten Mal geschafft, etwas vor mir zu verheimlichen, mh?“
    Tessa musste grinsen. „Vermutlich noch nie.“
    „Na also“, sagte Tante Tru lächelnd. „Dann erzähl mir doch, was los ist.“



    Tessa zögerte und ihr Blick verlor sich einen Moment lang. Eigentlich hätte sie sich Tru gerne anvertraut, so wie in ihren Kindheitstagen und sich von ihr in den Arm ziehen lassen und trösten. Doch so einfach war das diesmal nicht. Tru konnte die Ungerechtigkeit der Welt ebenso wenig fortstreicheln wie Tessa sie hatte ignorieren können.
    Abgesehen davon zweifelte Tessa ernsthaft daran, ob Tru das, was sie getan hatte, gutheißen würde. Natürlich war Tru ein wunderbarer Mensch und mit Sicherheit besaß sie genug Toleranz und würde Menschen wie Jess grundlegend nicht verurteilen. Aber immerhin hatte Tessa heute – faktisch betrachtet – einem „Verbrecher“ geholfen, seine kriminelle Handlung zu vertuschen – im Prinzip hatte sie sich selbst strafbar gemacht, auch wenn sie das keinen Deut interessierte, denn das, was geschehen wäre, hätte sie im Supermarkt nicht eingegriffen, wäre mehr als nur unrecht gewesen.



    Und doch- sie war für Tru fast wie das eigene Kind. Sie war sich nicht sicher, ob diese sich nicht einfach nur Sorgen um sie machen würde. Also beschloss sie, ihr eine Halbwahrheit zu erzählen, in der Hoffnung, Tru würde ihr nicht anmerken, dass noch mehr dahinter steckte, als sie zu erzählen bereit war.

    „Es ist so“, sagte sie darum. „Ich habe heute einen Auftrag bekommen, jemanden zu interviewen, dem es nicht so gut geht. Und ich kann seitdem nicht aufhören, an ihn zu denken und dass es ihm so schlecht geht, während es uns allen so gut geht. Ich meine – wir sind reich, wir leben wie die Maden im Speck im Vergleich zu der Person, über die ich schreiben werde. Es ist so ungerecht und man kann nichts dagegen tun. Und das schlimmste ist, dass ich genau weiß, dass so viele Menschen genau diese Sorte Mensch für das, was sie ist, verurteilen, auch wenn diejenigen gar nichts dafür können, dass sie so arm und traurig sind. Und wenn ich ihm helfen würde, dann gäbe es sicher viele Menschen, die das nicht verständen.“



    Tante Tru nickte langsam. „Ich verstehe“, sagte sie dann. „Tessalein, du hast ein Herz aus Gold, und das weißt du auch. Wenn du einen armen oder hilfsbedürfigen Menschen siehst, möchtest du ihm sofort helfen. Das ist löblich und spricht für deinen guten Charakter. Ich brauche dir nicht zu erzählen, dass die Welt und das Leben nicht immer gerecht sind und unser lieber Herrgott, oder wer auch immer, seine Güter nicht unbedingt gerecht unter uns verteilt hat. Wir können nur begrenzt etwas machen, um dieser Ungerechtigkeit zu trotzen, doch jeder noch so kleine Versuch ist ein Schritt in die richtige Richtung. Lass dir nie von jemanden ausreden, dass das anders ist. Jeder Mensch verdient Hilfe. Und wenn du mit deinem Schreiben etwas für diesen Menschen tust, hast du schon einen Schritt in die richtige Richtung getan. Du wirst die Welt nicht retten können, Tessa. Aber du kannst versuchen, sie ein wenig besser zu machen.“



    Tessa lächelte erleichtert. Tru´s Worte waren wie Balsam für ihr Herz und sie war sich nun endgültig sicher, richtig gehandelt zu haben. Etwas wie Mut und Hoffnung kehrten in sie zurück und sie fühlte sich nicht mehr so elend wie vorher.
    „Ich danke dir, Tante Tru“, sagte sie.
    Tru lächelte. „Und nun sag, mein Schätzchen, ein junges Dingelchen wie du wird doch nicht etwa den kompletten Freitagabend zu Hause verbringen?“
    Tessa fiel erst jetzt wieder die Party ein, zu der sie eingeladen war. Eigentlich war ihr jedwede Lust vergangen, aber sie wollte die anderen nicht versetzen. Also antwortete sie. „Nein, ich gehe gleich auf eine Party, zu Mickey, weißt Du.“
    „Ach, Micky, an den kann ich mich noch sehr gut erinnern“, lachte Tante Tru und schien einen Moment in alten Zeiten zu schwelgen. Dann stand sie auf und sagte. „Ich muss nun auch nach Hause, Tessalein. Nun komm her und lass dich drücken. Du machst das schon alles ganz richtig, mein Mädchen.“



    Tessa schmiegte sich einen Moment wie ein kleines Kind in die mütterliche Wärme dieser herzlichen Umarmung, dann ließ Tru sie los, gab ihr einen Nasenstümper und verabschiedete sich. Tessa jedoch atmete tief durch. Sie dachte an den morgigen Tag und fragte sich, was sie erwarten würde… sie empfand Furcht und Neugier zugleich. Immer noch war ein Funken Unsicherheit übriggeblieben, ob sie das richtige tat. Doch dann sah sie wieder Jess traurige Augen vor sich auftauchen – und mit einemmal waren alle ihre Zweifel wie weggewischt und mit Tante Tru´s Worten im Kopf machte sie sich auf den Weg zu Mickey.


    Fortsetzung folgt!

  • Hallo Innad!
    Wie eh und je eine zu Herzen gehende Fortsetzung. Du meintest, dass Kapitel ist eher ein Übergang. Ich finde es aber bezeichnend für diese Story. Es unterstreicht den tiefen Konflikt der heutigen Zeit. Die Vorurteile und das "Desinteresse". Nur kann man leider nicht jedes Leid zu seinem eigenen machen, sonst zerbricht man daran.
    Tessa möchte Jess helfen und ihm ein anderes Leben ermöglichen, zumindest ist es ein Versuch ihrerseits. Sie zeigt damit ein grosses Herz. Und ich glaube, in ihr schlummert auch ein anderes Gefühl für Jess. Er hat sie auch auf seine Weise berührt, nicht nur seine Tat.
    Ich finde, du bringst das wunderschön zum Ausdruck und setzt ein Zeichen dahingehend, dass jeder etwas tun kann. Zumindest ein Stück weit.
    Man kann die Welt gewiss nicht besser machen, so viel Kraft hat man auch alleine nicht. Wenn man alles zu sehr an sich heran lässt, zerbricht man daran. Die Welt birgt so viel Trauriges. Aber Mitgefühl ist schon sehr viel und jeder kann etwas davon hervor zaubern.
    Sehr schön geschrieben, die Fotos find ich zauberhaft. Tessas Mimik kommt sehr schön darauf herüber. Der Text wie immer ergreifend und gefühlvoll, wie ich es von dir gewohnt bin.

    Kussi und weiter so
    Chrissy

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  • chrissy: Ich denke, es ist wichtig, sich bewusst zu werden, dass einer alleine nichts ausrichten kann. Tessa wird Jess vermutlich nicht retten können, aber sie kann es ihm leichter machen. Manchmal reicht es schon, einfach nur da zu sein. Ein freundliches Wort oder einfach ein Happen zu essen sind für uns selbst kein großer Aufwand, für die Menschen, die danach dursten, aber lebensrettend. Ich denke, das ist es, was Tru ihr hat sagen wollen, auch wenn sie nicht genau weiß, worum es geht bzw. um wen oder was.
    Danke für Deinen lieben Kommi!


    Ich bin diesmal ziemlich fix mit der Fortsetzung, und diesmal ist es ein sehr langes Kapitel, aber ich kann es nicht mehr auseinanderdröseln, wüsste nicht, wie - von daher passt es ja- erst ein kurzes, dann ein langes. Viel geschieht nicht im nächsten Kapitel, aber wir lernen Jess besser kennen. Ich hoffe, es gefällt euch!


    ---

    Kapitel 6



    Am nächsten Tag saß Tessa pünktlich um fünf Uhr im City Café und nippte nervös an einem Glas Wasser. Sie hatte in der vergangenen Nacht kaum geschlafen und wilde Träume von fluchenden Supermarktangestellten, alte Frauen, die sie mit Joghurtbechern bewarfen und Jess, der laut nach Hilfe rief, hatten sie immer wieder aufschrecken lassen.
    In ihrer Tasche hatte sie wie immer ein kleines Aufnahmegerät, damit sie sich nicht die Finger wundschreiben musste. Es lag ihr mehr, die Texte in aller Ruhe am Schreibtisch zu verfassen, wenn sie sich alles noch einmal anhören konnte.
    Sie hatte keine Ahnung, ob irgendjemand in der Agentur überhaupt Interesse an ihrem Artikel haben würde. Meist schrieb sie über belanglose Sachen wie örtliche Vereinstreffen oder ähnliches.
    Die Zeiger der Uhr zeigten bereits fünf Minuten nach fünf Uhr. Tessa wurde nervös. Was, wenn Jess nicht kommen würde?



    Vielleicht dachte er, ihr Angebot sei eine Falle. Sie könnte schließlich genauso gut von irgendeiner Behörde sein. Und wer wusste schon, in welcher Klemme Jess steckte – am Ende war er krimineller als sie dachte. Doch Tessa schüttelte sogleich über ihren eigenen Gedanken den Kopf. Sie war sich sicher, dass Jess ein guter Mensch war, nichts konnte sie davon abbringen. Darum hatte sie auch gar kein schlechtes Gefühl, sich mit ihm zu treffen oder gar Bange.
    Sie war so in ihre Überlegungen vertieft, dass sie nicht merkte, wie Jess unsicher das Café betrat und sich nach ihr umsah.



    Schließlich entdeckte er sie und nahm ihr gegenüber Platz. Sie lächelten sich an. „Schön, dass sie es geschafft haben“, sagte Tessa. Jess nickte. „Ich hab es ja versprochen.“
    Er griff nervös nach einer Karte und studierte diese eingehend.
    Tessa spürte seine Unsicherheit, die ihm der formelle Rahmen des Restaurants einzuflößen schien.
    Da sie nicht wusste, was sie sagen oder tun sollte und das Schweigen ihr unheimlich wurde, sagte sie: „Jess, stört es Sie, wenn ich das Aufnahmegerät mitlaufen lassen, während wir sprechen? Es fällt mir leichter, das alles in Ruhe zu schreiben.“



    Jess sah auf. „Oh – nein, das stört mich überhaupt nicht, Tessa. Wenn es Ihnen so am leichtesten fällt, Sie sind der Profi“, er lächelte schief. „Ich möchte nur nicht mit Namen genannt werden, wenn das in Ordnung ist?“
    Tessa nickte eifrig. „Natürlich ist das in Ordnung, ohnehin ändern wir die Namen normalerweise ab und erfinden irgendwelche Synonyme.“
    Jess lächelte. „Dann bin ich aber erleichtert. Und wie wollen Sie mich dann nennen?“ scherzte er. „Bitte nicht Ottfried Müller oder etwas ähnliches grausiges.“
    Sie lachten beide leise auf und das Eis schien gebrochen.




    Kurz darauf kam die Bedienung zu Ihnen und fragte, was sie zu speisen wünschten, nachdem sie Jess ein Glas Wasser gebracht hatte. Unsicher blickte Jess zu Tessa und diese ermunterte ihn: „Keine Bange, Jess, das geht alles auf Firmenkosten, Sie können bestellen, was Sie möchten.“
    „Wir haben heute ein wunderbares Abendmenue im Angebot“, pries die Kellnerin ihre Ware an. Jess sah Tessa nachdenklich an und sagte dann: „Gut, ich denke, das werde ich nehmen.“



    Während beide auf das Essen warteten, sprachen sie belangloses über dies und das, ohne auf das eigentliche Thema, weswegen sie sich hier getroffen hatten, einzugehen. So erklärte Tessa Jess beispielsweise, dass sie den Job bei der Zeitung nur vorübergehend machte, da sie auf einen freien Studienplatz wartete und dass sie vorhabe, Journalismus zu studieren. Nachdem sie Vorspeise und Hauptgang verdrückt hatten, sah Jess Tessa aufmerksam an. „Läuft ihr Aufnahmegerät denn?“ fragte er und Tessa merkte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. „Nein, natürlich nicht“, erwiderte sie. „Eigentlich haben wir ja noch gar nicht angefangen.“
    „Dann sollten wir das vielleicht tun?“ fragte Jess vorsichtig und sah sie ernst an. „Was wollen Sie von mir wissen, Tessa?“




    Tessa schluckte. Inzwischen war es draußen dunkel geworden, sie hatten völlig die Zeit vergessen. Jess hatte recht, es war höchste Zeit, zu beginnen. So holte sie ihr Aufnahmegerät aus der Tasche, drückte auf „Start“ und begann zu sprechen: „Ich weiß, dass Sie in Schwierigkeiten stecken, Jess. Aber ich möchte wissen, um was genau es sich handelt. Ich… ich nehme einfach mal an, dass es etwas mit … Drogen zu tun hat.“
    Tessa schluckte und sah ihn ernst an. Es war ihr nicht leicht gefallen, ihm diese direkte Frage zu stellen.



    Jess nickte. „Ja, Sie haben natürlich recht, Tessa. Ich nehme Drogen und das schon seit einer ganzen Weile.“
    Tessa schluckte, ließ sich jedoch nicht beirren. „Seit wann, Jess? Und warum – ich meine, gibt es einen bestimmten Grund, dass Sie angefangen haben?“
    Jess senkte den Kopf. „Es gibt vermutlich eine ganze Reihe bestimmter Gründe dafür. Einer weniger vernünftig wie der andere. Jeder sollte seine Finger von diesem Teufelszeug lassen. Es macht dich von Tag zu Tag kaputter, schaukelt dir vor, dir Lebensfreude und Kraft zu geben, nimmt sie dir aber nur mehr und mehr, bis du nur noch ein Schatten des Menschen bist, der du einmal warst.“



    Tessa schluckte und spürte seinen verbitterten Schmerz fast körperlich. Sie schwieg jedoch und ließ Jess weitersprechen.
    „Ich habe angefangen, als ich etwa dreizehn war. Heute bin ich zweiundzwanzig, ich stecke also sage und schreibe schon fast acht Jahre in diesem Teufelskreis fest. Ich habe damals natürlich mit scheinbar harmlosen Dingen angefangen – zuerst kamen mit elf die Zigaretten, die man ja rauchen musste, um wahnsinnig cool zu sein. Dann mit dreizehn hatte ich meinen ersten Joint. Viele sagen, das alles ist ganz harmlos. Vielleicht ist es das im Vergleich zu dem, was ich heute täglich brauche, ganz sicher sogar. Aber es ist vollkommener Schwachsinn zu glauben, dass es kein Fehler ist, mit jedweder Art von Drogen zu beginnen, Tessa.“


  • Er sah sie ernst an. „Es ist eine Hemmschwelle, die fällt - und wenn sie einmal gefallen ist, dann ist es verdammt schwer, sie wieder zu bekommen.“



    Tessa sah ihn betroffen an. Sie dachte an einen Abend vor zwei Jahren zurück, an dem auch sie nach einer wilden Party im Freundeskreis einmal eine Runde Gras mit den anderen geraucht hatte. Es hatte ihr nicht geschmeckt und sie fand den leicht berauschenden Zustand danach nicht der Rede wert, das schlechte Gewissen, das sie noch tagelang plagte, jedoch umso mehr.
    Die Bedienung trat an den Tisch und servierte ihnen einen Pudding zum Nachtisch. Tessa schob wie selbstsverständlich und mit den Worten „Ich bin pappsatt“ ihren Pudding zu Jess und während er aß, sagte sie: „Aber – gab es denn einen Auslöser für das alles? Ich meine – war es wirklich nur zum Vergnügen? Denn bei Marihuana ist es ja nicht geblieben, nehme ich an. Oder, Jess? Was war passiert, dass es so viel schlimmer wurde? Und haben Ihre Eltern oder Freunde nichts dagegen zu utnernehmen versucht?“
    Sie dachte mit Schaudern daran, was Tru oder ihre Eltern mit ihr gemacht hätten, wenn sie auch nur von diesem einen Hasch-Erlebnis Wind bekommen hätten!



    Er zuckte mit den Schultern. „Mein Vater starb, als ich noch ein Kleinkind war. Meine Mutter hat das niemals richtig verkraftet, als ich neun war, ist sie gestorben. Ich weiß bis heute nicht, was genau sie das Leben gekostet hat, ob sie es selbst getan hat oder wirklich krank war. Ich habe dann bei meinen Großeltern gelebt und eigentlich war ich dort gut aufgehoben. Aber sie waren einfach schon sehr alt und als ich zwölf war, hatte mein Großvater einen Herzinfarkt und wurde zum Pflegefall – da bleibt nicht viel Zeit für einen pubertierenden Teenager übrig.“
    Tessa schluckte und fühlte ihren Mund trocken werden. Sie hatte sich Jess´Geschichte schlimm vorgestellt, aber ihr dämmerte, dass die Wahrheit all ihre Vorstellungen zu übertreffen schien.



    Sie schluckte wieder und sagte dann leise: „Jess – das ist ja wirklich furchtbar. Kein Wunder, dass sie so auf die schiefe Bahn gerutscht sind. Hatten Sie denn niemanden, der für sie da war?“
    „Meine Großmutter tat ihr bestes, aber sie war schon alt und musste meinen Großvater pflegen – für mich fehlte einfach die Zeit“, sagte Jess achselzuckend.
    „Und… welche Drogen… nehmen Sie heute?“
    Tessa wagte es kaum ihn anzusehen.



    Jess machte eine hilflose Geste. „Was soll ich Ihnen sagen? Ich nehme, was ich kriegen kann, was es irgendwie besser macht…“ er zögerte einen Moment weiterzusprechen. „Aber hauptsächlich nehme ich Heroin.“ Er seufzte schwer.
    „Damals lief einfach alles aus dem Ruder. Meine Schulnoten gingen in den Keller, ich fand die falschen Freunde – vermutlich eine Standardgeschichte. Mit sechzehn kokste ich das erste Mal. So schaukelte sich alles langsam nach oben und vor einem Jahr begann ich mit dem Heroin, weil mir alles andere nicht mehr reichte.“
    Er blickte wie geistesabwesend zum Fenster hinaus.



    „Und Ihre Großmutter? Hat Sie nichts gemerkt, nichts dagegen unternommen?“ Tessa konnte sich einfach nicht vorstellen, dass man sein Kind – auch wenn es nur der Enkel sein mochte – nicht mit allen Mitteln aus diesem Teufelskreis zu holen versuchte.
    „Sie war eben alt und als ich sechzehn war, starb Großvater dann endgültig. Sie erfuhr irgendwann von unserem Direktor, dass ich mit Drogen zu tun hatte und wusste sich nicht zu helfen – sie hatte keine Kraft, etwas dagegen zu tun. Es gab nur noch Streit, und sie baute auch zusehendes ab. Als ich achtzehn war und immer noch nicht von den Drogen weg, wies sie mir die Tür.“
    Tessa sah ihn ungläubig an. „Sie hat sie rausgeschmissen?“



    Jess zuckte mit den Schultern. „Sie war am Ende ihrer Kräfte. Nur wenig später kam sie selbst in ein Pflegeheim. Ab und an besuche ich sie, aber meist regt es sie zu sehr auf. Ich wünschte einfach, ich hätte diese Drogensache nicht angefangen. Heute kann ich einfach nicht mehr heraus. Schreiben Sie das bloß hinein, Tessa, damit es jedem eine Lehre ist. Drogen zu nehmen ist wie in eine Sackgasse zu fahren – nichtmal in eine Einbahnstraße, nein, in eine Sackgasse, denn es gibt keinen Weg mehr heraus. Für mich gibt es diesen Weg jedenfalls nicht mehr…“
    Er sah traurig zu Boden. Tessa spürte, wie sich alles in ihr gegen seine Worte zu sträuben begann.



    Sie zwang sich, ruhig und sanft zu sprechen, als sie erwiderte. „Aber Jess, natürlich haben Sie recht, man sollte niemals anfangen, überhaupt Drogen zu nehmen, das steht völlig außer Frage. Und doch – wieso ist Ihr Weg zu Ende? Es gibt doch Mittel und Wege, der Sucht ein Ende zu setzen. Haben Sie denn nicht einmal darüber nachgedacht, eine Entziehungskur zu machen? Ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen? Jess, Sie sind doch jung und stark, ich bin mir sicher, dass Sie das schaffen würden…“
    Mit ihren blauen, fast unschuldig wirkenden Augen sah sie ihn fast flehend an. Er schluckte.


    „Oh, Tessa, so einfach ist das nicht. Meinen Sie denn, das hätte ich nicht schon lange versucht? Ich habe bereits drei Entziehungskuren hinter mir, die alle erfolglos waren. Irgendwann hält man es nicht mehr aus und bevor man weiß, wie einem geschieht, hat einen dieses Teufelszeug wieder in der Hand und beraubt einen jedweder Entscheidungsgewalt und Hoffnung.“



  • Er sah sie sanft an. „Sie sind so gütig, Tessa, aber auch naiv. Es ist nicht so einfach, es gibt nicht für jedes Problem eine Lösung.“

    Tessa seufzte schwer und merkte, dass sie hier nicht weiterbohren konnte und durfte, so schwer es ihr auch fiel, zu akzeptieren, dass Jess sich praktisch bereits aufgegeben hatte.
    „Wie finanzieren Sie sich die Drogen?“ fragte sie nach einer Weile des Schweigens und sah Jess zu, wie er die letzten Puddingreste aus den Gläsern kratzte. Vermutlich hatte er schon seit Ewigkeiten nichts vergleichbares mehr gegessen.
    Er zuckte mit den Schultern. „Mit allem erdenklichen. Aber ich gehe nicht anschaffen, das habe ich mir geschworen!“ Er sah Tessas entsetzten Blick und lächelte gütig. „Das ist nunmal die Wahrheit, Tessa. Viele tun das, besonders die Frauen. Es ist der beste Weg, an schnelles Geld zu kommen.“



    Ich versuche, das Geld so gut es geht, ehrlich zu verdienen“, fuhr er fort.
    „Wie soll das gehen?“ entfuhr es Tessa. „Heroin ist bestimmt nicht billig.“
    „Ich nehme nicht immer Heroin, manchmal reicht das Geld einfach nicht“, erwiderte Jess und seufzte schwer. „Manchmal müssen einige Pillen oder einfach eine Brise Koks oder sogar nur ein Joint reichen, auch wenn es schwer ist, damit zu leben. Ich arbeite für die Drogenbehörde und schreibe an und an kleine Berichte für diese Straßenzeitung, die einmal monatlich herausgebracht wird. Allerdings geben die uns natürlich kein Bargeld, sondern nur Essen für unsere Dienste. Meistens male ich und verkaufe einige Bilder in der Fußgängerzone oder im Bahnhof, wo ich meistens bin. Aber ich muss zugeben…“, sein Gesicht wurde traurig und er sah beschämt zu Boden. „Dass das meistens alles nicht ausreicht. Also schließe ich mich ab und an einigen Banden und stehe Schmiere, wenn wir irgendwo einbrechen. Ich hasse mich selbst dafür, aber ich kann nichts dagegen tun, denn ich brauche das Geld, um zu überleben.“




    Tessa sog hörbar die Luft ein und aus und richtete für einen Moment den Blick an die Decke, um nicht zu zeigen, dass ihr Tränen in die Augen gestiegen waren. Wie sehr Jess sich selbst für das, was er tat, verurteilte, rührte sie und zugleich fühlte sie sich auf seltsame Weise abgeschreckt von ihm und seinem Geständnis, doch was hatte sie erwartet? Dass er Äpfel und Bananen verkaufte, um sich seine Drogen zu finanzieren?
    Nein, was er sagte, war nicht wirklich überraschend und doch wünschte sich Tessa, er hätte ihr etwas anderes sagen können…



    Viel sprachen die beiden nicht mehr. Tessa bezahlte die Rechnung und ließ ihr Aufnahmegerät wieder in ihrer Handtasche verschwinden. Nach einigen Minuten traten beide nach draußen und blieben unschlüssig voreinander stehen, bis Jess schließlich sagte: „Nun ja,Tessa – ich hoffe einfach, dass ich mit meiner Schilderung helfen konnte und vielleicht den ein oder anderen wachrütteln. Das wäre mir viel wert, denn ich wünsche niemanden, in meine Situation zu kommen. Und nun muss ich los. Vielen Dank für das Essen.“
    Er wollte schon gehen, doch Tessa hielt ihn zurück und sagte: „Nein, Jess – bitte… bitte lassen Sie mich jetzt nicht so stehen. Ich…“ Tessa suchte verzweifelt nach Worten und sah ihn schließlich offen an.



    „Lassen Sie mich nicht mit diesem Gefühl der Hilflosigkeit zurück. Dass ich nichts für Sie tun kann. Wenn ich Sie jetzt gehen lasse, werde ich mir ewig Vorwürfe machen, dass ich nicht mehr getan habe. Und…“ sie zögerte einen Moment, bevor sie weitersprach. „Ich weiß nicht wieso, Jess, aber … Sie bedeuten mir einfach etwas. Sie sind mir nicht egal.“
    Jess sah Tessa einen Moment gerührt an und sagte dann leise: „Tessa – das hat schon lange niemand mehr zu mir gesagt… und dafür will ich Ihnen danken. Aber ich kann Sie da nicht mit reinziehen. Es ist meine Sache und Sie haben damit nichts zu tun. Ich denke, es wäre besser, wenn Sie in Ihrem Leben bleiben und ich in meinem…“
    „Aber was ist IHR Leben?“ Tessa stützte die Hände in die Hüfte und sah ihn provozierend an. Sie hatte entschieden, ihn so nicht gehen zu lassen. Er gehörte auf unerklärliche Weise in ihr Leben, das war ihr klar. Und sie musste etwas tun, um ihm zu helfen, was auch immer es sein mochte.



    „Was ist denn Ihr Leben? Sie brauchen das nicht, Sie könnten etwas ändern“, platzte es aus ihr heraus.
    Jess seufzte. „Das weiß ich, aber…“
    Sie unterbrach ihn. „Ich will Ihnen keinen Vortrag halten, Jess. Aber ich will Ihnen helfen, verstehen Sie. Ich mag Sie und kann doch nicht einfach so tun, als seien wir uns nie begegnet und Ihre Geschichte ginge mich nichts an. Ich will Sie morgen Mittag treffen, geht das?“
    Jess seufze erneut und merkte, dass er gegen Tessas Entschluss nicht ausrichten konnte.



    „Wir treffen uns in der Bahnhofshalle, in Ordnung? Vielleicht können Sie mir eines Ihrer Bilder zeigen?“
    Tessa sah ihn fest an. Jess nickte langsam. „In Ordnung, auch wenn die Bahnhofshalle nicht gerade ein guter Ort für Sie ist…“
    Tessa runzelte die Stirn. „Jess, ich bin kein Kind mehr, ich weiß, was ich tu…“
    Jess nickte erneut und sagte dann langsam. „Gut, Tessa, nur eines noch… eines muss ihnen klar sein…“ Er sah sie fest an. „Wenn wir uns weiterhin treffen wollen, befreundet sein wollen, muss Ihnen klar sein, dass ich ein Mensch bin, der drogenabhängig ist. Das bedeutet, dass ich in manchen Situationen nicht mehr fähig bin zu begreifen, was ich sage oder mache… ich habe mich nicht immer im Griff und manchmal kann ich zu einem Menschen werden, mit dem Sie wohl kaum etwas zu haben wollten…“
    Tessa fühlte, wie sich ihr Hals zuschnürte bei dem Gedanken an einen Jess, der auf der Suche nach neuem Heroin war und dem es schlecht ging. Wie mochte er wohl aussehen, wenn er in einer solchen Phase war, wie sich verhalten? Sie betete, dass sie es nie erfahren würde und sah ihn fest an.
    „Das weiß ich sehr gut“, erwiderte sie.



    Jess sah sie eine lange Weile an, dann nickte er schweigend, hob die Hand zum Gruß und ging langsam davon, die Straße hinab in Richtung Bahnhof.
    Tessa hingegen stand wie angewurzelt auf dem Bürgersteig und sah ihm hinterher, bis sie ihn nicht mehr erkennen konnte. Sie fühlte sie außerstande, einen klaren Gedanken zu fassen.
    Sie wusste nur eines: wie sie ihn in der Ferne verschwinden sah, wäre sie ihm am liebsten nachgelaufen und hätte ihn zurückgeholt – nicht zu sich, sondern ins Leben und in das, was sich Glück nannte… etwas, das Jess wohl nur noch als Legende kannte.




    Fortsetzung folgt!

  • Hi Innad,


    ich komm mir gerade ein wenig vor wie in dem Buch/Film "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo". Das Gespräch zwischen Tessa und Jess ist sehr interessant und aufschlussreich und es war absolut klar, dass Tessa ihn "nie/nicht wieder" gehen lassen wird. Dafür hat sie einfach ein Herz, dass nicht tatenlos zusehen kann und will. Sie ist ein Mensch der Helfen muss und das kann ihr wahrlich noch zum verhängnis werden.


    Wie ich schon zu Anfang in einer These von mir gegeben habe, denke ich, dass Tessa mit in diese Welt rutschen wird, auch wenn ich nicht glaube, dass sie Drogen nehmen wird. Was ich allerdings glaube ist, dass sie sich jetzt annähernd jeden Tag bei ihm aufhalten wird um ihm zu helfen. Und ich glaube, dass sie dank eines Artikels, den sie über sein Leben schreiben wird, wärend sie ihn begleiten wird, einen Studienplatz erhalten wird (würd ich so aus der Einleitung interpretieren, denn ich glaube da sitzt sie auf dem Campus unter einem Baum und denkt an Jess - vielleicht sogar schon an Drogen gestorben).


    Wie immer nur meine unmaßgebliche Meinung - wie eine Freundin immer zu sagen pflegt - und wilde vermutungen und spekulationen. Und wie immer gespannt, ob irgendetwas davon eintreffen wird! ^^

    [CENTER][COLOR="White"]Bussi @all Kiara :wink
    ***************[/CENTER][/COLOR]




    [CENTER][SIZE="1"][COLOR="Sienna"]P.S. Für Rehctshcbriefleher wird kiene Hatufng übrnemoemn! *g*[/COLOR][/SIZE][/CENTER]

  • Hallo Innad!
    Das Kapitel 5 mit Tante Tru war sehr schön erzählt. Tessa kann sich glücklich schätzen so eine tolle Nanny gehabt zu haben und sicherlich hat sie einen kleinen Teil dazu beigetragen, das Tessa so ist wie sie ist. Es ist schön für Tessa, das sie in Tante Tru immer jemanden hat mit dem sie sich aussprechen kann und Tante Tru ist eine reich erfahrende und auf ihre Art sehr weise Frau und kann Tessa so manch guten Rat geben.
    Es passiert leider viel zu oft das wir einfach über Dinge hinwegsehen die uns nicht persönlich betreffen und einfach ignorieren was unsere Mitmenschen teilweise leiden müssen. Um unser schlechtes Gewissen zu befriedigen, weil wir genau wissen das uns es besser geht, sagen wir oft selber zu uns selber, das die Personen selber Schuld an ihrer Lage sind oder denken, was kann ich schon machen, es gibt so… viele. Aber es gibt auch leider Menschen, die sich nicht helfen lassen oder das gutmütiges Herz anderer ausnutzen. Da muss man ganz schön aufpassen um nicht an einen solchen zu geraten. Aber man sollte trotzdem diese arme Menschen als das achten, was sie sind nämlich Menschen.
    Liebe Innad, ich bin wieder überwältigt von deinem Text der so gefühlsvoll geschrieben ist und einen auch etwas zum Nachdenken anregt. Auch die Bilder sind gefallen mir und passen zum Text.:applaus


    Zum Kapitel 6

    Armer Jess, also das ist seine Vergangenheit. Nun hat er in jungen Jahren seine Eltern verloren wie traurig und es ist sehr schwer mit einem solchen Verlust umzugehen, schweige dessen noch es zu verstehen. Seine Großeltern waren bestimmt sehr lieb, aber es ist nicht so einfach mit einen heranwachsenden Teeny fertig zu werden wohl mal sie selber auch ein schweres Schicksal heimgesucht hatte. Nicht nur das sie ja auch den Verlust eine Kindes und einer Schwiegertochter oder Schwiegersohn zu verkraften hatten sonder auch der Pflegefall seinen Großvaters machten das Leben fast unerträglich. Jess hat irgendwo halt gesucht, irgendjemand der ihm erklären konnte was passiert ist, irgendjemand der ihm den Weg weißt auf dem er gehen sollte, irgendjemand der ihn einfach nur auffängt. Aber da gab es keinen, nur seine Oma die alle Hände voll zu tun hatte, die selber an den grenzen ihres eigenen ich gestoßen ist und sie einfach nicht die Kraft aufbringen konnte Jess zu helfen.
    Er hat halt in einer Gang gefunden, die nicht gerade gut für ihn war und denn diese Drogen, die einen Menschen kaputt machen. Ein Teufelskreis was viele negativen Dinge mit sich zieht und aus den man nur schwer wieder rauskommt.
    Jess braucht unbedingt ein Lebensziel, etwas für was es sich zu kämpfen lohnt. Er darf sich nicht aufgeben, er braucht irgendwas an das er Glauben kann um die Stärke aufbringen zu können die er braucht um sein Leben zu ändern. Vielleicht ist es Tessa die es schafft Jess etwas helfen zu können auch wenn sie bestimmt noch einen Jess kennen lernen wird der total von seine Sucht beherrscht wird und allen anstand dadurch verlieren kann.
    Das war auch ein wunderbares Kapitel und ich freue mich schon sehr auf das nächste.:applaus
    Also bis zu nächsten Mal!:)

    [SIZE=3]*liebe grüße Ines*[/SIZE]
    [SIZE=3]Meine erste FS! Eine etwas andere Familie! [/SIZE][SIZE=3]
    [/SIZE]
    Liebe Grüße an Nintendog, Rivendell, PeeWee, Jane Eyre, Kautschi, Llynya, colle Omi, wawuschel, Panakita, Josijusa, Filour, fallin'angel undalle Leser!:knuddel



  • Hallo Innad :),
    nun habe ich, obwohl ich eigendlich anderes zu tun gehabt hätte, doch Deine FS gelesen, von Anfang an, im Stück. Und nehme mir jetzt auch noch den Luxus heraus zu kommentieren.
    Einige Aspekte Deiner Story kommen mir bekannt vor, einerseits von Seiten der Erzählerin Tessa, andererseits aber auch aus der Perspektive von Jess. Die Gründe sind andere, die ich hier nicht weiter erläutern möchte, aber dennoch: die Gefühle sind mit nicht unbekannt.
    Allein das Gefühl Tessas am Anfang, oder besser Ende? der Geschichte, als sie beginnt alles noch einmal an sich vorbei ziehen zu lassen. Die Erkenntnis, dass es eine Zeit der Unschuld in ihrem Leben gab, bevor diese verging, eine Zeit, in der sie noch behütet war, vor den Schattenseiten des Lebens. Und die Erinnerung, die positive Erinnerung an diese Zeit, die ihr Kraft gibt. Allein schon das hast Du sehr gut herausgearbeitet, Kompliment :up !
    Tessa hat Glück, finde ich, dass Jess jemand ist, der ... nicht so ist, wie jemand in ähnlicher Postition, den ich die "zweifelhafte Ehre" hatte, kennen lernen zu dürfen. Dieser Jemand hätte sich an Tessa gekettet, hätte ihr ein schlechtes Gewissen gemacht, und sie ausgesaugt, wie ein Vampier, egal ob Mitleid, Geld, Besitztümer, oder auch nur Lebenswillen. Glück, dass Jess nicht so jemand zu sein scheint, der ohne Blick für andere nur noch durch deren Schuldgefühl, weil es einem besser geht, als ihm, alles aus einem heraussaugt, und einen dann, einer leeren Hülle gleich, wegwirft, um, wie einer anderen Sucht zufolge, sich an den nächsten zu klammern, der eine helfende Hand reicht.
    Und Jess hatte Glück, dass Tessa so jemanden nicht vor ihm traf, denn dann hätte sie ihm nicht so geholfen, wie sie es hat.
    Was ich an Jess sehr traurig finde, ist die Tatsache, dass er sich aufgegeben zu haben scheint. Etwas, was ich in meinem Leben gelernt habe, ist, dass das Ende eines jeden Lebens der Tod ist, unumgänglich, und der Weg dorthin oftmals grob vorskizziert. Wer kann sich schon alles aussuchen? Aber auch, dass wir Menschen, die wir diesen Weg auf das unvermeindliche Ziel hin beschreiten, egal, wie es auch immer aussehen mag, dennoch diesen Weg zu unserem eigenen machen können. Dass wir zu fast jeder Zeit die Macht haben, etwas zu ändern, durch unseren Willen, und sei es nur die eigene Perspektive. Ich hoffe, für Jess, aber auch für Tessa, dass sie ihm dahingehend helfen kann. Auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dass er von den Drogen loskommt, oder, noch unwahrscheinlicher, plötzlich zum lebensbejahenden Traumprinzen mit dicker Erbschaft wird, so könnte sich doch durch Tessa zumindest seine Einstellung der Welt, einschließlich im selbst, ändern. Das mag nicht nach viel klingen, wäre aber ein großer Schritt.

    Abschließend möchte ich Dir für die bisher gesammte Story gratulieren :applaus ! Du beginnst sehr interessant, und hällst Dir viele Wege offen, obwohl das Ende, denn damit beginnt die Story, bereits feststeht. Inwieweit sich Jess ändert, ob er es überhaupt tut, oder nur wieder aus Tessas Leben verschwindet, als der, der es betrat, oder ob er sich völlig wandelt, und vielleicht an etwas stirbt, dass er sich einst an einer benutzten Spritze eingefangen hat, oder irgendetwas dazwischen? Vielleicht aber schreibst Du... ich weiß es nicht. Und ich mag FS, die man nicht vorhersehen kann ;). Daher werde ich Dir hier treu bleiben.

    Viele Grüße, und danke für´s Durchlesen,
    cassio

    [RIGHT][SIZE=1]'...sometimes it's cruel to be kind!'[/SIZE][/RIGHT]

  • Mist, nun hab ich so schön ausführlich auf eure Kommis geantwortet und das Netz hat sie mir gefressen :angry


    @ineshnsch: Ich danke Dir für diesen tollen, ausführlichen Kommi - Du hast mal wieder alles so schön beschrieben, das ich gar nicht mehr viel dazu sagen muss :)


    Kiara: Interessant, was Deine Spürnase da für Fährten aufnimmt :) Aber ich hülle mich noch in Schweigen!


    cassio: Ich hab Dir so eine lange Antwort geschrieben, die nun weg ist, und nicht mehr so viel Zeit nun. Aber ich möchte Dir von ganzem Herzen für diesen wunderbaren Kommi danken, der mich sehr berührt hat. Du hast mit so vielen Dingen recht, die Du schreibst und ich kann vieles davon dick und fett unterstreichen!

    Danke für Dein Lob und die Anerkennung! Ich hoffe, Du liest weiterhin mit, das würde mich unheimlich freuen



    So, und nun gibts Kapitel 7

  • Kapitel 7




    An diesem Abend fühlte Tessa sich vollkommen erschöpft, als sie nach Hause kam. Sie sprang unter die Dusche und hüllte sich sofort in einen Schlafanzug, auch wenn es noch nicht spät war. Kurz darauf lag sie im Bett und versuchte, sich mit einem Buch abzulenken, doch das funktionierte nur bedingt. Während sie mehrere Minuten auf ein und dieselbe Seite starrte, ohne die Worte auf dem Papier auch nur wahrzunehmen, schossen ihr zahlreiche Gedanken durch den Kopf.



    Wo war Jess jetzt, was tat er in genau diesem Moment?
    Sie ließ den Nachmittag noch einmal Revue passieren und erneut beschlich sich das Gefühl, unter der Ungerechtigkeit der Welt die Luft anhalten zu müssen.
    Sie hatte nie gedacht, dass sie einmal von solch einem Leid so nah berührt werden würde. Natürlich war ihr klar, dass Jess´ Geschichte nur eine von vielen war – es mochte schlimmere und traurigere geben. Und doch – theoretisch wusste man über alles Bescheid, was in der Welt vor sich ging. Doch wenn einem das Schicksal eines anderen so nahe kam wie ihr das von Jess´ fühlte sich mit einemmal alles anders an.
    An der Haustür klingelte es und Tessa setzte sich auf. Wer mochte so spät noch zu Besuch kommen, es war nach neun Uhr. Das konnte ja fast nur einer sein…
    „Hallo Niklas!“
    Niklas steckte vorsichtig den Kopf zur Türe herein. „Bist du noch wach?“
    „Sonst würde ich wohl kaum mit dir sprechen.“
    Tessa stand auf und ging barfuss auf ihn zu. Sie umarmten sich lächelnd.



    „Anscheinend ist es momentan unser Schicksal, dass du mich im Schlafanzug siehst.“ Sie lächelte.
    Niklas grinste zurück. „Ich werde es schon überleben.“
    „Was machst du hier?“
    „Ich hab mir Sorgen um dich gemacht. Du bist gestern so schnell verschwunden und heute Nachmittag hab ich dich angerufen, doch dein Handy war aus.“
    „Ich hab gearbeitet“, sagte Tessa schnell. „Und gestern war ich wahnsinnig müde, darum war ich so früh weg.“
    „Und was ist heute mit dir los? Seit wann liegst du an einem Samstagabend um neun Uhr im Bett? Bist du krank?“
    Tessa lachte. „Aber nein, ich bin einfach nur fertig, es war ein harter Tag.“
    „Seit wann muss du eigentlich samstags arbeiten?“
    „Ich hatte eine Story zu schreiben – einen Artikel, mein ich. Und dafür war ich unterwegs.“
    „Mal wieder in einem Hühnerzuchtverein?“



    Tessa biss sich auf die Lippen. Sie hätte sich Niklas gerne anvertraut, aber irgend etwas hielt sie zurück. „Nein, diesmal nicht“, sagte sie darum nur grinsend und wechselte schnell das Thema. „Aber was hast du hier zu suchen? Ist deine Bettina nicht eifersüchtig?“
    Irgendwie klang es bissiger als es hatte sein sollen. Niklas sah sie forschend an.
    „Bist du eifersüchtig?“
    Tessa winkte ab. „Quatsch mit Soße! Ich wundere mich nur, dass DU an einem Samstagabend nichts besseres zu tun hast als mich vom Schlafen abzuhalten.“
    „Naja, inzwischen kann man ja zu jedweder Uhrzeit kommen, du schläfst immer“, lachte er frech. Dann sagte er ernster. „Ich fahr gleich noch zu Bettina, wir gehen in die Disco. Ich dachte, du wolltest vielleicht mitkommen?“



    Tessa lag schon auf der Zunge zu sagen. „Als fünftes Rad am Wagen? Nein danke!“ doch sie schüttelte nur den Kopf und sagte statt dessen: „Du siehst ja, dass ich schon im Bett war. Ich wills mir einfach nur noch bequem machen heute, mein Buch weiterlesen und bald schlafen. Sei nicht sauer, ein andermal gerne.“
    Niklas nickte. „Na gut, dann will ich dich nicht länger stören. Telefonieren wir nächste Woche?“
    Tessa nickte. „Sicher doch.“
    „Dann gute Nacht, Tessa.“
    „Gute Nacht, Niklas – oder eher viel Spaß beim Ausgehen!“
    Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und Tessa legte sich wieder aufs Bett.
    Sie fühlte sich noch schlechter als vor Niklas´ kurzem Besuch und wusste nicht einmal, warum.



    Mit dem Gedanken an den morgigen Tag und das Wiedersehen mit Jess schlief sie schließlich nach einer Weile erschöpft ein.

  • Tessa betrat die Bahnhofshalle und blieb einen Moment unschlüssig an der Tür stehen und sah sich um. Sie mochte diesen Ort nicht besonders gerne, aber heute hatte sie einen guten Grund hier zu sein. Ihr Blick schweifte über die vorbeihastenden Passagiere, Kinder, Senioren und Erwachsene, doch nirgends konnte sie Jess entdecken.
    Unschlüssig, was sie nun machen sollte, schlenderte sie ein wenig durch die Halle und setzte sich dann schließlich gegenüber des großen Springbrunnens in der Hallenmitte auf eine Bank, um geduldig auf Jess zu warten.



    Lange musste sie nicht ausharren, kurz darauf tauchten seine verschlissenen Jeans vor ihr auf und er winkte ihr lächelnd zu und setzte sich neben sie.
    „Sie sind also wirklich gekommen“, stellte er fest und warf ihr einen kurzen Seitenblick zu.
    Tessa nickte. „Das hab ich doch gesagt. Und ich hab hier was für Sie.“
    Sie nahm ein in Alufolie gewickeltes Päckchen aus ihrer Tasche.
    „Was ist das?“
    „Apfelkuchen“, sagte Tessa schlicht und drückte Jess das Päckchen in die Hand. Zögernd schaute er es an und sagte dann langsam: „Tessa, ich…“



    Doch Tessa schnitt ihm sofort das Wort ab. „Ich will nichts hören, Jess. Bei uns zu Haus bleibt jeden Tag eine Menge Essen übrig, während Sie fast jeden Tag hungrig sind. Das ist doch unsinnig. Es ist wirklich das geringste, was ich für Sie tun kann, also bitte schlagen Sie mir das nicht ab und seien Sie nicht zu stolz dafür. Es ist immer noch besser als…“
    Tessa unterbrach sich. „Als zu stehlen?“ vollendete Jess ihren Satz und Tessa blickte beschämt zu Boden. Jess lächelte aufmunternd. „Da haben Sie wohl recht. Nun gut – vielen Dank. Haben Sie den gebacken?“



    Tessa lachte auf. „Um Himmels willen, nein, ich will Sie ja nicht umbringen. Den hat Tante Tru gemacht.“
    Jess sah sie an. „Genau, Tessa – wir haben gestern nur von mir gesprochen, reden wir jetzt doch einfach mal von Ihnen.“
    „Was soll ich Ihnen da großartig erzählen?“ sagte Tessa achselzuckend.
    Er lächelte wieder. „Na, erzählen Sie mir von sich, von Ihrem Leben. Was machen Sie so, außer Ihrem Beruf, und sind Sie eigentlich glücklich?“
    Tessa sagte nachdenklich: „Was für eine Frage, im Vergleich zu Ihnen bin ich das absolut.“
    Jess runzelte die Stirn. „Ich wollte nicht, dass Sie Ihr Leben mit meinem vergleichen. Ich habe gefragt, ob Sie glücklich sind.“
    Tessa seufzte und richtete ihren Blick einen Moment unschlüssig in die Menge der vorbeihastenden Menschen. Dann sagte sie. „Ja, meistens schon. Glück ist ziemlich relativ, nicht wahr?“
    Jess nickte. „Und ob. Wie ist das, leben Sie noch bei Ihren Eltern? Kommen Sie gut mit ihnen aus?“
    Tessa sah ihn verblüfft an. Wie konnte das sein, dass ihr dieser völlig fremde Mensch so schnell hintereinander genau die richtigen Fragen stellte?
    „Nun ja- was man eben auskommen nennt“, antwortete sie langsam. „Sie sind ziemlich selten da, aber es ist nicht schlimm für mich. Ich bin ja erwachsen. Es war ohnehin schon immer so.“
    Die beiden schwiegen eine Weile und hingen ihren Gedanken nach, bis Jess sagte: „Sind Sie sicher? Dass es Ihnen nichts ausmacht?“
    Tessa sah ihn lange an. „Ja, ich denke schon. Natürlich war es nicht immer einfach, aber ich hatte ja Tru, unsere Haushälterin und… nun ja, ich hatte mehr Freiheiten. Das ist doch auch gut.“
    Jess erwiderte nichts und sagte nach einer Weile: „Und wieso sind Ihre Eltern so selten zu Haus?“



    Tessa seufzte. „Sie arbeiten ständig. Sie sind beide selbstständig, da bleibt nicht viel Zeit für alles andere übrig.“
    „Und Ihre Geschwister?“
    Tessa lachte, aber es klang bitterer als sie gedacht hatte. „Ich hab keine. Ich bin ein Einzelkind. Meine Eltern hätten für mehr Kinder gar keine Zeit gehabt.“
    Jessa sah sie lange und intensiv an und sagte dann schlicht: „Sie sind nicht glücklich, Tessa. Nicht wirklich.“ Seine Stimme klang sehr sanft. „Ich spüre das und ich sehe es. Da ist etwas, das Sie unglücklich macht. Oder?“
    Tessa sah ihn an und wusste nicht recht, was sie sagen oder fühlen sollte. „Nun… nein… Sie haben unrecht, Jess… ich bin glücklich… ich meine, Glück ist relativ…“



    „So relativ nun auch wieder nicht. Glück ist Glück“, erwiderte Jess nüchtern und wurde dann wieder sanfter: „Und das Leben ist es immer wert, Glück anzustreben, oder?“
    Tessa fand keine Worte und blickte auf ihre Fußspitzen. Wer war dieser Mensch, der da neben ihr saß? Hätte er ihr gestern nicht mit eigenen Worten gesagt, dass er drogenabhängig war, sie hätte es nicht geglaubt. Er war so sanft und einfühlsam wie niemand sonst, den sie kannte.
    „Jess – ich bin verwirrt“, sagte sie nach einer Weile zu ihm. „Ich meine, wir kennen uns noch keine zwei Tage und schon haben Sie erkannt, wo ich meine wunden Punkte habe. Wie machen Sie das bloß?“
    Jess zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Ich hab schon so viel gesehen und gehört, dass ich es vermutlich gelernt habe, in die Menschen zu sehen. Man glaubt gar nicht, wie viel von dem, was man den anderen zeigt, nur Maskerade ist.“



    Gerührt sah Tessa ihn an. Seine Worte erreichten sie bis ins tiefste Herz.
    „Ja, Jess“, sagte sie langsam. „Sie SEHEN die Menschen. Sie fühlen sie.“

  • „Wollten Sie nicht meine Bilder sehen?“
    „Aber natürlich.“
    Er zog eine Mappe mit Zeichnungen heraus und Tessa stockte der Atem, als sie die Gemälde durch ihre Finger gleiten ließ.







    „Jess… das ist wunderbar. Einfach wunderbar. Sie haben Talent, großes Talent.“
    Jess zuckte mit den Schultern. „Es nutzt mir nur leider nicht viel. Aber lassen Sie uns nicht von mir sprechen. Ich wollte vorhin wissen, ob Sie glücklich sind und ich warte immer noch auf eine echte Antwort.“
    Tessa stand auf und ging ein paar Schritte, er folgte ihr. Dann sagte sie langsam. „Manchmal fühl ich mich so alleine. Seit der Schule habe ich so viele Freunde aus den Augen verloren und – naja, es ist eben, wie es ist.“
    Sie sah ihn an und er lächelte sie sachte an. „Ich habe von Anfang an, als ich Sie im Supermarkt sah, gespürt, dass Sie ein gutes Herz haben, aber sehr sensibel und verletzlich sind. Oder etwa nicht?“
    Tessa zuckte erneut die Schultern. „Ich weiß es nicht. Wer ist schon nicht verletzlich?“



    Er lächelte wieder. „Haben Sie denn keinen Freund?“
    Tessa schüttelte den Kopf. „Nein, wieso? Dachten Sie das?“
    „Naja, warum nicht – Sie sind attraktiv und hübsch, warum sollte es anders sein?“
    Tessa sah verlegen zu Boden. „Sie schmeicheln mir.“
    „Nein“, sagte Jess schlicht. „Ich sage einfach nur, was ich sehe.“
    Die beiden schwiegen eine Weile und plötzlich merkte Tessa, wie sich Jess´ Körper anspannte.
    „Ich muss jetzt gehen, Tessa“, sagte er und seine Stimme klang auf einmal härter als vorher.



    Sie warf ihm einen raschen Blick zu. „Das ist schade. Ist… alles in Ordnung?“
    Seine Augen waren trüber geworden und ein banges Gefühl beschlich Tessa. Jess sah sie an und nickte, sein Lächeln war gequälter als vorher. „Ja, alles in Ordnung. Ich muss jetzt aber wirklich gehen.“
    „In Ordnung – ich verstehe.“ Tessa schluckte. Es war glasklar, dass Jess gehen musste, weil er eine neue Dosis Drogen brauchte. Seine fiebrige Nervosität wurde sekündlich schlimmer.
    „Passen Sie auf sich auf“, sagte Tessa darum nur rasch. „Ich – ich werde morgen oder übermorgen wieder herkommen, etwa zur selben Zeit. In Ordnung?“
    Jess nickte. „Ich werde versuchen, hier zu sein.“

    Mit diesen Worten verschwand er aus Tessas Augen. Diese jedoch blieb zurück und kämpfte gegen den dringenden Wunsch an, aufzuspringen und ihn zurückzuhalten.



    Sie spürte, wie ihr Körper leicht zu zittern begann, als sie an ihn dachte – an diesen wundervollen Mann, der ihr Herz mit seinen wenigen, wahren Worten so tief berührt hatte und der nun davon ging – um sich mit einer weiteren Dosis Heroin eben jenes unwirkliche, aber so herrlich scheinende Glück zu erkaufen, über das sie beiden noch vor wenigen Momenten so ernsthaft gesprochen hatten…


    Fortsetzung folgt!

  • Dieses mal das andere Extrem, wahrscheinlich mein kürzester Kommi überhaupt, aber irgendwie sagt er alles aus:

    ...Man glaubt gar nicht, wie viel von dem, was man den anderen zeigt, nur Maskerade ist...

    Und ach soviel, von dem, was man sich selber sehen lässt, ist nichts anderes.
    Ich glaube, es trifft auf beide zu.
    cassio

    [RIGHT][SIZE=1]'...sometimes it's cruel to be kind!'[/SIZE][/RIGHT]

  • Hallo Innad!
    Jess ist ein toller Mann der wegen zahlreicher ineinander greifender negativer Ereignisse auf die schiefe Bahn geraten ist und ich hoffe so sehr, das er wieder den richtigen Weg finden wird.
    Schnell hat er erkannt, das Tessa auch nicht so glücklich ist wie sie glaubt. Man tut bloß immer so als wäre die Welt in Ordnung weil man sich einredet dass es einem gut geht.
    Auf der einen Seite, weiß man ganz genau das es so vielen schlechter geht und man keinen Grund haben dürfe sein Leben zu beklagen, aber auf der anderen Seite, will man auch nicht das andere mit einem mitleiden und tut nach außen hin immer als wäre alles in Ordnung.
    Man kann reich oder arm sein, Glücklich ist immer der, der seinem Herzen folgt.
    Das Tessa mit ihrem Leben nicht zufrieden ist kann man an ihre Gedanken erkennen.
    Wie z.B. hier:
    >Tessa lag schon auf der Zunge zu sagen. „Als fünftes Rad am Wagen? Nein danke!“ doch sie schüttelte nur den Kopf und sagte statt dessen: „Du siehst ja, dass ich schon im Bett war.<

    Vielleicht hat sie ja auch angst davor enttäuscht zu werden, wenn sie jemanden ganz nah an sich ranlässt. Sie ist ein Einzelkind, auch ihre Eltern hatten wenig Zeit für sie und waren in ihrer arbeit vertieft. Das hinterlässt Spuren an der Seele eines Menschen, verhärtet ein von innen. Sie möchte wenn es geht allen Menschen helfen doch selber Hilfe anzunehmen wird ihr bestimmt schwer fallen. Sie ist ein Mensch der für jeden da ist und sich selber dabei vergisst. Auch wenn es ihr manchmal bewusst wird, verdrängt sie schnell diesen Gedanken oder die Erkenntnis darüber.
    Ich bin sehr gespannt wie es weitergeht und vielleicht können sich Tessa und Jess gegenseitig helfen.
    War wieder alles sehr toll!!!:applaus
    Bis dann!:)

    [SIZE=3]*liebe grüße Ines*[/SIZE]
    [SIZE=3]Meine erste FS! Eine etwas andere Familie! [/SIZE][SIZE=3]
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    Liebe Grüße an Nintendog, Rivendell, PeeWee, Jane Eyre, Kautschi, Llynya, colle Omi, wawuschel, Panakita, Josijusa, Filour, fallin'angel undalle Leser!:knuddel



  • Innad, glaub ja net ich hätte net weitergelesen obwohl kein Komment kam! Ich komme manchmal nur zum lesen, und es gibt hier so viele tolle Fotostorys!
    Naja, ich weiß nich was ich sagen soll und bin sprachlos darüber das du da so HAMMERGEIL hinkriegst...

    SCW

    [SIZE=1]Da ist ein Ort, wo der Bürgersteig endet[/SIZE]
    [SIZE=1]Und bevor die Straße beginnt[/SIZE]
    [SIZE=1]Und dort wächst das Gras, das weiche weiße[/SIZE]
    [SIZE=1]Und dort brennt die Sonne, die purpurrot heiße[/SIZE]
    [SIZE=1]Und der Mondvogel schläft dort nach langer Reise[/SIZE]
    [SIZE=1]Im kühlen Pfefferminzwind[/SIZE]