Grand Avenue

  • Also erstens einmal platze ich ja sowieso vor Spannung, was Chris anbelangt, und jetzt will ich auch noch unbedingt wissen, was Paul und Adrienne (überhaupt die!) in petto haben. Deine Fortsetzung - aber das brauch ich gar nicht mehr sagen, oder? - ist natürlich wiedereinmal mehr als genial, und Vicki's Bürö und ihr Outfit und die Bilder überhaupt - der Hammer! Mach bitte bald weiter!
    LG, Smeagol

    [center]
    Kähähä!
    [/center]

  • Es tut mir sooooooooo leid, dass ich jetzt so lange nicht mehr reingeschrieben habe! :cry


    Aber du hast es echt super gemacht! :thance


    Bye,
    Moorvampana


    PS: Ich hab das Buch gekauft und nicht mehr aus der Hand legen können! Kein Wunder, wenn du darüber eine FS machst. :luvlove

    [CENTER]Viele die leben, verdienen den Tod.
    Und manche, die sterben verdienen das Leben.
    Kannst du es ihnen geben?
    Dann sei auch nicht so rasch
    mit einem Todesurteil bei der Hand.
    Denn selbst die ganz Weisen können nicht
    alle Absichten erkennen.

    by Gandalf [/CENTER]
    [RIGHT][/RIGHT]

  • Hallo ihr alle,
    erstmal Sorry, dass ich nicht früher weiter gemacht habe! Aber letzte Woche haben die Ferien angefangen und da war ich die meiste Zeit unterwegs. Dafür gehts heute mit einer superlangen Fortsetzung weiter ;-)
    Ein riesengroßes Danke noch an Timoha, Simplayer_w, Thiara, DawnAngel, Smeagol und Moorvampana und dann erfahrt ihr wie es Chris geht:



    Irgendjemand lachte.
    Vielleicht brüllte er auch. Ihren Namen. Chris versuchte, den Kopf zu wenden, doch ein stechender Schmerz warnte sie vor jeder weiteren Bewegung. Sie öffnete den Mund, versuchte zu sprechen, hörte jedoch nur ein leises, abgerissenes Wimmern. Irgendjemand hat fürchterliche Probleme, dachte sie und fragte sich, warum sie nicht erkennen konnte, wer es war. „Chris!“, hörte sie aus der Ferne rufen, während jemand an ihren Armen zerrte, als wäre sie eine Stoffpuppe. „Chris, mach die Augen auf. Ich weiß, dass du mich hören kannst. Bitte, Baby. Es tut mir so Leid. Du weißt, dass ich das nicht wollte. Bitte, Chris, mach die Augen auf. Hör mit den Spielchen auf.“



    Hör mit den Spielchen auf?, wiederholte sie stumm, während fremde Hände an ihr herumzupften, ihre Schultern richteten und sanft ihre Wangen tätschelten. Was machte sie? Was für Spielchen spielte sie? Warum tat ihr Kopf weh? Warum sah sie nichts?
    „Bitte, Chrissy, mach die Augen auf“, flehte die Stimme.
    Sie klang zusehends verzweifelter, und Chris wollte ihr auch gehorchen, doch ihre Augen verweigerten jede Kooperation. Chris sah nur Dunkelheit. Es musste ihr Bruder sein. Er hatte sie wieder in der alten Truhe eingeschlossen, saß triumphierend auf den Deckel und wollte sie nicht herauslassen. Lass mich hier raus!, brüllte Chris, doch kein Laut drang zwischen ihren geschwollenen Lippen hervor.



    Was ist hier los?, fragte Chris sich, tastete behutsam über ihren Mund und spürte etwas Klebriges an ihren Fingern.
    Gerry, lass mich sofort hier raus!, brüllte sie und schlug in die Luft. Wenn ich hier rauskomme, wird es dir Leid tun. Es wird dir sehr Leid tun.
    „Es tut mir Leid, Chris“, sagte irgendjemand. „Es tut mir so Leid.“



    Was war los? Warum konnte sie ihre Augen nicht öffnen? Warum tat ihre Schulter weh und warum pochte ihr Kiefer? Hatte sie einen Unfall gehabt? War sie gefallen und hatte sich den Kopf aufgeschlagen? War sie angefahren worden? Denk nach!, sagte sie sich und versuchte die Gedanken zu bündeln, die wie wild durch ihren Kopf schossen. Versuche zu rekonstruieren, was passiert ist. Versuche, es zusammenzusetzen, wiederholte sie. Ihr Kopf rollte zur Seite, ihre Augen öffneten sich blinzelnd, sahen nichts und verdrehten sich wieder nach innen.
    „Werd mir nicht wieder ohnmächtig, Chris“, flehte die Stimme panisch.



    Sie spürte einen heftigen Tritt in ihrem Bauch und gleich einen weiteren. Von innen, wie sie mit wachsendem Entsetzen erkannte. Irgendwie war irgendjemand in ihren Körper eingedrungen und prügelte von innen auf sie ein. Chris versuchte, sich aufzurappeln, wegzulaufen, zu entkommen, doch ihre Knöchel zuckten nur kurz, und ihre Beine gingen nirgendwohin.
    Helft mir!, rief sie einer Gruppe von Frauen zu, die sie aus dem Schatten beobachteten. Tut irgendetwas. Holt mich hier raus. Sagt mir, was los ist.



    Die größte der schattenhaften Gestalten trat vor. Er verfolgt deine Periode?, fragte Susan, und ihr rundes Gesicht tauchte aus dem Dunkel.
    Barbara war sofort an ihrer Seite. Vielleicht solltest du besser nach Hause gehen. Man wird mich jeden Moment hereinrufen. Es gibt keinen Grund, dass du bleibst.
    Du hast mich angerufen?, fragte Vicki und drängte sich vor die anderen beiden.
    Ja, ich habe angerufen, antwortete Chris im Kopf und versuchte angestrengt sich zu erinnern, warum.



    Sie war im Krankenhaus gewesen. Mit Barbara. Ohne Tony. Oh Gott. Barbara hatte irgendeine Operation gehabt, und sie war zur moralischen Unterstützung mitgekommen. Tony geschäftlich unterwegs. Oh Gott. Die Tritte des Babys. Unwohlsein. Nach Hause kommen. Tony geschäftlich unterwegs. Oh Gott. Kein Wagen in der Einfahrt. Montana in der Schule. Wyatt bei Mrs. McGuinty. Das Haus leer. Der Anruf bei Vicki. Ich muss meine Möglichkeiten kennen. Tonys Spiegelbild in der Fensterscheibe. Oh Gott. Leg den Hörer auf, Chris. Oh Gott. Was ist los, Chris? Freust du dich nicht, deinen Mann zu sehen?
    Oh Gott. Oh Gott. Oh Gott.



    „Wach auf, Chris. Bitte, Liebling, mach die Augen auf. Verdammt noch mal, Chris!“
    Chris sah Tonys Faust auf sich zufliegen und wappnete sich gegen den Aufschlag der Fingerknöchel auf ihrem Kiefer, sodass sie überrascht war, als sie stattdessen kaltes Wasser auf ihrer Haut spürte, das in ihre Nasenlöcher und ihren Mund sickerte. Sie riss die Augen auf und tauchte ganz an die Oberfläche. „Was ist los?“, rief sie und spürte, wie das Baby in ihr versuchte, sie zum Aufstehen zu bewegen.


    Fortsetzung kommt sofort...


  • „Es ist okay, Baby“, sagte Tony mit einem leeren Glas in der Hand. „Jetzt wird alles gut. Alles wird gut. Du hattest bloß einen kleinen Unfall.“
    „Einen Unfall?“
    „Du weißt, dass ich das nicht wollte, Liebling. Du weißt, dass ich nie etwas tun würde, was dir oder dem Baby wehtun könnte.“
    Seine Hände waren auf ihrem ganzen Körper. Auf ihrem Gesicht. In ihren Haaren. Auf ihrem Bauch.
    Chris versuchte die Hände wegzuschieben, doch sie kamen immer wieder zurück, als ob sie blind in ein Spinnennetz gestolpert wäre. „Rühr mich nicht an.“



    „Oh bitte, Baby. Sei doch nicht so. Ich will dir bloß helfen, Liebling. Du weißt doch, dass ich dir nicht wehtun wollte.“
    „Du hast mich geschlagen, Tony.“ Chris rappelte sich auf die Füße und stand auf schwankenden Beinen. „Du hast mich bewusstlos geschlagen.“
    „Es war ein Unfall. Das weißt du.“



    Chris taumelte ins Bad und starrte ihr zerschundenes Gesicht im Spiegel über dem Waschbecken an. Tony war direkt hinter ihr, sein Gesicht schwebte in dem Glas über ihrem. Wer bist du?, fragte Chris die ängstliche Frau, die ihr entgegenstarrte. Wer ist diese arme verlorene Seele?



    Du kommst mir vage bekannt vor, rief ein Augenpaar dem anderen über einem aufgeschürften, verfärbten Kiefer und aufgeplatzten, geschwollenen Lippen zu, von denen Blut auf den Kragen ihres Pullovers tropfte, wie das Wasser aus ihren Haaren, das Tony ihr über den Kopf geschüttet hatte. Was ist mit dir passiert? Was ist mit dem kleinen lebhaften Mädchen geschehen, das ihren großen Bruder durchs Haus gejagt, ihn regelmäßig erwischt und zu Boden gerungen hat? Wohin war es verschwunden? „Oh Gott. Wie konntest du das tun? Du hast mir versprochen, dass es nie wieder passieren würde.“



    „Wie oft muss ich dir noch sagen, dass es ein Unfall war?“ Die Sorge in Tonys Stimme schlug unvermittelt in neue Wut um. „Wenn du mich nicht angelogen hättest, wäre es nie passiert.“
    „Dich angelogen?“, fragte Chris ungläubig zurück. Wovon redete Tony? „Wann habe ich dich angelogen?“
    „Über deinen Besuch im Krankenhaus.“
    „Ich habe dich nie belogen.“



    „Du hast gesagt, du würdest nicht gehen.“
    „Du hast gesagt, du hättest außerhalb zu tun.“
    „Welchen Unterschied macht das?
    „Du warst nicht hier“, argumentierte Chris und versuchte, sich umzudrehen und dem beengten Badezimmer zu entkommen. „Ich wusste nicht, was dagegen spricht.“



    „Du wusstest nicht, was dagegen spricht?“ Er drehte sie grob wieder zum Spiegel und zwang sie, ihr geschwollenes Gesicht zu betrachten. „Sieh dich an! Weißt du es jetzt? Weißt du es?“
    „Tony, bitte“, wimmerte Chris. „Beim letzten Mal hast du versprochen, dass du mich nicht mehr schlagen würdest.“



    Sofort ließ Tony seine Hände sinken und begann, vor der Badezimmertür auf und ab zu laufen. „Warum treibst du mich dazu, so etwas zu tun? Du weißt doch, dass ich dir nicht wehtun will. Warum kannst du es nicht einfach gut sein lassen?“
    Chris sagte nichts, sondern ließ kaltes Wasser laufen, drückte einen feuchten Waschlappen auf ihre Lippen und versuchte, Blutspuren aus den Poren ihrer Haut zu entfernen.


    Die nächste Fs folgt sogleich :-)


  • „Waren wir uns nicht einig, dass du nicht mit Barbara ins Krankenhaus gehst?“, fragte Tony, der die Sache offenbar nicht auf sich beruhen lassen konnte. „Hattest du das nicht entschieden?“
    „Du hast es entschieden.“
    „Und du warst einverstanden. Oder nicht?“
    „Ja.“ Welchen Zweck hatte es, etwas anderes zu sagen?
    „Aber du hast gelogen.“
    „Ich habe nicht…“ Chris hielt inne. „Es war keine Absicht.“
    „Du tust nie etwas mit Absicht“, sagte Tony kopfschüttelnd.
    „Du hast auch gelogen“, hörte Chris sich sagen, die Worte waren aus ihrem Mund, bevor sie sie zurückhalten konnte.
    „Was?“



    „Du hast gesagt, du wärst geschäftlich unterwegs. Warum hast du das getan?“ Chris merkte, dass sie ernsthaft neugierig war.
    Tony lehnte sich an den Türrahmen und versperrte den Durchgang zwischen Bad und Schlafzimmer. „Ich hatte so einen Verdacht. Ich dachte, ich überprüfe das besser mal.“
    „Was für einen Verdacht?“
    „Was glaubst du wohl?“
    „Über mich? Warum? Was habe ich getan, dich misstrauisch zu machen?“
    „Oh, ich weiß nicht. Wie wär’s damit, dass du deine Kinder vernachlässigst, um dich mit deinen Freundinnen herumzutreiben?“



    „Ich vernachlässige meine Kinder nicht. Montana ist in der Schule“, sagte Chris in dem Versuch, ein bisschen Logik in die Verhandlung zu bringen, „und ich habe Wyatt nur ein paar Stunden bei Mrs. McGuinty gelassen, damit ich bei Barbara im Krankenhaus sein konnte. Das würde ich wohl kaum Herumtreiben nennen. Warte.“ Chris hielt inne und versuchte, den Gesprächsverlauf zu rekonstruieren. „Woher wusstest du, dass ich im Krankenhaus war?“
    „Was?“



    „Du hast gesagt, ich hätte wegen meines Besuches im Krankenhaus gelogen. Woher wusstest du, dass ich dort war?“
    Ein Lächeln huschte über Tonys Gesicht und nistete sich um seine Augen und seinen Mund ein, doch er sagte nichts.
    „Du bist mir gefolgt?“, fragte Chris, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
    „Ich habe gesehen, wie du mit der Barbie-Puppe in ein Taxi gestiegen bist und dem Taxifahrer schöne Augen gemacht hast. Ein Schwarzer, stimmt’s? Die sollen ja angeblich sehr gut ausgestattet sein…“



    „Tony, Herrgott noch mal.“ Chris spürte in der Magengrube, wie Tonys Wut wieder aufflammte. Das war das Muster, nach dem diese Szenen jedes Mal abliefen. Wut. Gewalt. Reue. Aus liebevollen Worten wurden falsche Anschuldigungen, bis plötzlich alles ihre Schuld war. Ihre Schuld, dass sie in seine Faust gerannt, über seine Füße gestolpert und mit Blutergüssen übersät war.
    „Es ist wieder dieselbe alte Geschichte“, sagte Tony. „Deine Freundinnen sind dir wichtiger als deine Familie. Susan und Vicki bedeuten dir mehr als deine Kinder. Und diese Barbara ist die Schlimmste. Sie braucht nur anzurufen, und schon springst du. Was läuft da eigentlich zwischen euch beiden? Irgendwas, was du mir vielleicht erzählen willst?“
    „Sie hatte Angst, Tony. Angst vor der Operation. Angst davor, dass sie keine Kinder mehr haben kann.“



    „Und da hast du angeboten, ihr eins von deinen zu geben.“
    Chris stockte der Atem, und sie taumelte gegen das Waschbecken, als die Worte sie mit derselben Wucht trafen wie zuvor seine Faust. Ihr Instinkt war also doch richtig gewesen. Er war im selben Flur mit ihnen gewesen, direkt vor ihren Augen. Sie versuchte, sich das Bild des geschäftigen Krankenhausflures vor Augen zu rufen, sah zielstrebig auf und ab laufende Menschen, Patienten mit Infusionsständern, sich beratende Ärzte, vorbeieilende Schwestern, ein Pfleger, der sich über eine Reihe von Krankenblättern beugte, einen Mann, der am Ende des Flures den Boden wischte, einen anderen Mann, der sich inter einer alten Zeitschrift verbarg, Besucher, die die Patientenzimmer betraten und wieder verließen. Welcher von ihnen war er gewesen? Wie lange hatte er sie beobachtet?



    „So ist es, Chrissy“, sagte Tony, als hätte er sie gehört. „Ich war da. Ich habe jedes Wort gehört, das du gesagt hast. Ich habe gehört, wie du angeboten hast, ihr dein Baby zu schenken.“
    „Das war nur ein Witz“, flüsterte Chris und spürte, wie ihre Hände zitterten.
    „Ja, du hast dich prächtig amüsiert, was, Baby? Hast mit der Barbie-Puppe gescherzt und gelacht. Und was ist mit dem gut aussehenden Arzt, mit dem ich dich habe schmusen sehen?“
    „Was?“



    „Du hast doch nicht gedacht, dass ich das nicht mitgekriegt hätte, oder? Ich habe euch beide gesehen, ihr habt ja im Flur ein richtiges kleines Schauspiel aufgeführt.“
    Chris versuchte angestrengt sich zu erinnern, wovon ihr Mann sprach. Mit welchem Arzt hatte sie geschmust? „Ich weiß nicht –“
    „Komm schon, Chris. Ein nett aussehender Bursche. Sehr groß, so wie du es magst.“
    Der junge Arzt fiel ihr wieder ein. „Tony, er hat mir bloß den Weg zur Toilette gezeigt.“


    Es geht immer noch weiter ;-)


  • „Er hat dich persönlich dorthin begleitet“, korrigierte Tony sie. „Er hat deinen Arm gefasst.“
    „Er wollte bloß nett sein.“
    „Vielleicht ein bisschen arg vertraulich, meinst du nicht?“
    „Es ist rein gar nichts passiert. Das hast du gesehen.“
    „Ich habe einen Mann gesehen, der einen Arm um meine Frau gelegt hat.“
    „Er hat bestenfalls meinen Ellbogen berührt.“ Chris hielt inne. Das war verrückt. Tony war dort gewesen. Er wusste genau, was passiert war. Warum verteidigte sie sich?
    „Was hat er zu dir gesagt, Chris? Was für Pläne habt ihr beide geschmiedet?“



    „Wir haben gar keine Pläne gemacht. Das ist doch albern.“
    „Hast du ihm deine Nummer zugesteckt? Hast du ihm erzählt, dass dein Mann geschäftlich außerhalb der Stadt zu tun hat?“
    Chris schüttelte wortlos den Kopf. Tony wollte keine Antworten, er wollte sie nur terrorisieren.
    „Ich hätte dem armen Kerl sagen sollen, dass er keine Chance hat“, fuhr Tony fort. „Nicht solange die Barbie-Puppe in der Nähe ist.“



    „Ich weiß nicht, wovon du redest.“ Chris versuchte, sich an Tony vorbei ins Schlafzimmer zu drängen, doch er streckte den Arm aus und versperrte ihr den Weg.
    „Wohin willst du, Chris? Hast du ein heißes Date?“
    Chris schüttelte den Kopf und spürte ein Pochen. „Ich habe Mrs. McGuinty versprochen, dass ich Wyatt um zwei Uhr abhole.“
    Panik flackerte in Tonys Gesicht auf. „Möchtest du dich nicht vorher frisch machen? Ich meine, du willst doch nicht, dass dich irgendjemand sieht, wenn du aussiehst, als wärst du gerade von einem Laster überfahren worden.“ Seine dunklen Augen verengten sich argwöhnisch. „Oder doch? Ist das Teil des Plans?“
    „Es gibt keinen Plan“, sagte Chris und fühlte mit der Zunge einen wackeligen Zahn.



    „Bist du da ganz sicher? Keine Anweisungen von einer deiner Freundinnen? Von der kleinen Vicki-Schlampe vielleicht? Ich habe gehört, wie du sie angerufen hast, Chris. Ich habe gehört, wie du gesagt hast, du müsstest sie dringend sprechen. Was sollte das denn?“
    „Ich wollte ihr bloß von Barbara berichten“, erklärte Chris und spürte ein Brennen auf ihrer geschwollenen Wange.
    „Ich habe aber nicht gehört, dass du irgendwas von der Barbie-Puppe gesagt hast. Ich habe nur gehört, wie du etwas über Möglichkeiten gesagt hast.“
    „Nein.“



    „Über was für Möglichkeiten wolltest du denn sprechen, Liebling?“
    „Ich weiß es nicht“, antwortete Chris wahrheitsgemäß. Welche Möglichkeiten konnte sie gemeint haben? Was für Möglichkeiten hatte sie schon?
    „Du würdest doch nicht darüber nachdenken, mich zu verlassen, oder?“
    Tränen schossen in Chris’ Augen, kullerten ihre Wangen hinab und vermischten sich auf den Lippen mit ihrem Blut.
    „Weil ich es, glaube ich, nicht ertragen könnte, wenn du mich verlassen würdest, Chris. Ohne dich würde ich verrückt werden. Ich würde nicht mehr leben wollen.“
    Chris schmeckte das Salz ihrer Tränen in dem getrockneten Blut um ihren Mund.



    Tony tastete sich zentimeterweise vor. „Ich liebe dich, Chrissy. Bitte sag mir, dass du das weißt.“
    „Das weiß ich“, flüsterte Chris.
    „Du weißt doch, dass ich dir niemals wehtun wollte.“
    Chris nickte wortlos.
    „Es ist der ganze Druck, unter dem ich stehe, neue Kunden aufzutreiben und gleichzeitig den Kopf über Wasser zu halten. Die Bank hat den Darlehensantrag abgelehnt.“
    „Was?“



    „Ich habe es dir nicht erzählt, weil ich dich nicht beunruhigen wollte.“
    „Sie haben den Darlehensantrag abgelehnt?“
    „Ich wollte nicht, dass du dir deswegen Sorgen machst, Chris. Das wird schon wieder. Alles wird gut, solange wir beide zusammen sind, solange ich weiß, dass du bei mir bist, dass ich auf dich zählen kann. Es ist nur, dass du mich manchmal verrückt machen kannst. Ich will dir vertrauen, aber ich kann es nicht. Weil du mich nicht lässt. Und das macht mich verrückt, weil ich dich so sehr liebe.“



    Er streckte die Arme aus, zog sie in einer erdrückenden Umarmung an sich und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. „Sag mir, dass du mich liebst, Chris. Sag mir, dass du mich genauso sehr liebst wie ich dich.“
    „Tony, bitte…“
    „Ich muss die Worte hören, Chris. Ich muss hören, wie du sie sagst.“
    „Ich…“ Chris versuchte die Worte hervorzupressen, doch sie klebten störrisch an einem kleinen Klumpen getrockneten Blutes und wollten einfach nicht fallen.
    „Lass mich nicht darum betteln, Chris. Bitte lass mich nicht darum betteln.“ Er betatschte sie von hinten und leckte mit der Zunge über ihr Ohrläppchen.


    Die nächste Fs kommt .... jetzt


  • „Oh Gott“, sagte Chris. „Mir wird schlecht.“ Sie drängte sich aus Tonys Umarmung, fiel vor der Toilette auf die Knie und übergab sich in die Schüssel. „Oh Gott“, stöhnte sie, als sie spürte, wie irgendetwas in ihr riss und ein Wasserschwall zwischen ihre Beine strömte. Nicht jetzt. Lieber Gott, nicht jetzt.
    „Was ist los? Was machst du, verdammt noch mal?“
    „Meine Fruchtblase ist geplatzt.“ Chris presste ihr Gesicht an die Kloschüssel, während ihr Körper von einer Reihe schmerzhafter Krämpfe geschüttelt wurde. Das konnte nicht wahr sein.



    „Das Baby ist erst in einem Monat fällig“, sagte Tony, als wollte er sie verbessern und sie warnen, keine Spielchen mit ihm zu spielen.
    „Es kommt aber jetzt“, heulte Chris und wünschte, sie wäre tot. Früher waren Frauen häufig bei der Geburt gestorben, dachte sie, als ihr Mann sie auf die Füße zog.
    „Halt durch, Chris. Keine Panik. Wir werden dich auf jeden Fall rechtzeitig ins Krankenhaus bringen.“
    „Ich kann mich nicht bewegen.“



    „Das sind bloß die Wehen, Baby. Darin bist du doch ein alter Profi.“ Er führte sie durchs Schlafzimmer zur Treppe. „Ein Schritt nach dem anderen, Liebling. Immer schön langsam.“
    „Ich kann das nicht“, schrie sie. „Ich kann nicht. Ich kann nicht.“
    „Natürlich kannst du. Natürlich kannst du. Nur immer schön langsam. Ich bin bei jedem Schritt des Weges bei dir.“
    „Oh Gott.“



    Irgendwie schaffte Tony es, sie die Treppe hinunter und auf die Straße zu führen. „Der Wagen steht gleich um die nächste Ecke“, sagte er, als wollte er andeuten, dass das Vehikel irgendwie von selbst dorthin gelangt war und nicht, weil er es absichtlich außer Sichtweite geparkt hatte, damit sie dachte, er sei weggefahren.
    Chris betrachtete die Vorderseite ihres mit Blut und Erbrochenem verdreckten Pullis, feuchte Haarsträhnen klebten schweißnass an ihrer Stirn, die Hosenbeine an ihren feuchten Schenkeln. Ich möchte sterben, dachte sie. „Ich schaffe es nicht“, sagte sie.
    „Das lasse ich nicht zu, Baby.“



    Als sie den Wagen erreicht hatten, krümmte Chris sich vor Würgekrämpfen. Bitte lass mich einfach sterben, dachte sie, während Tony sie vorsichtig auf den Beifahrersitz bugsierte.
    „Was wirst du denen im Krankenhaus erzählen?“, fragte er, sprang auf den Sitz neben ihr und ließ den Motor an. „Wenn sie wegen der Platzwunden und Blutergüsse fragen?“ Er fuhr an. „Ich denke, du kannst sagen, du wärst ausgerutscht, als du Wyatt gebadet hast, und mit dem Kinn auf den Wannenrand geschlagen. Dabei ist deine Lippe aufgeplatzt, und du kommst dir wirklich blöd vor. Irgendwas in der Richtung. Deine Wehen haben eingesetzt, die werden bestimmt nicht lange diskutieren.“


    Noch eine kurze und dann habt ihr es geschafft..


  • „Tony…“
    „Was?“
    Sie wandte ihr Gesicht in seine Richtung, wo sein Gesicht bald scharf, bald verschwommen vor ihren Augen auftauchte. „Das darf nie wieder passieren. Du musst mir dein Wort geben, dass es nie wieder geschieht.“



    „Bestimmt nicht“, versicherte er ihr und versuchte, ihre Hand zu fassen.
    „Du musst es versprechen.“ Chris fragte sich, warum sie darauf beharrte? Wie oft hatte Tony seine Versprechen schon gebrochen? Warum sollte es dieses Mal anders sein?
    „Ich verspreche es“, sagte er leichthin. „Du wirst schon sehen, Chris. Alles wird gut, Chris, solange ich nur sicher bin, dass du mich liebst.“



    Solange ich nur sicher bin, dass du mich liebst. Die Worte schlugen auf ihr Gehirn wie eine Reihe von Hammerschlägen, viel härter als die Fäuste ihres Mannes. Chris schrie auf und täuschte eine weitere Wehe vor. Lieber Gott, dachte sie, schloss die Augen, als tatsächlich eine kam, und versuchte, sich auf die nächste Schmerzattacke einzustellen, ihr nachzugeben und sich in ihrer hypnotischen Kraft zu verlieren. Bald würde sie Mutter dreier Kinder sein. Was hatte sie sich vorhin bloß überlegt? Wohin genau hatte sie vorgehabt zu gehen?



    Alles wird gut, versuchte sie sich einzureden, während Tony durch die Straßen von Mariemont raste. Das musste es auch. Denn ihr waren alle Möglichkeiten ausgegangen.


    Ich bin gespannt auf eure Kommentare :einschenk
    Liebste Grüße
    Eure Nikita

  • WOW :supi
    Das waren ja mal wieder super, tolle Fortsetzungen :hammer
    Dieser Tony ist ein mieses Ar*chloch!!!!! Ich hoffe es wird wieder alles gut für Chris.
    Freue mich auch die nächste Fortsetzung.


    Lg Simplayer_w


    [SIZE=1][SIZE=4][SIZE=2] :yeah :kitarre LinkinPark ever:kitarre:yeah !!!!!![/SIZE][/SIZE][/SIZE]


    [SIZE="3"][SIZE=4]Viele Grüße an das Forum[/SIZE] :wink[/SIZE]


    [SIZE=3]Meine 1. Fotostory(Beendet)[/SIZE]
    [SIZE=2]Das hässliche Entlein [/SIZE]
    [SIZE=3]Meine 2. Fotostory (Abgebrochen)[/SIZE]
    [SIZE=2]Höllische Nachbarn[/SIZE]

  • juhuuuu es geht weiter *freu* :einschenk
    dieser tony ist wirklich ein mieser ....... naja, ihr wisst eh, was ich mein :D
    ich bin schon sehr gespannt wie es weitergeht und wie sich das alles entwickelt!
    lg

    [CENTER]~~~~[/Center]





    [CENTER]Signatur[/CENTER]




    [CENTER]~~~~[/CENTER]

  • Ich kann mich nur anschließen! Deine Fortsetzung ist immer großartig! Aber ich mag Tony natürlich auch nicht. Erst vergwaltigt er seine Frau, schlägt sie und spieoniert auch noch hinter ihr her und dann soll sie auch noch selber schuld sein! Am liebsten würde ich ihm ja mal eine knallen! Dann wackelt der Zahn aber nicht nur!!!


    Freu mich schon auf die nächste!


    LG
    Thiara

    [CENTER][COLOR="DarkOrchid"]Du bist das Beste, was mir je passiert ist
    es tut so gut wie Du mich liebst
    vergess den Rest der Welt
    wenn Du bei mir bist
    Du bist das Beste, was mir je passiert ist
    es tut so gut wie Du mich liebst
    ich sag's Dir viel zu selten
    es schön das es Dich gibt[/COLOR][/CENTER]

  • Omg, dieser Tony macht einen ja richtig wütend... wie furchtbar! Da würde man am liebsten in die Geschichte springen und dem Kerl ins Gesicht schreien, was für ein bescheuertes ********* er ist! Wirklich eine sehr sehr gute Story (ich weiß grade gar nicht ob ich hier schon mal kommentiert habe, aber auf jeden Fall lese ich alle deine FSs und bin immer total begeistert!)!


    Weitermachen ;)

    [GLOWGREEN]Die Frauen lieben die Stärke, ohne sie nachzuahmen. Die Männer lieben die Zartheit, ohne sie zu erwiedern. löl net ernst nehmen![/GLOWGREEN]


    [GLOWORANGE]So ausserdem Grüß ich noch Wilkätzchen ;) Rike, Sweet-Sunny, Big_Bims, Aramis und natürlich Meggy!!!!!!![/GLOWORANGE]


    [SIZE=4]Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist wie sie ist, es wär nur deine Schuld wenn sie so bleibt![/SIZE] :yeah

  • Oh man, der BLÖDE, BLÖDE, Tony!!!! :haue

    [CENTER]Viele die leben, verdienen den Tod.
    Und manche, die sterben verdienen das Leben.
    Kannst du es ihnen geben?
    Dann sei auch nicht so rasch
    mit einem Todesurteil bei der Hand.
    Denn selbst die ganz Weisen können nicht
    alle Absichten erkennen.

    by Gandalf [/CENTER]
    [RIGHT][/RIGHT]

  • Nachdem ich mich total lange nicht mehr bei deiner Geschichte zu Wort gemeldet hab - was mir echt total leid tut *schäm* :erschreck - muss ich dich wie alle anderen loben!
    Tolle Umsetzung, grandiose Bilder und natürlich eine erstklassige Geschichte!!
    Chris sollte sich schnellstens von Tony verabschieden...so vielleicht *gg*?! :schnappi Obwohl ich nicht glaube, dass dass so leicht wird...


    Freu mich total wenn es weitergeht und bemühe mich, in Zukunft wieder regelmäßiger zu kommentieren..!!


    Lg,
    Santine :wink

    [CENTER]"[SIZE=3]Do not go gentle into that good night - rage, rage against the dying of the light"[/SIZE] Dylan Thomas[/CENTER]

  • Warum zum Teufel verlässt Chris den blöden Kerl nicht? Hoffentlich kann sie im Krankenhaus irgendwas unternehmen, und kommt nicht mit der blöden Geschichte, die Tony sich ausgedacht hat.
    Ansonsten, was ich aber, glaub ich, gar nicht mehr sagen muss, war deine Fortsetzung natürlich grandios. Da gibt's nix ;).
    LG, Smeagol

    [center]
    Kähähä!
    [/center]

  • wow, ich bin mal wieder begeistert! also von deinen bildern mein ich! Die bilder,... Chris, ... einfach super gemacht! Ich weiß nicht, was ich sonst noch sagen soll.


    Dieser Tony ist einfach krank! Ich kann einfach nicht glauben, was er sich da alles zusammenspinnt!


    Aber das erste Mal hatte ich das Gefühl, als würde sie sich ihm endlich entgegenstellen. Ich befürchte nur, sie ist nicht stark genug, um das bis zum Ende zu führen...

    Ich muss zugeben, ich hab mal bei BOL.de gespickt, wie viele seiten das buch hat: 478. Weil ich so neugierig bin: Auf welcher Seite sind wir denn inzwischen? Nur damit wir wissen, auf wie viel Folgen wir uns noch in etwa freuen dürfen...?!

    [center]Tanze als würde Dich keiner beobachten. Singe als würde es keiner hören. Liebe als wärest Du niemals verletzt worden!
    [/center]

  • Läuft hier noch was?

    [CENTER]Viele die leben, verdienen den Tod.
    Und manche, die sterben verdienen das Leben.
    Kannst du es ihnen geben?
    Dann sei auch nicht so rasch
    mit einem Todesurteil bei der Hand.
    Denn selbst die ganz Weisen können nicht
    alle Absichten erkennen.

    by Gandalf [/CENTER]
    [RIGHT][/RIGHT]

  • oh mann.. das gibts doch nicht.
    tony scheint seiner frau ja nicht sehr zu vertrauen- gerade das, was in einer beziehung eigentlich wichtig ist.
    also meiner meinung nach ist tony völlig krank. also richtig richtig krank.
    er verfolgt sie? mein gott.. hoffentlich kommt da mal endlich jemand drauf, das in der ehe der beiden nix mehr funzt.
    tony ist echt ein absoluter drecksack.


    ich hoffe du schreibst bald weiter
    deine story ist wirklich super! meine persönliche lieblingsstory :knuddel


    mach weiterrrr! ^^

  • Hallo ihr Lieben,
    heute geht es nach langer Zeit wieder weiter. Ich hoffe, ihr seid mir nicht allzu böse, weil ich so lange nicht weiter gemacht habe. Aber dieser Teil war ziemlich aufwendig und hat viel Zeit in Anspruch genommen. Auch wenn es vielleicht nicht den Anschein hat ;-)
    Ein dickes Dankeschön an alle meine Leser und Kommentierer:
    Simplayer_w - Nun, leider schaut es im Moment nicht sehr gut für Chris aus und das wird auch noch einige Zeit so bleiben
    @Sunnysim - Oh ja, ich kann mir ziemlich gut vorstellen, was du meinst *g*
    Thiara - Ja, wenn DU seine Frau wärst, dann würde die Sache ganz anders aussehen *gg* ;-)
    Miri - Ob Tony deine Attacken überleben würde? *lach*
    Moorvampana - Stimmt ;-)
    @Santine - Schön, dass du wieder mal Zeit hattest, bei mir reinzugucken. Ich weiß wie das ist. Komm selbst oft mal nicht zum Lesen. Aber gestern hats ja wieder mal geklappt *zwinker*
    @Smeagol - Das ist eben WAHRE Liebe *schauder*
    DawnAngel - Wir sind knapp beim Viertel, bei Seite 134. Wird also schon noch ein wenig dauern, bis ich durch bin.
    ina - Ich merk schon, Tony ist der Aufreger in der Geschichte ;-) Dabei würde er doch alles für seine Familie tun *manisch lach*
    Ich freu mich riesig, dass meine Geschichte deine Lieblingsstory ist *knuddel*



    „Dein Haus ist absolut phantastisch.“
    „Danke. Kommt rein. Ich hab vergessen, dass ihr noch nie hier wart.“
    Chris trat über die marmorne Schwelle von Vickis palastartigem neuen Haus in der Randgemeinde Indian Hill, und Tony folgte ihr wie ein Schatten. „Obwohl ich dir natürlich nie verzeihen werde, dass ihr die Grand Avenue verlassen habt.“
    „Wir haben ein Geschenk zum Einzug mitgebracht“, sagte Tony und versuchte, den zwei Jahre alten, zappelnden Rowdy in seinem Arm zu bändigen, während er Vicki einen Karton mit Gourmetkonfitüre überreichte. „Offenbar ist es Tradition, fürs neue Haus etwas Süßes mitzubringen.“



    „Danke“, sagte Vicki, doch Chris wusste, dass Vicki ihren Besuch mehr als überfällig fand, da sie seit mehr als einem Jahr in dem neuen Haus lebte.
    „Du hast deine Haare abgeschnitten!“, kreischte Vicki plötzlich los. „Ich glaube es nicht.“
    Sofort strich Chris mit der Hand über ihren Hinterkopf, und ihre Finger flatterten um ihren kahlen Nacken. Sie kämpfte mit den Tränen.
    „Ich kann es einfach nicht glauben. Kein Pferdeschwanz mehr. Dreh dich mal um. Lass mal sehen.“



    Chris senkte den Kopf und vollführte verlegen eine halbe Drehung. Dabei bemerkte sie einen Fleck auf der Vorderseite ihres T-Shirts, vielleicht ein Klecks Soße, vielleicht Erbrochenes oder noch wahrscheinlicher die Spur getrockneten Blutes. Die Tränen schossen ihr in die Augen. Nicht weinen, ermahnte sie sich. Wenn du anfängst zu weinen, zwingt Tony dich, nach Hause zu gehen. Er wird sagen, dass du es absichtlich machst, dass du nur zu der Party gekommen bist, um eine Szene zu machen. Nicht weinen. Wage es bloß nicht, zu weinen.
    „Was ist los? Gefällt dir dein Haar kurz nicht?“, fragte Vicki, als ahnte sie die Tränen, die hinter Chris’ blauen Augen lauerten. „Ich finde es echt süß. Vielleicht ein bisschen ungleichmäßig, aber das lässt sich glätten. Wer hat es geschnitten?“



    Chris zupfte an den fransigen Strähnen, ohne den Blick ganz von dem Boden zu wenden. „Ein Typ in Terrace Park. Ich bin an seinem Salon vorbeigekommen, und ehe ich mich versah, war mein Pferdeschwanz futsch.“ Bitte keine weiteren Fragen, betete Chris stumm. Ich kriege mich schon wieder ein, wenn wir einfach über etwas anderes reden können.
    „Du weißt ja, wie impulsiv Chris sein kann“, sagte Tony.
    „Nun, eigentlich nicht“, widersprach Vicki.



    „Anfangs war ich auch nicht besonders glücklich damit“, sagte Tony. „Aber langsam gewöhne ich mich daran.“ Er fuhr mit einer Hand spielerisch durch Chris’ amputierte Haarsträhnen.
    Chris’ Hals zuckte zur Seite, als sie sich dem Griff ihres
    Mannes entwand und zur Auffahrt blickte, wo Montana und Wyatt in der Sonne zwischen Vickis neuem Jaguar und Jeremys klassischem Porsche Fangen spielten. Hinter den beiden Luxuskarossen parkten zwei weitere Autos: Susans und Owens Seville und Barbaras und Rons Mercedes.



    „Kommt rein, Kinder“, rief Chris und registrierte dankbar, dass sie eilig gehorchten und darum rangelten, die Haustür als Erster zu erreichen. „Nicht schubsen“, ermahnte Chris sie.
    Als Antwort darauf boxte der sechsjährige Wyatt seine ältere Schwester gegen die Schulter.
    „Und nicht schlagen“, sagte Chris.
    „Ist doch nicht so schlimm, Chris, sie sind doch nur Kinder“, sagte Tony. „Kinder balgen sich eben. Lass sie in Ruhe.“



    Darauf reagierte Montana mit einem Stoß in die Rippen ihres Bruders.
    „Hört auf“, warnte Chris, während Montana ihren Vater ansah und die Augen verdrehte. „Du erinnerst dich doch an Mamis gute Freundin Vicki, oder, Montana? Wyatt, kennst du Mrs. Latimer noch?“



    „Das letzte Mal habe ich dich vor etwa einem Jahr gesehen“, sagte Vicki und zeigte auf Montana, während sie alle in den geräumigen Hausflur führte und die Haustür schloss. „Kurz bevor wir umgezogen sind. Und schau an, wie groß du geworden bist“, sagte sie zu Rowdy, der sein Gesicht sofort an der Schulter seines Vaters verbarg. „Die anderen sind alle hinten. Sie können es kaum erwarten, euch zu sehen. Kommt. Ich zeig euch den Weg.“ Sie bot Montana ihre Hand an.


    Sofort geht's weiter...


  • Montana sah ihren Vater an, als würde sie um Erlaubnis fragen. Tony lächelte. Beide Hände fest hinter dem Rücken verschränkt, folgte Montana Vicki durch den breiten Flur.
    „Hat deine Mutter dir je die Geschichte erzählt, wie wir uns kennen gelernt haben?“, fragte Vicki fröhlich.
    „Das klingt ja, als wäre es eine Art Liebesgeschichte“, sagte Tony und betrat das geräumige Wohnzimmer.



    „Nun, das ist es in gewisser Weise ja auch.“ Vicki fasste Chris’ Hand und drückte sie. „Es ist so schön, dich zu sehen.“
    „Es ist schön, dich zu sehen. Wir haben auch ein Geburtstagsgeschenk für Josh mitgebracht.“ Chris zog ein bunt eingepacktes Geschenk aus der Tasche.
    „Danke, das ist wirklich lieb. Es ist nicht zu glauben, wie schnell die Kleinen groß werden.“



    Vicki nahm die Schachtel entgegen, stellte sie zusammen mit den Gourmetkonfitüren auf ein antikes Beistelltischchen, bevor sie Chris und ihre Familie in den hinteren Teil des Hauses führte. „Ich kann mich noch ganz genau an den Tag erinnern, an dem er geboren wurde.“
    Chris staunte, weil Vicki sonst alles andere als sentimental war. Die einzigen Termine, die sie im Kopf behielt, waren die, zu denen sie vor Gericht erscheinen musste.



    „Mein Gott, was für ein Chaos das war!“, rief Vicki. „Ich steckte mitten in einem großen Fall und hatte alle Unterlagen mit ins Krankenhaus genommen. Ich war gerade am Telefon, als die Wehen einsetzten, und dir muss ich ja nicht erzählen, wie das ist. Ich versuche also eine außergerichtliche Regelung auszuarbeiten, während die Krankenschwestern mit erklären, dass der Muttermund schon weit geöffnet ist und wir sofort in den Kreißsaal müssen. ‚Mrs. Latimer, Sie müssen das Gespräch beenden’, sagten sie ständig, und ich hab geantwortet, dass ich noch nicht fertig bin und noch zwei Minuten brauche. Sie haben gekreischt, sie könnten schon den Kopf des Babys sehen. Was für eine Szene! Schließlich haben sie mir den Hörer aus der Hand gerissen, aber erst nachdem ich von der anderen Seite die mündliche Zustimmung hatte. Mein lieber Mann, das war ein Nachmittag, den ich nie vergessen werde.“



    Chris lachte. Sie erinnerte sich, wie sie Vicki am Tag nach Joshs Geburt im Krankenhaus anrufen wollte, wo man ihr jedoch nur berichten konnte, dass Mrs. Latimer und ihr Sohn bereits wieder ausgecheckt hatten. Nur drei Tage nach der Geburt war Vicki wieder ins Büro gegangen.
    „Phantastisch, was ihr aus dem Haus gemacht habt“, staunte Chris und spähte in jedes der riesigen Zimmer, an denen sie vorbeikamen. „Alles ist so schön.“
    „Nun, das hat alles der Innenarchitekt gemacht“, gestand Vicki. „Ich hab ihm bloß gesagt, dass ich Antiquitäten mag, während Jeremy modernes Dekor bevorzugt, und er hat sich für eine Mischung aus alten Möbeln und moderner Kunst entschieden, die irgendwie funktioniert.“



    „Sieht toll aus“, sagte Tony und parodierte hinter Vickis Rücken ihren selbstbewussten Gang, sodass die beiden Kleinen in seinem Arm laut lachten.
    „Was ist so komisch?“, fragte Vicki.
    Sofort verbarg Rowdy sein Gesicht wieder an der Schulter seines Vaters, doch Wyatt lachte noch lauter. Sein mutwilliges Gejohle zerriss die Luft wie ein enervierender Husten. Rowdy hielt sich die Ohren zu und fing an zu kreischen.



    „Was ist denn los, Rowdy?“, fragte Chris.
    „Lass ihn in Ruhe, Chris. Alles in Ordnung“, sagte Tony.
    „Ich kann euch ja später das ganze Haus zeigen“, sagte Vicki, als hätte sie die kleine Szene, die sich in ihrem Rücken abgespielt hatte, gar nicht mitbekommen, obwohl Chris ganz genau wusste, dass Vicki alles mitbekam und ihren kleinen haselnussbraunen Augen nichts entging.



    „Geht es dir gut?“, fragte sie Chris flüsternd, als sie durch die Küche gingen.
    „Ja, bestens.“
    „Du siehst ein bisschen blass aus.“
    „Ich bin bloß müde.“
    „Hast du abgenommen?“
    „Vielleicht ein paar Pfund.“
    „Vielleicht auch ein paar mehr.“
    „Daddy sagt, man soll nicht flüstern“, sagte Wyatt.
    „Da hat dein Daddy absolut Recht“, stimmte Vicki ihm zu.


    Geht sofort weiter....