• Eileen nickte langsam und dachte an jenen fast abstrakten Moment vor 2 Wochen, als Marcel ins Auto gestiegen war und einfach davon gebraust. Und sie selbst hatte nur dabei gestanden und zugesehen, fassungslos ob dem, was da gerade geschah. Zuerst hatte sie noch gedacht, er würde sicher bald wiederkommen – am nächsten Morgen, vielleicht schon in der Nacht. Aus den Stunden waren Tage geworden. Aus den Tagen inzwischen Wochen.



    Die beiden saßen noch eine Weile mehr oder minder schweigend nebeneinander auf der Couch, bis Marlene sich schweren Herzens erhob und sagte. „Es tut mir leid, Eileen, aber ich muss dann langsam los. Dirk wird mich schon suchen. Wenn du aber willst, dass ich bleibe, dann rufe ich ihn an.“
    Eileen jedoch schüttelte den Kopf. „Nein, Lene, es ist schon in Ordnung. Danke, dass du da warst. Ich – ich möchte jetzt auch ganz gerne alleine sein, um ein bisschen nachdenken zu können.“
    Marlene sah Eileen prüfend an und nickte dann. „Ich ruf dich morgen früh an, ja? Versprich mir, dass du was isst und mach keine Dummheiten … hörst du?“
    Eileen nickte. „Versprochen.“
    Sie schlurfte hinter Marlene her, bis beide gemeinsam vor der Haustüre stehen blieben.
    „Lene – es tut mir leid, dass ich nicht angerufen habe“, sagte sie leise, als Marlene nach draußen getreten war. „Aber ich hab mich so geschämt.“
    „Geschämt?“ sagte Marlene verblüfft. Eileen nickte betreten.



    Marlene strich ihr über die Schulter. „Mensch, Eileen. Dafür braucht man sich doch nicht zu schämen. Du kannst nichts dafür, hörst du. Hör auf, dir die Schuld zu geben, verstanden?“
    Eileen nickte, wenn auch nur wenig überzeugend. „Bis dann, Lene.“



    Die beiden umarmten sich, dann ging Eileen langsam zurück ins Haus und schloss die Tür.
    Marlene seufzte auf und ging schweren Herzens zurück zu ihrem Auto. An diesem Abend wusste sie es mit einemmal mehr als je zuvor zu schätzen, dass sie zu Hause jemand erwartete und in die Arme schließen würde.





    Fortsetzung folgt.

  • auch wenn ich mich wiederhole, dein schreibstil ist wirklich richtig gut. bin gespannt wann sie wieder zur arbeit geht und ob der kerl sich wieder meldet usw.


    liebe grüße

  • Huhu Innad,


    Nun, da hat Eileen aber wirklich zu knabbern, nicht nur dass ihr Mann sie wegen einer anderen verlassen hat, nein sie kämpft ja auch noch gegen (völlig unnötigen) Schuldgefühle an. Sie macht sich ja Vorwürfe, dass sie mit ihrem Verhalten alleine Schuld ist, dass Marcel sich anderweitig umgesehen hat. So ganz stimmt das aber nicht. Es mag vielleicht mit ein Grund gewesen sein, warum er überhaupt was mit Sabrina angefangen hat, aber trotzdem ist es nicht Eileens Schuld, dass er nicht um die Beziehung/Ehe gekämpft hat, sondern sich von seiner Frau entfernt hat.
    Eileen kann im Moment nur froh sein, dass sie Marlene hat und nicht ganz alleine da steht. Ich hoffe wirklich, dass Marlene ihrer Freundin aus den Schuldgefühlen helfen kann und nicht zulässt, dass sie sich ganz darin vergräbt.
    Ich hoffe doch, dass es bald weitergeht, auch wenn ich nicht immer so viel Zeit zum kommentieren habe, versuch ich doch immer die Fortsetzungen zu lesen. :)


    Ganz liebe Grüße
    Llyn

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

  • Jetzt muss ich aber doch endlich mal meinen Kommi loslassen. Ich hoffe, du verzeihst mir die Verspätung.
    Ich war etwas arg im Baufieber beschäftigt.
    Ich wollte das eben doch in Ruhe lesen und genießen.
    Und genossen hab ich es sehr, selbst wenn die Thematik recht traurig ist.
    Schon im ersten Kapitel hätte ich vor Mitgefühl mit ihr dahinschmelzen können.
    Es war einfach nur deprimierend, man will sich genau wie Eileen einfach nur wieder ins Bett verziehen, die Decke über den Kopf und dann lass die Welt draußen bleiben.
    Dabei wirkt es kein Stück übertrieben, nicht melodramatisch sondern einfach nur real. Fast sogar schon erschreckend real.
    Wirklich, ich liebe es, deine Sachen zu lesen und dabei in die Personen einzutauchen.
    Man fühlt sofort die bohrende Frage im Kopf, warum der Mann auf einmal seine Sachen packt und verschwindet, denn es schien doch alles so wunderbar zu sein.
    Da war natürlich die Auflösung dieses Lebens dann der totale Hammer.
    Im Grunde hat Eileen ja nun gleich doppelt verloren, erst das Baby und dann den Mann.
    Ich glaube nicht, dass er sich einfach nur von ihr abgewandt hat, wenn die zwei sich wirklich so geliebt haben, wie man aus all den Äußerungen von ihr und auch Marlene schließen kann. Aber ich könnte mir denken, dass er sich tatsächlich sehr hilflos gefühlt hat, wenn ihn seine Frau in ihrer Trauer von ihrer Welt ausgeschlossen hat.
    Ich denke, er hat genauso getrauert wie sie auch, aber keinen Weg zu ihr gefunden, keine Möglichkeit, mit ihr gemeinsam zu trauern. Das dürfte sehr schwer gewesen sein für ihn.
    Dennoch, wenn man so lange verheiratet war, dann kann man sich nicht einfach einem andern zuwenden. Und wenn man den zeitlichen Rahmen betrachtet, wann sie das Kind verloren hat und wie lange die Affäre dauert, dann hat er sich doch recht früh seinen Trost woanders gesucht.
    Und das ist in meinen Augen dann schon das entscheidende. Er hat ein bissel arg früh aufgegeben. Immerhin ist das keine 08/15 Beziehung gewesen, sondern eine glückliche Ehe. *seufz*
    Insofern bin ich etwas hin und hergerissen, was ich davon halten soll. Ich möchte mich noch nicht zu einem vorschnellen Urteil hinreißen lassen, aber im Augenblick kommt er noch nicht besonders gut weg.


    Marlene dagegen mag ich sehr. Gut, dass sie sich um Eileen kümmert. Es muss ja wenigstens einer für sie da sein. Und sie aus diesem tiefen Loch herausholen, in das sie da gefallen ist.
    Ich mag ihre ganze Art, sie scheint wirklich ein sehr netter Mensch zu sein, der nicht einfach nur Sprüche kloppt, sondern einfach anpackt und etwas tut. Siehe, kurzerhand vor dem Besuch einzukaufen. Doch, das Mädel steht bei mir auf der Beliebtheitsliste ganz oben.


    Nun bin ich wirklich mal gespannt, wie das mit Eileen weitergeht. Im Grunde tut einem in der Seele weh, dass diese Ehe zuende zu sein scheint. Warten wir mal ab, was sich da noch tut.


    Ein großes Kompliment noch einmal für diese schöne neue Geschichte von dir, samt toll gemachter stimmungsvoller Bilder, die das Ganze erst richtig abrunden (einschließlich der Unmengen an Müll, die du da zu verteilen hast. Oh je, all diese Fliegen, das muss furchtbar gewesen sein ;))

  • 5.


    Eileen spürte, wie ihr Mund trocken wurde, als die Ärztin die Stirn in besorgte Falten legte und ihr mit einer Handbewegung bedeutete, sich auf die Liege zum Ultraschall zu legen.


    Tausende von Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf. Sie wollte fragen: „Was ist los? Geht es meinem Baby gut?“ doch sie wagte es nicht, die Stimme zu erheben. Stattdessen hangelte sie sich nur zittrig vom dem monströsen Untersuchungsstuhl und tappte auf ihren eiskalten nackten Füßen über die sterilen Fliesen hinüber zu der ledernen Untersuchungsliege, die unter ihrem Gewicht empört zu knirschen begann.
    Sie spürte, wie die Ärztin ihr wortlos das kalte Gel auf den Bauch drückte, wie bisher immer. Normalerweise war sie in freudiger Erwartung, das wachsende Leben in ihrem Bauch mit eigenen Augen auf dem Bildschirm betrachten zu können – auch wenn es sich eigentlich nur um einige Schatten handelte, die sie anfangs nur mit Müh und Not als Menschlein hatte ausmachen können.
    Aber heute war alles anders. Sie schluckte hart gegen die aufkommenden Tränen an, ihr Hals schmerzte von diesem fast nutzlosen Versuch, stark zu sein.



    Es war Mitte Februar. Der Tag hatte für Eileen wie jeder andere begonnen, der Wecker hatte sie gegen sieben Uhr aus dem Schlaf gerissen, sie hatte sich brummelnd auf die Seite gedreht, einen sachten Kuss von Marcel auf ihrer Wange gespürt und seine obligatorischen Worte vernommen. „Steh auf, Prinzessin, ein wunderschöner neuer Tag wartet auf dich.“
    Marcel versuchte jeden Morgen, sie aus dem Bett zu locken – meistens erfolglos. Eileen war und blieb ein Morgenmuffel und hasste nichts so sehr, als in der Dunkelheit die schützende Wärme des weichen Bettes verlassen und unter die kalte Dusche springen zu müssen.
    Und seit sie schwanger war, hatte sie die Müdigkeit so fest im Griff, dass ihr das Aufstehen noch viel schwerer fiel.
    Doch an diesem Morgen war im Vergleich zu den vorhergegangenen tatsächlich etwas anders gewesen – seit Wochen weckte Eileen eine unschöne Übelkeit, nicht selten war ihr erster Gang der zur Toilette, um sich würgend zu übergeben. Nach einem Zwieback und einer Tasse Tee, die dank Marcel meist schon direkt nachdem sie aus dem Bad kam bereit stand, kam sie aber glücklicherweise meist schnell wieder auf die Beine.
    Doch diesen Morgen war etwas anders. Eileen richtete sich schlaftrunken auf, während Marcel schon auf dem Weg in die Küche war, um den obligatorischen Tee aufzugießen. Sie rieb sich müde die Augen und gähnte herzhaft. Dann stutzte sie. Ihr war nicht übel, kein bisschen. Nicht einmal Schwindel verspürte sie.



    Nun ja – sie war jetzt ja immerhin schon fast in der zwölften Woche und man sagte ja, dann verginge die Übelkeit zumeist. Erleichtert seufzte sie auf, der Tag fing somit schon einmal gut an, denn die morgendlichen Übelkeitsatttacken hatte sie langsam wirklich recht lästig gefunden.
    Langsam stand sie aus dem Bett auf und tapste hinüber ins Badezimmer, wo sie unter die Dusche sprang. Als sie frisch angezogen vor dem Toilettenspiegel stand, um sich zu schminken, betrat Marcel verwundert das Badezimmer. „Was ist denn mit dir heute los? Seit wann umarmst du morgens nicht als erstes die Toilettenschüssel?“


    Sie lächelte und umarmte stattdessen ihn heftig. „Vielleicht hab ich mich entschieden, dass es bessere Möglichkeiten gibt“, lachte sie dabei und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. Er war noch nicht rasiert und seine zahlreichen, kleinen Barthaare piekten sie gehässig, doch das störte sie nicht.
    „Hey“, lachte Marcel. „Was ist los? Ist dir nicht schlecht?“
    „Nein, stell dir vor – kein bisschen“, lachte Eileen.
    „Ist das gut?“ fragte er nach einer Weile, in der er Eileen beobachtet hatte.



    Sie sah auf. „Wieso sollte das nicht gut sein? Irgendwann musste es ja aufhören. Ich hatte schon die Befürchtung, ich wäre eine dieser armen Frauen, denen es die kompletten neun Monate übel ist. Aber anscheinend hab ich noch mal Glück gehabt.“
    Marcel schien nicht sonderlich überzeugt. „Nun schau nicht so“, sagte Eileen noch mal und ging auf ihn zu. „Ich bin fast in der zwölften Woche, da ist es normal, dass die Morgenübelkeit nicht mehr so häufig ist. Ich bin jedenfalls froh drum. Du etwa nicht?“
    „Natürlich bin ich das“, sagte er schnell. „Ich mach mir eben nur Gedanken um unseren kleinen Maxemann.“ Und liebevoll tätschelte er ihren schon leicht nach vorne gewölbten Bauch.
    „Maxemann? Wie kommst du denn darauf? Wir wissen doch noch gar nicht, was es ist“, lachte Eileen und zauste ihrem Mann durch das braune, wuschelige Haar. Er zog sie in seine Arme und der Geruch nach verschlafenem Mann lullte sie ein und ließ sie die Luft genießerisch einziehen.


    „Ist doch egal, irgendwie muss ich es ja nennen“, sagte Marcel und küsste seine Frau auf die Stirn. „Und nun geh ich duschen. Und du solltest dich beeilen, du bist auch spät dran.“
    Eileen verdrehte die Augen. „Ja, Papa.“
    Als sie angekleidet war, begann sie sich zu schminken, während Marcel ein Lied vor sich hinträllernd – wie jeden Morgen – unter der Dusche stand.
    „Was magst du heute Abend essen?“ fragte sie mit lauter Stimme, um das Geprassel des Duschwassers zu übertönen.
    „Weiß nicht, koch irgendwas schönes. Es kann sein, dass es später wird. Wir sind heute den ganzen Tag auf Kundenbesuch in Nürnberg.“



    Eileen verzog das Gesicht, sie hatte es nicht gerne, wenn Marcel abends viel später nach Hause kam als sie selbst und sie alleine in der Küche stehen musste.
    „Mal sehen, wie fit ich heute Abend bin“, wich sie darum aus.
    „Ich geb mich auch mit einer Scheibe Brot zufrieden“, sagte Marcel in seiner unkomplizierten Art und Weise und drückte mit Wucht auf die Flasche mit dem Duschgel, um die letzten Reste heraus zu quetschen, was diese mit seltsamen Geräuschen kommentierte.
    Eileen nahm derweil letzte Handgriffe an ihrer Frisur vor und sah sich dann zufrieden im Spiegel an.


    „Schauen wir mal“, sagte sie in Richtung Dusche und ging hinüber ins Schlafzimmer, um das Bett zu machen und Ordnung zu schaffen. Bis sie fertig war, hatte sich auch Marcel angezogen und war in die Küche gegangen. Dort richtete er das Frühstück her.

  • „Ich mag heute nichts essen“, sagte Eileen schnell. „Ich bin spät dran.“
    Irritiert sah er sie an. „Wie, nichts essen? Ich dachte, dein Salamibrot am Morgen ist die letzte Rettung?“



    „Nein, heute nicht“, lachte Eileen. „Ich muss los, soll ich dich heute Mittag anrufen?“
    „Ich werde heute nicht erreichbar sein, sprich mir einfach auf die Mailbox, falls was ist“, sagte Marcel. „Der Termin in Nürnberg ist wichtig und da werde ich das private Handy lieber ausschalten. Wenn etwas ist, sprich mir einfach auf die Mailbox.2
    „Was soll schon sein!“ lachte sie. „Ich werde es schon aushalten, ein paar Stunden nicht mit dir zu telefonieren, mein Schatz. Bis heute Abend!“
    Sie gab ihm einen Kuss und verließ dann fröhlich pfeifend das Haus.



    All diese Szenen ging Eileen durch den Kopf, als sie den Druck des Ultraschallkopfes auf ihrem Bauch spürte. Sie zitterte merklich und die Ärztin sah sie einen Moment sanft an und sagte: „Tief durchatmen, gleich wissen wir mehr.“


    Eileen versuchte, diesen Rat zu befolgen, doch es nutzte nicht viel. Ihre Augen suchten hektisch die auf dem Bildschirm erscheinenden Schatten ab. Das kleine Menschlein war mit etwas Übung sogar für ihre Laienaugen schon zu erkennen. Doch diesmal schien irgendetwas anders zu sein als sonst.
    Die Ärztin fuhr mit dem Ultraschallkopf mehrmals auf dem Bauch hin und her, ohne etwas zu sagen.
    Eileen kam es vor, als würde sich diese Zeit ewig hinziehen. Irgendwann erhob die Ärztin ihre Stimme und fragte: „Seit wann haben Sie diese Blutungen, Frau Berger?“
    Eileen schluckte. Eigentlich hatte sie ihr diese Frage schon zweimal beantwortet, aber wenn es irgendetwas helfen konnte, wollte sie das gerne noch einmal tun.



    „Es muss irgendwann heute Morgen zwischen acht und zehn angefangen haben“, wiederholte sie darum langsam. „Ich habe sofort angerufen.“
    Es war jetzt drei Uhr mittags. Eileen hatte gekämpft wie eine Löwin, um so schnell wie möglich einen Termin bei der Ärztin zu bekommen. Wie so oft hatte sie sich mit den übellaunigen Sprechstundenhilfen herumschlagen müssen.
    Ihr stieg selbst jetzt noch die Empörungsröte ins Gesicht, wenn sie daran dachte, dass eine dieser Damen ihr tatsächlich vorgeschlagen hatte, am kommenden Dienstag – heute war Freitag! – vorbeizuschauen, vorher sei keine Zeit und alle Termine vergeben.
    „Ich bin schwanger und blute seit heute Morgen, gute Frau!“ hatte sie mit zitternder Stimme in den Hörer gebrüllt. „Am Dienstag kann es schon zu spät sein, verstehen Sie das?“
    Normalerweise hätte Eileen ihrer Ärztin zu diesem Vorfall ordentlich die Meinung gesagt, doch heute fehlte ihr dazu jede Kraft.
    Marlene hatte ihr im Büro die Hand gehalten und sie mit vielen, aufmunternden Sätzen zu beruhigen versucht – das Blut konnte so viele verschiedene Ursachen haben, geplatzte Äderchen an der Gebärmutter beispielsweise. Das wusste Eileen selbst, sie hatte bereits in der achten Schwangerschaftswoche leichte Blutspuren im Slip gefunden und war ebenso aufgelöst zur Ärztin gekommen, die sie beruhigt hatte.



    Doch diesmal waren es keine Tröpfchen, die sie entdeckt hatte, es war frisches, rotes Blut – und nicht wenig davon. Bevor sie in die Praxis gefahren war, hatte Eileen zu Hause noch einmal ihre Unterwäsche wechseln und sich eine Einlage in den Slip legen müssen, um nicht ihre ganzen Hosen zu beschmutzen.
    Das konnten keine geplatzten Äderchen sein – ihr Baby war in Gefahr und tief in sich wusste Eileen, was die grausame Wahrheit war.
    Die Ärztin drehte sich zu ihr und ihr Gesicht sagte mehr als tausend Worte. Dennoch klammerte sich irgendetwas in Eileen an den letzten Funken Hoffnung, sie könne sich doch irren.
    "Es tut mir wirklich leid, Ihnen das sagen zu müssen...“



    Eileen wollte sich die Ohren zuhalten, weg ignorieren, was nun kommen würde, doch sie lag wie versteinert auf der kalten Liege und zitterte wie Espenlaub, während die Worte der Ärztin langsam, wie schwer tropfender Teer in ihr Bewusstsein sickerten: „Das Herzchen schlägt nicht mehr – der Fötus lebt nicht mehr, es tut mir wirklich leid. Sie wissen ja, dass bis zur 12. Schwangerschaftswoche das Risiko eines Aborts nicht gering ist. Trotzdem ist es bestimmt ein Schock für Sie, ich kann das gut verstehen.“
    Die Ärztin sah sie mitfühlend an. Eileens Augen waren weitaufgerissen und ihr Mund trocken. Sie wusste nicht, was sie erwidern sollte.
    Bilder schossen durch ihren Kopf. Ihr Baby – sie sollte es in wenigen Monaten in den Armen halten. Ihr Baby. Das konnte nicht sein…



    Die Ärztin zupfte einige Papiertücher aus dem neben der Liege stehenden Spender und befreite Eileens Bauch vorsichtig vom Ultraschallgel.
    „Ich werde Ihnen sofort einen Überweisungsschein zur Klinik schreiben. Möchten Sie vielleicht Ihren Mann anrufen?“
    Eileen war immer noch damit beschäftigt zu verarbeiten, was sie gerade von der Ärztin gesagt bekommen hatte. Wie in Trance sah sie diese an und schüttelte langsam den Kopf.
    „Nein – nein... er ist nicht da. Er ist nicht erreichbar.“
    Verflucht, Marcel! Wieso ausgerechnet heute?
    Sie hatte bereits vorhin mehrmals versucht, ihn zu erreichen, aber wie er prophezeit hatte, meldete sich jedes Mal nur die Mailbox. Und diese abzuhören, schien er keine Zeit gehabt zu haben.
    „Sie können sich wieder anziehen.“



    Wie mechanisch stand Eileen auf. Ihre Beine fühlten sich ungewohnt schwer und träge an, ihr Herz klopfte schnell und jeder Atemzug schien ihr weh zu tun. Doch ohne ihre Miene zu verändern ging sie hinter die Schutzwand und schlüpfte wieder in ihre Wäsche.
    Fast schlafwandlerisch betrat sie das Sprechzimmer, wo ihre Frauenärztin bereits einige Zeilen auf einen Zettel kritzelte.

  • Sie ließ sich kraftlos auf den gepolsterten Sessel vor dem Schreibtisch sinken und wartete darauf, dass die Ärztin ihr sagte, wie es weiterginge.
    Während diese weiterhin vor sich hinschrieb, gingen Eileen ihre Worte durch den Kopf – Überweisungsschein für die Klinik? Vielleicht war dann noch nicht alles verloren, vielleicht könnte man ihr dort helfen, ihr Baby noch retten?
    Im selben Augenblick wusste Eileen bereits, dass dieser Gedanke abstrus und hoffnungslos war. Es war vorbei.
    Sie spürte, wie sich die Tränen in ihre Augen bahnten. Doch sie wollte nicht weinen – nicht jetzt und nicht hier, also schluckte sie tapfer gegen die Tränen an, wenn auch nicht ganz erfolgreich.




    In diesem Moment drehte sich die Ärztin zu ihr und schob ihr ein Papier zu.
    „Bitte fahren Sie sofort in die Klinik, ich werde dort anrufen, damit man Bescheid weiß. Je schneller Sie es hinter sich bringen, desto besser.“
    Eileen nahm die Überweisung in die Hand und las rasch die Worte, die oben im Betreff eingedruckt waren – „spontaner Abort – Abrasio erforderl.“.
    „Was... was wird in der Klinik gemacht?“ stammelte sie nach einer kurzen Weile des Schweigens.
    „Eine Ausschabung“, antwortete die Ärztin knapp. „Es muss sein, auch wenn es sich schrecklich für Sie anhören mag. Der Fötus ist glücklicherweise noch klein genug dazu.“
    Eileen schauderte bei dem Gedanken, sich ihr Baby auf einem OP-Tisch aus dem Leib kratzen zu lassen.
    „Gibt... es denn keine andere Möglichkeit?“ fragte sie mit dünner Stimme.



    „Nein, auf keinen Fall. Sie spielen doch nicht etwa mit dem Gedanken, auf die Ausschabung zu verzichten?“
    Eileen schluckte. Sie wusste nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Wie sollte sie so eine Entscheidung in diesem Moment treffen? Sie hatte ja noch nicht einmal begriffen, dass das Leben in ihrem Bauch verwirkt war – wieso musste sie so rasch entscheiden, was sie mit diesem kleinen, winzigkleinen Körper in ihr tun sollte und was nicht?
    Irgendwo in ihrem Hinterkopf erinnerte sie sich, Berichte im Internet gelesen zu haben, in denen Frauen, denen es wie ihr ergangen war, davon berichtet hatten, auf eine Ausschabung verzichtet zu haben, aber sie wusste nicht mehr, wieso und unter welchen Umständen.
    Ihre Ärztin runzelte die Stirn, denn sie deutete Eileens Zögern als Antwort auf ihre Frage.
    „Es kommt gar nicht in Frage, die Kürretage nicht vorzunehmen“, sagte sie barsch und dann etwas sanfter weiter: „Die Blutungen wären zu stark und es kann viel zu viel schief gehen. Ich gehe davon aus, dass der Fötus schon seit einigen Tagen abgestorben ist, die Abstoßungsreaktion hat bereits begonnen, was man an Ihren Blutungen sieht. Sie müssen so schnell es geht in die Klinik, um Komplikationen zu vermeiden. Ich werde dafür sorgen, dass Sie noch heute behandelt werden.“


    Eileen wusste nicht mehr, was sie denken oder fühlen sollte und nickte betäubt. Was sollte sie schon anderes sagen?
    “Wie lange muss ich in der Klinik bleiben?“
    “Es kann sein, dass man Sie über Nacht behält, das kommt darauf an, wie die Ausschabung verläuft“, erwiderte die Ärztin knapp. „Es wäre also gut, wenn Sie jemanden organisieren könnten, der Ihnen einige Sachen vorbeibringt.“
    „Ich... kann ich nicht selbst noch nach Hause fahren?“
    „Ich sagte bereits, Sie sollten sofort in die Klinik fahren.“
    Eileen nickte ergeben. „In Ordnung, ich mache mich direkt auf den Weg.“
    „Eine vernünftige Entscheidung“, sagte die Ärztin zufrieden. „Es tut mir wirklich leid.“



    Eileen sah sie an und spürte, dass es gelogen war. Für sie waren sie und ihr Baby nur ein Fall, ein weiterer Punkt auf der Tagesordnung, vielleicht nicht der schönste des Tages, aber auch nicht der schlimmste. Für sie ging das Leben normal weiter – doch für Eileen schien es an diesem Tag zu enden.
    Eileen ging langsam aus dem Sprechzimmer heraus und zur Praxistür. Hinter ihr hörte sie die Ärztin in ihrem gewohnt freundlich-heiteren Ton „Die nächste bitte!“ rufen und als sie die Klinke der Praxistür in die Hand nahm, drehte sie sich noch einmal um und sah, wie ihre Frauenärztin fröhlich einer hochschwangeren Frau die Hand schüttelte.



    Eileen trat mit einem schnellen Schritt hinaus auf den Parkplatz und begann leise zu weinen, während sie sich auf den Weg in die Klinik machte.



    FS folgt.

  • Oh, eine traurige Fortsetzung.

    Der Blick in die Vergangenheit fand Ich fast schlimmer, als die Gegenwart.
    Die Situatuion am Morgen hatte ja so schön angefangen - die ganze Zeit habe Ich erwartet, dass gleich etwas passiert, doch es kam nichts.
    Ihr ging es gut, es gab keine Übelkeiten, nichts.
    Und dann das.

    Der Umgang zwischen dem Paar klang auch so vertraulich, Ich kann mir so schlecht vorstellen, dass sie sich getrennt haben.
    Was sie wohl dazu gebracht hat?

    Zitat


    „Eine vernünftige Entscheidung“, sagte die Ärztin zufrieden. „Es tut mir wirklich leid.“
    Eileen sah sie an und spürte, dass es gelogen war. Für sie waren sie und ihr Baby nur ein Fall, ein weiterer Punkt auf der Tagesordnung, vielleicht nicht der schönste des Tages, aber auch nicht der schlimmste. Für sie ging das Leben normal weiter – doch für Eileen schien es an diesem Tag zu enden.
    Eileen ging langsam aus dem Sprechzimmer heraus und zur Praxistür. Hinter ihr hörte sie die Ärztin in ihrem gewohnt freundlich-heiteren Ton „Die nächste bitte!“ rufen und als sie die Klinke der Praxistür in die Hand nahm, drehte sie sich noch einmal um und sah, wie ihre Frauenärztin fröhlich einer hochschwangeren Frau die Hand schüttelte.



    Das war wirklich die beste Stelle, fand Ich. Hast du lange an ihr gearbeitet?
    Dass die Ärztin zufrieden war, kann Ich ja schon verstehen. Doch dass Eileen gespürt hat, dass es gelogen war, fand Ich einfach nur grausam, auch wenn die Ärztin es bestimmt nicht aus Absicht gesagt hat, bzw. es nicht so gemeint hat.
    Schließlich ist es wirklich nur ein kleiner Punkt auf der Tagesordnung, ja, eine traurige Nachricht, doch es ist nun mal ihre Arbeit, und diese verrichtet sie auch.
    Auch der letzte Satz hat mich sehr berührt - zu erfahren, dass das eigene Kind nun tot ist, nicht mehr da ist, dass man es aus dem Körper bringen muss (ausschaben meinte Ich), ist an sich schon eine schreckliche Nachricht. Aber dann noch zu sehen, wie andere Leute glücklich sind... Sie tut mir wirklich sehr leid, es muss ein schwerer, sehr schwerer Augenblick für sie gewesen sein.

    Die Ärztin ist mir übrigens regelrecht unsympathisch - irgendwie wünsche Ich mir, sie würde sich eine andere suchen.

    Ich hoffe, Eileen wird es bald wenigstens ein wenig besser gehen....

    Ich freue mich auf die nächste Fortsetzung von Caged :)

  • Huhu Inaad!


    Gerade habe ich gesehen, dass Du wieder eine Fs gestartet hast.
    Und besondes dieser Satz hier hat es mir angetan:


    Zitat

    kranke Männer sind wirklich un-er-träglich!“

    :lollen Wie Wahr, wie Wahr, wie War!!!!!! :lachen


    Jede Frau kann Dir dasselbe sagen und jeder Mann streitet es ab. :D


    Zur Story:


    Eileen tut mir wirklich wahnsinnig leid. So viel musst und muss sie ertragen. Zum Glück hat sie eine so tolle Freundin wie Marlene. Ohne solche Freunde wäre man aufgeschmissen. Ich kenne das selber zur Genüge und habe in den letzten Monaten Freunde so sehr wie nie gebraucht. Daher ist es gut, dass Marlene sich sofort zu ihrer Freundin aufgemacht hat um sie zu besuchen. Für Eileen wäre es vielleicht sogar besser wieder zu arbeiten. Zum einen ist Marlene ja dann bei ihr und zum Anderen hätte sie einfach etwas Ablenkung. Besser als nur zuhause zu sitzen.
    Ehhh....ich dummerle. Jetzt sehe ich hier beim Komentieren, dass ich vergessen habe die nächste Seite weiter zu lesen. :old
    Muss ich gleich noch machen.


    So, noch nachgelesen. Ach je. Die Arme. das muss sehr schwer gewesen sein. Ich kann es sehr gut nachvollziehen, denn ähnliches habe ich vor vielen Jahren selber erlebt. Und ich weis, wie es mir danach gegangen ist. Mit ein Grund, dass ich mich, trotz der vielen privaten Probleme momentan, für mein jetziges Kind entschieden hatte. Daher kann ich solch schmerzlichen Verlust sehr gut nachvollziehen.
    Bei meinen beiden letzten Schwangerschaften, inklusive dieser, hatte ich auch jeweils Blutungen. Immer schwer zu sagen, woher das kommt. Bei meinem Sohn lag es wahrscheinlich daran, dass er einen nicht lebensfähigen Zwilling hatte und dieser, noch im Anfangsstadium, abgestorben war. Dieses mal war es sicher der Stress.


    LG Rivi

  • Liebe Innad


    Lange war ich nicht mehr hier, aber deine Geschichte habe ich schon vor einiger Zeit gelesen. Genau wie deine anderen FS's ist sie sehr emotional und berührend mit den dazu passenden ausdrucksstarken Bildern.


    Auch wenn ich selber keine Kinder habe kann ich mir vorstellen, dass es etwas vom schlimmsten ist, ein Kindlein zu verlieren und dass man daran zerbrechen kann, so wie Eileen. Es ist sehr schnell geschehen, dass aus "normaler" Trauer eine echte Depression entsteht. Dass sich Marcel dann in seiner eigenen Verzweiflung und Hilflosigkeit einer anderen Frau zugewandt hat, ist irgendwie nachvollziehbar. Eileen hat sich in ihrer Depression von ihm zurückgezogen und er wurde gänzlich mit seiner eigenen Trauer alleine gelassen. Die beiden hätten sich dringend Hilfe von aussen suchen sollen, dann wäre vielleicht die Beziehung noch zu retten gewesen. Ich weigere mich, Marcel alleine die Schuld zuzuschieben, auch wenn es natürlich keine Lösung ist, sich sozusagen Trost ausserhalb der Ehe zu suchen. Vermutlich wollte er Ablenkung, hat im Zusammensein mit Sabrina die Trauer verdrängt, mehr oder weniger erfolgreich. Sabrina als AUssenstehende konnte ihm vielleicht auch echte Hilfe bieten, er hat den Halt gefunden, welchen ihm seine eigene Frau nicht mehr geben konnte.


    Ich gehe davon aus, dass er sein Handy absichtlich hat liegen lassen, weil er - bewusst oder unbewusst - hoffte, dass die Heimlichtuerei endlich ein Ende hat, er aber zu feige war, Eileen direkt mit der Wahrheit zu konfrontieren. Sein überstürzter Auszug zeigt nur, dass es wie eine Flucht für ihn war und ich denke, dass hier noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Ich sehe Hoffnung für das Ehepaar!


    Zu Marlene kann man nur sagen, wie toll es ist, eine solche Freundin zu haben. Sie ist vielleicht nicht so sensibel , doch kann sie mit ihrer bodenständigen und praktischen Art Eileen wirklich beistehen. Ich denke, dass es genau das ist, was für Eileen im Moment das beste ist.


    So, und nun warte ich gespannt, wie es hier weiter geht!


    Liebe Grüsse
    Jane

  • wie traurig!!
    die ärmste!
    deine fortsetzung war wiedermal echt cool.
    keine ahnung wie du das schaffst aber wenn ich das so lese dann fühle ich extrem mit!
    es ist verdammt .. emotional was und wie du schreibst! =( das sie ihr baby verloren hat ist wirkich schrecklich. und ihren kerl mag ich nicht. sie verliert ihr baby und der is nciht erreichbar -.-!
    ich freue mich auch deine fortsetzung!!! _=)


    liebe grüße

  • Wow atemberaubende Geschichte!
    Die Bilder sind der Wahnsinn (ich gestehe, dass ich erstmal nur alle Bilder angesehen habe und erst dann anfing zu lesen). Die Kulissen sehen wahnsinnig aufwendig gemacht aus. Der Text ist auch fantastisch, er transportiert total gut die Emotionen. Vor allem der Anfang, wunderbar zum Lesen! Die Handlung ist logisch und wirkt weder unter-noch übertrieben. Das ist wahrscheinlich die beste Fotostory, die ich jemals gelesen habe.

  • Huhu Innad,


    Später als gedacht, aber wie versprochen noch mein Kommi. :)
    Eine wirklich traurige Fortsetzung, auch wenn wir ja eigentlich schon wussten, was passiert war. Aber es ist immer was anderes einen Fakt zu kennen oder so ausführlich darüber zu lesen.
    Ich stelle mir das so grausig vor, in diesem Folterstuhl zu sitzen und genau zu wissen, da stimmt was nicht. Vor allem, da ja der Morgen so harmonisch und harmlos angefangen hatte. Die damals noch intakte Zweisamkeit zwischen Eileen und Marcel und die gute Laune.
    Und dann wieder der Schnitt zu dem unpersönlichen kalten Krankenzimmer. Wenn man dann auf diesem Stuhl sitz, muss die Angst und Ungewissheit wirklich schlimm sein.
    Auch wenn die Worte der Ärztin nicht wirklich mitfühlend gewesen sind, nun recht hatte sie trotzdem und gut, dass Eileen das auch eingesehen hat. Ich kann aber auch nachvollziehen, warum die Ärztin so unpersönlich reagiert hat. Wenn man täglich damit zu tun hat und sich jeden dieser Fälle so intensiv annimmt, dann ist es bestimmt schwierig für das eigene Seelenheil. Ich denke nicht, dass es nur ein Punkt auf der Tagesordnung für sie gewesen ist. Wahrscheinlich ist es nur ihre Art gewesen, die Dinge nicht so an sich heran zu lassen, quasi als Selbstschutz.
    Aber ich kann auch gut verstehen, dass es Eileen eher als kaltherzigkeit gesehen hat. Schließlich hat sie gerade ihr Kind verloren und ist ziemlich am Ende.


    Ich bin jetzt gespannt, wo du weitermachst. Bei der Klinik? In der Zeit danach? Oder wieder in der Gegenwart?


    Ganz liebe Grüße
    Llyn

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

  • Hallo Innad,
    ich würd gern einen ausführlichen Kommi hier lassen,aber alles ist schon gesagt. Du hast es fast genauso beschrieben wie es bei mir vor ein paar Jahren war. Allerdings hatte ich das "Glück" dass ich schon zwei Kinder hatte. Aber es tat trotzdem so weh.
    Das die Ärztin so gefühllos ist glaube ich nicht. Meine war/ist auch sehr ruppig. Ich glaube das muss man irgendwie alles ausblenden wenn man Arzt ist, sonst würde man an dem ganzen Elend zerbrechen.

    Liebe Grüße
    PeeWee
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  • Goldstaub: Danke Für deinen Kommi! Ja, das stimmt, der Rückblick war wohl wirklich fast trauriger als die Gegenwart. Ich habe an sich nicht lange daran gearbeitet, nein, ist aber ja auch schon ziemlich lange her, seit ich die ersten Kapitel hiervon geschrieben habe. Nun, die Ärztin verrichtet nur ihre Arbeit, das stimmt, aber es ist auch richtig, dass sie einem unsympathisch ist. Man kann es halt so oder so "abhandeln".



    Rivendell: Schön, dich hier zu lesen! Ja, das stimmt, Arbeit lenkt ab - aber ich glaube, das ist auch von Mensch zu Mensch verschieden. Vermutlich war Eileen einfach derart geschockt bisher, dass sie gar nicht begriffen hat,w o oben und unten ist. Marlene hat da schon was beigetan, ein wenig Struktur in ihr Leben zurück zu bringen, wenn auch nur durch ganz praktische Hilfe vorerst, aber die ist ja auch ganz wichtig.
    Dass ich selbst nun sehr sehr gut weiß, wie es Eileen geht, brauche ich ja nicht erwähnen und ich kann darum Deinen Grund, Dich für die Schwangerschaft zu entscheiden, auch sehr gut nachvollziehen. Blutungen hat ja fast jede Frau mal in der Früh-SS, und meistens sind sie ja auch harmlos... aber eben nur bis zu einem gewissen Grad. Dir noch weiter alles Gute, gell :)



    Jane: Wie schön, Dich hier zu lesen!!!! Das freut mich echt sehr.
    Mh, zur "normalen" Trauer könnte ich ganz Bände schreiben. Darüber habe ich sehr viel im letzten Jahr gelernt. Und ich denke nicht, dass Eileen depressiv war - Trauer ist abgesehen davon immer irgendwo depressiv, aber sie ist doch anders. nun ja... ich wills nicht zu sehr ausführen - Es ist nur wohl wirklich oft so, dass Mann ganz anders trauert als Frau und da scheiden sich dann oftmals die Geister. ich gebe Dir jedoch recht, es gehören immer zwei dazu und ja, es wäre sicher sinnvoll gewesen, sich Hilfe zu suchen, nur haben beide vermutlich gar nicht recht erkannt oder sich eingestehen wollen, dass überhaupt etwas zum Helfen da ist.
    Das mit dem Handy ist eine interessante Idee. Vielleicht wollte Marcel es. Vielleicht war es für ihn wie ein Befreiungsschlag? Wer weiß...



    Nikki: Ich glaube, Marcel konnte echt nichts für,d ass er nicht erreichbar war. Er sagte morgens ja schon, dass er sein Handy nicht anhaben wird. Wer ahnt schon, dass sowas geschieht?
    Danke für Deinen KOmmi und es freut mich, dass die Emotionen gut rüberkommen!



    @CindySim: Oh, jetzt werd ich aber fast rot. Vielen Dank für die Lorbeeren!!! :)




    Llynya: Schön, dass Du einen Kommi da lässt, das freut mich!!!
    Ja, es stimmt, einen Fakt zu KENNEN oder zu "KENNEN" sind zwei paar Stiefel :)
    Was Eileens Ärztin angeht - naja, das kann man sehen wie man will. Ich glaube, es kommt halt einfach auf den arzt an. Man kann sich schon dazu entscheiden, ob man Mitgefühl zeigen will oder nicht und muss den Menschen die ohnehin schlimme Situation nicht unbedingt noch schlimmer machen. Auf der anderen Seite ist es für die Ärzte halt viel gängiger, solche Nachrichten zu verkünden. Wobei ich dazu sagen muss, dass im Praxisbetrieb solche Dinge nun auch nicht täglich vorkommen... also abstumpfen muss man da wohl nicht unbedingt, wenn man sich anstrengt, aber das ist von Mensch zu Mensch sicher anders, ja.




    PeeWee: Vielen DAnk für Deinen Kommi! Ja, ich weiß, was Du meinst, bzgl. der Ärzte. Aber ich habe ja bei Llyn schon geschrieben, dass es vermutlich einfach drauf ankommt, was für ein Mensch man ist!

  • 6.

    Lustlos stellte Eileen das Tablett mit Brot und Wurst auf der Arbeitsplatte ab. Während sie sich wie mechanisch Senf auf die Brotscheiben strich, begann ihr Magen unschön zu knurren.


    Sie hatte eigentlich keinerlei Appetit, aber sie wusste, dass sie etwas zu essen brauchte. Sie hatte den ganzen Tag außer ein paar Schlucken Wasser noch nichts zu sich genommen. Wenn Marlene gestern Abend nicht vorbeigekommen wäre und ihr etwas zu essen hergerichtet hätte, wäre die Zeitspanne wohl noch länger gewesen.



    Mit dem Teller in der Hand tapste sie ins Wohnzimmer und nahm am Esstisch platz. Sie spürte, wie hungrig sie war und aß das Brot schneller und gieriger, als sie es für möglich gehalten hätte.
    Seufzend sah sie sich in der Wohnung um. Es sah schlimm aus, trotz Marlenes beherzten Rettungsversuchen am Vorabend. Der Boden war staubig und voller Krümel und Schmutz, sie hatte schon seit mehreren Tagen nicht mehr geputzt. Auch auf den Schränken war eine gut erkennbare Staubschicht auszumachen und als Eileen mit einer Fingerspitze über einen der Regalböden fuhr, konnte sie eine gut sichtbare Spur erkennen.
    Eileen seufzte, sie wusste, dass es mehr als notwendig wäre, einmal ordentlich durchzuputzen, doch wen interessierte es schon, wie es hier aussah, wo ihr Leben mit einemmal so sinnlos geworden war?
    Ihre Gedanken wurden vom schrillen Klingeln des Telefons unterbrochen.
    „Eileen, Schatz. Wie geht es dir?“
    Eileen schluckte. Es war die Stimme ihrer Mutter, der sie bisher noch nichts von Marcel gesagt hatte.
    „Ganz gut – danke, Mama“, sie versuchte, ihre Stimme heiter klingen zu lassen. „Und euch?“



    „Bei uns ist alles in Butter. Das Wetter ist herrlich, Eileen, wirklich. Wenn du und Marcel es irgendwie schafft, euch frei zu nehmen, müsst ihr uns einfach besuchen kommen und dem grauen Schmuddelwetter entfliehen.“
    Eileen versuchte, all ihre Selbstbeherrschung aufzubringen und antwortete betont gelassen. „Es ist schön, dass es euch so gut auf Lanzarote gefällt, Mama. Genießt eure Zeit! Was einen Besuch bei euch angeht, so kann ich dir da nichts versprechen. Ich hab zurzeit viel zu tun auf Arbeit und werde mir nicht einfach frei nehmen können.“
    „Ach wie schade“, erwiderte ihre Mutter. „Dabei vermissen wir euch beiden so. Wie geht es euch denn?“



    „Alles wie immer“, erwiderte Eileen tapfer. „Nichts weiter nennenswertes.“
    Sie schämte sich, ihre Mutter in diesem Moment so anzulügen. Doch ihre Eltern waren weit weg, in Spanien, was hätten sie schon für sie tun können?
    Anfang des Jahres hatten sie sich einen Lebenstraum erfüllt und sich auf Lanzarote eine kleine Finca gekauft und nun verbrachten sie dort die meiste Zeit des Jahres und drängten Marcel und Eileen schon seit Wochen, sie doch endlich in ihrem neuen Domizil zu besuchen.
    Eileen kämpfte erneut gegen die Tränen an, als sie daran dachte, dass Marcel und sie eigentlich vorgehabt hatten, ihre Eltern an Weihnachten mit einem ungeplanten Besuch zu überraschen – doch jetzt war alles anders.
    Nein, sie wollte es ihren Eltern nicht sagen – noch nicht. Sie schämte sich, zuzugeben, dass ihr Mann sie verlassen hatte, wegen einer jüngeren, schöneren, besseren Frau... als sei es ihr Fehler. War es das nicht auch? Wäre sie fähig gewesen, ihm all das zu geben, was er gebraucht hatte, wäre er nicht gegangen, soviel stand fest.
    Was war nur geschehen, dass die Liebe auf einmal gewelkt war wie eine ausgetrocknete Blüte? Eileen konnte nicht begreifen, wieso sie nichts von alledem gemerkt hatte.



    Aber sie war vermutlich zu sehr mit ihrer eigenen Trauer und ihrer Verbitterung beschäftigt gewesen. Natürlich war ihr aufgefallen, dass Marcel mehr und länger gearbeitet hatte als vorher. Und ihr war auch aufgefallen, dass er gerade in den letzten Wochen immer stiller geworden war – gerade als sie wieder anfing, sich ihm ein wenig zu öffnen.
    Sie hatte ihm oft Vorwürfe gemacht, weil sie sich in ihrer Trauer um das verlorene Kind nicht so verstanden gefühlt hatte wie sie es wünschte.
    Doch heute dachte sie oft, dass Marcel sich ja auch hatte verhalten können wie er wollte – eigentlich konnte er seine Sache nur falsch machen.
    Wenn er sie in den Arm nahm, fühlte sie sich oft bedrängt von ihm, dachte, er wolle sich ihr körperlich nähern. Nahm er sie nicht in den Arm, warf sie ihm vor, sie nicht mehr zu lieben, fühlte sich einsam und alleine gelassen.
    Eileen schüttelte den Kopf und dachte schmerzlich daran, wie oft sie aus Trotz oder Verbitterung gesagt hatte: „Du liebst mich doch gar nicht mehr!“ - natürlich nur, um zu hören, wie er ihr das Gegenteil beteuerte.
    Wenn sie so darüber nachdachte, hatte er das in letzter Zeit wirklich nicht mehr so oft und enthusiastisch gemacht wie früher.


    Eileen seufzte.
    „Eileen? Bist du noch dran?“
    „Ja – ja, natürlich“, sagte Eileen hastig, aus ihren Gedanken aufgeschreckt.
    Glücklicherweise plapperte ihre Mutter die nächsten fünf Minuten nur unbekümmert über Land und Leute und Eileen schaffte es, das Telefonat hinter sich zu bringen, ohne dass man ihr etwas anmerkte.

  • Sie fühlte sich leer und erschöpft, als sie schließlich den Hörer auflegte und nachdenklich vor der Terrassentür stehenblieb, um die sich sanft im Wind hin- und her wiegenden bunten Blätter zu betrachten.



    Nachdem sie ihre Mutter belogen hatten, wurde Eileen erst mit aller Macht bewusst, was es für sie bedeuten würde, dass Marcel sie verlassen hatte.
    Die letzten zwei Wochen hatte sie wie in Trance verbracht, ohne das Geschehen richtig fassen zu können. Sie war zwischen Selbstvorwürfen, Zweifel, Trauer, Wut, Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit hin- und hergetaumelt wie ein unachtsam vom Wind herumgewirbeltes, totes Blatt herab gefallenen Laubes.
    Doch nun begann die Gewissheit, dass Marcel und sie nicht mehr zusammen waren, erst richtig in ihr Bewusstsein zu sickern, Bestand zu bekommen, wahr zu werden.
    Erst jetzt realisierte sie, was das alles für sie bedeuten würde. Was würde werden ohne ihn, wie sollte ihr Leben nun weitergehen?


    Da waren so viele Dinge, die auf sie zukamen, und von denen sie sich völlig überfordert fühlte – finanzielle Verpflichtungen, das Haus, das noch abbezahlt werden musste, genauso wie die Autos und Versicherungen.
    Aber auch der Alltag, der drohend auf sie wartete. Wie sollte sie als Einzelmensch funktionieren? Sie war seit Jahren mit Marcel zusammen, war von zu Hause ausgezogen, um sofort mit ihm zusammen zu ziehen. Sie hatte nie mehr als zwei oder drei Wochen völlig alleine in einer Wohnung verbracht und alleine der Gedanke, niemanden zu haben, mit dem man am Abend sprechen konnte, der einen in den Arm nahm oder einfach nur da war, schreckte sie aufs tiefste.
    Würde es nun immer so bleiben wie momentan? Würde ihr Leben eine Aneinanderreihung sinnloser, grauer, einsamer Tage bleiben? Was machte es dann noch lebenswert?
    Was war nur geschehen mit ihnen – und warum?
    War das alles nur wegen dieses einen furchtbaren Tages im Februar? Sie wusste es nicht...



    FS folgt.

  • Wow, habe mich gerade einmal komplett durchgelesen.
    Wahnsinn, wie gut du das alles beschreibst.


    Werde auf jeden Fall dran bleiben.


    Lg,
    Reverie.

    [center]~* .Rock'n'Roll is supposed to be Sexy.. *~

    [SIZE=3]Brothers.


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  • heey =)
    die fortsetzung wa klasse. aber wieso lügt sie ihre mom an? an ihrer stelle hätte ich das nicht getan. ich kann mir vorstellen das das schwer für sie is usw aber ihre mom findet es i-wann eh raus! naja .. xD
    ich freue mich auf die fortsetzung! 8:o)


    liebe grüße!