• Jawoll! Bravo, Eileen. Es geht aufwärts.
    Der erste positive Punkt ist, dass sie sich nicht mehr allein die Schuld an der Situation gibt, sondern erkennt, dass auch Marcel seinen Anteil daran hat.
    Und dass sie nun nicht mehr in der Reglosigkeit verharrt, sondern erkennt, dass auch ihr Leben weitergehen wird, ist prima.
    Und ja, sie hat die Wahl, wie es für sie weitergehen soll - kämpfen oder neu orientieren. Ich finde, es ist erst mal unwichtig, für welchen der beiden Wege sie sich entscheidet, Hauptsache, sie wird wieder aktiv und findet ein neues Ziel. Wobei der erste Weg sicherlich einer ist, der zu weiterem Schmerz und neuer Enttäuschung führen kann. Aber andererseits ist eine so lange und doch eigentlich einmal tiefe Liebe es auch wert, dass zumindest einer darum kämpft. Was für Eileen der richtige Weg ist, muss sie da selbst entscheiden, da kann ihr niemand wirklich raten.
    Was mich jetzt aber ganz, ganz hellhörig macht, ist Eileens körperlicher Zustand. Müdigkeit? Apetitlosigkeit? Oh, oh. Ob Marcel ihr etwa ein kleines Abschiedgeschenk dagelassen hat!?!
    Uh, ist das spannend.


    Liebe Grüße!

  • Diese Andeutungen ,die du machst über starke Müdigkeit und Kreislaufbeschwerden könnten auf eine neue Schwangerschaft hindeuten,aber ob die beiden wirklich noch Sex hatten nach der Fehlgeburt?Sie waren sich doch sehr entfremdet.Schön wäre es für Eileen,es gäbe ihrem Leben einen neuen Sinn.Aber dann bitte ohne Marcel,den sollte sie wirklich abschreiben,er hat doch ganz offensichtlich keinerlei Interesse mehr an ihr.An eine neue Männerbekanntschaft würde ich so schnell nicht denken,zuerst sollte sie das alte Leben abschliessen und gründlich aufarbeiten,bevor sie eine neue Beziehung eingeht,diese ist sonst zu vorbelastet.Mit dem dicken Zopf auf der Seite gefällt sie mir sehr gut.

  • [FONT=Bookman Old Style, serif]Huhu Innad,[/FONT]

    [FONT=Bookman Old Style, serif]so, endlich schaffe ich es auch hier einen Kommi zu hinterlassen. Ist ja schon wieder so lange her, seit dem letzten Mal. :([/FONT]

    [FONT=Bookman Old Style, serif]Tja, das Treffen von Eileen und Marcel ist so gelaufen wie von mir erwartet. Auch wenn Eileen das sicher anders lieber gehabt hätte. Schön fand ich, dass sie versucht hat, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie das Ganze aus der Bahn geworfen hat. Auch wenn ich mich frage, ob sie Marcel nicht doch noch mehr ein schlechtes Gewissen hätte machen sollen und ihm mehr hätte zeigen sollen, wie sehr sie ein plötzlicher Auszug verletzt hat. Obwohl es wahrscheinlich auch nichts genützt hätte, um ihn von seinem Entschluss abzubringen. Dafür hat er wohl zu endgültig mit seiner Ehe abgeschlossen. Da bleibt wohl für Eileen wirklich nur das gleiche zu tun, wie schwer das auch fällt. :-([/FONT]
    [FONT=Bookman Old Style, serif]Ganz schön hat er bei ihrer Ohnmacht reagiert und einen Arzt und Marlene informiert. Zum Glück hat sich Eileen nichts schlimmes dabei getan, hätte ja auch ungünstig fallen können...[/FONT]
    [FONT=Bookman Old Style, serif]Ob es wirklich so nett von Marlene war gleich Eileens anzurufen und sozusagen aus dem Urlaub ab zu rufen. Ich weiß nicht. Klar sicher, wenn man selber keine Zeit hat sich um die Freundin zu kümmern, aber die Entscheidung, wann Eileen es ihren Eltern sagt, ihr so einfach abzunehmen und vor vollendete Tatsachen zu stellen, fand ich persönlich nicht so gelungen. An Eileens Stelle hätte ich es ihnen lieber selbst gesagt. :/ [/FONT]
    [FONT=Bookman Old Style, serif]Nichts desto trotz war es wirklich rührend, wie besorgt, liebevoll und vor allem verständnisvoll ihre Eltern waren. Wie viele Sorgen sie sich gemacht haben und wie sie sich um ihre Tochter gekümmert haben. Und ihr vor allem auch die Zeit und die Möglichkeit der Ruhe gegeben haben, als sie das brauchte. Niemand zeigt gerne Schwäche und da kann ich Eileen schon verstehen, dass es ihr doch ein wenig peinlich war, dass ihre Eltern sich um sie kümmern wollten/mussten. [/FONT]
    [FONT=Bookman Old Style, serif]Dafür scheint ihr das aber gut getan zu haben. Endlich fängt sie sich wieder und gibt nicht mehr nur sich selbst die Schuld am Scheitern ihrer Ehe. So langsam kommt die Erkenntnis, dass es auch mit Marcels Schuld ist. Dass er genauso viel dazu beigetragen hat, dass es zu Brüche gegangen ist. [/FONT]
    [FONT=Bookman Old Style, serif]Und endlich kommt bei ihr auch der Wille weiterzumachen und nicht mehr dem Vergangenen hinterher zu trauern. Auch wenn mir der Satz, dass es eine Zukunft für sie gibt, egal ob mit Marcel oder ohne ihn, etwas zu denken gibt. :kopfkratz[/FONT]

    [FONT=Bookman Old Style, serif]Auf jeden Fall war das letzte Kapitel sehr hoffnungsfroh und hoffentlich bleibt das auch noch eine Weile so. Obwohl ich das nicht so ganz glauben mag. *auf den FS-Titel schiel*[/FONT]
    [FONT=Bookman Old Style, serif]Aber ich lasse mich gerne auch positiv überraschen. :)[/FONT]
    [FONT=Bookman Old Style, serif]Ganz liebe Grüße[/FONT]
    [FONT=Bookman Old Style, serif]Llyn[/FONT]

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

  • Hallo Innad!


    Eileen scheint wieder die Rückkehr ins Leben gefunden zu haben, fragt sich nur, ob dies auch so bleibt.
    Die ganzen Schicksalsschläge in den letzten Monaten waren nicht ohne, sodass es sehr bewundernswert ist, dass sie endlich wieder nach Vorne guckt!
    Ich fand es toll, wie du ihre Gedanken in dieser FS beschrieben hast, hat mir sehr gut gefallen, auch die Übergänge vom Nachbarsfenster zu den eigenen Zukunftsvorstellungen. Man kann sich richtig in sie hinein versetzen....


    Ich bin gespannt, wann sie sich endlich mit ihrem Singleleben anfreunden kann und etwas optimistischer in die Zukunft blickt!

    [CENTER][COLOR="White"]Bussi @all Kiara :wink
    ***************[/CENTER][/COLOR]




    [CENTER][SIZE="1"][COLOR="Sienna"]P.S. Für Rehctshcbriefleher wird kiene Hatufng übrnemoemn! *g*[/COLOR][/SIZE][/CENTER]

  • Huhu Innad =)
    Bin nun auch zu den begeisterten Lesern deiner FS gestoßen und kann echt nur sagen: WOW!
    Du bringst alle Gefühle so realistisch rüber, ich konnte garnicht mehr aufhören zu lesen und wurde dabei total traurig :D Deine Bilder geben wunderbar die Situationen aber vorallem auch die Stimmungen wieder in denen sich die Personen derzeit befinden.


    Ich bin total froh, dass Eileen endlich begriffen hat, dass ihr Leben weitergehen muss und sie nicht ewig Marcel, der sie ja wirkllich einfach so sitzengelassen hat, hinterhertrauern sollte.Ich bin auf jedenfal total gespannt wie es weitergehen wird und werde deine Geschichte auch weiterhin verfolgen.
    Hoffentlich geht es bald weiter =)

    LG Delirious

  • Hallöchen,



    erst einmal möchte ich Euch allen ein frohes Neues Jahr wünschen! Ich hoffe, ihr seid gut "reingekommen" und hattet schöne Feiertage!


    Heute gibt es dann auch die nächste FS von "Caged" - durch den vielen Weihnachts"stress" bin ich im Dezember leider nicht dazu gekommen -, aber erst einmal möchte ich natürlich Eure Kommis beantworten :)



    @CindySim: Ja, vielleicht ist Eileen nun doch schon einen Schritt weiter. Natürlich wäre es sinnvoll, MArcel zu vergessen, aber das geht nach so langer Zeit natürlich auch nicht von jetzt auf gleich, da liegt sicher noch ein hartes Stück Arbeit vor ihr.



    sweetsim: Es freut mich, dass Du mitliest und so mit Eileen mitfühlst! Vielen lieben Dank für Deinen Kommi!



    Julsfels: Ja, in Eileen erwachen neue Kräfte, die ganz depressive Phase scheint zu Ende zu sein, zumindest erst einmal. Das stimmt, beide Wege sind eine Option und natürlich wirft man so eine lange Ehe und Liebe nicht einfach mal so weg - ob Eileen nun kämpft oder nicht, wird sich noch zeigen. Ein Abschiedsgeschenk? MH - eher unwahrscheinlich, wie Siola schon schreibt und bei den Brummern, die sie vom Arzt bekommen hat, könnte es auch davon sein ;)




    @Siola: ich gebe Dir vollkommen recht, dass sie noch nicht an eine neue Beziehung denken kann, sie ist ja mit dem Abschluss der anderen noch nicht mal im Ansatz durch, sondern fängt gerade erst an zu begreifen.



    @Llyn: Ja, man könnte sich darüber streiten, ob es von marlene gut war, Eileens Eltern zu rufen. Manch einem würde das auch nicht so gefallen. Aber es tat ihr ja gut, sie bei sich zu haben und zu spüren, dass sie egal was Marcel mit hr anstellt, eine feste Basis in ihrem Leben hat, die sie annimmt, wie sie ist - ob mit oder ohne Marcel eben.
    Du kennst mich doch schon ganz gut, wenn Du sie auf den Titel schielst. Natürlich wäre es viel zuuu einfach, wenn sie jetzt einfach einen Haken an das ganze macht... Du darfst also schon noch gespannt sein.



    Kiara: Ja, das stimmt, Eileen hat schon sehr viel mitgemacht. und es wird wie schon bei Llynya gesagt schon ein Weilchen dauern, bis sie sich wieder fängt. Darum geht es ja eigentlich zurzeit auch hauptsächlich in der Geschichte - die Frage ist eben, wie es mit ihr und Marcel weitergeht und was sie selbst daraus macht.



    Delirious: Wie schön, dass auch Du mitliest. Du hast natürlich recht, es ist wichtig, dass ihr Leben weitergeht. Stück für Stück.

  • 12.


    Marlene hob erstaunt den Kopf und blickte Eileen mit offenem Mund an.
    „Was machst denn du hier?“, fragte sie verständnislos.
    „Arbeiten, was sonst. Dasselbe wie du“, erwiderte diese schlicht, während sie ihren Mantel auszog und an den Garderobenständer hängte.
    „Ich bin leider ein bisschen spät dran“, sagte sie entschuldigend und nahm am Schreibtisch platz. „Tut mir leid.“



    „Ich… habe ehrlich gesagt überhaupt nicht mit dir gerechnet“, stieß Marlene verdutzt hervor.
    „Nun, ich hab dich lange genug in Arbeit versinken lassen, während ich dasselbe in meinem Selbstmitleid getan habe“, erwiderte ihr Gegenüber mit fester Stimme.
    Marlene runzelte die Stirn.
    „Aber… du solltest dich doch noch schonen, Eileen“, sagte sie streng. „Der Arzt hat am Samstag gesagt, du brauchst viel Ruhe – all das war sehr viel auf einmal und…“
    „Ich hatte genug Ruhe“, fiel ihr Eileen ins Wort. „Ich… ich glaube, das am Wochenende hat mich aufgerüttelt. Ich will nicht vor die Hunde gehen, mich nicht kaputt machen lassen.“
    „Das ist schön und gut, aber Eileen, ich meine – du bist am Samstag einfach umgekippt…“
    „Mit mir ist alles in Ordnung“, sagte Eileen entschieden. „Ich will auf keinen Fall weiter zu Hause sitzen, mir fällt die Decke auf den Kopf.“
    „Warst du wenigstens noch einmal beim Arzt?“, fragte Marlene besorgt nach. „Er meinte, du solltest heute zu deinem Hausarzt gehen.“



    „Hör mir auf, der würde mir nur irgendwelche Pillen gegen Depressionen geben“, winkte Eileen ab.
    „Und… wäre das schlimm?“
    Aufgebracht sah Eileen sie an. „Mein Mann hat mich verlassen, Marlene. Von heute auf morgen, mir nichts, dir nichts. Praktisch ohne Vorankündigung. Nach etlichen Jahren Zusammensein, gemeinsame Plänen, Träumen und Verpflichtungen, die man eingegangen ist. Dass man dann nicht am nächsten Morgen gut gelaunt weiter macht als sei nichts gewesen, dürfte doch nicht überraschend sein, oder? Das ist noch lange keine Depression… und selbst wenn, ich wüsste nicht, wann man depressiv werden dürfte, wenn nicht dann. Es wäre wirklich nett, wenn ihr alle mir zumindest noch ein bisschen Zeit gebt, damit klar zu kommen und mich zu sortieren.“



    Eileen schlug wie zur Untermalung ihrer Rede ihren Terminkalender auf und drückte den Power-Knopf ihres PCs.
    „Und jetzt wäre ich dankbar, wenn du mich auf den neusten Stand bringen würdest“, wechselte sie dann scheinbar gelassen das Thema. „Wie sieht es mit den KD-Rechnungen der letzten 2 Wochen aus? Muss ich da noch etwas nacharbeiten?“
    Marlene wusste nicht recht, was sie antworten sollte, also entschied sie sich, erst einmal zum Geschäftlichen überzugehen und erklärte ihrer Freundin, was in den letzten zwei Wochen an Arbeit angefallen war. Dann verfielen beide in konzentriertes, schweigsames Arbeiten.



    Nach einer Weile sah Marlene von ihrem Bildschirm auf und beobachtete Eileen schweigend. Sie hatte sich geschminkt und ihre gewaschenen Haare ordentlich zu einem Zopf geflochten, ihre Augen waren nicht mehr derart stumpf und trübe wie vor zwei Tagen, überhaupt schien ein neuer Lebens- und Kampfeswillen in ihr aufgeflammt zu sein.
    Marlene fragte sich jedoch, ob dies nicht nur Fassade war… machte sich Eileen vielleicht etwas vor? Und was genau war zwischen ihr und Marcel am Wochenende gelaufen?
    Sie selbst wusste nur, dass irgendwann gegen halb eins das Telefon geklingelt hatte und Marcel sich gemeldet hatte. Zuerst war ihr durch den Kopf geschossen, dass dies wohl ein gutes Zeichen war. Vielleicht hatte Eileen doch recht behalten und diese seltsame Affäre war nur ein Strohfeuer, beide hatten sich wieder versöhnt.



    Auf der anderen Seite konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Eileen ihm so schnell vergeben hatte. Das lag aber vielleicht auch an ihrer eigenen Sicht der Dinge, die schon von Beginn an wesentlich unversöhnlicher gewesen war als die Eileens.
    Wobei sich von außen ja auch immer alles sehr leicht und konkret beurteilen ließ.
    Doch dann hatte Marcel ihr aufgeregt gesagt, dass sie sofort herkommen müsse. Es sei etwas mit Eileen.
    Mit einem Schaudern erinnerte sie sich daran, wie abgebrüht er dabei gewirkt hatte. Zwar hatte man ihm eine gewisse Sorge und Aufregung über die Wendung der Dinge und das plötzliche Zusammenbrechen seiner Frau angemerkt, ja … aber wenn sie sich vorstellte, wie sehr die beiden sich einst geliebt hatten, wie zusammengehörig sie ja eigentlich gewesen waren… erschreckte sie die Gelassenheit Marcels selbst heute noch.
    Als sie angekommen war, stand der Wagen des Notarztes vor dem Haus.



    Ihr war das Herz in die Hose gerutscht, aber im Haus angekommen wurde sie sofort beruhigt, als dieser ihr bereits im Flur gemeinsam mit Marcel entgegen kam und erklärte, dass Eileen nur sehr kurz das Bewusstsein verloren, dann einen kleinen Nervenzusammenbruch gehabt hatte und von ihm mit Beruhigungsmitteln in einen leichten Schlaf versetzt worden war.
    Er vermutete offenbar einen kleinen, relativ harmlosen Ehestreit und „Stress auf der Arbeit“ hinter allem – Marlene konnte nur raten, was Marcel ihm erzählt hatte.
    Marcel selbst war stumm und unbeteiligt dabei gestanden, hatte gewartet, bis der Notarzt gegangen war und Marlene dann eine Weile angeschwiegen.



    Schließlich hatte Marcel seine Autoschlüssel genommen und gesagt: „Eileen liegt oben und schläft- Kannst du dich bitte um sie kümmern – ich muss leider weg, aber ich werde sie nächste Woche anrufen. Sollte irgend etwas mit ihr sein, dass es ihr schlechter geht oder so, kannst du mich ja anrufen, ich hab mein Handy dabei.“
    Mit diesen Worten hatte er die Haustüre geöffnet und war mit einer schier unfassbaren Gelassenheit zum Auto gegangen, während sie – Marlene- ihm von der Haustüre aus hinter her sah und nicht wusste, was sie denken oder tun sollte.



    Da Eileen tief und fest schlief, beschloss sie schließlich, ihre Eltern zu benachrichtigen. Sie wusste ja nicht, wie es Eileen weiterhin gehen, wie sie sich verhalten würde und ob sie nicht doch noch ins Krankenhaus musste.

  • In ihrer Hilflosigkeit fiel ihr nichts anderes ein, als die Handynummer von Eileens Eltern zu wählen. Erst als sie mit deren Mutter sprach, erfuhr sie, dass beide zurzeit auf Lanzarote waren – aber nun war es zu spät, sie waren informiert und nichts und niemand hielt sie davon ab, sofort in den nächsten Flieger zu steigen.



    Marlene seufzte und warf Eileen erneut einen Blick zu.
    Sie spürte, dass sie sich ein wenig überfordert mit allem fühlte, was in den letzten Wochen und Monaten geschehen war. Sie konnte nicht recht nachvollziehen, wieso Eileen so sehr um ihre missglückte Schwangerschaft trauerte – aber sie hatte so etwas ja auch noch nie selbst erlebt. Noch weniger verstand sie, was da genau zwischen ihr und Marcel passiert sein mochte.
    Seit letztem Wochenende hatte Marlene manchesmal das Gefühl, ein wenig verrückt geworden zu sein, so sehr hatte sich auch ihr Weltbild verschoben. Das perfekte Paar, das Eileen und Marcel für sie gewesen waren, hatte sich als Trugschluss heraus gestellt. Ihr Verstand sagte ihr, dass Eileen sich Marcel gegenüber anders verhalten sollte, ihr Herz begriff aber dennoch, dass dem nicht so einfach war.
    Sie konnte sich nach wie vor nicht erklären, wie sie sich in diesem Menschen so sehr geirrt zu haben schien, dass er derart eiskalt geworden war, derart unbesonnen und hart seine Linie durchzog.



    Dass Liebe verging und verwelkte, war nichts neues – es geschah jeden Tag aufs neue, das wusste auch Marlene gut. Aber dies war nicht eine lockere Beziehung über einige Monate, sondern eine feste Gemeinschaft gewesen. Neben der emotionalen und menschlichen Verpflichtung gab es tatsächlich auch rein gesetzliche, über die Marcel sich einfach nicht klar zu sein schien.
    Eileen derweil schien in eine tiefe Depression verfallen zu sein und dies zurzeit zu ignorieren. Marlene trommelte nervös mit den Fingern auf ihrem Schreibblock herum. Was konnte man tun, um ihr zu helfen? War sie dazu überhaupt in der Lage? Vielleicht würde Eileen ein Psychologe oder Berater besser helfen können. Auch in Hinblick auf all die rechtlichen Schritte, die jetzt zu tun waren.
    So wie Marlene das sah, gab es für Eileen und Marcel kein Zurück mehr. Seit sie Marcel am Wochenende selbst begegnet war, bestand für Marlene kein Zweifel mehr daran.
    Sicherlich würde er bald eine Scheidung vorschlagen. Es war unbedingt erforderlich, dass Eileen sich der Tatsache stellte, dass ihr Mann sie endgültig für eine andere verlassen hatte und dass sie sich einen Rechtsbeistand suchte, bevor Marcel am Ende völlig ausflippen und ihr das Haus, die Autos und ihr Eigentum strittig zu machen begann.
    Inzwischen hielt Marlene alles für möglich. Seufzend hackte sie auf den Tasten herum, ohne wirklich zu realisieren, was genau sie arbeitete.



    Wie sollte sie Eileen dazu bringen, sich dieser Tatsache zu stellen? Sie konnte ihr Gegenüber überhaupt nicht einschätzen.
    Dann war da ja auch immer noch Eileens Zusammenbruch, den Marlene nach wie vor nicht so leicht abtun konnte wie Eileen selbst.
    Natürlich ging einem all das an die Nerven und konnte einen schwach machen, aber wer kippte schon so mir nichts-dir nichts am helllichten Tage einfach um und schlief dann wie ein Toter fast zwei Tage lang?
    „Eileen, ich…“, begann sie nach einigen weiteren Minuten des Grübelns. „Ich… ich weiß gerade nicht, wie ich dir helfen kann, Süße… ich… ich weiß nicht genau, was du brauchst und wo du stehst und…“
    Eileen sah auf und wirkte mit einemmal sehr müde.


    „Ach, Lene“, seufzte sie. „Glaub mir – ich wünschte, ich könnte es dir sagen. Aber ich kann es nicht.“
    Sie starrte auf ihren Bildschirm und stand dann abrupt auf.
    „Ich… ich fühl mich wohl doch nicht ganz so gut“, murmelte sie,und lächelte Marlene müde an. „Ich… ruf dich an, ja? Entschuldigst du mich beim Chef? Ich… versuche morgen wieder zu kommen und länger durchzuhalten.“
    Marlene schluckte und nickte unbeholfen. „Klar… geh nach Hause und ruh dich ein wenig aus…“



    Eileen nickte. schlüpfte in ihre Jacke und ließ wortlos die Tür hinter sich ins Schloss fallen.





    Fortsetzung folgt.

  • Also da rappelt sich Eileen etwas auf, was ich toll finde und dann labert Marlene so lang rum, bis sie wieder in Trübsinn verfällt und sich schlecht fühlt.Marlenen mischt sich zu sehr ein , sie sollte sich raushalten und Eileen selbst entscheiden lassen,die Ehe ist definitiv zu Ende , wobei Marcel sich eigentlich ganz normal verhält , er liebt sie einfach nicht mehr , sowas gibt es.Ausser der Liebe gab es ja keine gemeinsamen Bande zwischen Eileen und Marcel.Ich bin zuversichtlich, dass Eileen es packen wird und ein neues Leben beginnt.

  • Hallo Innad,


    ein schönes, stilles Kapitel. Ich finde es schonmal sehr gut, dass Eileen versucht, wieder Fuss im Alltag zu fassen. Aber auch Marlenes Unsicherheit konnte ich gut nachvollziehen. Was soll man in einer solchen Situation tun? Wie sich verhalten? Man will die Freundin unterstützen, aber wie? Menschen sind so verschieden, und sie gehen auch mit der Bewältigung von Leid und Schicksalsschlägen unterschiedlich um. Was der eine als Unterstützung empfindet, ist für den anderen vielleicht schon Aufdringlichkeit. Ich finde es deshalb gut, dass sie gefragt hat.
    Sehr schön fand ich die Erinnerung von Marlene. Der zukünftige Ex-Ehemann ist wirklich schon ganz weit weg von seiner Frau und dem gemeinsamen Leben. Hoffentlich ist seine Kaltschnäuzigkeit wenigstens zum Teil der Versuch, mit seinen Schuldgefühlen fertig zu werden, und nicht Teil seines Charakters.


    Liebe Grüße!

  • Ach, ich kann Eileen verstehen. Es gibt sicherlich Momente, in denen man vor neuem Tatendrang strotzt und dann wiederum fühlt man sich einfach nur runtergezogen und platt. Vielleicht ist es dennoch nicht verkehrt wenigstens etwas zu Arbeiten. Auch wenn sie noch nicht ganz durchhält. Ablenkung und da dasein ihrer Freundin tuen doch schon mal gut. Man sitzt nicht nur stupide zuhause herum uns fühlt sich zu nicht nutze. Ich denke mal, dass jeder schon mal die Phase einer Trennung durchlebt hat und auch wenn man sich teilweise ähnlich fühlt ist es doch noch keine Depression. Die wird schließlich durch eine Art Fehler im Gehirn hervorgerufen, was man ja von einer Trennung und deren Folgen nicht sagen kann. Das vergeht schließlich wieder. Depression ist eine Krankheit und Trennung ist eine üble Phase.
    Marlenes Gedanke, dass Marcel sich noch nicht darum gekümmert hat, welche Rechtlichen Folgen noch auf ihn zukommen, finde ich gar nicht abwegig.

    Wünsche Dir ein schönes Wochenende.

    Lg Rivi

  • @Siola: iCh denke nicht, dass Marlene damit bezwecken wollte, dass Eileen wieder trübsinnig wird. Ich glaube einfach, dass ihr (berechtigterweise) dieser Umschwung einfach zu früh und schnell erscheint und sie weiter denkt, als Eileen das zurzeit schon kann.
    Ich sehe übrigens anders als Du - ich denke schon, dass es zwischen Eileen und Marcel Bande gibt. Sie sind seit Jahren verheiratet und haben gemeinsame Verpflichtungen - moralisch (damit meine ich jetzt nicht in religiösem Sinne :p sondern dass man nach so einer langen Zeit zusammen einfach gewisse Verhaltensweisen erwarten sollte) und aber auch ganz gesetzlich. Wenn sie einfach nur zusammen wären, ohne eine gemeinsame Wohnung vielleicht sogar, wäre das vielleicht anders, ja - aber so ist es ja nicht.



    Julsfels: Das stimmt, da hast Du mal wieder absolut recht. Jeder geht mit Leid und Schicksalsschlägen anders um - der eine möchte vielleicht angesprochen werden, der andere findet das absolut unangebracht. Und Marlene ist wohl auch einfach vom Denken her praktisch veranlagt ;)
    Ob das wirklich marcels Charakter ist, werden wir wohl nach und nach erfahren!



    Rivendell: Das stimmt, eine echte Depression ist sicher etwas ganz anderes. Eileen hat jetzt schon erstmal das Recht dazu, fertig und bedrückt zu sein. Schließlich hat sich ja auch ihre ganze Welt auf den Kopf gestellt.
    Ob Marcel schon über dei rechtlichen Seiten nachgedacht hat, werden wir wohl erst erfahren, wenn die beiden mal wieder miteinander sprechen!



    Vielen Dank für all eure Kommis! :) Heute geht es dann auch weiter und ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!

  • 13.


    Eileen ließ sich müde auf den Fahrersitz ihres zartblauen kleinen Wagens fallen, steckte den Schlüssel ins Zündloch und startete den Wagen, ohne recht zu wissen, was sie nun eigentlich anstellen sollte.
    Sie sah das Bürogebäude hinter sich im Rückspiegel langsam kleiner werden.
    Ein schlechtes Gewissen übermannte sie, dass sie nun doch nicht durchgehalten hatte und der Arbeit wieder fernblieb. Nicht einmal Herrn Kuhrmaier hatte sie mehr sprechen können.
    Was der wohl von ihr dachte?


    Eileen biss sich auf die Lippen und mit erschreckender Klarheit wurde ihr bewusst, dass sie nun noch mehr darauf achten musste, den Job nicht zu verlieren.
    Bisher war Marcel der Hauptverdiener der Familie gewesen. Er arbeitete in einem Architekturbüro. Den Job dort hatte er schon kurz nach der Hochzeit bekommen und in den letzten Jahren hatte er sich einen guten Rang dort verschafft. Die Bezahlung stimmte dementsprechend.
    Was sie selbst mit ihrem Job als Buchhalterin verdiente, war dagegen fast nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
    Sie erinnerte sich noch gut an seinen ersten Arbeitstag. Damals hatten sie noch in einer kleinen, einfachen Wohnung gelebt und hatten eifrig Pläne geschmiedet, wie es bald – aufgrund der besseren finanziellen Lage – weitergehen könnte.



    Ein Jahr später hatten sie das Haus gekauft.
    Eileen seufzte und hielt an einer roten Ampel an. Sie wusste nicht einmal genau, wohin sie fahren sollte. Ihre Gedanken schienen Karussell zu fahren.
    Zurück in das leere Haus wollte auf keinen Fall. Also wartete sie, bis die Ampel grün wurde und fuhr dann einfach ziellos weiter.
    Angestrengt dachte sie wieder über ihre finanzielle Lage nach und mit Schrecken wurde ihr bewusst, dass sie seit Wochen nicht mehr auf das Konto geschaut hatte. Sie und Marcel besaßen ein gemeinsames Konto, auf welches am Ende des Monats alle Gehälter überwiesen wurden.
    Was, wenn Marcel das Konto gesperrt hatte oder seinen Lohn schon auf ein anderes überweisen ließ?



    Und würde sie von ihrem kleinen Gehalt überhaupt das Haus halten können? Hatte sie irgendwelche Ansprüche auf Zuschüsse von Marcel?
    Sie hatte sich noch nie mit derartigen Fragen auseinander gesetzt. Sie waren nicht geschieden. Musste er da etwas an sie zahlen? Sie hatten ja nicht einmal ein Kind zusammen – jedenfalls keines, das lebte. Tränen stiegen in ihre Augen, als sie diesen Satz zu Ende gedacht hatte.
    Sie bog erneut ab und brachte den Wagen am Straßenrand zum Stehen. Rasch legte sie eine Parkscheibe hinter die Windschutzscheibe und stieg aus. Obwohl es schon fast Oktober war, meinte die Sonne es heute gut und die Luft war mild.
    Eileen schloss das Auto ab und ging ziellos den Weg entlang.
    Sie versuchte sich daran zu erinnern, was am Wochenende geschehen war. Ihr plötzlicher Zusammenbruch hatte es unmöglich gemacht, alle wichtigen Fragen zu klären.
    Sie schluckte und betrachtete mit schmerzerfülltem Herzen das bunte Laub des Baumes, der vor ihr stand. Wie konnte sie sich nur über solche Dinge Gedanken machen müssen? Noch vor etwas mehr als zwei Wochen hatte sie sich für eine – mehr oder weniger – glücklich verheiratete Frau gehalten, und an dieser Tatsache nur wenig zu rütteln befunden.



    Es konnte doch nicht so mir nichts-dir nichts aus sein. Das zu glauben weigerte sie sich immer noch.
    Sie spürte, wie Wut in ihr aufstieg und sich ihre Hände zu Fäusten ballten.
    Marcel konnte es sich doch nicht so einfach machen! Sie hatte mehr als nur ein Recht darauf zu erfahren, was geschehen war, mit wem er zusammen war und wieso er ihrer Beziehung nicht einmal mehr eine Chance gab?
    Seine Worte hallten in ihrem Kopf nach „Ich liebe dich nicht mehr, Eileen“ und erneut hatte sie das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen.
    Wie konnte man einfach aufhören jemanden zu lieben? Und wieso hatte sie das nicht früher gemerkt?



    Eileen seufzte. „Immer wieder dieselben Fragen. Nutzlos, einfach nutzlos“, flüsterte sie grimmig vor sich her.
    Sie spürte, wie ihr Magen sich zusammenzog und fühlte sich mit einemmal äußerst flau und schwach. Mit mehreren tiefen Atemzügen schaffte sie es, das dumpfe Gefühl des Schwindels, das sie für einen Moment überkommen hatte, wieder in den Griff zu bekommen.
    Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es schon nach Mittag war. Sie musste dringend etwas zu sich nehmen, wenn sie nicht schon wieder den Boden unter den Füßen verlieren wollte – und nicht nur symbolisch.
    Sie steuerte das nächstbeste Café an und setzte sich trotz des frischen Wetters an einen der auf der Terrasse stehenden Tische.



    Während sie auf den schnell bestellten Snack wartete und gedankenverloren an ihrem Wasser nippte, fragte sie sich, wie es nun weitergehen sollte.
    Auf jeden Fall, das war ihr klar, musste sie zusehen, dass sie Marcel so schnell wie möglich erreichte. Es gab einiges zu klären zwischen ihnen.
    Noch konnte sie den Gedanken, ihn nicht doch wieder zurück zu erobern, nicht ganz aufgeben. Und doch machte ihr alleine Marcels Verhalten nach ihrem Zusammenbruch klar, dass sie ihm tatsächlich nicht mehr allzu viel bedeuten konnte.
    Sie spürte die Fassungslosigkeit, die sie angesichts dieser Tatsache übermannte. Liebe mochte aufhören, aber wie konnte es sein, dass einem ein Mensch, mit dem man jahrelang jeden Tag geteilt hatte, auf einmal so gleichgültig war?



    Marcel hatte nicht einmal angerufen seit Samstag. Was, wenn ihr Zusammenbruch schlimmere Ursachen und Folgen gehabt hätte? Wie konnte man es schaffen, nicht einmal den Hauch von Besorgnis zu zeigen?
    „Das liegt bestimmt alles an dieser dummen Tussi“, zischte Eileen in ihr Wasserglas und erntete einen argwöhnischen Blick von einer älteren Dame am Nachbartisch.
    Sie biss sich auf die Lippen und starrte ebenfalls argwöhnisch zurück.
    Nachdem sie eine Weile ohne einen rechten Gedanken fassen zu wollen auf ihre Fußspitzen gestarrt hatte, suchte sie in ihrer Jackentasche nach ihrem Handy und gab Marcels Nummer ein.
    Doch dann steckte sie das Telefon seufzend wieder ein, ohne auf „Verbinden“ gedrückt zu haben. Sie konnte es nicht. Noch nicht. Nicht heute. Und doch war ihr klar, dass sie auf ein Treffen bestehen musste.



    Denn sollte es wirklich Tatsache sein, dass sie und Marcel ab sofort endgültig getrennte Wege gehen würden, so war einiges abzusprechen. Und ganz nebenbei hatte sie ein Recht darauf zu erfahren, wo er wohnte und wie er erreichbar war. Sie war schließlich immer noch seine Frau und er hatte ihr gegenüber zumindest noch ein paar wenige Verpflichtungen, auch wenn er diese vielleicht gerne lieber heute als morgen abgeschafft hätte.

  • Der Kellner stellte Eileen einen Teller des Mittagsangebotes vor die Nase. Diese spürte nun noch mehr ihren Hunger und aß gierig auf.
    Dann zahlte sie und schlug den Weg zurück zum Auto ein.



    „Und nun?“, fragte sie sich seufzend, als sie wieder hinter dem Steuer saß.
    Ihre Gedanken wollten und wollten nicht aufhören sich zu drehen. Sie warf den Motor an und ihr Blick fiel auf den glänzenden Ehering an ihrer Hand. Sie schluckte.
    „Bis dass der Tod uns scheidet“, murmelte sie und grummelte dann: „… oder eine andere Frau…“
    Aber war es wirklich nur das? Eine andere Frau? Wer mochte diese Frau sein? Aus dem Büro? Wo hatte Marcel sie kennen gelernt?
    Und wie konnte es sein, dass sie es nicht bemerkt hatte?
    Nur wenige Wochen nachdem sie ihr Baby hatte gehen lassen müssen.
    Sie versuchte nachzurechen, wann in etwa das ganze angefangen haben könnte. Im frühen Frühjahr vermutlich. Passend zu dem Sprießen und Treiben um sie herum.
    Sie konnte sich noch genau erinnern, welch ein Hohn die explodierende Natur für sie gewesen zu sein schien.
    Alles schien Fruchtbarkeit und Nachkommenschaft zu verheißen – und ihr Bauch war immer noch so furchtbar leer.
    Sonst hatte Eileen sich über die eifrig den Kopf aus der Erde streckenden Krokusse und Narzissen gefreut wie ein kleines Kind.
    Im vergangenen Frühling, nur so kurz nachdem sie aus der Klinik gekommen war, mit leerem Bauch und noch viel leereren Armen, hatte sie manchmal das Bedürfnis gehabt, die Blumen zu zertrampeln. Wie konnte es sein, dass alles um sie herum auf Fröhlichkeit und Lebhaftigkeit geschaltet war, wo es in ihr doch oftmals immer noch so fruchtbar trüb und wund ausgesehen hatte?
    Erst nach und nach hatte sie sich mit dem explodierenden Leben um sich abfinden und schließlich auch selbst wieder Freude und Leichtigkeit empfinden können.
    Inzwischen war Eileen ausgestiegen und stand schon ein ganzes Weilchen unbeweglich neben dem Wagen.



    Erst jetzt realisierte sie selbst, wohin sie wie automatisch gefahren war.
    Sie blickte an dem schmiedeisernen Tor nach oben und öffnete es dann langsam.
    Es war ruhig und still.
    Friedlich. Ein Gefühl von Ruhe überkam sie.
    Hinter ihr fiel das Eisentor mit einem dumpfen „Plong“ wieder ins Schloss.




    Fortsetzung folgt.

  • Liebe Innad,


    ach, Du hast Eileens Gefühle so schön beschrieben. Bei dem Satz mit dem leeren Herzen und den leeren Armen musste ich schlucken.
    Immerhin scheint Eileen jetzt langsam in die Verfassung zu kommen, neben ihrem Schmerz auch die ganz realen Dinge wahrzunehmen. Wie regelt man eine Trennung? Wie sieht es finanziell aus? Das kann nochmal ein sehr schwere Zeit für sie werden, wenn sie vielleicht feststellen muss, dass sie durch die Trennung nicht nur ihren geliebten Mann verliert, sondern möglicherweise auch ihr gewohntes Lebensumfeld aufgeben muss. Das kann um so bitterer sein, weil sie selber die Trennung ja nicht will und dies alles von aussen aufgezwungen bekommt. Dennoch ist es ein wichtiger Prozess, und auch dass sie Wut empfindet, ist ein gutes Zeichen. Ich finde es auch in Ordnung, dass sie immer noch mit dem Gedanken spielt, Marcel zurück zu erobern. Ob das eine Möglichkeit ist, wird allerdings nur die Zeit zeigen.
    Der Ort, an den sie zum Schluss geht - vielleicht ein Friedhof? War mein erster Gedanke, ich weiss gar nicht, warum. Vielleicht, weil sie an ihr totes Kind gedacht hat.


    Auch diesmal hast Du wieder eine schöne Stimmung rübergebracht, man konnte sich super einfühlen.
    Ich bin schon sehr gespannt, wie es weiter geht. Vor allem will ich mal diese Tussi sehen! :) Dann werfe ich eine Tomate auf meinen Bildschirm. :roftl

  • Jedes Mal, wenn ich eine der letzten Fortsetzungen gelesen habe, wollte ich es setzen lassen und dann einen Kommentar schreiben.
    Und jedes Mal kam entweder etwas dazwischen, oder aber du warst schneller als ich.
    Also geh ich das Risiko lieber gar nicht erst ein, sonst wird das wieder nichts.
    Außerdem ist der Eindruck gerade so frisch und intensiv, dass man einfach schreiben muss.
    Ich glaube, ich hab es schon mal erwähnt, dass ich mir mal ähnliche Gedanken am Ende einer Beziehung gestellt habe. (Auch wenn es nichts mit einem Baby zu tun hatte, aber durchaus mit einer anderen Frau - und...ne Menge anderer teilen diese Erfahrungen genauso, Männlein wie Weiblein). Man steht da und ist vollkommen vor den Kopf gestoßen und fragt sich, wie man so blind sein konnte, nichts zu bemerken. Aber auch gar nichts. Man lebt zusammen, Tag für Tag, man teilt seine Zeit, seine Gedanken, Hobbies und das Bett. Und man wiegt sich in der Vorstellung, dass das Leben doch wunderbar ist.
    Bis man auf einmal unter der kalten Dusche aufwacht, die mit Worten wie: "haben wir je zusammengepasst" und natürlich "ich liebe dich nicht mehr" auf dich niederprasseln. Der Mensch, den man liebt, von dem man glaubt, dass er es auch tut, sieht dich auf einmal mit einer Kälte an, die dich schaudern lässt, die eigentlich nicht von einer Minute zur nächsten entstanden sein kann.
    Das Leben scheint zu ende zu sein, in diesem Moment, alles tut weh und weh und nur noch weh.
    Und irgendwie weigert man sich an die praktische Seite so einer Trennung zu denken. Wer will sich schon mit der Auflösung einer Wohnung befassen, wenn er sich nur in einer Ecke verkriechen, sich selbst bemitleiden will.
    Dennoch sind gerade die praktischen Seiten gut, um aus dem Trancezustand aufzuwachen und das eigene Leben auch wieder in die eigenen Hände zu nehmen.
    Es ist gut, dass sie anfängt sich um diese Dinge zu kümmern, auch wenn's schwer fällt, aber wenn man weitermachen will, muss das einfach sein.


    Ich bin schon der Meinung, dass Marcel sich die Sache ein bissel einfach macht. Klar, gibt es keine Garantien, und klar kann auch die Liebe aufhören, oder man verliebt sich neu. Vor allem, wenn man einen solchen Schmerz erlebt hat und jeder allein damit fertig wird. Aber wenn sowas passiert, muss man den Mut zur Ehrlichkeit haben, und nicht darauf warten, bis der andere von selber irgendwie drauf kommt und man dann gezwungen ist, Farbe zu bekennen.
    Und dann dieses Gespräch. Irgendwie hatte ich doch immer wieder das Gefühl, der Mann versucht sich selbst davor zu schützen, sich von dem ganzen wieder beeindrucken zu lassen. Als hätte er Angst, dass da vielleicht doch noch irgendwo Gefühle übrig sind, die seinem schönen neuen Leben entgegenstehen. Als hätte er einfach nur Sehnsucht nach Normalität, bloß kein Kummer, bloß kein Schmerz.
    Hört sich reichlich egoistisch an, selbst wenn man ihm durchaus das Recht auf ein eigenes Leben zuspricht. Aber sich nicht mal danach zu erkundigen, ob der Zusammenbruch nichts ernsteres war, neee, das ist schon reichlich selbstsüchtig.
    Was wäre denn gewesen, WENN es wirklich ernster gewesen wäre? Er ist immer noch ihr Mann. Befürchtet er, dass er sich dann hätte kümmern MÜSSEN? So nach dem Motto, was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß?
    Tja, ich fürchte, bei allem Verständnis, dass auch er Kummer hatte durch den Verlust des Babys und auch der Tatsache, dass seine Frau ihn nicht an sich heranlassen wollte, aber nein, ich denke, der Herr hat seine Sympathiepunkte bei mir gründlichst verspielt.


    Gewonnen hat dagegen wieder mal Marlene. Ich mag das Mädel wirklich. Wenn man in so ner Situation ist, dann braucht man eine(n) Freund(in). Jemand, der nicht einfach nur redet und redet, sondern einfach auch mal zupackt. Ich mag Marlene, ihr Mundwerk genausowie ihre praktische Ader. Könnte man fast ein bisschen ins Schwärmen geraten.


    Ich hoffe ja sehr, dass Eileen ihren eigenen Weg im Leben wiederfindet und auch wieder glücklich wird. Das kann man, selbst nachdem man glaubte, das Leben ist vorbei. Nach 15 Ehejahren kann man ruhig davon überzeugt sein :)
    Also, dann nimm mal dein Leben in die Hand, Eileen, und wenn du kannst, sag deinem Mann ruhig mal die Meinung, nicht mit Tränen in den Augen, sondern mit dem Stolz im Herzen, dass man sich eben doch nicht unterkriegen lässt. Du musst ihn nur wiederfinden.


    Und ja, ich dachte auch zuerst an einen Friedhof, aber es könnte auch irgendein Ort aus der Vergangenheit sein, den sie mit Ruhe und Frieden in Verbindung bringt.
    Danke für diese sehr gefühlvolle Fortsetzung, aber eigentlich muss ich das von jeder einzelnen sagen, denn das zeichnet die ganze Geschichte aus, viel, viel Herzblut und Gefühl, kein Kitsch, sondern das Leben an sich. Und das ist immer wieder aufs neue außergewöhnlich.

  • Ich muss Nery da vollkommen recht geben. Marcel macht es sich wirklich etwas einfach. Er erinnert mich an ein Kind, welches ein neues Spielzeug bekommen hat und an den alten Sachen nun kein Interesse mehr hat. Männer mögen mit ihren Gefühlen anders umgehen als Frauen und sicherlich hat auch er unter der Fehlgeburt gelitten. Aber anders als Eileen eben. Und sicherlich ist er schneller über die Sache hinweggekommen. Er kam nicht mehr an seine Frau heran, die nur noch trauerte. Aber anstatt zu kämpfen und mit ihr gemeinsam den schweren Weg zu gehen oder sich gar Hilfe zu holen, holt er sich eine andere Frau. Ich will jetzt nicht sagen typisch Männer, aber ich denke es.

    Fast denke ich, dass Marcel Eileen schon vor der Schwangerschaft nicht mehr liebte oder zumindest nicht mehr so. Wer weis, ob er seine neue Tussi nicht vorher schon kannte. Möglicherweise gibt es bei solch einem Schicksalsschlag aber auch nur zwei Wege. Entweder es kommt, wie bei den beiden, zu einer Trennung oder es schweißt das Paar noch mehr zusammen. Das kommt wahrscheinlich auch darauf an, wie stark die Liebe zwischen den beiden Partnern ist. Und hier war sie wohl nicht stark genug. Zumindest nicht von Marcels Seite aus.

    Eileen sollte sich nun wirklch schnell hinsetzen und ihre Finanzen durchrechnen. Wem gehört das Haus? Beiden? Sicherlich ist Marcel ihr zu Unterhalt verpflichtet, schon, weil er mehr verdient. Obwohl es da auch ein neues Gesetz gibt, dass besagt, dass der Partner (bin nicht ganz sicher), weniger oder gar nicht zahlen muss, wenn er eine neue Familie hat. Da Marcel aber mit der neuen nicht verheiratet ist, weis ich auch nicht genau, wie das ist. Sicherlich wird Eileen das Haus alleine nicht halten können. Vielleicht besteht auch Marcel auf das Haus oder es wird verkauft. Eileen sollte sich schnellstens informieren. Auch wenn es hart wird. Und mit Marcel würde ich auch nicht telefonieren wollen bzw. können. Sie hätte die Wahl alles über einen Anwalt zu machen. Der wiederum kostet Geld.
    Ach, arme Eileen.

    Wünsche Dir ein schönes Wochenende.

    LG Rivi

  • Julsfels: Ja, das stimmt, Eileen nimmt nun allmählich auch die Dinge um sich herum wahr, die mit der Trennung verbunden sind. Und ich gebe Dir recht, dass da so viele Punkte auf sie zukommen könnten, mit denen sie sicher noch sehr zu kämpfen haben wird. Ob Deine Vermutung über den Ort am Ende richtig ist, verrate ich heute noch nicht ;)



    Nerychan: WOw, was für ein langer Kommi! Du hast so vieles geschrieben, das ganz richtig und wichtig ist, auch über Marlene und darüber, dass Eileen mit MArcel reden muss, aber wenn mgl nicht mit Tränen - aber ob sie schon soweit ist??



    Rivendell: Ich denke auch, dass Eileen sich jetzt bald hinsetzen und ihre Situation durchrechnen muss. Was Marcel angeht, so habt ihr beide, NEry und Du, sicher recht - er macht es sich wirklich ein wenig einfach. Ob er Eileen wirklich schon VOR der SS betrogen hat / nciht mehr liebte? Wer weiß....

  • 14.


    Eileen erwachte von dem fröhlichen Gezwitscher eines Vogels, der den Frühling zu verkünden schien und sich auf einem Zweig im Baum vor ihrem Fenster sein Liedchen sang.
    Sie drehte sich zur Seite und griff wie automatisch nach Marcel, doch ihre Hand fand nur das leere Kopfkissen.
    Müde rieb sie sich die Augen und stellte fest, dass das Bett neben ihr leer war. Ein kaltes Gefühl überkam sie, wie schon so oft in letzter Zeit.
    Unten hörte sie die Klappe des Briefkastens quietschen.



    Sie warf einen Blick auf die Uhr. Es war bereits nach zehn. Schnell schlug sie die Bettdecke zurück, schlüpfte in ihre Puschelpantoffeln und ging nach unten. Im Flur traf sie auf Marcel, der gerade mit den Briefen in der Hand wieder ins Haus kam.
    „Guten Morgen, Schatz“, sagte sie und Marcel gab ihr einen flüchtigen Kuss.
    „Gut geschlafen?“, fragte er, während sie ihm ins Wohnzimmer folgte.
    „Es geht. Ich bin erst um vier Uhr eingeschlafen.“
    „Schon wieder?“ Marcel zog die Brauen hoch und sie merkte, wie sehr sie dies reizte, schwieg jedoch vorerst. „Du warst doch so müde gestern Abend.“
    „Ja … aber mir ist so viel durch den Kopf gegangen…“, setzte sie an.


    Marcel murmelte nur irgendetwas von „wie immer“ und ging mit der Zeitung hinüber in die Küche.
    Dass sie sich in den Schlaf geweint hatte, verschwieg Eileen… wie schon so oft.
    „Naja… es ist heute ja Samstag“, sagte sie und versuchte unbekümmert zu klingen. „Da kann man ja ausschlafen, nicht wahr?“
    „Was du ja getan hast“, erwiderte Marcel trocken.
    Eileen schluckte und merkte, dass sie ihre Gereiztheit nicht mehr verstecken konnte.
    „Was dagegen?“, gab sie darum nur pampig zurück und öffnete den Kühlschrank, ohne recht zu wissen, was sie eigentlich darin suchte.


    „Nein, keineswegs“, erwiderte Marcel und sah ihr zu, wie sie mit Milch und Cornflakes hantierte. „Allerdings dachte ich, wir wollten ganz früh zum Baumarkt fahren.“
    „Zum Baumarkt?“, fragte Eileen verwirrt. „Achso – du hast gestern was davon erzählt. Entschuldige, ich hab nicht alles mitbekommen… was wolltest du da noch mal?“
    Genervt sah Marcel von seiner Zeitung auf, mit der es sich inzwischen bequem gemacht hatte.
    „Ich wollte das Zimmer neu streichen, das habe ich dir doch schon etliche Male gesagt.“
    „Das Zimmer… ich… ich dachte, das war nur so ein Gedanke“, erwiderte Eileen überrascht und schockiert in einem. „Ich dachte, du willst es irgendwann streichen…“


    „Was ist da der Unterschied?“, meinte Marcel unbekümmert und faltete die Zeitung wieder zusammen.
    „Das… ist ein gewaltiger Unterschied“, sagte Eileen leise und verteilte die gefüllten Schüsseln auf dem Tresen. „Ich meine… ich… dachte… dass… wir brauchen das doch noch nicht jetzt zu tun.“
    „Was spricht dagegen?“, fragte Marcel und begann hungrig zu löffeln. „Es ist schon lange überfällig, die Tapeten sind einfach hässlich.“
    „Ja… aber… Marcel, ich meine… das sollte doch… es sollte das Zimmer für… du weißt schon…“
    „Ja – und da sich das ja nun erledigt hat, ist die Renovierung trotzdem nicht unnötig geworden“, meinte Marcel und wischte ein paar Milchtropfen vom Tisch. „Oder?“



    Eileen starrte auf ihr Müsli und hatte das Gefühl, jeden Moment hinein spucken zu müssen, so schlecht war ihr mit einemmal geworden.
    Sie konnte ihn einfach nicht verstehen. Die Fehlgeburt war noch keine zwei Monate her und für Marcel war schon alles schon lange wieder beim Alten. Das versuchte sie inzwischen zu akzeptieren, denn sich ständig innerlich darüber aufzuregen war ihr zu kraftraubend.
    Aber dass er nun wirklich das Zimmer neu streichen wollte… das Zimmer… sie konnte es nicht verstehen. Wieso konnte er sich damit nicht noch Zeit lassen…
    Es war eigentlich ihr Hobby- und Büroraum und ja – die Tapete hatte einen neuen Anstrich nötig, vor allem, weil Marcel dort ständig rauchte, wenn er am PC saß und „zockte“, wie er es gerne nannte oder aber mit seinen Freunden Pokerrunden veranstaltete, was sein neuster „Spleen“, wie Lene es immer augen-verdrehend nannte, war.



    Eigentlich war die Renovierung für dieses Frühjahr geplant gewesen – im Rahmen der Einrichtung eben jenes Zimmers als Kinderzimmer…
    Aber nun brauchten sie kein Kinderzimmer mehr. Nicht mehr. Oder noch nicht wieder? Eileen war sich nicht sicher, ob sich Marcel darüber klar war, dass sie eigentlich gerne bald wieder schwanger werden wollte. Sie hatten bisher fast noch nie über dieses Thema gesprochen. Und selbst wenn nicht… selbst wenn sie sich noch etwas Zeit geben würden… dann war die Tatsache, jetzt zu renovieren, wie ein Faustschlag ins Gesicht für sie, als wolle er ihr damit noch einmal zeigen, dass ein Kinderzimmer nun ja überflüssig sei.
    „War was in der Post?“, fragte Eileen, weil sie nicht recht wusste, was sie nun noch sagen sollte, ohne schon wieder Diskussionen auszulösen.



    „Ja – ein Brief vom Krankenhaus. Hab ihn auf den Tisch gelegt“, sagte Marcel und schlürfte die letzten Reste Milch aus der Schüssel.
    „Was war es denn?“, wollte Eileen wissen.
    „Keine Ahnung, hab es nicht aufgemacht“, sagte er schnell.
    Eileen sah ihn irritiert an. „Und wieso nicht?“
    „Er ist für dich, oder nicht?“
    „Seit wann halten wir es so, dass wir nicht die Post des anderen aufmachen, vor allem, wenn es offizielle Sachen sind?“, wollte Eileen verwirrt wissen.
    „Was soll ich mit Post aus dem Krankenhaus anfangen?“, meinte Marcel harmlos. „Das ist sicher noch eine Rechnung oder so was… von… damals halt.“
    „Aber… wieso sollte das eine Rechnung sein, ich bin schließlich krankenversichert und habe nichts in Anspruch genommen, was nicht Kassenleistung wäre“, erwiderte Eileen.
    „Mach ihn auf, dann weißt du es.“ Marcel zwinkerte und versuchte amüsiert zu wirken, was nicht recht gelang. Er stand auf und küsste Eileen, die es ihm nach tat, schnell auf die Wange.
    „Ich fahre jetzt zum Baumarkt“, sagte er.
    „Ich dachte, ich soll mit?“ Eileen sah ihn irritiert an.


    „Schätzchen, du bist ja nicht einmal angezogen und es ist schon fast elf Uhr“, sagte er in tadelndem Ton, der offenbar auch schon wieder amüsant wirken sollte, es aber nicht wirklich war. „Ich muss um ein Uhr doch zum Spiel, ich hab nicht mehr so viel Zeit.“
    „Du hast heute Spiel?“
    Marcel seufzte. „Ja – das hab ich dir auch gefühlte hundert Mal gesagt. Vielleicht solltest du einfach mal besser zuhören und dir nicht mehr so viele Gedanken um… du weißt schon was machen, dann schläfst du auch wieder besser.“
    Eileen schluckte. „Was willst du damit sagen?“

  • „Nichts, nichts“, meinte Marcel und wirkte plötzlich müde. „Auf jeden Fall hab ich heute Spiel, ja – wir spielen gegen den Fußballclub Hechtingen.“
    Eileen ging wieder zurück in die Küche, um die Milch in den Kühlschrank zu stellen.
    „Und… wieso musst du dann so dringend Farben kaufen?“
    „Das Wochenende hat erst angefangen und wenn du mir heute Nachmittag alles da oben ausräumst, kann ich morgen alles streichen.“
    Ich… heute Mittag?“
    Eileen starrte ihn entsetzt an. Der Gedanke, sich den ganzen Nachmittag alleine durch das Chaos zu wühlen, war alles andere als attraktiv. Vor allem, da sie ja ohnehin gegen die Renovierung war.
    „Danke, dass du mich gefragt hast“, sagte sie schnippisch. „Ich hab ja auch sonst nichts Besseres zu tun. Ich habe auch die ganze Woche gearbeitet, oder?“
    „Schon gut, schon gut, dann mach ich es eben selbst, wenn ich zurück bin“, erwiderte Marcel entschuldigend.



    „Aber… was ist mit uns? Also- ich meine… ich dachte, wir könnten morgen vielleicht was Schönes unternehmen…“
    „Ach, Schatz, das können wir doch auch kommendes Wochenende. Abgesehen davon wolltest du in den letzten Wochen nie raus, oder? Und… ich will da oben endlich wieder Ordnung haben. Nächste Woche wollten die Jungs zum Pokern kommen und ich hab mit ihnen gewettet, dass bis dahin die olle Tapete weg ist.“
    Eileen wusste nicht mehr, was sie noch sagen sollte und offenbar wartete Marcel auch keine Antwort ab. Er drückte ihr noch einen Kuss auf die Backe und verließ dann ohne ein weiteres Wort den Raum, während Eileen ihm hinterher sah.


    Eileen seufzte und spürte, dass Wut und Traurigkeit in ihr aufstiegen. Aber sie wollte nicht schon wieder weinen. Sie hatte in den letzten Wochen oft geweint. Es änderte nichts an der Sache, das sah sie selbst ein.
    Also ging sie nach oben und sprang unter die Dusche.
    Als sie kurz darauf frisch geduscht und angekleidet im Wohnzimmer Ordnung schaffte, fiel ihr Blick auf den Brief vom Krankenhaus.



    Sie setzte sich auf die Couch und öffnete ihn. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, als sie den Inhalt begriff.
    Langsam ließ sie den Brief wieder sinken und legte ihn beiseite.
    Als Marcel etwa eine halbe Stunde später mit Farbeimern beladen zurück kehrte, saß sie immer noch reglos da, den Kopf in die Hände gestützt.
    Er trat ins Wohnzimmer und rief: „Schau mal, Schatz, ich hab maisgelb bekommen, ist das okay?“ und blieb erstaunt stehen, als er sie wie eine Ölgötze auf der Couch sitzen sah.



    „Ist was passiert?“, fragte er erschrocken.
    „Nein… ich… ich habe nur… den Brief vom Krankenhaus geöffnet.“
    „Und? Doch eine Rechnung? So hoch?“
    Er versuchte scherzhaft zu klingen.
    „Nein, natürlich nicht“, sagte sie scharf und stand auf. „Es geht um die Bestattung.“
    Marcel sah sie an, als habe er sich verhört. „Um was???“
    „Um die Bestattung.“
    „Bestattung. Wer wird bestattet?“
    Eileen sah ihn an, als habe er den Verstand verloren.
    „Na… die Sammelbestattung.“
    „Was?“
    „Ich… hab dir doch gesagt, dass… ich habe doch im Internet schon davon gelesen und … ich war mir nur nicht sicher, ob diese Klinik das auch macht und wollte auch nicht anrufen, weil… es zuviel hoch gewühlt hätte.“



    Marcel stand immer noch da und sah völlig ratlos aus.
    „Wovon bitte redest du da eigentlich?“, sagte er nach einer Weile des Schweigens und klang gereizt. „Welche Bestattung?“
    „Na, die Bestattung unseres… unseres Babys!“, brach es aus Eileen heraus.
    „Baby? Du meinst… aber… Eileen, das wird doch sicher nicht… bestattet“, sagte Marcel. „Ich meine… es war ja noch kein Baby in dem Sinne und…“
    Eileen krallte ihre Fingernägel in ihren Ärmel, schwieg aber.
    „Alle Fehlgeburten, egal wie weit man war, werden sammelbestattet“, versuchte sie mit möglichst ruhiger Stimme zu erklären. „Das … habe ich dir doch erzählt, dass das oft so gemacht wird. Und es ist ja auch eine wunderbare Sache, ich meine…“
    Sie drehte sich wieder zu ihm um, ging auf ihn zu und nahm seine Hände. „Ich meine, Marcel… egal, wie weit oder nicht… es war unser Kind und…“
    Marcel winkte ab. „Na gut – fangen wir nicht wieder davon an. Was ist jetzt jedenfalls damit? Kostet das nun auch noch etwas oder wie? Ich meine, die können einem doch nichts berechnen. Hast du damals etwas unterschrieben? Ich nicht!“



    Eileen starrte ihn entgeistert an.
    „Manchmal denke ich wirklich, ich kenne dich nicht“, sagte sie verbittert.
    „Was denn?“, rief er aus. „Ich will das doch nur wissen. Bestattungen sind oft teuer. Und wieso kommen die auch erst jetzt damit?“
    „Weil die Trauerfeier nächstes Wochenende ist“, sagte Eileen. „Und natürlich kostet das nichts. Es wird von der Gemeinde oder dem Krankenhaus getragen, nehme ich an. Es ist ja auch keine wirkliche Bestattung wie bei einem Erwachsenen. Alle Fehlgeborenen der letzten Monate werden gemeinsam auf einem Sternschnuppengrabfeld hier in der Stadt begraben. Anonym sozusagen.“



    Sie gab ihm den Brief und er überflog die Zeilen mit versteinerter Miene.
    Als er gelesen hatte, schien er erleichterter zu sein.
    „Achso – das ist also eigentlich nur eine Formsache.“
    „Ja… irgendwie schon…“
    „Na gut, nun wissen wir das und da es uns nichts kostet, müssen wir darüber nicht mehr weiter nachdenken“, sagte Marcel und lächelte. „Also – mal zurück zu den Farben. Maisgelb hab ich und blau. Meinst du, das geht?“
    Eileen starrte ihn an. „Was… ich meine… was?“
    „Die Farben. Für das Zimmer. Komm, ich zeig sie dir.“
    Eileen schüttelte den Kopf. „Nein… Marcel, nun warte doch mal. Ich… nun hör doch mal mit deinen Farben auf. Die laufen schon nicht weg. Wegen der Bestattung, ich… hör mal, ich möchte da gerne hingehen.“
    Marcel sah sie an, als habe sie nun völlig den Verstand verloren.
    „Was? Aber… wieso denn das? Eileen, ich meine… es ist schon fast zwei Monate her. Das wird dir nur weh tun. Und das ist doch sicher eher für Leute, deren Kinder schon älter waren oder die… einfach… ich weiß auch nicht… das ist doch Unsinn, Eileen… ich meine…“
    Eileen unterbrach ihn. „Hör mal, Marcel… ich bin sehr dankbar dafür, dass ich die Möglichkeit habe, mich noch mal von unserem Kind zu verabschieden… wenn auch nur so… und ich will da nicht alleine hin.“



    „Was? Du willst dass ich mitgehe? Aber… ich habe am Samstag ein ganz wichtiges Heimspiel… das weißt du doch. Und danach kommen die Jungs pokern, darum will ich ja auch das Zimmer machen. Tut mir leid, Eileen, aber das geht nicht. Die hätten den Termin wohl früher schicken müssen.“
    Eileen schlug wütend auf den Rand des Sofas.
    „Sag mal, Marcel – merkst du eigentlich, was du da sagst?! Ich meine… das ist ja wohl wichtiger… es ist unser… es ist wichtig und… wie kannst du da ans Pokern denken?“