• I can't sleep
    Won't you speak to me
    I'm on dry land
    Won't you help me please

    (Marillion – Dry Land)




    Ja, es traf mich wirklich, dass sie jemand anderen heiraten sollte. Ich wollte nicht, dass jemand so einen Platz in ihrem Leben einnahm. Wenn ich vorher auch nicht gewusst hatte, was Eifersucht war, wusste ich es in diesem Moment. Es machte mich fertig zu wissen, dass sie nicht mir gehören kann sondern jemand anderen. So klischeehaft es sich auch anhört, es brach mir das Herz. Es spielte keine Rolle, dass sie nicht begeistert von der Aussicht war Robert zu heiraten. Es spielte keine Rolle, dass sie mich nicht sehen konnte und es keine Möglichkeit gab, dass wir zusammen sein könnten. Der Schmerz war da und ging nicht weg.





    Von meinen jetzigen Standpunkt aus war es lächerlich zu glauben, dass sie je jemand anderen als mich lieben könnte. Heute weiß ich, dass es keine Rolle spielte, dass sie ihn hatte heiraten müssen. Sie gehörte zu mir, auch wenn sie es damals noch nicht wusste, noch nicht wissen konnte.
    Es amüsiert mich immer noch, dass ich damals so überreagiert hatte. Heute lache ich über meine Reaktion von damals. Es konnte ja niemand ahnen, wie sich meine Existenz und ihr Leben noch überschneiden würden. Aber wenn ich das gewusst hätte, dann wäre vielleicht doch alles anders gekommen. Wer kann das schon wissen. Vielleicht musste es einfach diesen Verlauf nehmen.





    An diesem Abend blieb ich noch länger, beobachtete wie Annabelle mit der Nachricht fertig wurde. Ihrer Mutter gegenüber war sie gefasst, als hätte sie schon gewusst, dass es so kommen musste. Nach dem Essen ging sie in ihr Zimmer und wie schon den ganzen Tag über folgte ich ihr. Sie setzte sich aufs Bett und nach einer Weile kamen ihr die Tränen. Sie weinte und ich konnte sie nicht trösten, obwohl ich nichts lieber gemacht hätte. Ihre Schluchzer war lautlos, aber ich sah ihren Körper zucken. Und zum zweiten Mal an diesem Abend zerriss es mir das Herz. Ich fühlte mich völlig hilflos, dass ich ihr in ihrem Kummer nicht beistehen konnte, weil sie mich einfach nicht wahrnahm.





    Nach einer für mich endlosen Weile beruhigte sie sich, stand auf und machte sich fertig fürs Schlafen gehen. Diesmal folgte ich nicht, ich wusste ja, dass sie wieder kommt. Ein wenig Privatsphäre wollte ich ihr lassen, auch wenn ich ihr an diesem Tag sonst keine gelassen hatte. Wenig später kam sie wieder mit offenen Haaren und schon im Nachtgewand. Sie legte sich in ihr Bett, pustete die Kerze aus und kurze Zeit später war sie schon erschöpft eingeschlafen. Ich setzte mich auf ihren Nachttisch und beobachtete sie im Schlaf und überlegte, was ich tun könnte um ihr zu helfen. Und natürlich blieb ich, weil ich in ihrer Nähe sein wollte, auch wenn sie nur schlief. Ich konnte es kaum glauben, wie schnell ich ihr verfallen war.





    Es war schon komisch, was ich in dieser Zeit empfand. Heute kommt es mir gar nicht mehr so seltsam vor. Inzwischen weiß ich ja, dass es den Menschen gar nicht so viel anders ergeht als mir.
    Mein Problem war einfach nur, dass ich nicht eine Idee hatte, wie ich ihr helfen konnte. Ich konnte nicht in ihr Leben eingreifen. Robert stand nicht auf meiner Liste, als das ich ihn hätte holen können. Das schied also aus. Sie sah mich nicht, also konnte ich ihr auch keinen Mut zu sprechen oder sie für mich zu gewinnen. Ich konnte der Familie auch nicht helfen, was ihren Hof anging. Es war einfach aussichtslos. Jede klitzekleine Idee, die ich in dieser Nacht hatte, musste ich wegen Undurchführbarkeit wieder verwerfen. Es war frustrierend.





    Ich blieb aber trotzdem bei ihr bis zum nächsten Morgen. Sie erwachte früh und rieb sich die Augen. Sie hatte nicht gut geschlafen, dass sah man ihr an. Trotzdem schob sie schwungvoll ihre Decke aus dem Weg und stand auf. Ich wandte mich ab, wollte sie nicht in ihrem privaten Bereich stören. Aber sie ging schnurstracks ins Bad, wo sie sich kurz wusch und sich anzog.Dann versorgte sie schnell die Tiere und kam wieder ins Haus, um sich die Hände zu waschen. Ich stand neben ihr und konnte der Versuchung die Arme um sie zu legen nicht widerstehen. Sie fröstelte ein wenig, aber schon weniger als beim ersten oder zweiten Mal als ich sie berührt hatte. Ich wertete das als gutes Zeichen und blieb neben ihr stehen, solange sie vor dem Waschbecken stand. Aber nach viel zu kurzer Zeit waren ihre Hände sauber und sie verließ das Bad.





    In der Küche machte sie sich ein Brot und obwohl ich gehen wollte, konnte ich es nicht. Ich versuchte weiter bei ihr zu sein, in der Hoffnung, dass sie spüren würde das jemand für sie da war. Es war lächerlich, aber es war alles was ich in dem Moment für sie tun konnte.
    Ihre Hände zitterten leicht, als sie das frische Brot schnitt und den Käse zurecht machte. Ich konnte ihr ansehen, dass der Gedanke an die Hochzeit mit Robert ihr schwer zu schaffen machte. Ich fragte mich langsam, abgesehen von der Tatsache, dass ich nicht wollte das sie zusammen waren, was so schrecklich an dem Mann war. Entweder musste er ein ziemliches Ekel sein oder brutal oder sonst was, das ihr zu schaffen an ihm machte. In all den Jahren habe ich schon viele arrangierte Ehen gesehen und die meisten gingen gut aus, weil sich die Partner mit der Zeit einfach an einander gewöhnt hatten.





    Ich wollte ihr sagen, dass es in den meisten Fällen gut ausging, aber sie hörte mich ja nicht. Also folgte ich ihr ins Esszimmer, wo sie heute alleine aß. Ihre Mutter war schon draußen beschäftigt und ich nahm an, dass Annabelle ihr folgen würde, sobald sie gegessen hatte. Aber ich fühlte auch, dass Annabelle froh über die scheinbare Einsamkeit war. Sie wollte alleine sein, das spürte ich ganz genau. Einen winzigen Moment war ich stolz auf mich, dass ich schon so leicht erahnen konnte, was sie fühlte auch wenn ich keine Ahnung hatte, was in ihrem Kopf vorging. Natürlich ignorierte ich trotzdem ihren Wunsch nach Einsamkeit, wenn sie mich nicht sah, dann war ich auch nicht da. Wenigstens ein Vorteil an dieser Tatsache.





    Sie spülte ihren Holzteller kurz ab und schaute kurz durch die Hintertür.
    „Ich bin eine Weile weg“, rief sie ihrer Mutter zu. Die nickte nur, verstand wohl den Wunsch ihrer Tochter nach Ruhe. Ich begriff, dass es der alten Frau auch Leid tat, dass sie gezwungen war solch einen Schritt zu tun. Wieder fragte ich mich beunruhigt, was so schlimm an diesem Mann war.
    Annabelle ging durch die Vordertür und ich ihr hinterher. Ich nahm es ihr nicht übel, dass sie mir die Tür vor der Nase zu machte, sah ich doch wie die Beherrschung, die sie bisher an den Tag gelegt hatte, von ihr abfiel. Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die ich nicht deuten konnte und schritt schnellen Schrittes voran.





    Je weiter sie vom Haus weg kam, desto schneller wurde sie, bis sie anfing zu laufen. Immer weiter weg von dem Hof. Ihre Atmung wurde schneller und ihre Schritte weiter. Sie hatte Ausdauer, dass musste ich ihr lassen. Sie lief durch das Umland und auf den Fluss zu und irgendwie hatte sie ihre Sorgen hinter sich gelassen. Ihre Gesichtszüge entspannten sich, je weiter sie von ihrem Elternhaus weg war. Ja, sie lächelte schon fast wieder als sie am Ufer ankam. Die Anstrengung, die Sonne, die frische Luft, das Plätschern des Wassers. Ich wusste nicht, was dafür verantwortlich war, vielleicht auch alles zusammen. Sie war wesentlich entspannter als sie an dem Ort ankam, wo ich versucht hatte sie auf mich aufmerksam zu machen. Sie hielt an, stemmte die Hände in die Hüften und pustete einmal kurz und kräftig.





    Sie ließ sich nah am Wasserrand nieder, gerade so das ihre Füße oder das Kleid nicht nass wurden. Ich setzte mich neben sie und beide schauten wir aufs Wasser. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und seufzte leise.
    „Warum?“ Flüsterte sie, fast unhörbar und für einen Moment fühlte ich mich angesprochen.
    „Weil mir noch nichts eingefallen ist, um dir zu helfen.“ Antwortete ich genauso leise. Dann schwiegen wir beide wieder. Ich wusste, dass sie meine Antwort nicht gehört hatte, aber ich merkte, dass sie wieder unruhig wurde. Sie zupfte einen Grashalm aus und zerrupfte ihn beiden Händen.
    „Das ist so ungerecht.“
    „Ja, da hast du Recht.“ Mir blieb nichts anderes übrig als ihr zu zu stimmen. Es war ungerecht. Einfach alles.





    Lange Zeit hörten wir beide nur das Wasser und die Vögel singen. Wir saßen still am Ufer und bewegten uns nicht. Ich genoss ihre Nähe und sie ließ sich von der Natur beruhigen. Doch die Ruhe wurde bald von lauten Schritten gestört. Annabelle registrierte sie kaum, so versunken war sie in ihren Gedanken. Doch dann erklang eine tiefe, raue Stimme:
    „Hier bist du. Deine Mutter sagte mir, dass ich dich hier finden würde.“
    Annabelle zuckte zusammen und drehte sich halb zu der Stimme um. Ich sprang nicht auf, man konnte mich ja eh nicht sehen, aber ich erhob mich halb, um den Neuankömmling besser zu sehen. Er hatte braunes Haar und trug teure Kleidung. Man sah ihm an, dass er nicht aus armen Verhältnissen kam. Überrascht war ich nur von den Falten, die seine Stirn und seine Augen schon zierten. Ich hatte mit jemand Jüngerem gerechnet. Zwei Narben hatte er im Gesicht und man sah ihm an, dass er sie im Kampf errungen hatte. Ich mochte ihn von Anfang an nicht.





    Annabelle ließ sich von ihm hoch helfen und damit ich besser sehen konnte, stellte ich mich hinter sie.
    „Vielen Dank, Herr“, sagte sie kaum, dass sie stand. Ich konnte sehen wie die Hand zuckte, die er berührt hatte. Sie wollte sie an ihrem Kleid abstreifen, aber sie wusste, dass es den Mann treffen würde wenn sie es tat.
    „Keine Ursache meine Liebe“, antwortete er mit seiner tiefen Stimme. „Ich freue mich doch immer, wenn ich euch helfen kann.“
    Wenn ich was gegessen hätte, dann wäre es mir in diesem Augenblick wieder hoch gekommen. Er klang so falsch und verlogen. Und es kam mir vor, als wäre da ein hämischer Unterton gewesen. Auch Annabelle schien diesen Ton gehört zu haben. Ihr Körper spannte sich merklich an und ich konnte sehen, wie sie die passende Antwort unterdrückte.
    Stattdessen fragte sie freundlich aber reserviert: „Ihr habt nach mir gesucht?“
    „Ja, ich bin dir hierher gefolgt, um dich wieder nach Hause zu bringen. Wir haben viel zu besprechen.“





    „Dann lasst uns gehen“, Annabelle klang energisch, ganz so als wollte sie die Sache schnell hinter sich bringen. Ich konnte die Reaktion voll und ganz nachvollziehen.
    „Aber sicher meine Liebe“, Robert grinste sie an und mir lief ein Schauer über den Rücken. Es war so ein falsches, gemeines Grinsen, wie ich es schon lange nicht mehr gesehen hatte. „Dann kommt. Ich führe euch.“ Und mit diesen Worten griff er nach ihren Schultern und ihrem Arm. Er schloss die Augen genießerisch und auch Annabelle machte ihre Augen zu, allerdings eher aus Missfallen als aus anderen Gründen. Sie war steif wie ein Brett kaum, dass seine Hände sie berührten. Am liebsten hätte ich ihn in den Fluss gestoßen, so wütend war ich. Ich wollte ihn anschreien und ihn fragen, ob er nicht sehe, dass sie das nicht wollte. Aber ich wusste, dass es ihm bewusst war und ich hasste ihn mehr als ich je jemanden zuvor gehasst hatte.





    Ich blieb am Flussufer als die Beiden langsam wieder zurück in Richtung Hof gingen. Sie hatte sich bei ihm untergehakt und er wandte ihr den Kopf zu. Ich hörte nicht mehr, was sie sagten. In meinem Kopf herrschte ein Sturm der Wut und ich blendete alles aus. Ich wusste nur, dass ich schnell etwas unternehmen musste, wenn ich diese Hochzeit verhindern wollte.


    *Fortsetzung folgt*

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

    Einmal editiert, zuletzt von Llynya ()

  • Owei, ich hatte die ganzen FS total übersehen :eek:


    Der Tod höchstpersönlich. Ich muss gestehen, die ganzen Todesfälle zu sehen, die er so gleichgültig "produziert", das ist schon ziemlich beklemmend beim Lesen. Auch wenn es ja eigentlich stimmt, dass es dem Tod egal sein kann, "wen er sich holt", so bin ich persönlich da doch etwas mehr auf der Seite, dass ich mir lieber vorstelle, dass der Tod freundlich und liebevoll ist und nicht so muffelig :rollauge gleichgültig.


    Es ist wirklich spannend, dass er nach Jahrtausenden so aus einer Gleichgültigkeit herausgerissen wird und von Annabelle fazsiniert ist. Die Weise, in der Du erzählst - als Rückblick meine ich - zeigt uns auch, dass sich da noch einiges, mächtiges entwickeln wird. Ich bin sehr gespannt! :)

  • Jetzt meld ich mich auch mal.


    Der Tod als Person. OK, ein Tod als Person. Schöne Thematik, dass jemand mit einer solch kühlen Aufgabe sich so verliebt, auch, sich so mit dem Tod zu beschäftigen.
    Der Tod war früher ja nicht so steril wie heute.
    Früher versammelte man sich, betete, sang, begleitete den Sterbenden... Und der Tod war kein Tabu, er gehörte einfach zum Leben.
    Heute wohnen die Großeltern/Eltern ja oft nicht einmal in der Nähe, sind vielleicht sogar im Alters- oder Pflegeheim. Dann erfährt man oft als Letzter von deren Tod.


    Hübscher Bursche, dieser Tod. Auch wenn jedes Mal, wenn ich an die Person Tod denke, in meinem Kopf sofort Uwe Kröger "Die Schatten werden länger" und "Der letzte Tanz" zu singen anfängt.
    [Für alle, denen das jetzt nichts sagt - Uwe Kröger war die Premierenbesetzung für den Tod im Musical Elisabeth, hat ne tolle Stimme, der Herr]


    Es ist gut, dass das Mädchen zwar hübsch - ja, das ist sie wirklich -, aber jetzt nicht wunderschön ist. Das macht sie authentisch. Außerdem ist sie ja aus dem einfachen Volk, viel Zeit und Geld für Make-up und Maniküre hat sie ja nicht. Aber dafür duftet sie ja so schön nach Lavendel. :)
    Sie tut mir leid, dass sie einen Mann heiraten muss, den sie nicht lieb, der viel älter ist. War damals halt üblich. Und sie spielt mit, weil sie keine andere Wahl hat, der Vater ist tot, sie und ihre Mutter ohne ihn ohne Einkommen...


    Bin schon gespannt, was der Tod tun will, um die Heirat zu verhindern. Den Bräutigam sterben lassen? Verstöße wahrscheinlich gegen die Regeln, er führt die vorherbestimmten Aufträge ja nur aus, eigenwilliges Handeln ist da vielleicht auch gar nicht drin.
    Kann er jemandem im Traum erscheinen? Dem Bräutigam drohen?


    Freu mich schon auf die nächste Fortsetzung.


    Grüße,


    Appolonia

  • Oh woooow :up RESPEKT, Llynya!
    Ich habe jetzt alle Deine bisherigen Kapitel auf einen Rutsch - fast, mit Abendessen dazwischen - gelesen!
    Ich habe ja schon sehr viele Fotostorys gelesen, aber Deine ist ja mal ne ganz andere Art! :applaus
    Einfach super, muss ich sagen: Super-Tolle Bilder und der Text -> Klasse geschrieben!
    Ach, ich finde gar nicht die richtigen Worte dafür, um es richtig zu beschreiben!
    Ich hoffe, es gibt bald ne Fortsetzung; ich freu mich drauf und bleuib auf alles Fälle dran!


    LG Simsi68

  • Soo... hab deine Story heute auch entdeckt und ich freu mich, dass du wieder eine schreibst :)
    Allein schon das Thema finde ich sehr interessant. Da kann man eine ganze Menge draus machen.
    Die Bilder, die du gemacht hast, sind einfach hinreißend und vom Wald will ich gar nicht erst anfangen^^ Da würde ich gern selbst einmal drin rumspazieren ;)
    Ich freu mich schon auf die Fortsetzung!


    LG xXRockStarXx

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  • Kommibeantwortung



    @ Innad


    Macht ja nichts, ich hinke bei dir ja auch so hinterher. :(
    Hm, er „produziert“ die Todesfälle ja nicht wirklich. Er sorgt nur dafür, dass sie sicher die andere Seite erreichen. Seine Anwesenheit ist erforderlich, wenn jemand stirbt, aber er ist nicht dafür verantwortlich. Und warum er so gleichgültig ist, sollte ja eigentlich auch auf der Hand liegen. Wenn er sich jeden einzelnen zu Herzen nimmt, würde er wohl am Ende des Tages als seelisches Wrack in der Ecke liegen. :snif


    Oh ja, da wird noch so einiges auf die Beiden zu kommen. Wir sind ja noch ziemlich am Anfang der Geschichte. :)


    @ Appolonia
    Ich weiß auch nicht, ich hatte einfach irgendwann die Frage im Kopf „Was passiert wohl, wenn der Tod sich verliebt?“ Tja, und schon war die Idee hierfür geboren. :D
    Und ja, der Tod war damals doch noch ein wenig anders als heute. Und das nicht nur, weil es heute viel mehr Möglichkeiten gibt, das Ganze heraus zu zögern. Es war einfach natürlicher als heute, da muss ich dir Recht geben.
    Von der Elisabeth-Geschichte habe ich auch schon gehört, aber ich habe mich damit bisher gar nicht beschäftigt. Ich wusste noch nicht mal, dass es auch ein Musical gibt. o.o
    Ich mag Annabelle total gerne. Sie ist auch gut einzufangen auf Bildern. Wenn sie ein Model wäre, würde ich sie glatt vielseitig nennen. Je nach dem kann sie total kindlich als auch total erwachsen aussehen. Und ja, ihre Geschichte ist bis zu diesem Zeitpunkt noch total ähnlich dem, was die meisten jungen Frauen damals durchmachen mussten.
    Der Tod kann Robert nicht einfach sterben lassen, weil es wie du richtig erkannt hast, gegen die Regeln wäre. Sonst wäre es ja auch einfach für ihn. Obwohl dann immer noch das Problem wäre, wie er auf sich aufmerksam macht. Er kann ja schlecht jeden in ihrer Nähe um die Ecke bringen. ^^
    Das mit dem Traum wäre vielleicht eine Idee, wenn er denn fähig dazu ist. *rumorakel*


    @ Simsi68
    Oh, vielen Dank! Freut mich, dass es dir bisher gefällt und du dranbleiben willst. :)
    Fortsetzung ist so gut wie fertig. Mir fehlt nur noch ein wenig Text und das Korrekturlesen. :augzu


    @ xXRockStarXx
    Und ich freu mich, dass du wieder dabei bist. :)
    Mal schauen, was mir noch alles einfällt. Im Moment ist noch alles offen. Ausnahmsweise habe ich mir diesmal keinen festen Rahmen gesetzt wie sonst. *g*
    Wälder sind auch einfach toll und so einfach zu basteln. Die sind mir so viel lieber als Gebäude. :D
    Ich lad dich einfach ein, mal bei mir im Spiel vorbei zu schauen. ^^


    @ All
    Vielen lieben Dank für eure Kommis! :)
    Die nächste Fortsetzung sollte morgen eigentlich fertig sein. Es sei denn dieser vermaledeite Schnupfen hindert mich daran. ^^
    :wink

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    FS: Sunrise Update: 04.06.19


  • Tell me now baby is he good to you
    and can he do to you the things that I do oh no
    I can take you higher
    Oh oh oh I'm on fire
    (Bruce Springsteen – I'm on fire)





    Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich war so voller Wut und konnte sie nicht auslassen. Ich hatte niemanden, den ich sie hätte spüren lassen können. Also ging ich, verließ die Beiden und hoffte, dass mir endlich etwas einfiel, was ich tun konnte. Ich zog mich zurück in meine Zuflucht, denn dort war ich zumindest sicher, wenn der Hass aus mir raus brach. Ich wanderte den Weg zum See, denn das Gehen beruhigte meine unruhigen Gedanken. Je mehr ich meine Beine bewegte, umso mehr lichtete sich der Nebel in meinem Kopf. Ich wurde wieder ruhig.





    Als ich mich wieder im Griff hatte, blieb ich stehen. Ich hatte den Teich noch nicht erreicht, aber ich war ihm schon sehr nahe. Einen Fuß auf die verfallenen Ruinen gestellt, beobachtete ich den Weg zurück in die Welt. Ich wusste, ich würde nicht lange bleiben können. Schon zu lange hatte ich meine Pflicht vernachlässigt. Und doch bereute ich es nicht. Es kam mir richtig vor, mich zuerst um Sie zu kümmern als um alles andere. Heute weiß ich, dass es nur mein Egoismus war, der mir diese Wahrnehmung der Dinge vorgegaukelt hatte. Niemals hätte ich in meiner Aufgabe nachlässig werden dürfen, denn es war der einzige Grund, warum ich existierte.





    Ich konnte mir zwar gewisse Freiheiten erlauben, aber nicht auf Dauer abgelenkt sein. Mein einziger Vorteil war, dass ich die Zeit beeinflussen konnte. Ich konnte es so aussehen lassen, als hätte ich all die Menschen schon zur Schwelle begleitet. Ich musste mich nur wieder der Pflicht widmen und doch fiel es mir viel schwerer als sonst. Die bevorstehende Hochzeit ließ mir keine Ruhe. Aber ich hoffte, dass mir, wenn ich in der Welt der Sterblichen verweilte, eine erfolgversprechende Idee kommen würde. Nein, eigentlich legte ich all meine Hoffnung auf diesen Plan. Ich war am Ende meiner Weisheit und hoffte von ganzem Herzen, dass die Sterblichen mir einen Ausweg zeigen würden. Ich war mir der Ironie bewusst, dass mir jetzt tatsächlich die Menschen aus der Klemme helfen mussten. Gerade weil ich mich doch immer größer und besser als sie gefühlt hatte. Aber was hatte ich schon noch für eine Wahl? Sie kannten sich am Besten mit dem aus, was ich gerade fühlte und so erschien es mir nur logisch, dass ich dort einen Weg aus dem Dilemma finden würde.





    Doch es war frustrierend, denn ich irrte. Sie hatten keine Antworten für mich. Eher das Gegenteil, ich hatte nach einem langen Tag Seelen einfangen nur noch mehr Fragen offen. Doch bei meiner letzten Pflichtaufgabe wurde ich hellhörig. Ich kam in der Nacht. Das Mondlicht schien nur sacht und überall hatten die Bewohner des Herrenhauses Kerzen aufgestellt um die Dunkelheit fern zu halten. Das Ehepaar saß draußen auf steinernen Bänken und unterhielt sich. Ansonsten war niemand außer mir in der Nähe. Die Bediensteten waren schon entlassen worden. Außer den leisen Stimmen des Paares waren nur ein paar späte Grillen zu hören und in der Nähe krächzte ein Vogel sein Lied.





    Immer im Schatten haltend näherte ich mich den Beiden. Ich wusste, ich hatte noch ein wenig Zeit bevor ich ihn holen musste und so gönnte ich ihnen noch ein bisschen gemeinsame Zeit.
    „Erinnerst du dich noch an den Abend, als wir uns zum ersten Mal sahen?“ Fragte sie ihn. „Ich habe dich gar nicht wahr genommen.“
    Ich horchte auf.
    „Natürlich“, antwortete er lachend. „Ich musste mich ganz schön anstrengen um deine Aufmerksamkeit zu erlangen und wenn du nicht plötzlich in Ohnmacht gefallen wärst, säße ich heute hier wohl mit jemand anderen.“
    Sie lachte nun auch. „Ja, es war schon ein komischer Zufall, dass mein Kleid mir die Luft abschnürt hatte. Was das für ein Aufruhr gewesen ist.“ Ihr Lachen wurde lauter. „Aber ich sah nur noch dich nach diesem Abend.“ Ihre Stimme war zärtlich und liebevoll, es spiegelte sich in ihren Augen wieder als sie ihren Mann ansah.





    „So wie ich dich immer nur gesehen habe, in all den Jahren.“ Er lächelte sie an und wollte gerade ihre Hand ergreifen, als ich einschreiten musste. Es tat mir Leid die Beiden zu unterbrechen, aber ich hatte keine andere Wahl. Schon jetzt verschleierte sich sein Blick und er verkrampfte sich. Ich kniete mich nieder und nahm seine Hand. Ich blendete ihre Sorge aus und konzentrierte mich nur auf den Todgeweihten. Sanft versuchte ich es ihm leichter zu machen. Doch er konnte nicht loslassen. Seine Seele klammerte sich verzweifelt ans Leben. Er war noch nicht bereit für die Ewigkeit und ich wusste, dass ein Kampf werden würde ihn zur Aufgabe zu bringen.





    Es war ein hartes Ringen zwischen ihm und mir, übertönt von dem besorgten Ruf seiner Ehefrau. Auch wenn es mir wie eine Ewigkeit erschien, dauerte sein Kampf nur ein paar Sekunden. Seine Frau hatte kaum eine Chance auf zu springen und zu ihm zu eilen. Er sackte zur Seite und legte wie ein Kind die Beine auf die Bank. Gerade so als wolle er schlafen. Doch er schlief nicht. Seine Essenz lag nun bei mir und der letzte Atem entwich ihm mit einem leisen Seufzer. Ich machte einen Schritt zurück, gab ihr die Chance sich neben ihn zu knien und ihn besorgt zu schütteln. Doch es war zu spät. Auch sie begriff es langsam, strich ihm noch einmal sanft das Haar aus dem Gesicht und sagte leise ihre Abschiedsworte: „Ich liebe dich.“





    Um ehrlich zu sein, ich floh von der Szene. Ihre letzten Worte hämmerten sich mir ins Gedächtnis und verfolgten mich. Bis zu dem Abend hatte ich nicht gewusst, was es war, was mich so Anteil an Annabelles Leben hatte nehmen lassen. Aber als ich die letzten Worte der Frau hörte, wusste ich, dass ich selbst voll Liebe zu Annabelle entbrannt war. Es erschreckte mich, es ließ mich an mir selbst zweifeln und doch hatte ich nicht das Gefühl, dass es falsch war. Nein, es fühlte sich richtig an.
    Und so ging ich wieder zu ihr, wollte nur in ihrer Nähe sein während sie ihr Leben lebte. Aber ich wollte auch mehr, ich wollte ihr Leben verändern. Es musste einfach einen Weg geben.





    An diesem Morgen sah sie richtig zerbrechlich aus. Ganz so als wäre aus der vorher so stark erscheinenden jungen Frau eines von diesen hilflosen Mädchen geworden, die man überall findet. Aber doch war da der Glanz in ihren Augen, der mir zeigte, dass sie nicht schwach und hilflos war.
    Sie saß auf der Bank, auf der ich auch schon neben ihr gesessen hatte und ihr Blick ging ins Nichts. Bis sie aufblickte, weil sie Schritte gehört hatte. Es waren natürlich nicht meine. Ich stand diesmal ein Stück von ihr entfernt, damit ich nicht wieder in Versuchung kommen konnte, sie zu berühren. Ich wusste aber schon vorher, wem die Schritte gehörten, auch wenn ich ihn noch nicht sehen konnte. Auch Annabelle schien es zu wissen, ihr Blick wurde für einen Moment hart und voller Verachtung. Doch dann riss sie sich zusammen und machte ein möglichst unbeteiligtes Gesicht.





    Robert erschien wieder in edlen Kleidern und mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Er kam aus dem Haus, wo er wohl gerade mit ihrer Mutter gesprochen hatte. Er schien sehr mit sich selbst zufrieden und machte vor Annabelle eine leichte Verbeugung. Es sollte wohl höflich sein, aber mir kam es nur spöttisch vor. Wieder stieg der Hass auf diesen Mann in mir auf und ich bekämpfte ihn, weil ich mich nicht zu impulsiven Handlungen hinreißen lassen wollte. Ich hielt weiterhin meinen Abstand zu den Beiden auch wenn es mir mehr als schwer fiel.
    Annabelle hingegen schien die Ruhe selbst zu sein. Ein anderer Beobachter als ich hätte annehmen können, dass sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden hätte. Doch ich sah ihre Anspannung und ihre Abneigung gegen den Mann, dem sie versprochen war. Doch sie gab sich alle Mühe es vor ihm und wohl auch vor allen anderen zu verbergen.





    „Guten Morgen meine Liebe“, säuselte Robert in dem Versuch seine tiefe, raue Stimme sanfter klingen zu lassen.
    „Guten Morgen Herr“, antwortete Annabelle mit möglichst neutraler Tonlage. Ein wenig klangen ihre wahren Gefühle heraus, aber ich ging nicht davon aus, dass Robert sie bemerkt hatte, musterte er sie doch mit Gier in den Augen.
    „Ich habe mir gerade die Erlaubnis deiner Mutter geholt, dich heute von hier zu entführen“, sagte Robert immer noch in diesem süßlichen Ton. „Wir verbringen heute den ganzen Tag zusammen. Ich hoffe du freust dich. Steh von der kalten Bank auf und komm mit mir.“
    Annabelle gehorchte und stand auf. Und kaum stand sie vor ihm, nahm er ihre Hand und küsste sie, während sie versuchte glücklich auszusehen.
    In mir schlug der Hass und auch der Neid Wellen. Ich konnte es kaum fassen, wie er mit ihr umsprang. Ich hörte den Befehlston und wusste, wie ihre Ehe aussehen würde. Aber ich wusste auch, dass ich es nicht ertragen konnte den Beiden heute weiter zu folgen.





    Ich zog mich weit zurück und widmete mich erst einmal wieder meiner Pflicht. Doch ich war nicht richtig dabei diesmal. Eine Seele entglitt mir sogar, weil meine Gedanken immer wieder abschweiften und ich mich fragte, was Annabelle und Robert wohl gerade machten. Doch versagte ich es mir, sie zu beobachten. Es war zu schmerzhaft, zu sehen wie sie unter der Gesellschaft dieses Mannes litt. Ich wäre gerne für sie da gewesen, aber leider half ihr meine Anwesenheit nicht.
    Und so landete ich an diesem Abend am großen See. Ich setzte mich in den Sand und lauschte dem Geräusch der Wellen. Ich sog den Geruch des Wassers ein und dachte nach. Es musste einen Ausweg geben, denn ich wollte nicht länger hilflos sein. Ich dachte daran sein Leben zu beenden, aber ich wusste, dass die Strafe dafür fürchterlich sein würde. Und doch hatte die Vorstellung seinen Reiz, würde sie dann von ihm befreit sein.





    Doch dann drängte sich mir ein Bild auf, was mein Blut gefrieren ließ. Es zeigte Annabelle und Robert wie sie sich küssten und glücklich zu sein schienen. Und schon war der Zweifel in mir gesät. Was wenn ich irrte? Wenn sie für einander bestimmt waren und ich mir alles nur einbildete, weil ich wollte was ich nicht haben konnte. Was wäre, wenn Annabelle mit der Zeit anfangen würde Robert zu lieben? Einige arrangierte Ehen funktionierten so und wurden mit der Zeit glücklich. Und wenn ich Robert umbringen würde, dann wäre diese Chance vorbei.
    Ich war wie erstarrt. Doch dann löste ich mich mit einem Ruck von der Vorstellung. Es war abwegig. Ich konnte mich nicht irren. Sie hasste ihn genauso wie ich ihn hasste. Dessen war ich mir sicher. Es war keine Einbildung meinerseits.





    Es hatte angefangen zu regnen, während ich am Strand saß und über meine Möglichkeiten grübelte. Es störte mich nicht sonderlich, passte es doch zu meiner Stimmung.
    Ich zog ernsthaft in Erwägung die Welt von Robert zu befreien, aber ich konnte mir nicht sicher sein, dass der nächste von Annabelles Verehrern nicht genauso ein Mistkerl war. Nicht nur hätte ich dann für sie alles noch schlimmer gemacht, sondern auch mein Schicksal endgültig besiegelt. Ich wusste, dass die Strafe für ein solches Vergehen, die vollständige Vernichtung meinerseits gewesen wäre. Ich war nicht bereit dieses Risiko einzugehen, wenn ich mir nicht sicher war, ob es die Situation für sie besser machen würde. Ich behielt die Option allerdings im Kopf, für den Fall der Fälle. Es wäre mein letzter Ausweg.





    Lange Zeit saß ich im Sand und ließ die Umgebung auf mich wirken. Ich versuchte meinen Kopf leer zu machen, damit ich mich nicht zu sehr an die Vorstellung gewöhnte Robert zu holen. Mit der Zeit gelang es mir mich von der Idee zu lösen.
    Als ich so dasaß, kamen mir plötzlich Wortfetzen von einem meiner letzten Aufträge in den Sinn. Und langsam aber sicher, begann eine neue Idee seinen Anfang zu nehmen. Ich war mir nicht sicher, ob es funktionieren würde und es war vermutlich gefährlich. Trotzdem wollte ich es versuchen. Es war wenigstens eine Möglichkeit zu verhindern, dass ich zum Mörder wurde.
    Der Regen hörte auf und ich erhob mich vom nassen Sand. Ich wusste nun, was ich zu tun hatte.


    *Fortsetzung folgt*

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

    Einmal editiert, zuletzt von Llynya ()



  • So you resigned yourself to failure, my friend
    And I emerged the chilling stranger, my friend
    To eradicate the problem, my friend
    Unsheathe the blade within the voice
    (Marillion - Assassing)





    Oh ja, ich wusste, was ich tun musste, aber ich war mir absolut nicht sicher, ob es auch funktionieren würde. Ob ich überhaupt in der Lage war, so etwas zu tun. Ob ich die Möglichkeit dazu finden würde. Ob ich danach nieder gestreckt werden würde, für die Einmischung.
    Ich hätte es nicht mit Bestimmtheit sagen können, aber ich wusste, dass ich mich an der Grenze dessen befand, was mir erlaubt war. Doch ich war mir sicher, dass es das Risiko wert war. Aber bevor ich meinen Plan in die Tat umsetzen wollte, musste ich noch einmal versuchen an Annabelle heranzukommen, ohne sie oder mich in zusätzliche Gefahr zu bringen.





    Ich fand sie am Flussufer, wo sie gerade dabei war die Wäsche zu waschen. Kaum war ich in ihrer Nähe verzog sich mein Mund zu einem Lächeln. Sie machte mich glücklich, ohne das sie etwas dazu tun musste. Ich musste mich regelrecht zusammenreißen, damit ich nicht vergaß wozu ich hier war. Und doch beobachtete ich sie eine Weile, wie sie sich mit der nassen Kleidung abmühte. Ich konnte nicht anders und wie es aussah drängte die Zeit auch noch nicht. Ich wusste, dass sie noch eine Weile beschäftigt war und kostete alles aus, obwohl mich die unbestimmte Vorfreude kribbelig machte. Nicht, dass ich ernsthaft damit rechnete Erfolg zu haben, aber ich konnte die leise Hoffnung nicht unterdrücken.





    Als sie ihr letztes Wäschestück in Wasser tauchte, sah ich meine Chance gekommen. Ich begab mich in das kalte Nass, ohne die Kälte zu spüren, und wartete auf den richtigen Moment zum Auftauchen. Annabelle sah mich natürlich nicht, aber das war auch nicht meine Absicht gewesen. Ich passte den richtigen Augenblick sekundengenau ab und tauchte mit einem Sprung auf. Im Auftauchen wirkte ich ein wenig von meiner Magie, nur soviel, dass das Wasser auf mich reagierte. Es war die selbe Magie, die es mir ermöglichte starre Gegenstände zu berühren. Das Wasser spritzte auf und ich war wieder an der Oberfläche.





    Annabelle schrie auf und taumelte nach hinten. Sie war nur geringfügig nass geworden, darauf hatte ich geachtet. Aber sie sah verwirrt aus und schüttelte leicht den Kopf. Misstrauisch beäugte sie das nun wieder ruhige Wasser. Sie sah nicht, was dieses Phänomen hätte auslösen können und das verstörte sie leicht. Aber sie hatte etwas gespürt und das war mein erstes Ziel gewesen. Ich wusste, dass das hier nicht der Schlüssel war, aber ich musste einfach meine Grenzen austesten. Auch wenn es mir schwer fiel, sie so zu verunsichern. Aber ich sagte mir immer wieder, dass ich es wieder gut machen würde, sobald sie endlich Notiz von mir nehmen würde.





    Als sie sich von dem Schreck erholt hatte, setzte sie sich auf und ich kniete mich neben sie. Sie hatte die Hand am Kopf, ganz so als wüsste sie nicht, ob sie ihren Sinnen noch trauen könne. Ich hockte mich ganz nah an sie heran und flüsterte ihr leise zu:
    „Du brauchst dich nicht zu fürchten. Dir wird nichts passieren. Alles ist gut.“
    Sie hörte mich nicht, aber ihre Anspannung wich von ihr. Ich konnte sehen, wie sie sich einredete, dass ihre Sinne ihr einen Streich gespielt hatten und dort im Wasser nichts war. Sie blieb noch einen Moment sitzen und starrte ins Wasser. Doch da sie darin keine weitere Störung sehen konnte, verschwand auch noch der letzte Rest ihres Misstrauens.





    Sie stand auf und ich mit ihr. Sie sah auf ihre fertige Wäsche und das eine Kleidungsstück was vergessen und klatschnass auf dem Boden lag. Doch bevor sie sich danach bücken konnte, schlang ich meine Arme um sie und hielt sie fest. Ich spürte ihren Körper unter meinen Händen und versuchte sie mit aller Macht fest zu halten. Ich fühlte ihr Zittern, als meine Kälte sie durchdrang. Nicht bereit Annabelle los zu lassen, verstärkte ich meinen Griff.
    „Du spürst nichts. Dir ist nicht kalt. Du willst hier stehen und dich nicht bewegen,“ raunte ich in ihr Ohr. Sie blieb stehen, abermals verwirrt, was los war. Sie hörte meine Stimme nicht, fühlte meine Hände auf ihrem Körper nicht und doch reagierte sie auf mich. Ein leichtes Gefühl von Triumph machte sich in mir breit. Ich begann zu hoffen.





    Immer fester hielt ich sie, versuchte sie davon abzuhalten sich nach dem nassen Hemd zu bücken. Ich wollte sie nicht quälen, aber ich tat es. Sie krümmte sich zusammen, bibberte vor Kälte und schlang ihre Arme um ihren Körper. Sie wusste nicht, warum es so kalt war. Wie hätte sie das auch wissen können?
    Ich ließ sie los und beendete mein kleines Experiment mit einem Gefühl von Triumph und Hoffnung. Sie erholte sich langsam wieder und war wieder verwirrt. Es wehte kein Lüftchen, so dass sie die plötzliche Kälte auf den Wind hätte schieben können. Sie schaute sich um, aber nicht deutete auf etwas hin, womit sie es hätte erklären können. Sie betrachtete sie versonnen und hätte ihr am Liebsten erklärt, was gerade geschehen war.





    Aber ich konnte das natürlich nicht. Und so beschloss sie nach kurzer Zeit ihre Wäsche zu nehmen und den Ort für heute zu verlassen. Sie wrang das letzte Kleidungsstück aus und schmiss es zu den anderen Sachen in den Korb. In ihrer Eile von hier weg zu kommen, machte es ihr nichts aus, dass es nicht mehr ganz sauber war. Es klebten einige Grashalme und ein wenig Erde daran.
    Ich sah ihr zu und fragte mich, wie es sein würde, wenn sie mich endlich ganz wahrnehmen würde. Ich freute mich auf den Moment, wenn es endlich soweit war. Doch zuerst musste ich weiter feilen an meinem Plan, denn trotz allem Ungemach was ich ihr bereitet hatte, wusste ich nun, dass es unter gewissen Voraussetzungen möglich war Menschen zu beeinflussen, auch wenn sie nicht wussten woher die Manipulation kam.





    Ich kehrte zurück in meine Zuflucht, wo mich das nächste Problem bei meinem Plan wie ein Hammer traf. Was war, wenn sie meine Kälte nicht ertragen konnte? Wie könnte ich sie je berühren, wenn sie jedes Mal fast zu Tode frieren würde, sobald ich ihr nahe kam? Darüber hatte ich bisher noch gar nicht nachgedacht und es war ein ernstes Problem. Ich musste einen Weg finden. Noch einen. So langsam wurde es frustrierend, wann immer ich eine Sache gelöst hatte, kam eine Neue dazu. Allmählich verstand ich die Menschen, wenn sie an einem Problem verzweifelten und keinen Ausweg mehr fanden.
    Nach einer Weile beruhigte ich mich wieder und fasste neue Zuversicht, in dem ich mir sagte, dass ich einfach eins nach dem anderen angehen würde. Zuerst musste ich den nächsten Schritt machen, damit mein Plan aufgehen konnte.





    Doch es war gar nicht so einfach, den perfekten Komplizen zu finden. Ich beobachtete einige Menschen, aber niemand kam in Frage für die Mission, die ich für ihn geplant hatte. Doch an einem Abend, hatte ich endlich Glück.
    Es war dunkel in der Gasse, wo er sein Opfer verfolgte. Der reiche Kaufmann bemerkte den Schatten hinter sich nicht und drehte sich nicht einmal um. Der Mörder bewegte sich fast so leise wie ich. Seine Schritte waren nur für meine Ohren zu hören und selbst sein Atmen verursachte keine Geräusche. Er war hervorragend für sein Vorhaben gerüstet und ich sah ihm an, dass er keinerlei Skrupel hatte. Sein Messer hatte er bereit in der Hand, als er immer näher zu dem Kaufmann aufschloss. Der Händler war so von seinen Gedanken eingenommen, dass er nichts ahnte. Ich machte mich bereit, genauso wie der Assassine.





    Als es soweit war, konnte der feiste Kaufmann sein Entsetzen nicht verbergen. Der Mörder war schnell und setzte sein Messer in Position, während er sein Opfer festhielt. Der Händler rechnete mit einem normalen Überfall und nahm automatisch die Hand an seine pralle Geldbörse.
    „Nehmt alles, was Ihr wollt, aber lasst mich am Leben“, flehte er mit zitternder Stimme.
    „Alles was ich will, ist Euer Leben“, antwortete der Mann mit dem Messer und lachte leise. „Ihr habt einige Leute zu häufig betrogen, mein Freund und jetzt ist Zahltag.“ Das Messer drückte sich noch weiter in die Haut und Blut floss. Die nackte Angst spiegelte sich auf dem Gesicht des Händlers wider, als er realisierte was gerade geschah.
    „Bitte! Ich flehe Euch an“, bettelte er vergebens. „Ich werde alles zurückzahlen und Ihr könnt Euch nehmen was Ihr wollt.“
    „Ich handel nicht mit Betrügern“, flüsterte der Mörder und vollendete seinen blutigen Auftrag.





    Der Kaufmann sank leblos zu Boden und ich sammelte seine Seele ein. Es war ein leichtes, da er keinerlei Widerstand mehr leistete. Der Assassine kniete sich ebenfalls nieder und überprüfte sein Werk. Er fühlte den nicht mehr vorhandenen Puls und nickte zufrieden. Dann nahm er den Geldbeutel des Kaufmanns und überflog kurz den Inhalt. Er lächelte und steckte die Börse ein. Danach zog er einen Zettel aus einer seiner Taschen. Diesen befestigte er an dem Wams des Toten und betrachtete seine Arbeit. Sichtlich zufrieden stand er auf und schickte sich an den Ort des Verbrechens zu verlassen. Ich beendete schnell meine eigene Arbeit, damit ihn ihn nicht aus den Augen verlor. Ich wusste ja nun, dass ich längere Zeit mit jemanden verbringen musste, damit ich ihn ohne Probleme immer wiederfand.





    Doch ich hätte mich nicht so beeilen müssen, denn der Mörder hatte es nicht eilig. Ich stellte mich einen Moment hinter ihn und beobachtete seine Bewegungen. Er bewegte sich geschickt und ich sah, dass er versuchte nicht aufzufallen. Es waren um diese Uhrzeit kaum noch Menschen unterwegs, aber er wollte das Risiko entdeckt zu werden nicht eingehen. So schaute er sich gewissenhaft um, ehe er aus der Gasse trat. Niemand außer mir bemerkte ihn, aber seine Wachsamkeit ließ nicht nach. Erst nachdem er das Dorf hinter sich gelassen hatte, entspannte er sich ein bisschen, wenn auch nicht viel. Er hörte auf die Geräusche der Nacht und bewegte sich natürlich im Einklang mit der Dunkelheit. Ein perfekter Jäger. Genau das was ich gesucht hatte.





    Ich folgte ihm den ganzen Weg zu seinem Versteck tief im Wald. Er spürte, dass er verfolgt wurde, denn er sah sich immer wieder verstohlen um, aber er konnte mich selbstverständlich nicht entdecken. Manchmal war es doch ganz hilfreich, mein Problem. Kurz vor seiner Hütte drehte er sich noch einmal halb zu mir um.
    „Ich weiß, dass du da bist“, raunte er. „Du kannst dich nicht vor mir verstecken. Und sei gewarnt, folgst du mir ins Haus, werde ich dich töten.“ Er sprach mit der ruhigen Gewissheit des Überlegenen. Er konnte ja nicht wissen, dass ich es war, der ihm folgte. Ich, dem er so lange Jahre gedient hatte. Ich lachte leise über die Ironie der Situation. Der Assassine sah sich noch einmal misstrauisch um und verschwand dann in der Hütte.





    Ich fühlte mich nicht an seine Warnung gebunden und folgte ihm trotzdem. Er konnte mich ja nicht töten und ich brauchte noch ein wenig Zeit mit ihm, um mich auf ihn einzustellen. Es war dunkel in dem Raum und ich brauchte einen kurzen Moment ehe ich ihn sah. Er hatte sich es auf seinem Bett bequem gemacht und beobachtete die Tür. Ich sah ihm an, dass er darauf wartete das die Tür aufging. Ich musste ihn da leider enttäuschen, denn für mich bedeutete die Tür kein Hindernis. Aber so gab es mir Zeit den Mörder in Ruhe betrachten zu können. Er war nicht mehr ganz jung und sein Leben hatte Spuren in seinem Gesicht hinterlassen. Das eine verbliebene Auge funkelte aufmerksam, selbst im Dunkeln. Sein Körper war durchtrainiert und hatte nicht ein Gramm Fett an sich. Unter dem Hemd zeichneten sich die Muskeln ab. Man sah ihm an, dass er sich nur selten wirklich entspannte und ständig wachsam seine Umgebung betrachtete.





    Ich weiß nicht mehr wie lange ich dort stand und mir die Persönlichkeit des Mannes einprägte. Irgendwann übermannte ihn die Müdigkeit und er schlief ein. Selbst im Schlaf machte er den Eindruck jederzeit aufspringen zu können und alles unter Kontrolle zu halten. Ich war beeindruckt und zufrieden mit meiner Wahl des Werkzeugs.
    Ich verließ die Hütte im Morgengrauen. Mein Plan nahm langsam Formen an und ich konnte es kaum erwarten die nächsten Schritte einzuleiten. Die Zeit brannte schließlich. Es war nicht mehr viel Zeit bis zur Hochzeit.


    *Fortsetzung folgt*

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

    Einmal editiert, zuletzt von Llynya ()

  • Zwei tolle neue FS!
    Oh je, oh je, ich ahne, was er da geplant hat......


    Dass Annabelle ihn langsam zu spüren beginnt, ist schon erstaunlich. DAs hast Du sehr bildlich und klasse beschrieben, das Frösteln, das seltsame Gefühl, dass etwas nicht greifbares passiert, was vielleicht nur Einbildung war usw.


    Bin gespannt auf den nächsten Teil! :)

  • @ Innad
    Ha, ich bin mal gespannt, was du so sagst, wenn sein Plan zu tragen kommt. :D
    Danke dir. Ich hätte mich an ihrer Stelle auch gefragt, was das seltsames wohl ist. Ich schätze mal, dass uns allen wohl mal unerklärlicherweise kalt war und wer weiß, was das dann wohl war. ^^


    Der nächste Teil kommt dann jetzt gleich. :)


    - - - Aktualisiert - - -



    And there's nothin' sure in this world
    And there's nothin' pure in this world
    Look for something left in this world
    Start again come on
    (Billy Idol – White Wedding)





    Zeit war das Problem. Von Anfang an. Sie hält einfach nicht an, wenn man es braucht, wenn man es möchte. Ich habe zwar einige Kräfte, die mich die Zeit beeinflussen lassen können, aber niemals kann ich die Zeit ganz stoppen. Sie ist unerbittlich in ihrem Verlauf und nichts in dieser Welt kann sie aufhalten. Noch nicht einmal der Tod.
    Sie sorgt dafür, dass die Sonne auf und wieder unter geht. Und das sich die Welt weiter dreht, was auch passiert. Sie sorgt dafür, dass wir alle unser für uns bestimmtes Schicksal erfüllen.





    Es schmerzt mich mehr als ich zugeben mag, aber es war nie mein Schicksal diese unglückselige Hochzeit zu verhindern. Sie brach mir und Annabelle das Herz und es gab nichts in dieser Welt, was sie hätte verhindern können. Es war so bestimmt.
    Das ist das Einzige, was mir die Kraft gab weiterzumachen. Ich musste einfach daran glauben, dass es so sein musste. Dass es keinen anderen Verlauf hatte nehmen können. Dass ein Mensch und der Tod leiden mussten. Dass wir keine andere Möglichkeit gehabt hatten, als es passieren zu lassen. Dieser Gedanke ist es, der es mir heute leichter macht darüber zu sprechen. Er tröstete mich damals, nachdem es geschehen war und bis heute klammere ich mich daran, denn ich kann es nicht ertragen zu denken, dass ich es vielleicht doch hätte verhindern können, wenn ich nur richtig gewollt hätte.





    Doch ich greife wieder einmal vor.
    Als ich Annabelle an diesem Morgen besuchte, fand ich sie im Pferdestall sitzend. Sie sah total unglücklich aus und ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Ich fragte mich, was wohl passiert war, aber ich bekam keine Antwort auf meine Frage. Sie sprach nicht ihrem Tier, sondern beobachtete es nur traurig. Ich dachte, dass vielleicht etwas mit dem Pferd war, aber ein kurzer Blick sagte mir, dass das Tier kerngesund war. Keinerlei Anzeichen von Krankheit oder gar Tod. Ihre Stimmung war mir ein Rätsel und sollte es auch bleiben. Ich fand keinen Anhaltspunkt für diese Traurigkeit, weder hier im Stall noch auf dem Rest des Grundstücks. Vielleicht ein Streit mit ihrer Mutter, dachte ich mir und beließ es dabei.





    Sie war lange in der Pferdebox und ich stand draußen und sah sie einfach nur an. Ich konnte nichts tun für sie, dass war mir klar. Es dauerte noch etwas bis ich meinen Plan in die Tat umsetzen konnte und ich konnte ja nicht ahnen, dass die Zeit fast abgelaufen war.
    Nach einer Weile hörte ich Schritte draußen und mir schwante Übles. Ich erkannte ihn, bevor er in den Stall trat. Mein Hass auf ihn war immer noch vorhanden und würde es auch immer bleiben. Ich funkelte ihn an, als er mit vor Süßlichkeit triefender Stimme nach Annabelle rief.
    „Annabelle, meine Liebe, bist du hier irgendwo?“
    Natürlich war sie hier und er wusste es auch, ging er doch schnurstracks auf die richtige Box zu.
    „Ja, hier bin ich“, ertönte es leise und man hörte das Stroh rascheln, als Annabelle sich erhob.





    Ich konnte sehen, wie sie aufstand und ihr Kleid von dem daran haftenden Einstreu befreite. Sie öffnete die Box ehe Robert es für sie machen konnte. Fast erwischte sie ihn mit der aufschwingenden Tür und ich hätte herzlich gelacht, wenn es ihr gelungen wäre. Doch es gab nichts Fröhliches an diesem Tag.
    „Schön, dass ich dich endlich gefunden habe“, säuselte Robert, als hätte er Stunden damit verbracht auf dem Hof nach ihr zu suchen. Mir wurde übel.
    „Nun, hier bin ich.“ Annabelle war nicht bereit auf sein Spielchen einzugehen und ich war ein wenig stolz auf sie.
    „Schön, schön“, schnurrte er fast. „Ich habe mit deiner Mutter gesprochen und ich habe großartige Nachrichten für dich. Für uns.“ Er lächelte, nein, er strahlte sie an, fuhr aber nicht gleich fort.
    „Nun, und was sind das für Nachrichten?“ fragte Annabelle mit mühselig geheucheltem Interesse.
    Robert ignorierte ihre offensichtliche Täuschung und grinste noch breiter. „Die Hochzeit wird schon morgen stattfinden. Ist das nicht großartig?“





    Mir wurde heiß und kalt und Wellen des Hass schlugen in mir hoch. In dem Moment hätte ich am Liebsten das getan, was mir verboten war. Ich war kurz davor Robert umzubringen. Doch ich zügelte meine Wut, nicht wegen mir sondern wegen ihr. Es hätte ihr nicht genutzt, sagte ich mir immer wieder.
    Während ich mit mir kämpfte, hatte ich ihre Antwort verpasst, aber ihr Gesicht sagte mir alles, was ich wissen musste. Es spiegelte Angst, Panik und Übelkeit wider. Sie war leichenblass geworden, aber sie versuchte trotzdem zu lächeln.
    Robert lächelte immer noch triumphierend. „Ich hoffe, du freust dich. Es war gar nicht so einfach alles so kurzfristig zu organisieren. Dein Kleid, die Kirche und den Priester. Leider werden dann nicht viele Leute zugegen sein, aber dafür haben wir es dann umso intimer. Ich bin ja so glücklich, dass es geklappt hat.“
    „Ja“, flüsterte Annabelle mit erstickter Stimme „ich auch.“
    Robert nickte sichtlich zufrieden, nahm dann ihre Hand und küsste sie zum Abschied. „Aber da noch so viel zu tun ist bis morgen, muss ich mich auch schon wieder von dir verabschieden. Am Besten gehst du zu deiner Mutter, sie wird dir alles weitere erklären. Bis morgen meine Liebste.“





    Annabelle riss sich zusammen, bis Robert den Stall wieder verlassen hatte. Doch kaum war er außer Sicht- und Hörweite, konnte sie das Schluchzen nicht mehr zurückhalten. Ihre Schultern fingen an zu beben und aus ihrem Mund kam ein erstickter Schrei. Sie fing herzzerreißend an zu Weinen, als all ihr Kummer aus ihr heraus brach. Sie tat mir unendlich Leid. Ich trat neben sie, versuchte sie zu stützen, zu halten und ihr Kraft zu geben, während mein eigenes Herz genauso brach wie ihres. Sie spürte meine Versuche nicht, zu tief saß der Schock über die so baldige Hochzeit. Sie hatte genauso wie ich gehofft, dass der Tag noch fern bliebe und jetzt war es viel früher als wir gerechnet hatten. Es war das erste Mal, dass ich mich fragte, warum der Mistkerl es so verflucht eilig hatte eine einfache Bauerntochter zu heiraten.





    Nachdem sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte, machte sie was Robert ihr gesagt hatte. Sie ging zu ihrer Mutter, die sich in der Küche befand.
    „Mutter“, murmelte sie heiser vom Weinen. „Robert war gerade bei mir. Ist es wahr?“ Man konnte das Flehen hören. Sie hatte noch ein winziges Fünkchen Hoffnung, dass es nur ein übler Scherz war. Doch auch dieses letzte Quäntchen wurde ihr sofort genommen.
    „Ja, mein Liebes“, seufzte ihre Mutter. „Er meint es ernst mit dir. Und du solltest dich freuen, dass es so schnell geht. Wir könnten sonst die Abgaben nicht zahlen diesen Monat und die Eintreiber werden sich nicht mit leeren Versprechungen zufrieden geben. Es muss sein und zwar so schnell wie möglich. Ich bin nur froh, dass Sir Robert das genauso sieht. Er liebt dich jetzt schon so sehr, dass er auf mein Drängen zur Eile eingegangen ist.“
    Annabelle schwieg einen Moment verbissen. Sie wusste, dass ihre Mutter Recht hatte, aber sie wollte es nicht einsehen.





    „Hätten wir es nicht einfach versuchen können? Was wäre, wenn wir eins der Tiere verkaufen würden? Würde es dann reichen?“ Sie wagte dann doch noch einen Versuch ihre Mutter zu überreden.
    „Nein, nein und nochmals nein“, herrschte ihre Mutter sie an. „Wir können es uns nicht leisten etwas zu verkaufen. Weniger Tiere bedeuten weniger Einkommen im nächsten Monat. Wie oft soll ich es dir denn noch erklären. Du weißt es doch selber, dass wir keine andere Wahl haben. Ihr müsst heiraten und das so schnell wie möglich. Du kannst nur froh sein, dass du so einen Ehemann bekommst. Er wird dich auf Händen tragen. Das ist mehr als man von den meisten Männern erwarten kann.“
    Annabelle war geschockt über die Ignoranz ihrer Mutter. Ich konnte sehen, dass sie ihr am Liebsten gesagt hätte, was Robert in Wahrheit für ein Mensch war und was sie in ihrer Ehe zu erwarten hatte. Aber sie beherrschte sich eisern, kniff den Mund noch fester zusammen und ließ die Tirade ihrer Mutter über sich ergehen.
    „Und nun lass uns über Morgen sprechen. Wir haben noch soviel zu tun.“
    „Ganz wie du möchtest, Mutter.“





    Ich blieb bei ihr, den ganzen langen Tag. Verfolgte die beiden Frauen bei jedem ihrer Schritte und versuchte nicht daran zu denken, dass Annabelle ab morgen nicht mehr frei sein würde. Auch ihr erging es wie mir. Sie riss sich zusammen und ging mit ihrer Mutter das Programm für den morgigen Tag durch. Stur und ohne weitere Klagen oder Versuche ihre Mutter doch noch von der Idee abzubringen. Sie hatte bereits aufgegeben. Ich konnte es ihr ansehen, während ihre Mutter es gekonnt ignorierte. Die Maske der Beherrschung fiel erst als sie abends in ihrem Bett lag.
    Sie lag auf ihrem Bett, die Decke hatte sie unter sich begraben, als wäre selbst das leichte Gewicht zu viel für sie. Sie so zu sehen zerriss mein Herz noch mehr, gerade weil ich absolut nichts mehr für sie tun konnte. Ich schob meine Hand unter ihre und hoffte, dass sie die plötzliche Kälte nicht noch mehr mitnehmen würde. Doch ihre Hand blieb wo sie war und mich tröstete die Wärme, die sie abgab, ein wenig.
    Wir blieben die ganze Nacht so. Annabelle starrte ins Nichts und konnte kein Auge zu bekommen. Wann immer sie die Augen schloss, quollen Tränen hervor. Und so kämpfte sie scheinbar einsam und verlassen gegen das Unvermeidliche.





    Der nächste Morgen kam dennoch viel zu früh. Kaum hatte die erste Helligkeit ihr Schlafzimmer erreicht erhob sie sich langsam wie eine alte Frau. Sie setzte sich auf und starrte auf den Fußboden und ihre Füße. Die Stimme ihrer Mutter erklang aus dem Flur, ermahnte sie sich zu beeilen. Mit einem Ruck stand sie auf, streckte sich und trat ihren Gang ins Bad an. Sie ignorierte das Kleid, was an ihrem Schrank hing geflissentlich. Im Bad wusch sie sich das Gesicht, versuchte die schlaflose Nacht zu vertuschen. Ich wollte ihr ein wenig Privatsphäre lassen und wartete vor der Tür. Als sie wieder aus dem Bad kam sah sie schon frischer aus, aber so ganz ließen sich die Spuren nicht verwischen. Ihre Mutter erwartete sie ebenfalls, um ihr in ihr Kleid zu helfen und ihre Haare zu machen.





    Es dauerte eine Weile, aber das Ergebnis war bezaubernd. Ich verfluchte Robert zwar, aber ich musste sagen, dass er wusste was gut an ihr aussah. Das Kleid, was er ausgesucht hatte passte wie angegossen und der Schmuck unterstrich ihre Schönheit. Ihre Mutter hatte ihr Haar wunderschön gebändigt und ihr mit ein wenig Farbe noch mehr Frische verpasst. Sie war zwar immer noch leichenblass, aber sie sah nicht mehr so krank aus.
    Auch hatte sie ihr Gesicht unter Kontrolle und ich bewunderte sie dafür. Je näher der Zeitpunkt der Trauung rückte, desto beherrschter wurde ihr Mimik. Ganz im Gegensatz zu mir. Ich litt in jeder Minute, die verstrich noch mehr.
    „Es tut mir so unendlich Leid“, flüsterte ich, als sie sich zum letzten Mal die Hände wusch. Sie hörte mich nicht, reagierte nicht und meine entschuldigenden Worte verklangen in der Stille des Badezimmers.





    Ich weiß nicht mehr, wie sie es schaffte bis vor den Altar zu treten. Für mich war es die reinste Folter. Ich war ihr so nahe wie möglich, obwohl es die reinste Qual für mich war. Annabelle und Robert standen vor dem Altar und der alte Priester hielt seine Rede. Ich weiß nicht, wie sie es schaffte Robert auch noch an zu lächeln. Sie schien von irgendwoher Kraftreserven zu bekommen, um die ich sie bitter beneidete. Robert selbst lächelte kaum. Er erschien eher ungeduldig, als könnte es ihm gar nicht schnell genug gehen.
    Sowohl das Brautpaar als auch ich, bekam von der eigentlichen Zeremonie nichts mit. Die Worte des Priestern plätscherten um uns herum, doch wir nahmen sie nicht wahr. Genauso wenig wie die wenigen Gäste, die es doch noch zu der kurzfristigen Veranstaltung geschafft hatten. Zu gefangen waren wir von unseren eigenen Gedanken.





    Viel zu früh, kam der Teil der Hochzeit, vor der Annabelle und ich uns gefürchtet hatten. Der Priester beendete die Trauung und die Beiden mussten ihren Bund besiegeln. Ich konnte Annabelles Gesicht nicht sehen, wohl aber Roberts. Gier war in seinen Augen zu sehen und mich schüttelte es vor Wut. Ich konnte nicht hinsehen, als das Brautpaar sich küsste. Ich warf mich auf den Boden und flehte die höheren Mächte an, doch einzugreifen. Diese Scheußlichkeit nicht zu zu lassen und sie vor dem Schicksal zu befreien.
    Doch nichts geschah. Sie küssten sich, besiegelten damit den Bund der Ehe und dann war es vorbei. Sie waren nun offiziell verheiratet und Annabelle scheinbar für immer für mich verloren.





    Doch ich konnte nicht gehen. Ich konnte sie nicht alleine lassen. Zu groß war die Angst vor dem, was jetzt mit ihr passieren würde. Sie hatte sich an den Mann gebunden, den sie verabscheute und es gab kein Zurück mehr.
    Die wenigen Gratulanten, die in der Kirche waren, erledigten ihre Pflicht mehr aus Höflichkeit als aus anderen Gründen. Jeder wusste, dass dies keine Liebesheirat war und darum hielten sie sich zurück. Allzu schnell verteilten sich die Gäste wieder. Es gab keine große Feier. Dazu hatte die Zeit nicht mehr gereicht. Das frisch vermählte Paar verließ die Kirche schnell und zielstrebig. Die einzigen Beiden, die darüber glücklich zu sein schienen, waren Robert und Annabelles Mutter. Annabelle selbst lächelte nicht mehr. Ihre Augen waren leer und wenn sie sich nicht auf den Arm ihres Mannes gestützt hätte, wäre sie wohl zusammen gesackt. Alles Leben war aus ihr verschwunden und auf dem Weg zurück auf ihren Hof, sagte sie kein Wort, trotz dass Robert sie immer wieder ansprach. Kaum in ihrem Zuhause angekommen lenkte er sie auch schon in ihr Schlafzimmer.





    Dorthin folgte ich ihnen nicht. Ich wollte es nicht wissen, nicht sehen. Es brach mir sowieso schon das Herz zu wissen, dass er jetzt jedes Recht hatte sie zu berühren. Doch ich stand noch lange vor der Tür und starrte sie in stummer Wut an. In meinem Kopf herrschte Leere und erst viel später fing ich an mich zu fragen, warum sie in ihr Haus gegangen waren und nicht zu ihm auf sein Anwesen. Aber es waren nur müßige Gedankenfetzen, ich war in meinem momentanen Elend nicht wirklich an einer Antwort interessiert. Das kam erst viel später.


    *Fortsetzung folgt*



    Ich hoffe, die Bilder werden gleich wieder angezeigt. Eben habe ich sie noch gesehen und dann waren sie weg. O.o

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

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  • I still love you girl
    I really love you girl
    And if he ever hurts you
    True love won't desert you
    (Journey - Separate Ways (Worlds Apart))





    Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie ich zurück in meine Zuflucht gekommen war, aber ich war ein Wrack. Ich schaffte es bis kurz vor meinem See, ehe ich mit Schmerzen in der Brust zusammensackte. Noch nie hatte mein Körper so reagiert, aber in meinem Elend nahm ich es kaum wahr. Der Schmerz wurde stärker und ich griff mir an mein Herz, als ich im nachtfeuchten Gras hockte. Ich atmete schwer, während in meinem Kopf die Bilder der Hochzeit herumwirbelten.





    Um den Schmerz zu betäuben schmiss ich mich ins kühle Gras, aber es nützte nichts. Ich weiß nicht mehr wie lange ich dort lag und Welle über Welle durch meinen Körper raste. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Ich verlor jedes Gefühl für Zeit als ich gegen den allmächtigen Schmerz kämpfte. Ich war froh um die Dunkelheit, die mich einhüllte. Es war entwürdigend, wie ich dort so lag und mich vor Krämpfen krümmte. Niemals hätte ich gedacht, dass man so leiden konnte. Dass ich so leiden konnte. Niemals zuvor war so etwas mit mir geschehen und es wundert mich immer noch, wie heftig der Schmerz in jener Nacht war.





    Es erschien mir wie eine ewige Nacht. Vielleicht war sie das ja auch. Zeit war relativ und vielleicht sorgte ich unbewusst dafür, dass es um mich herum dunkel blieb. Die Nacht war wie eine schützende Decke, die mich vor dem Grauen des Tages schützte. Leider konnte sie mich nicht vor den Bildern in meinem Kopf schützen.
    Irgendwann viel später schaffte ich es mich aufzusetzen, der Schmerz ebbte langsam ab, aber er verschwand nicht. Es kam mir vor, als könnte nichts diese Pein in mir verschwinden lassen. Lange saß ich da und versuchte meinen Körper dazu zu zwingen, ruhig zu werden. Es musste ja weitergehen, auch wenn sie für mich verloren schien.





    Ich erhob mich nach einer Weile und schaffte es bis zu meinem Lieblingsplatz. Lange stand ich dort und ließ mich von den leichten Wellen im See beruhigen. Das Wasser war ebenfalls in leichter Aufruhr, eine Reaktion auf meinen Gefühlszustand. Normalerweise war der See ein Ort der Stille und Ruhe, aber ich konnte die Spuren des viel größeren Aufruhrs sehen. Die Steine waren noch nass von den Wellen, die über sie hinweg gefegt waren. Das Ufer glänzte noch silbrig vom Wasser, das die dort wachsenden Gräser durchnässt hatte. Doch je ruhiger ich wurde, umso mehr beruhigte sich auch das Wasser. Ich ließ das leichte Plätschern auf mich wirken und versuchte mir einzureden, dass für sie alles gut werden würde.





    Ich sah es vor mir, wie sie mit Robert glücklich war. Ich sah wie sie sich glückselig an ihn schmiegte und er sie wirklich auf Händen trug. Ich sah ihr zufriedenes Lächeln und wie sie sich bei ihm fallen lassen konnte.
    Ich sah das Alles vor mir und ich wusste, dass es eine Lüge war. Ich wusste, dass sie niemals mit ihm glücklich sein könnte. Ich war mir dessen so sicher, wie ich mir sicher war, dass nach Regen die Sonne wieder scheinen würde. Ich wusste, dass diese Gewissheit der Grund für meinen Schmerz war.





    Es machte mich wütend und gleichzeitig hilflos. Ich konnte mir keinen Weg vorstellen, wie ich ihr helfen konnte. Ich hatte nur einen Plan, wie ich es schaffen konnte, dass sie mich wahrnahm. Es war unausgereift und schwierig, aber es war meine einzige Möglichkeit. Auch wenn sie zu spät kam, um die Hochzeit mit diesem Ekel zu verhindern. Doch von jetzt an würde ich all meine Energie darauf verwenden, um diese Idee in die Tat umzusetzen. Das war ich ihr und auch mir selbst schuldig. Vielleicht könnte ich dadurch auch das Schlimmste verhindern und ihr dann wenigstens richtig beistehen. Denn ich wusste tief in meinem Innern, dass sie diesen Beistand nötig hatte.





    Wie nötig sie ihn wirklich hatte, sah ich im Licht des nächsten Morgens. Ich wusste nicht, wie viel Zeit ich verloren hatte in meinem Elend, aber es schien wenigstens mehr als ein Mond gewesen zu sein. Ich war mehr als erschrocken, als ich Annabelles Gesicht an diesem Morgen sah. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen und eines ihrer Augen war blau. Man sah ihr an, dass sie noch mehr Schmerzen hatte, während sie sich ein wenig wenig Wasser ins Gesicht spritzte. Ihre Bewegungen waren langsam und vorsichtig.
    Wut durchflutete mich wie ein weiß glühender Strahl aus Hitze. Ich war kurz davor, alle Bedenken gegenüber dem Töten über Bord zu werfen und die Konsequenzen dafür zu tragen. Es wäre so eine Erleichterung, aber ich konnte es nicht tun. Nicht weil ich Angst um mich hatte, sondern um sie. Irgendetwas war faul an Robert und ich hatte Bedenken, was sein plötzlicher Tod für Auswirkungen hätte.





    Und ich war nicht der Einzige, der sich Sorgen um Annabelle machte. Auch ihre Mutter hatte inzwischen erkannt, dass es nicht die beste Idee gewesen war, Annabelle an Robert zu verschachern.
    „Es tut mir Leid“, sagte sie wohl schon zum hundertsten Mal und berührte leicht Annabelles lädiertes Gesicht.
    Annabelle zuckte leicht zusammen. „Bitte lass das doch. Und hör auf, dich zu entschuldigen. Ich weiß, dass es dir Leid tut, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass wir ihm jetzt ausgeliefert sind.“ Sie klang müde und geschafft, obwohl es erst Morgen war. Sie seufzte leise und drehte sich von ihrer Mutter weg. „Es ist das Beste, wenn wir versuchen die vielen Gemeinheiten zu ignorieren. Es bringt doch nichts, wenn wir uns beklagen.“
    „Du hast Recht, aber trotzdem möchte ich, dass du weißt das es mir wirklich unendlich Leid...“
    „Hör endlich auf!“ Annabelle erhob die Stimme, um ihrer Mutter über den Mund zu fahren. „Ich will das nicht mehr von dir hören.“





    Mit diesen Worten verließ sie die Küche und ließ ihre Mutter dort mit hängendem Kopf stehen. Ich drehte mich nochmal kurz zu der alten Frau um und sah, dass auch sie richtig verzweifelt aussah. Was tat dieser Mann den beiden Frauen bloß an?
    Diese Frage beschäftigte mich als ich Annabelle zum Brunnen folgte. Sie ging vorsichtig und war wesentlich langsamer als noch vor einiger Zeit. Ich machte mir wirklich Sorgen um sie. Mit schmerzverzerrten Gesicht betätigte sie die Winde und holte einen Eimer Wasser hoch. Sie brauchte mehrere Anläufe ehe sie es schaffte, den Eimer nach oben zu ziehen. Ich versuchte ihr Kraft zu geben in dem ich den Arm um sie legte, aber alles was ich erreichte war, dass sie zitterte. Hastig nahm ich den Arm wieder von ihren Schultern. Das war doch frustrierend.





    Ich folgte ihr den ganzen Tag über, verfolgte ihre Bewegungen und brodelte vor Wut über den Mistkerl, der ihr das angetan hatte. Und das völlig legal. Niemand konnte Robert Einhalt gebieten. Sie war seine Ehefrau und er hatte jedes Recht sie so zu behandeln, wie er es für richtig hielt.
    Ich musste mich zusammenreißen als Annabelle ihrem Ehegatten das Essen servierte. Ich war so wütend, dass ich mich kaum zügeln konnte. In meinem Kopf spielten sich viele Möglichkeiten ab, wie ich Robert am liebsten töten wollte. Ich hatte schon so viel Tode in meiner Existenz gesehen und einer war grausiger als der andere. Und doch konnte ich es nicht tun. Ich wusste einfach nicht, was für Folgen es hatte wenn ich es tat. Ich hatte keine Angst um mich, aber um sie. Es musste ja einen Grund für diese Hochzeit geben und der hatte bestimmt nichts damit zu tun, dass Robert einfach nur den Hof haben wollte.





    Ich konnte es nicht länger ertragen. Also ging ich, wohl wissend, dass sie bald wieder alleine im Schlafzimmer mit ihrem Mann war und er nicht zimperlich mit ihr umging. Ich hoffte nur, dass sie nichts tat, was ihn aufregen konnte.
    Ich wusste, dass ich was tun musste, um Annabelle dazu zu bringen, mich zu sehen. Ich hoffte, dass es ihr helfen würde, wenn sie jemanden hatte, der ihr beistand. Und so machte ich mich auf zu dem Berufskiller, der mir dabei helfen sollte. Er war in seiner Hütte zu finden und kam gerade von einem Auftrag. Ich sah ihm an, dass es ihm schwer fiel wieder zu sich zu finden. Der letzte Auftrag schien ihn mitgenommen zu haben. Ich frohlockte, so würde er meinen Einschmeichelungen leicht erliegen.





    Trotzdem beobachtete ich ihn noch eine Weile. Sah mir genau an, wie die Linien in seinem Gesicht verliefen. Ich sah seinen Zweifel an seinem Tun und doch sah ich, dass diese Bedenken für ihn bedeutungslos waren. Er würde nicht aufhören, denn es war das Einzige, was er wirklich beherrschte. Und genau deshalb war er genau der Richtige für das was ich mit ihm vorhatte. Er würde genau das tun, was ich von ihm verlangte und ich hoffte, dass es die richtige Entscheidung war, diesen Weg zu gehen. Es barg so viele Risiken und das nicht nur für mich, sondern auch für sie. Und doch musste ich das Risiko eingehen und dem Schicksal eine Chance geben.
    Ich stieß mich von der Wand ab und machte einen Schritt auf ihn zu.





    „Du wirst tun, was ich dir sage“, raunte ich, als ich mich langsam auf ihn zu bewegte. „Du gehörst mir.“
    Ich stellte mich neben ihn und ergriff seinen Arm. Ich spürte, wie ein Schauer durch ihn lief. Er spürte die Kälte und das machte mich sicherer.
    „Ich werde dir sagen, was du zu tun hast und ich verlange, dass du es genauso ausführst“, flüsterte ich leise. „Solltest du das nicht tun, dann wird deine Strafe fürchterlich sein.“
    Der Mörder schüttelte sich leicht und stand auf. Ich ließ seinen Arm los und er ging zu dem schmutzigen Fenster.




    Ich stellte mich dicht neben ihn. So dicht, dass ich spüren konnte, wie er auf meine Kälte reagierte. Ich beugte mich dicht an sein Ohr und fing an zu flüstern.
    „Du wirst tun, was ich dir sage. Du gehörst mir.“ Immer und immer wieder die gleichen Zeilen.
    Er schüttelte den Kopf, gerade so als würde eine Fliege um ihn herumschwirren. Ich grinste. Es würde klappen, davon war ich überzeugt. Die Nacht schritt voran, während ich ihm immer wieder die Worte ins Ohr flüsterte. Es würde noch dauern, bis die Methode anschlagen würde, aber ich war davon überzeugt, dass es werden würde. Erst als die Sonne langsam aufging, hörte ich auf.


    *Fortsetzung folgt*


    Sorry, dass es doch länger gedauert hat, aber der Text wollte nicht so wie ich. -.-

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    FS: Sunrise Update: 04.06.19

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  • Huii, wie konnte ich deine FS nur so lange übersehen?


    Gefällt mir sehr gut, richtig spannend. Und alles sehr rätselhaft. Ich frage mich, was es sich mit der Hochzeit auf sich hat. Meine Theorie wäre ja, dass Anabells Ehemann womöglich ein Hochstapler ist und gar nicht so reich, wie er wirkt. Unglaublich, dieser Mann, ich hoffe nur, der Tod findet schnell eine Lösung.


    Dafür ist mir der Mörder irgendwie sympathisch, keine Ahnung, der hat was. :)
    Ich bin gespannt auf die nächste Fortsetzung, hoffentlich geht es schnell weiter.

  • Ach du lieber Himmel, ich habe beim letzten Mal gar nicht kommentiert? Wie konnt das nur passieren? :(


    Ich fand die letzten beiden FS sehr, sehr gut gelungen. Was mich aber in der aktuellen schockt ist, wie schlecht Robert mit Annabelle umgeht. Das hätte ich wirklich nicht gedacht, und dass macht unseren Todesboten natürlich noch wütender und bringt ihn noch eher dazu, seinen Plan umzusetzen.
    Wie traurig für das arme Mädchen, dass sie in so eine schwere Falle gelockt wurde ...


    Was ich aber gerade nicht so ganz verstehe - aber ich denke, das wird noch aufgeklärt :D - ist, wieso der Tod dem Kerkermann etwas "auftragen" kann`? Denn eigentlich hört, sieht und fühlt ihn ja niemand, oder?


    Mh...


    WAS er ihm aufträgt, ist relativ naheliegend. Ich nehme an, dass er Robert ermorden soll. Aber das würde Annabelle auch nicht zu IHM bringen. Und er wird vermutlich damit ein hochheiliges Gesetz brechen... ohje ohje, das kann ja alles nicht gutgehen :rollauge

  • Kommibeantwortung


    @ CindyVielleicht weil sie so klein und unauffällig ist. :roftl
    Freut mich, dass es dir bis hierher gefällt. So rätselhaft ist es doch gar nicht. ^^
    Tja, was es mit Robert auf sich hat, wird sich noch klären im Laufe der FS. Noch verrate ich hier nichts. :D
    Jaaa, mein Assassine gefällt mir auch gut. Daher hab ich ihn auch für mehr eingeplant. Eigentlich sollte er nur den Auftrag vom Tod ausführen und dann wieder verschwinden. Und jetzt kriegt er mehr Spielzeit. ^^


    @ Innad
    Wahrscheinlich gings dir wie mir bei dir. Gelesen, nicht gleich was gesagt und dann aus den Augen verloren. Passiert mir ständig. :rolleyes
    Ja, ich bin gemein zu Annabelle, aber ich musste es ihr schwer machen. Sie wird ja schon noch genug zu knabbern haben, wenn sie erstmal ihren (un-)heimlichen Verehrer kennengelernt hat. Darum muss ich ihr das ja ein wenig schwer machen, damit sie ich eher auf den Tod einlassen kann. Und eigentlich quäle ich meine Protagonisten gerne mal. :fiu
    Der Assassine und der Tod sind halt aufeinander eingespielt. Der Mörder "arbeitet" ja schon lange für den Tod, daher besteht zwischen den Beiden eine Verbindung. Er hat ja auch den Tod hinter sich gespürt als diesen ihn verfolgt hat. Und nein, die Worte versteht er nicht, aber er wird wissen was er machen soll. Sieh es einfach als plötzliche Eingebung, die ihm vom Tod eingegeben wurde. :augzu
    Was genau der Tod ihm aufträgt, das kommt in der nächsten Fortsetzung. *nix verrat*


    @ All
    Wann es weitergeht kann ich noch nicht sagen, aber ich nehme mir auf jeden Fall vor am Wochenende die Bilder zu knipsen. :)

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    FS: Sunrise Update: 04.06.19



  • Now that I know what I’m without
    You can't just leave me
    Breathe into me and make me real
    Bring me to life
    (Evanescene – Bring me to life)





    Es war soweit. Alles war vorbereitet. Der Ort stand fest, die Zeit war gekommen. Und ich wartete auf die beiden Hauptdarsteller und meinen Auftritt.
    Es war Mittagszeit und die Wärme des Sommers hatte ihren Höhepunkt erreicht. Die Luft flimmerte vor Hitze, kein Windhauch regte sich. Alles war ruhig, als hielte die Welt den Atem an, selbst die Vögel waren stiller als sonst. Als würde ihnen die Wärme ebenso zusetzen wie den Menschen. Sie hockten auf ihren Ästen und rührten sich kaum, die Flügel leicht von sich gestreckt, damit sie wenigstens ein wenig Kühlung hatten. Unten im hohen Gras hörte ich die Bienen summen. Alles war friedlich bei dem alten Turm. Doch ich wusste, das dieser Frieden bald gestört werden würde und ich war dafür verantwortlich.





    Ich wartete oben auf dem Turm und die Sonne brannte auf mich hinab. Doch ich spürte die Hitze nicht, ich war nervös. Fragte mich, ob ich das Richtige tat. Es gab keine Garantie für den Erfolg und ein Misserfolg hätte schlimme Konsequenzen zur Folge.
    Ich schloss die Augen, wollte nicht an den Misserfolg denken. Ich klammerte mich an die Hoffnung auf Erfolg. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Bald war es soweit, bald würde sie mich zum ersten Mal sehen, wenn alles gut ging. Wieder diese leichten Zweifel, doch ich schüttelte sie wieder ab. Es musste einfach alles gut gehen. Es war alles so perfekt vorbereitet. Ich war mir sicher, dass ich an alles gedacht hatte, jede Möglichkeit im Kopf durchgegangen war und keinerlei Fehler im Plan gefunden hatte.





    Die Zeit verstrich während ich wartete. Mittag ging langsam in Nachmittag über und die Schatten wurden schon etwas länger. Die fast schon drückende Stille hing weiter über dem Grundstück. Nur gelegentlich hörte ich einen Vogel rufen, während die Zeit vorbei strich.
    Ich blickte nach unten auf meinen Schauplatz und horchte auf die Schritte, die sie ankündigen würden. Noch hörte ich nichts, aber es sollte nicht mehr lange dauern, bis der erste der Beiden an seinem ihm vorbestimmten Platz sein würde. Ich wusste, dass es er sein würde. Ich hatte ihm Ort und Zeit genannt und er war noch nie unpünktlich zu einem Job erschienen. Und auch wenn es diesmal kein normaler Auftrag war, würde er mich nicht enttäuschen. Ich hatte ihm in den letzten Tagen oft genug gesagt, was und wann er zu tun hatte. Er würde bald da sein. Ich wusste es einfach.





    Und ich irrte mich nicht, schon bald hörte ich seine leisen Schritte. Hörte wie die Absätze seiner Stiefel auf den abgewetzten Holzboden des Turms gedämpft klapperten, als er sich in dem alten Gemäuer versteckte. Ich war zufrieden, er war schon mal in Stellung.
    Kurze Zeit später hörte ich auch ihre Schritte. Sie ging schon wesentlich leichter als noch beim letzten Mal als ich sie gesehen hatte. Sie hatte immer noch Ringe unter den Augen, aber die Schwellung war zurückgegangen und blau war das Auge auch nicht mehr. Doch ich war wirklich froh, dass sie keine neuen Blessuren hatte. Robert schien ein wenig zurückhaltender mit seiner Zuneigung gewesen sein und ich war erleichtert. Das würde das Folgende zwar nicht leichter machen, aber es beruhigte mich.





    Annabelle erreichte die eingestürzte Mauer und ließ sich auf einem der Steine nieder. Sie sah nicht besonders glücklich aus, aber das war auch kein Wunder. Ich konnte ahnen womit sie sich beschäftigte und ich verfluchte im Stillen ihre Mutter, die sie an den Mistkerl gegeben hatte und Robert, der sie so schändlich behandelte.
    Ich hörte ihr leises Seufzen und litt mit ihr mit.
    „Bald“, flüsterte ich „bald bin ich für dich da. Nur noch ein klein wenig mehr Geduld.“
    Sie hörte mich natürlich nicht, aber ich vernahm, dass der Assassine sich in Position gebracht hatte. Er stand jetzt an der Mauer, die den Turm umrundete.





    Er hatte sich so leise bewegt, dass sie nichts mitbekommen hatte. Er stand jetzt so, dass sie ihn fast sogar sehen konnte, wenn sie den Kopf nur noch mehr nach links gedreht hätte. Doch sie tat es nicht und der Mörder wusste das mit seinen langen Jahren der Erfahrung in diesem Geschäft. Er wusste, dass sie viel zu sehr von ihren eigenen Gedanken eingenommen war um ihn zu bemerken.
    Ohne auch nur einen Laut mehr als leichtes Atmen von sich zu geben beobachtete er sie, wartete auf den richtigen Moment um zu zu schlagen. Genau wie ich. Innerlich total angespannt beobachtete ich jede noch so winzige Bewegung des Mannes. Wartete darauf, dass er sich in Bewegung setzte und mit dem anfing, was ich ihm mühevoll aufgetragen hatte.





    Und dann war es endlich soweit. Der Mann machte sich auf den Weg zu ihr. Ich hielt den Atem an, als er geschmeidig und ohne ein Geräusch zu verursachen über die brüchige Mauer kletterte und auf der anderen Seite der eingestürzten Wand entlang schlich. Er schaffte es auf kein Blatt oder Zweig zu treten, die auf dem Boden reichlich vorhanden waren. Der Assassine wusste genau wo sich sein Opfer befand und das sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt war, um ihn zu bemerken. Er versteckte sich hinter der abgebrochen Mauer und vor den Ästen des sich dort ausbreitenden Gestrüpps. Sein eines Auge fixierte Annabelle wachsam. Nahm jede ihre auch noch so kleinen Bewegungen wahr. Sein Atemrhythmus passte sich ihrem an. Er war der perfekte Jäger und sein Wild war ahnungslos. Zufrieden lächelte er, war sich seiner Überlegenheit bewusst und würde genau das tun, was er am Besten beherrschte.





    Ich machte mich bereit, sah die Szene von oben und stand parat um jederzeit eingreifen zu können. Ich wusste, dass jetzt die kritischen Sekunden anfangen würden. Die, die meinen ganzen Plan hinfällig machen könnten. Mein Herzschlag beschleunigte sich und jede Faser meines Körpers war angespannt. Jetzt war es gleich soweit und ich würde endlich wissen, ob mein kühner Plan von Erfolg gekrönt sein würde. Es war so gefährlich, wenn nur einer von uns den falschen Schritt machen würde, dann wäre alles hinfällig.
    Der Mörder machte den entscheidenden Schritt und trat aus seinem Versteck. Er hatte seine Waffe schon in der Hand und in dem Moment stand auch Annabelle auf. Der Mann machte einen langen Schritt und stand hinter ihr, immer noch ohne das sie ihn bemerkt hatte. Er würde tun, was ich von ihm verlangte und in dem Wissen machte ich auf den Weg nach unten.





    Und dann ging alles blitzschnell. Der Mörder packte Annabelle am Arm, während ich hinter ihm stand. Es tat mir in der Seele weh, dass ich ihr so etwas antun musste, aber es gab keine andere Möglichkeit. Ich hoffte nur, dass sie nicht allzu sehr leiden musste. Ich war sehr präzise gewesen als ich dem Mann seine Instruktionen gab und war guter Hoffnung, dass er es schnell und relativ schmerzlos machte.
    Ich sah das Messer blitzen und das Blut fließen. Annabelle keuchte auf, spürte die Kälte des Messers und gleichzeitig die Wärme des Blutes. Der Mörder ließ ihren Arm los und zog das Messer aus ihrem Rücken. Dann schüttelte er der Kopf, wie als wenn er aus einem Traum erwachen würde und versuchte den lästigen Gedanken daran aus dem Kopf kriegen. Er wusste nicht, warum er das gerade getan hatte, aber er war schon zu abgestumpft um etwas anderes als Verwirrung zu fühlen. Das alles nahm ich aber nur am Rande wahr. Ich war zu sehr auf Annabelle fokussiert, um mich um meinen etwas unwilligen Helfer zu scheren.





    Ich war neben Annabelle als sie zusammenbrach. Ich war so auf sie konzentriert, dass ich kaum bemerkte wie der Mann ging. Ich kniete nieder, hatte meine Hand auf ihrer Wunde und wartete auf den Moment, der alles entscheiden würde. Ich wusste, das es jeden Augenblick, jede Sekunde soweit sein müsste. Der eine magische Moment durfte mir nicht entgehen. Der Zeitpunkt in dem all meine Wünsche wahr werden würden.





    Annabelle stöhnte und ich versuchte ihre Qualen in mir aufzunehmen, damit sie es leichter hatte. Doch es funktionierte nicht. Leichte Panik machte sich in mir breit. Was ist wenn ich falsch gelegen hatte und es nicht klappte? Was ist, wenn ich alles aufs Spiel gesetzt hatte und doch verlor? Wenn sie mir jetzt starb, dann wäre ich dafür verantwortlich und sie wäre gestorben, ohne mir auch nur einmal in die Augen zu schauen. Das durfte nicht sein!
    Ich legte all meine Macht in die Waagschale und wurde belohnt. Sie atmete leichter, während ihr Kleid immer feuchter und dunkler wurde von ihrem Blut. Behutsam half ich ihr sich auf den Boden zu legen. Widerstand der Versuchung ihre Seele in mich aufzunehmen. Der Drang danach war stärker als ich vermutet hatte. Es lag in meiner Natur die Seele der Sterbenden einzufangen und das ließ sich nicht so einfach abschalten.





    Sie lag auf dem Boden und ihr Leben floss aus ihr heraus, während ich auf den richtigen Zeitpunkt wartete. Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln und ich hielt den Atem an. Annabelles Augen schloss sich und sie seufzte noch ein letztes Mal.
    In dem Moment stieg ihre Seele hinauf und ich griff nach ihr, während ich all meine Magie benutzte um ihre Wunde zu heilen. Ich hielt ihre Seele fest, nahm sie nicht in mir auf, obwohl jede Faser meines Wesens danach verlangte. Geduldig hielt ich dem Drang stand, gleichzeitig flüsterte ich ihrer Seele beruhigende Worte zu. Ich wusste, dass sie sie hören würde. Es war einfach die saubere Wunde zu heilen und ihr wieder Kraft zu geben, damit sie den Blutverlust verkraften würde. All das tat ich, obwohl ich wusste, dass man mich, wenn es schief ging, jeden Moment dahin strecken konnte.





    Ich bekam nicht mit, wie der Mörder sich weiter von uns entfernte. Zu sehr war ich damit beschäftigt Annabelles Leben zu retten. Ich richtete sie auf, nachdem ich mir sicher war, dass ihre Verletzung geheilt war. Ihre Seele hielt ich noch in meinem Bann, bereit sie wieder in ihren Körper zu verfrachten. Das war der einzige wirklich kritische Punkt, dem ich mich jetzt noch stellen musste. Wenn es mir nicht gelang, dann war alles umsonst.
    Beruhigend redete ich auf sie ein, versuchte sie zu überreden wieder zurück zu gehen. Sanft schob ich sie in Richtung ihres Körpers, aber ich war mir nicht sicher ob sie auf mich hörte. Ich hatte Angst sie zu früh los zu lassen, damit sie mir nicht doch noch entwischte und auf ewig verloren sein würde.





    Mechanisch stützte Annabelle sich auf ihre Arme, ohne ihre Seele war ihr Körper nur eine Puppe, die man in jede Position bringen konnte, die man wollte. Ihre Essenz hielt ich noch in meinen Händen, doch dann war der Moment gekommen. Ich musste loslassen und alles auf eine Karte setzen.
    Ich versetzte ihrer Seele einen letzten, leichten Schubs und löste meinen Griff. Gebannt beobachtete ich, wie sie einen Moment in der Luft schwebte, bevor es sie zurück in ihren Körper zog. Ich atmete erleichtert aus, der kritische Augenblick war vorüber. Körper und Seele waren wieder vereint. Annabelles Zeit war ja auch noch nicht gekommen und ich war mir sicher, dass der Trick nur deshalb funktioniert hatte.





    Doch ich war gespannt, ob mich Annabelle jetzt sehen konnte. Noch hielt sie ihre Augen geschlossen, nahm noch nicht alles wieder wahr. Fast schon zitternd vor Aufregung starrte ich sie an. Ich lächelte. Es war soweit, sie würde nun ihre Augen öffnen und mich hoffentlich sehen. So wie ich es ihrer Seele erklärt hatte in den Minuten die ich sie in meinem Griff gefangen hielt.
    Dann öffnete sie die Augen.
    „Hallo“, sagte ich lächelnd und wartete gespannt auf ihre Reaktion.


    *Fortsetzung folgt*


    Diesmal ging es schnell mit der Fortsetzung, ich weiß. Aber ich hatte die Location einfach im Kopf und kriegte das nicht eher raus, ehe ich nicht angefangen hatte zu bauen. :hrhr
    Und dann war es nur ein kleiner Schritt, ehe dieses so wichtige Kapitel fertig geknipst und geschrieben war. :D

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    FS: Sunrise Update: 04.06.19

    Einmal editiert, zuletzt von Llynya ()

  • Huiii, was für ein spannendes Kapitel! Jetzt hast Du uns aber ganz schön an der Nase herumgeführt. Ich nehme mal an, dass so ziemlich alle dachten, der Assassine solle Robert umbringen!!


    Als ich bemerkte, wohin der Hase in diesem Kapitel läuft, dachte ich zuerst, dass der Tod Annabelle umbringen wolle, damit sie bei ihm ist - aber dann wurde mir klar, dass das ja auch nicht funktionieren würde, weil er die Seelen ja nur "weitergibt" an das "Danach". Damit wäre sie also auch wieder verloren.


    Der Schachzug, den er gemacht hat, war sicherlich sehr riskant - aber es schaut ja so aus, als ob er funktioniert habe. Was mich dabei ziemlich schockt ist, wie verhältnismässig leichtfertig er dabei über Leben und Tod von Annabelle entscheidet. Ich meine, nur aus dem Willen, dass sie ihn wahrnimmt und sich ihm verbunden fühlt, hat er das Leben von ihr aufs Spiel gesetzt. Absolut vor ihrer Zeit, wohlgemerkt.


    Ich bin natürlich gespannt, wie es jetzt weitergeht - wie sie ihn wahrnimmt, woran sie sich erinnern kann. Und dann bleibt ja auch immer noch das Problem Robert. So lange der noch fröhlich in der Gegend herumspringt und sich an ihr vergeht, ist doch nicht wirklich viel gewonnen, oder? Mh... Du hast viele Fragen aufgeworfen.


    Dann frage ich mich ferner, ob dem "unwilligen Abgang" des Mörders noch etwas nachkommt. Auf dem Foto, wo man ihn weggehen sieht, nimmt man nur den Kopf des Todes wahr... hat das was zu bedeuten oder war das nur eine Grafiktücke? :rollauge:D


    Deine Location war wieder toll. Ich dachte mir nur, gut, dass der Tod nicht schwitzt, in der TRacht und bei der beschriebenen Hitze hätte ihn das ganz schön unsexy aussehen lassen :D

  • Huhu Zusammen,





    erstmal ein ganz großes Sorry dafür, dass es so lange nicht mehr weiterging hier. Aber wie die Meisten hier ja wissen, ist meine Mutter im vergangenen Dezember nach schwerer Krankheit gestorben und daher war mir meine Hauptfigur einfach zu Nahe, um hier weiterzumachen. :/





    Aber inzwischen geht es wieder bei mir und ich konnte heute schon mal die Bilder für das nächste Kapitel schießen. Ich versuche den Text dazu morgen fertig zu machen und dann geht es hier auch wieder regelmäßiger weiter. :)





    Ganz liebe Grüße an alle Leser



    Llyn

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    FS: Sunrise Update: 04.06.19


  • (Do you believe?) Don't ya trust me?
    Me wise magic, Baby just hold on
    (If you could see)
    Through my eyes, me wise magic
    (Van Halen – Me Wise Magic)





    Sie sah mich verwirrt an. Ich war mir sicher, dass sie mich gehört hatte, aber je länger sie schwieg, desto unsicherer wurde ich. Irrte ich mich? War es doch umsonst gewesen? Alle Mühe und Gefahr vergebens? Ich konnte es nicht glauben.
    „Hallo“, wiederholte ich mit einem leichten Stocken in der Stimme.
    Sie schluckte. „Hallo“, flüsterte sie. „Was ist passiert und wer seid ihr?“
    Mein Herz machte einen freudigen Überschlag. Es hatte funktioniert! Ich gewann.
    Bis ich realisierte, dass ich gar keine vernünftigen Antworten für sie hatte.





    Ja, ich gebe es zu. Ich war so damit beschäftigt eine Lösung dafür zu finden, dass sie mich überhaupt zur Kenntnis nahm, dass ich mir so gar keine Gedanken darüber gemacht hatte, wie ich ihr erklären konnte wer ich war und was passiert ist. Was konnte ich ihr schon sagen, ohne das sie denken musste, sie oder ich wäre total verrückt. Ich konnte ihr schlecht sagen, dass ich der Tod bin und sie gerade gestorben und wieder zurück geschubst worden war. Ich hatte trotz aller Überlegungen im Vorfeld total versagt, in dem ich total außer Acht gelassen hatte, wie ich die Dinge erklären sollte. Ich konnte ihr doch nicht die Wahrheit sagen. Wie hätte sie mir glauben können? Also tat ich das Einzige, was mir einfiel: ich suchte Zuflucht in Lügen.





    „Ihr seid ohnmächtig gewesen. Wahrscheinlich ist die Hitze schuld.“ Ich lächelte sie an. „Und mein Name ist Lucien und das hier ist mein Turm.“
    Während ich meine in Windeseile ausgedachte Erklärung abgab, setzte sie sich auf und stützte sich auf ihren Arm. Ich widerstand der Versuchung ihr dabei behilflich zu sein. Ich wollte nicht zu aufdringlich sein.
    „Wie kann das hier euer Turm sein? Ich komme schon seit Jahren hierher und habe Euch noch nie hier gesehen.“ Sie hörte sich verwundert an, stockte einen Moment und fuhr dann leicht verlegen fort: „Und mein Name ist Annabelle.“
    Ich weiß, schoss es mir durch den Kopf. „Freut mich Euch kennen zu lernen. Und was den Rest angeht, ist das ein wenig schwierig zu erklären. Vielleicht wäre es besser, wenn Ihr Euch erst einmal ein wenig ausruht, schließlich seid Ihr gerade umgekippt.“





    Sie nickte, aber stand dann doch auf.
    „Wollt Ihr nicht noch einen Moment liegen bleiben?“ fragte ich besorgt.
    „Nein, es geht schon. Vielen Dank.“ Aber ihr Körper strafte ihren Worten Lügen. Sie schwankte und fasste sich an den Kopf. Ich sprang auf, eilte hinter sie und legte ihr meine Arme um den Körper in der Hoffnung, dass ich sie stützen konnte, wenn sie umfiel.
    Doch soweit kam es nicht, sie fing sich wieder.
    „Vielleicht habt Ihr doch Recht“, lenkte sie allerdings ein. „Mir ist doch noch ein wenig schwindelig.“
    „Dann kommt“, sagte ich und deutete auf die Treppen vom Turm. „Setzt Euch einen Moment auf die Treppe und ruht euch noch ein wenig aus.“





    Sie nickte erschöpft und ließ sich widerstandslos von mir in Richtung Treppe führen. Ich versuchte sie nicht zu berühren, obwohl jede Faser meines Körpers danach schrie. Ich wollte nicht feststellen, dass sie mich jetzt zwar wahrnahm, aber ich immer noch Körperlos war und keine Chance hatte, ihr jemals auf diese Art nah zu sein. Ich wusste, dass ich den großartigen Erfolg dieses Tages feiern sollte, aber konnte nicht umhin mich zu fragen, was für Schwierigkeiten noch auf uns warteten.
    Wenigstens hatte ich auf dem Weg zur Treppe noch ein wenig Zeit meine Geschichte für sie zu verfeinern. Es tat mir weh, dass ich nicht ehrlich zu ihr sein konnte, aber ich sah in dem Moment keinen anderen Ausweg als Lügen. Die Wahrheit würde sie nur verstören, rechtfertigte ich mein Handeln vor mir.





    Sie ließ sich auf die Treppe fallen und lehnte sich erschöpft gegen das Geländer. Ich setzte mich neben sie und sah sie besorgt an. Vielleicht war doch alles zu viel gewesen, vielleicht hatte ich doch zu viel riskiert, schoss es mir durch den Kopf.
    „Kann ich etwas für Euch tun?“ fragte ich nach einer Weile des Schweigens, obwohl ich natürlich wusste, das meine Möglichkeiten begrenzt waren.
    „Nein, vielen Dank. Es geht gleich schon wieder.“ Antwortete sie und zwang sich zum Lächeln. „Obwohl Ihr mir vielleicht erzählen könntet, was eigentlich passiert ist. Das Letzte was ich weiß, ist, dass ich aufgestanden bin um nach Hause zu gehen.“
    „Nun, ich habe Euch vom Fenster aus gesehen, wie Ihr aufgestanden seid und wie eben kurz geschwankt habt. Dann seid ihr umgekippt. Und das ist alles.“ Ich hörte selbst, wie dünn meine Erklärung klang, aber sie schien sie glauben.





    „Und Ihr seid mir dann gleich zur Hilfe geeilt?“ Fragte sie mit einem Zwinkern.
    „Natürlich, ich musste doch sehen, ob es Euch gut ging.“ entgegnete ich ihr lächelnd.
    „Wie ritterlich von Euch“, schmunzelte sie. „Aber ich frage mich immer noch, wie Ihr der Herr dieses Turms sein könnt, wenn der Turm schon seit Jahren verlassen ist. Wart Ihr lange auf Reisen?“
    „Wie gesagt, das ist schwer zu erklären“, versuchte ich mich herauszureden, doch sie ließ nicht locker.
    „Dann versucht es. Ich werde mich bemühen Eurer Erklärung zu folgen.“ Das Lächeln, mit dem sie mich noch vorher bedacht hatte, war verschwunden, ersetzt von einem nach einer Antwort verlangendem Stirnrunzeln.
    „Es ist nicht so, dass ich denke, dass Ihr dem nicht folgen könntet. Ich befürchte eher, Ihr werdet mir kein Wort glauben.“ Ich seufzte leise.
    „Versucht es doch einfach“, flüsterte sie ebenso leise.





    Ich schluckte. „Na schön, ganz wie Ihr wollt. Was würdet Ihr denken, wenn ich Euch sagte, dass ich schon lange nicht mehr hier zu sehen war, weil ich schon lange nicht mehr in dieser Welt weile.“
    Sie schnaubte ungläubig. „Ich würde denken, Ihr seid verrückt. Wollt Ihr etwa sagen, dass ihr ein Gespenst seid?“
    „So etwas in der Art, ja.“ So ganz gelogen war es ja nicht, redete ich mir ein. Man könnte mich als eine Art Geist bezeichnen, auf jeden Fall was meine Erscheinung anbelangte. Ich versuchte mit einem Lächeln die Worte glaubhafter zu machen. „Ich bin schon eine lange Weile hier, ohne das mich jemand wahr genommen hat.“ Auch wieder eine Wahrheit zwischen den Lügen. „Und glaubt mir, niemand ist überraschter als ich, dass ich mich mit Euch unterhalten kann.“ Wieder gelogen. „Ich weiß nicht, wie ich es Euch beweisen kann, dass ich die Wahrheit spreche.“ Ich stoppte mich, um nicht noch mehr zu sagen, was nicht stimmte.
    „Können Geister nicht durch Wände gehen? Versucht es doch damit.“ Sie hörte sich nicht so an, als würde sie mir auch nur ein Wort glauben.





    Ich stutzte. Natürlich, das war die Lösung, wenn sie mich jetzt sah, dann könnte sie auch sehen wie ich so etwas machte.
    Ich nickte ihr also zu und stand auf, und verschwand durch die Turmtür ohne sie zu öffnen. Nur um gleich wieder aus dem muffigen Turm zu treten und mich wieder neben sie zu setzen.
    „Nun, glaubt Ihr mir jetzt?“
    Sie sah mich ungläubig mit vor Überraschung geweiteten Augen an und sagte kein Wort. Ich befürchtete schon zu weit gegangen zu sein, aber dann rang sie sich ein Lächeln ab und lachte sogar leise. „Ich schätze, ich habe nun keine andere Wahl mehr als Euch zu glauben.“
    „Stimmt“, lachte ich erleichtert. Soweit so gut.
    „Wie lange seid Ihr schon hier? Und wie ist es dazu gekommen, dass Ihr hier seid?“ Ihre Neugier war erweckt worden und ich konnte sehen, wie sich die Fragen in ihrem Kopf häuften. Erfreut über ihr Interesse bemühte ich mich mir eine plausible Geschichte für mich auszudenken.





    Und während sich der Himmel langsam rosa verfärbte, erzählte ich ihr, dass ich vor langer, langer Zeit hier im Turm gelebt hatte und in der Ferne gestorben war.
    „Nach meinem Tod bin ich dann hierher zurückgekehrt und seit dem wache ich über mein altes Zuhause“, schloss ich meine ziemlich kurz gehaltene Erklärung.
    „Und was habt Ihr die ganze Zeit hier gemacht? Nehmt Ihr die Zeit überhaupt so wahr wie wir Lebenden?“ Annabelle klang total fasziniert, was ich ihr eigentlich gar nicht zugetraut hätte. Darum war ich umso überraschter über ihr Interesse an meinem vermeintlichen Dasein als Gespenst.
    „Das ist schwer in Worte zu fassen. In erste Linie habe ich die Besucher meines Turms beobachtet. Zuerst die Plünderer, die den Ort verlassen vorgefunden haben und später dann die Menschen, die hier Zuflucht vor dem Wetter gesucht haben. Und natürlich die Leute, die sich aus keinem anderen Grund als Ruhe zu finden hierher verirrt hatten.“ Ich zwinkerte ihr zu und wurde mit einem weiteren Lächeln belohnt. „Aber nein, ich nehme Zeit nicht so wahr wie die Sterblichen. Ein Augenblick kann für mich eine Ewigkeit sein, aber Jahre können vorbeiziehen ohne, dass ich das Verstreichen von Zeit bemerke.“





    „Das hört sich irgendwie ganz schön einsam an.“ Sie klang traurig und einen Moment tat es mir Leid, dass ich mir das alles so ausgedacht hatte. Aber im Grunde hatte sie Recht, ich war einsam und es war mir vorher nie bewusst gewesen ehe sie es nicht ausgesprochen hatte. Ob sie damit nun den Geist Lucien oder den Tod angesprochen hatte spielte für mich keine Rolle.
    „Nun, das ist es auch“, gab ich zu. „Darum bin ich auch froh, dass es jetzt jemanden gibt, mit dem ich sprechen konnte.“
    Sie blickte schüchtern zur Seite, als wäre ihr meine Feststellung unangenehm. Eine leichte Röte überzog ihr helles Gesicht. „Nun, dann bin ich froh, dass ich Euch mit meinem Schwächeanfall helfen konnte. Aber jetzt sollte ich wirklich gehen. Es wird bestimmt bald schon dunkel und ich will nicht, dass jemand mich suchen kommt.“
    Sie stand auf und ich bekam Panik, dass ich sie vielleicht nicht wiedersehen würde. Schließlich konnte ich sie jetzt nicht mehr heimlich beobachten, jetzt wo sie mich sehen konnte. Noch etwas was ich nicht bedacht hatte.
    Schnell stand ich auf und griff ohne zu überlegen nach ihrer Hand.
    „Wartet“, bat ich in dem Moment als meine Haut die ihre berührte und uns Beide ein Schauer durchzuckte.





    Sie sah mich erstaunt an und ich konnte die Wärme ihrer Hand in meiner spüren, während die Zeit scheinbar still stand. Doch dann entzog sie sich meiner Berührung und der Moment der Verbundenheit verschwand so schnell wie er gekommen war.
    „Ich muss wirklich gehen“, sagte sie und ich konnte sehen, dass es ihr schwer fiel.
    „Bitte, ich möchte nur wissen, ob wir uns wiedersehen können. Ich habe schon so lange mit niemanden mehr gesprochen und es hat mir wirklich gefallen mit Euch zu reden“, sprudelte es aus mir heraus, während sie mit sich rang.
    „Vermutlich schon“, antwortete sie und fing dann an zu kichern. „Außer mir sieht Euch doch niemand, also kann ich euch auch besuchen, ohne dass es Gerede gibt. Also, ja. Ich komme Euch hier wieder besuchen, aber jetzt muss ich wirklich gehen. Bis bald.“
    Sie drehte sich um und ging dann langsam den Weg zurück, auf dem sie gekommen war. „Bis bald“, rief ich ihr hinterher. „Ich freue mich schon.“
    Ich stand noch lange gegen die Tür gelehnt da und starrte ihr hinterher, voller Freude darüber, dass der erste Schritt getan war.





    Es war schon vollständig dunkel als ich wieder zurück in meinem Wald, in meiner Zuflucht war. Ich konnte mein Glück immer noch nicht richtig fassen. Sie kannte mich jetzt und sie wollte mich wiedersehen. Nichts hatte mich je so sehr gefreut, wie diese Tatsache. Und doch nagte es an mir, dass ich ihr nicht die Wahrheit über mich sagen konnte. Es war schon Glück genug für mich, dass sie mir die Geschichte von Lucien abgenommen hatte. Alles weitere würde sich schon finden, davon war ich überzeugt.
    Und doch musste ich noch etwas tun, ehe ich mich vollständig wieder meiner eigentlich Arbeit widmen konnte. Ich musste noch jemanden einen Besuch abstatten an diesem Abend.





    Er machte gerade Feuer, als ich in seinem Heim ankam. Ich beobachtete ihn eine Weile dabei, nicht sicher, wie ich anfangen sollte. Ich spürte die Hitze des Feuers, mehr als ich so etwas jemals vorher gefühlt hatte. Vielleicht war es eine Nebenwirkung von dem heutigen Tag und der wundersamen Berührung zwischen Annabelle und mir.
    Ich ließ mich einen Moment durch den Gedanken an Annabelle ablenken und fuhr überrascht zusammen, als seine Stimme erklang.
    „Ich weiß, dass du da bist, auch wenn ich dich verdammt nochmal nicht sehen kann.“ Er klang zornig. „Zeig dich endlich, damit der Spuk hier ein Ende hat.“





    „Ich fürchte, es würde dir nicht gefallen, wenn ich mich dir zeigen würde.“
    „Verflucht noch eins“, stieß er aus und kehrte dem Kamin den Rücken. Ich war einen Moment verwirrt, ob er meine Worte doch vernommen hatte, aber dann fuhr er fort. „Wenn ich nur wüsste, was du von mir willst. Dann könnte ich den Mist machen und wäre dich endlich los.“
    Ich schmunzelte über diese Worte. „Eigentlich hast du meinen Mist schon erledigt und ich bin nur hier, um mich bei dir zu bedanken.“ Ich stellte mich vor ihm hin und sah ihm in die Augen. „Also vielen Dank für deine Hilfe!“
    Und mit diesen Worten verschwand ich und ließ ihn rätselnd zurück.



    *Fortsetzung folgt*

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

    2 Mal editiert, zuletzt von Llynya ()

  • Ich gebe zu, am Anfang gefiel mir deine FS nicht so richtig, warum genau, kann ich dir nicht sagen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich es ziemlich gewagt finde, aus der Sicht des Todes zu schreiben. Zufällig (okay, so zufällig auch wieder nicht, immerhin bist du die Storyschreiberin und in diesem Forum nicht ganz unbekannt) bin ich nun wieder auf deine FS gestossen und muss sagen, mit dem letzten Kapitel hast du meine Neugierde geweckt. ;)





    Ich muss Innad Recht geben, es ist schon erstaunlich, wie leichtfertig er mit ihrem Tod umgeht, nur damit er nicht mehr so einsam ist (was ich sehr egoistisch finde, bis vor kurzem war ihm das schliesslich noch egal). Wobei wenn man täglich mit Sterbenden umgeht, ist sowas wohl doch nicht mehr so spektakulär *schulterzuck*.





    Zum Glück hat Annabelle auf den Geist nicht mit einem "weiteren Ohnmachtsanfall" reagiert, sonst hätte er sich wohl die restliche Planung gleich wieder abschminken können. :D Auf jeden Fall bin ich gespannt, was er jetzt vorhat, schliesslich kann er sie nicht allein durch gutes Zureden von Robert wegbringen...





    Auf den Assassinen bin ich auch gespannt, du hast Andeutungen gemacht, die mein Interesse an ihm geweckt haben. ;) Vielleicht schnappt er sich Robert? Wie auch der Tod meint, der hat irgendein (dreckiges) Geheimnis und da wäre es nicht unrealistisch, wenn sich die beiden noch über den Weg laufen...





    Ich freue mich auf jeden Fall auf die nächste Fortsetzung!

  • Na, da ist der Plan doch aufgegangen, nicht wahr?



    Dass Annabelle die Geisterstory so gefasst aufgenommen hat, fand ich auch erstaunlich. Ist ja nicht gerade so, dass man jedem Tag einem gutaussehenden Geist in einem Turm über den Weg läuft :D


    Auf jeden Fall bin ich sehr gespannt, wie es zwischen den beiden jetzt weitergeht.



    Ich denke auch, das große Problem ist doch noch immer ihr schlagender Ehemann. Ob der Tod da nicht doch nochmal ein bißchen mit dem Assassinen flüstert?
    Und ich dachte mir doch, dass der auch was von seinem Auftraggeber weiß. Ob das noch ein Problem werden wird?
    MH, Fragen über Fragen...



    Ich freue mich jedenfalls sehr, dass Du weitergemachst hast, auch, dass Dir dafür langsam der Kopf wieder frei ist - *knuddel*